10 gerettete Seelen

Es ist bitter kalt in Sarajevo. Der Wind pfeift von den Bergen und treibt Schneeböen vor sich her, ganz so, als ob er das gesamte Land in einen Mantel aus Eis und Schnee legen möchte. Wie eine Welle tiefen Schweigens breitet sich die kristallene Schönheit aus, begräbt eine noch immer klaffende Wunde aus Bürgerkrieg, ethischen Grundsatzhass und Wehmut wenigstens für Augenblicke des anhaltenden bosnischen Winters.

In Goga’s Tierheim sitzen immer noch hunderte Hunde und warten auf ein bisschen Glück, auf ein bisschen Wärme. Sie sind allesamt von der Straße aufgelesene, von der Tötungsstation freigekaufte. Goga tut ihr menschenmöglichstes, um diesen Ausgestoßenen der Gesellschaft eine Heimat zu geben. Ihr Kampf ist ein endloser, überwältigt von der Immense der Aufgabe steht sie jeden Tag wieder vor selbigen Problemen – einfach nur zu Überleben, in einem Umfeld, welches voll gesogen von Gewalt gegen Wehrlose, ein immer gieriges Monster der Unmenschlichkeit, ihr wieder und wieder auf’s Neue den Boden unter den Füßen wegzureißen droht.  Sie betreibt eine Insel der Hoffnung, dort, wo Hoffnungslosigkeit zum Alltag geworden ist.

Sarajevo, die Perle Bosniens, tötet viele Hunde. Von 10 000 jedes Jahr ist die Rede! Die Stadt finanziert eine Tötungsstation, nährt den Wahnsinn, mehrere 100 000 Euro im Jahr kostet dieser Aufwand. Blutgeld, triefendes. Irgend jemand verdient am Tod, rücksichtslos wird der Sensenmann gefüttert, bis er platzt. Der allmächtigen Dollar, er verlangt einen hohen Preis – es ist nicht mehr und nicht weniger als der Preis der Menschlichkeit…

 

Für Kastrationsprojekte bleibt nichts übrige im löchrigen Budget. Es ist eine kurzsichtige Milchmädchenrechnung, die ganz wenige reich macht und 10 000 Verlierer zurück lässt;  10 000 Hundeleben, im Osten oft nicht mehr wert wie der Staub zu den Füßen. Ein Ärgernis in den Augen der Stadtbewohner, wie der fallende Schnee, den letztendlich die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des nahenden Frühlings wegwischen werden – ohne Spuren, es wird keine bezeichnenden Gräber geben für die Opfer dieses Krieges. Und doch kann Töten niemals unsichtbar gemacht werden, weder vor der menschlichen Seele noch vor Mutter Erde selbst; der Staub zu den Füßen ist genährt vom Blut Unschuldiger und jene schaurigen Erdwälle über den tiefen Gräben, dort wo die Opfer ihre letzte Ruhe finden, werden einst das Entsetzliche wie nicht heilen wollende Narben bezeugen. Als Mahnmäler des Irrsinns, menschliche Schandflecken, werden sie Wind und Wetter trotzen, unbezwungen selbst von der fortschreitenden Erosion. Unauslöschlich eingegraben in die Geschichte, eine Geschichte, in welcher ‚Mensch’ längst von Hüter zum Zerstörer, zum Luzifer aller Spezies geworden ist.

 

Wir haben unser Auto voll geladen, angefangen vom Hundespielzeug bis zu medizinischen Artikel und Reinigungsmitteln. Auch auf die Menschen haben wir nicht vergessen, so führen wir einige Taschen mit schöner Kleidung mit uns. Das Katzenhaus bekommt einen riesigen Kratzbaum aus vielen, vielen Teilen, gespendet von unseren Freundinnen der Tierhoffnung International.

Eine Fahrtgemeinschaft ist unterwegs, mehrere Stationen sind von TierschützerInnen europaweit zu bewältigen, die Räder der Rettungsfahrzeuge bahnen ihren Weg über verschneite Straßen und graben ihre unsichtbare Spur entlang der Autobahnen. Unsere Fahrt, nur wenige Stunden gedacht, wird eine schier endlose sein. Wir starten in Salzburg gegen 10.30 Uhr, doch schon vor dem Tauerntunnel ist vorläufig Endstation, bleibt unser Einsatz unbelohnt – ein Unfall erzwingt eine Sperre, Ausweichen ist nicht möglich, da über die Berge Schneekettenpflicht besteht. Erst gegen 14.30 sind wir dann wieder unterwegs, es ist wie verhext, zu allem Unglück verfahren wir uns auch noch. So treffen wir erst gegen halb sechs in Ljubiana auf unsere Freunde. Es ist ein freudiges Wiedersehen, doch die einbrechende Dunkelheit verlangt ein schnelles Handeln. Die Hunde müssen zur Toilette, dankbar nehmen sie die halbe Stunde schnüffelnd und markierend an. Ihre Betten sind gemacht und schon bald befinden wir uns am Rückweg, die einen in Richtung Bosnien, die Hilfsgüter bis in den letzten Winkel der Fahrzeuge gestopft; bei uns im Auto haben 10 Hunde Platz genommen, 10 von 150 aus Goga’s Asyl, welche die Chance auf ein neues Leben erhalten haben. Noch können sie ihr Glück nicht richtig begreifen, angstvoll und müde drängen sie sich auf den Sitzen, in den Hundeboxen. 10 herzallerliebste Geschöpfe, entrissen den Klauen einer herzlosen Konsumgesellschaft, dort, wo Narzissmus und Gewinnstreben längst die Ufer der Lehren Christi unterspült haben.

Spenden für Goga

 

Erneuter schwerer Schneefall auf den Passstrecken verlangsamt unsere Fahrt erheblich und so treffen wir schließlich erst gegen 10 Uhr Abends in Deutschland ein. Hier beginnt der letzte Teil der Reise für die Hunde. Ein mal noch umladen, einmal noch zwei Stunden Autofahrt, dann werden glückliche Menschen sehr bald noch glücklichere Tiere in die Arme schließen und einen Bund für’s Leben mit diesen eingehen! Keine Bande ist stärker als die Liebe, und Liebe, dass ist es, was die kranke Seele heilen wird!

 

Bitte helfen Sie uns, solche Momente zu einem fortwährenden Zustand zu gestalten. Ich glaube, wir haben es schon einmal erwähnt: natürlich gibt es auch bei uns arme Hunde, natürlich bersten auch unsere Heime über von suchenden Herzen. Aber ‚unsere’ Hunde haben eine reelle Chance, und der Tod ist nicht ständiger Begleiter ihres Daseins. Wir leben in einer Welt der Globalisierung, der Ort ‚Erdengemeinschaft’ ist durch die ausufernde Technik – Fluch und Glück zugleich – ein kleiner Platz geworden und selbst die verbliebenen Insel der Unberührtheit schrumpfen zusehends; natürlich ist es so, dass die einzig sinnvolle Alternative Kastrationsprogramme und Selbsthilfe in jenen Ländern darstellen – aber so lange dort keine umfassende Hilfe geboten wird, so lange sich nur ganz wenige Menschen finden, welche bereit sind unter all den Entbehrungen und Ausgrenzungen von Seiten einer nicht verstehenden Gesellschaft diesen Kampf um’s Überleben aufzunehmen, so lange ist es unsere verdammte Pflicht, auch dort zu helfen. Sie haben recht, 10 Hunde, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, und weniger als das – aber andererseits, lassen Sie uns dieser unumstößlichen Tatsache ins Auge blicken, rettet jeder Transport Leben und gibt Hoffnung – Hoffnung für die, die sich ansonst völlig allein gelassen fühlen und ohne diese Lichtblicke irgend wann an der Schwere ihrer Aufgabe zerbrechen werden!

Der Blick hinüber zum Nachbarn, und in Zeiten wie jenen, wo Flugzeuge den Himmel brechen, wo Allradfahrzeuge die steinigsten Wege erklettern, wo Nahrungsmittel über 10 000de Kilometer zu uns gebracht werden, nur damit wir auch im kalten Winter Bananen genießen können, ist selbst der entfernteste Ort dieses Planente gewissermaßen zum Nachbarn geworden, erfordert Tierleid unsere ausgesteckte Hand. Sehen wir nicht weg, bauen wir keine neuen Mauern auf, nun, da die Mauern der Staatenbünde an den Globalisierungs- und Handelsabkommen der Mächtigen längst zerbröckeln wie das Eis der Gletscher im Klimawandel. Bauen wir diese Wälle nicht wieder auf an anderer Front.

Die Tiere kennen keinen Patriotismus, ein Hund aus den USA wird jenen aus dem Irak genau so behandeln, wie er es mit einem Artgenossen aus eigenem Umfeld tun würde. Lernen wir dieses gottgewollte Vertrauen, lernen wir von unseren Mitgeschöpfen, denen wir Tag für Tag eine Hölle auf Erden bereiten haben…sie werden verzeihen, was ‚Mensch’ ihnen angetan hat, spätestens dann, wenn wir uns selbst verzeihen. Wir sind es den Tieren schuldig .. und wir sind es unseren Nachkommen schuldig!

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