Nacht des Fuchses 2008

Die Salzburger Jägerschaft hatte auch heuer wieder pünktlich zu den winterlichen Vollmondnächten zum alljährlichen Massaker an den Füchsen in unseren Wäldern aufgerufen; der fadenscheinige Grund: Meister Reineke soll zu Gunsten des Niederwildes ‚reduziert‘ werden…
Gestern fand im Salzburger Tennengau zum wiederholten Male die unselige ‚Nacht des Fuchses’ statt, ein Anlass für die Jägerschaft, sich selbst zu feiern. Man dürfte den Grünröcken diese Zusammenkünfte eigentlich gar nicht absprechen, besonders jetzt, wo ihre Zunft langsam aber sicher jenen Tiefpunkt im öffentlichen Ansehen erreicht, welchen sie sich durch wahre Wahnsinnstaten über Jahrhunderte hinweg ehrlich und fleißig erworben hat, und sie nirgends mehr sonst als in bäuerlichen Gasthäusern, und dann immer nur unter ihresgleichen, gesehen werden wollen; wir könnten ihnen deshalb diese Möglichkeiten belassen, wo sie wenigstens unter sich noch einen sozialen Status innehaben, einen Treffpunkt der Psychosen und der Minderwertigkeitskomplexe. Wir sollten es einfach dabei belassen, eine Anhäufung von Sonderlingen mit komischen Hüten und Tierhaaren darauf, wenn, ja wenn da nicht jenes Faktum im Vordergrund wie ein Damoklesschwert über den Köpfen hinge – all jenen Versammelten ist es erlaubt, mit Waffen durch die Gegend zu ziehen, mit scharfer Munition ausgestattet Felder und Wälder zu durchpflügen, immer darauf vorbereitet, ein Leben auszulöschen! Darüber sollte der Gesetzgeber wirklich nachdenken.

Doch zurück zum gestrigen Abend: wie jedes Jahr fand die ‚feierliche Streckenlegung’, die Präsentation der Opfer zur Tennengauer ‚Nacht des Fuchses’ in Scheffau bei Golling statt.
Gar viele Menschen, viel mehr als im letzten Jahr, hatten sich versammelt, um der so steinzeitlich anmutenden Prozedur beizuwohnen. Eine Blasmusikgruppe stand Spalier, dazwischen ein Auflauf der Interessierten, mit ziemlicher Sicherheit allesamt der Jägerschaft zugetan. Männer mit Gamsbärten, in Leder und Loden, Frauen im Pelz, Frauen mit umgehängten Fuchsfellen samt Kopf und Pfoten, Kinder, denen das Töten irgend wie schmackhaft gemacht wird, mit Mären von Abenteuer- und Angstmach-Geschichten. Der Ort dieser Zurschaustellung konnte wohl nicht zynischer gewählt werden – am Vorplatzt der Dorfkirche, der heiligen katholischen Betzentrale, wo der einfache und sehr unzweideutige Satz ‚Du sollst nicht Töten’ zu den absolut unantastbarsten Insignien in der Glaubensschrift niedergeschrieben steht.
Und ja, da lagen sie, auf verschneitem, mit Tannenzweigen abgedeckten Boden; hier und da färbte sich der Schnee unter ihnen blutig rot, hinterließen ihre Körper triefende Pfützen. 31 Füchse an der Zahl. Auch 10 Mardern und einem Iltis war die ach so hehere Absicht, dass ‚Niederwild’ zu retten, zum Verhängnis geworden. Unter den Lustschreien der KollegInnen brachten später eintreffende, tapfere Naturbewahrer noch mehr leblose Wesen mit sich und platzierten sie mit freudenstrahlender Mine unter den anderen Leichen. Manche davon mit im Todeskampf weit aufgerissenen Mäulern, manche mit furchtbaren Wunden, welche einen tiefen Einblick in das Innenleben gewährten, wieder andere zusammengekauert, so als ob sie bloß schlafen würden. Im Getanze der Lichter, erzeugt aus Dutzenden Fackeln, mutete die Szenerie gerade zu gespenstisch an, leichenstarre Wesen im gefrorenen Schnee, beraubt jeden Funken Lebens, rundherum ein Gewühle von Imponiergehabe und seelischen Abgründen. Mitten darunter auch viele Kinder, welchen diese erste Lehre in der absoluten Lauterkeit, der unabdingbaren Grausamkeit der Kreatur Mensch, wohl für die nächsten Jahre im Gedächtnis bleiben wird; einige davon werden sich von diesem Schock, den der Anblick so gnadenlos getöteter Mitgeschöpfe wohl auslösen muss, schwer erholen, von Alpträumen geplagt – einige andere werden diese Hürde dann überspringen, um nicht zuletzt auf Grund des frühkindlichen Ereignisses zu ähnlichen Gefühlskrüppeln wie die so selbstherrlichen Töter, die eigentlich ihre Vorbilder sein sollten, zu werden.

Ein guter Freund, freischaffender Journalist und Fotograf, begleitete uns in diese ‚Höhle des Löwens’. Was uns am Ort des Glaubens, entweiht durch die unmittelbare Präsenz des Todes und der mutwilligen VerursacherInnen dessen, erwartete, spottete jeder Beschreibung; Sie werden merken, mein Schreibstil ist wohl aggressiver als sonst, aber diese Zeilen sind im Noch-immer-Eindruck des Erlebten entstanden. Kaum hatten wir nämlich, unter bestimmt mehr als hundert Anderen, die blutgetränkte Wiese betreten, wurden wir mit einem sehr unfreundlichen und bestimmten ‚Ihr seid hier nicht Willkommen’ empfangen. Es sei uns nicht gestattet, uns hier aufzuhalten; mein Freund, der Journalist, in dessen Ausweis die Worte ‚Alle Organe und Dienste……werden angewiesen, dem Inhaber dieser Presselegitimation bei der Durchführung seiner journalistischen Arbeiten ihre Hilfe angedeihen zu lassen und ihn in seiner Bewegungsfreiheit…nicht zu behindern’ wie selbstverständlich prangen, wurde gleich uns auf das Übelste verleumdet. Der Satzungslaut im Presseausweis ist übrigens überall in der Welt gleich, egal ob in China, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, in Bolivien, in Asabeidschan oder im Kongo. Offensichtlich gilt er aber nicht in Jägerkreisen, wir wurden beleidigt, bedrängt, mit Schimpfwörtern bedacht und immer wieder am Fotografieren gehindert.
Während ich für mich diese Vorgehensweise noch irgend wie nachvollziehen kann, natürlich kennen uns einige der Damen und Herren längst von diversen Anti-Jagd-Veranstaltungen, sind meinem Verständnis für die Behandlungsweise des Freundes sehr viel engere Grenzen gesetzt. Es kann nicht sein, dass ein unbescholtener Bürger, noch dazu in der Ausübung seines Dienstes, sich seiner Unversehrtheit nicht mehr sicher sein kann, im Umgang mit Menschen, welche im Zuge einer öffentlichen Veranstaltung immer wieder dazu aufrufen, sich dort einzufinden und dem Spektakel beizuwohnen. Es gibt nur einen Ausdruck hierfür: es ist eine Blamage, eine regelrechte  Schande für eine sich selbst als fortschrittlich und modern bezeichnende Gemeinschaft, wo Meinungsfreiheit und Recht auf Leben zu den Grundpfeilern der Verfassung zählen. Wie wenn die Pest an unseren Sohlen klebte, wurde unsere Schritte mitverfolgt, begleitet von immer wiederkehrenden Geplänkel und Anfeindungen. Wir waren ob der aggressiven und aufgeheizten Stimmung mehr als einmal am Überlegen, den Ort vorzeitig zu verlassen, hielten aber letztendlich doch bis zum Schluss durch.

Das war auch gut so: zu Ende der Veranstaltung, nachdem alle Todesschützen für ihren mutigen und so selbstlosen Einsatz für die Allgemeinheit mit dem ‚Purple Heart’, in Jägerkreisen ein Tannenzweig, ausgezeichnet worden waren, und nach der üblichen Ansprache, wie wichtig die selbstlose Naturverbundenheit der Grünröcke doch für die ökologischen Prozesse sei, kam ein Oberjäger auf uns zu. Es schien im offensichtlich unangenehm, was da vorgefallen war und er begann ein auf De-Eskalation bedachtes, sehr informatives Gespräch. Seine Worte vermochten die Lunte des Dynamits, deren Flamme sich gefährlich dem Sprengkörper angenähert hatte, zu löschen.
Der Jäger bat um faire Berichterstattung, und wir möchten uns für seine Mühen herzlich
bedanken; welche Worte die Feder der Journalistenfreundes verlassen werden, darüber möchten wir keinerlei Einfluss ausüben – er wird die Zeichen der Zeit verstanden haben, aber sehr wahrscheinlich, weil er ein ‚Guter’ ist, auch die Tatsache, dass es überall Menschen gibt, die einer Konversation nicht abgeneigt und bemüht sind, ihre Sache den Mitbürgern verständlich zu machen. So lange es eine Gesprächsbasis gibt, sollte diese genutzt werden, ohne wenn und aber. Aus Sicht des Tierschutzes allerdings hat sich die Basis zunehmend entfernt, hinausgewagt auf all zu dünnes Eis, und – der Frühling ist im Anmarsch…

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