Am Kälbermarkt in Zwettl

Im Zuge unserer Recherchen an den Schauplätzen der Kälbermärkte verschlug es uns gestern ins niederösterreichische Zwettl.
Leider hatte in den gestrigen Nacht- und heutigen Morgenstunden in Salzburg ein herzzerreißender Noteinsatz (wir werden in den nächsten Tagen darüber berichten!) unseren Zeitplan etwas durcheinander gewirbelt, und so erreichten wir unseren Zielort erst gegen halb 10 Uhr vormittags, wo dann das Abladen und Eintreiben der dort zum Verkauf angebotenen Tierbabys schon abgeschlossen war.

Am gestrigen Tag wurden zwischen 400 und 500 Kälber, allesamt so zwischen einem und drei Monaten alt, auf der Versteigerung präsentiert. Die hunderten Tierbabys sind zu Mastzwecken bestimmt – ein Faktum, welches nichts anderes bedeutet als dass die Fleischindustrie sie zu einem sehr kurzen Leben in erstickender Enge (wenig Bewegung fördert die Gewichtszunahme…) verdammt hat…
Zahlreich waren sie gekommen, die Landwirte und Rindermäster, ‚hier ist die Ware noch billiger als z. B. in Amstetten (wo wir die letzte Recherche durchgeführt hatten, Anm.), weil Zwettl doch ein bisschen abseits liegt und nicht so einfach zu erreiche ist‘, wird uns von einem Bauern verraten. ‚Die meisten der Tiere werden in die Umgebung verkauft, bis runter nach St. Pölten und in den Wiener Raum‘, verrät ein Mäster. Ob so manche Kälber auch nach Italien oder an andere auswertige Schlachthöfe gebracht werden würden, möchten wir gerne wissen. ‚Natürlich kann das auch vorkommen, ist aber eher die Ausnahme.‘
Sehr begehrt sind Kälber der schnell gewichtszunehmenden Rassen, wie es etwa solche der Gattungen Fleckvieh‘ und ‚Blauweiße Belgier‘ versprechen. Hierfür steigt der Preis dann auf 4 Euro und mehr (pro Kilogramm; wie schlimm ist es wohl schon um uns bestellt, wenn wir Leben in Schlacht-Gewicht messen?…), der Ausrufpreis beträgt meist um die 2,50 Euro.

im ‚Wartesaal‘ gibt es wie überall an solchen Plätzen herzzerreißende Einzelschicksale…

Von der in früheren Zeiten hauptsächlichen Rasse in dieser Gegend, dem ‚Waldviertler Blondvieh‘ ist überhaupt nur ein einziges Kalb zum Verkauf angeboten. Auf der Liste eines Landwirten ist dieses aber schon ausradiert. ‚Ich streiche alles weg, was ich auf keinen Fall kaufen möchte. Das ‚Blondvieh‘ gehört dazu, die sind zwar irrsinnig robust, aber dafür wachsen sie viel zu langsam. Und der Fleischhauer zahlt halt nicht nach Gesundheit sondern nach Kilogramm‘, werden wir informiert.

Wir setzen uns ins Publikum um mit einer Fotodokumentation zu beginnen. Es dauert keine paar Minuten, bis zwei Angestellte des Zuchtverbandes erscheinen und sehr rüpelhaft nach dem Grund des Fotografierens fragen. ‚Wir arbeiten für die Zeitung‘, lassen wir wissen – was ja nicht gelogen ist, auch wenn es dann ein Tierschutz-Magazin sein wirdJ
Die Arbeiter kontrollieren die mitgebrachten Ausweise peinlich genau, bevor sie ihre Vorgesetzen aufsuchen um Bericht über die mögliche ‚Bedrohung‘ zu erstatten.
In der Zwischenzeit verlassen wir die Ränge und inspizieren den Stallbereich, den ‚Wartesaal‘ der immer nervöser und ängstlicher werdenden Tierkinder.

‚Arena‘ des NÖ-Genetik-Rinderzuchtverbandes


Die Auktion beginnt in diesen Minuten und erste Kälber werden von den Treibern – welche die Babys übrigens für die Landwirte für etwa 1 Euro oder ein bisschen mehr pro Tier (Auskunft eines Arbeiters) in die Arena befördern – unsanft gepackt und der wartenden Menge zur Schau gestellt. Auch hier gehört das Schwanzumdrehen zum Grund-Repertoir der Treiber, an Ohren und Gliedmassen werden die Tiere der Versammlung entgegen gezerrt. Wie im alten Rom, Einzug der Todgeweihten, ohne Chance auf Gnade, ohne jegliche Hoffnung auf eine glückliche Fügung des Schicksals; Todesstrafe vorbestimmt, unweigerlich.



Leider kommt nun wieder ein Arbeiter und versucht uns in ein Gespräch zu verwickeln, gerade jetzt, wo wir ein Kalb nur wenige Meter von uns entfernt entdeckt hatten, welches bewegungslos am Rücken liegt, und zwar quer über zwei weitere Tiere hinweg. Hektisch beginnen zwei Männer das Kalb wegzutragen, wohin oder wie der Gesundheitszustand des Tieres ist, können wir nicht in Erfahrung bringen. Wir verabschieden uns dann, müssen noch weiter ins nicht all zu weit entfernte Krems, um dort die Heuschreckenhaltung in einem Baumarkt zu überprüfen und um dann spätestens gegen 13 Uhr in Wien zu sein um unsere Esel-Ausstellung im Zuge einer Pferdefachtagung der Tierschutz-Ombudsschaft Wien (wir werden Morgen von diesem Ereignis Berichten!) aufzubauen;
So bleibt gerade noch genug Zeit eine letzte Runde in der Halle zu drehen; wieder entdecken wir ein offensichtlich bewegungsunfähiges Kalb, welches in die (leere…) Wasserrinne gekippt war und dort vergessen worden schien. Man sieht uns kurz stehen bleiben und sofort laufen wiederum zwei der Arbeiter heran und heben das entkräftete Kalb aus der ‚Falle‘ – bestimmt war es schon lange dort gelegen, ohne dass das irgend jemanden interessiert hätte…



Zwettl dürfte tatsächlich ein Markt für Kleinbauern sein, denn der Parkplatz vor der Halle präsentiert sich zwar brechend voll, allerdings sind dort fast nur Traktoren und PKW’s mit Anhängern, Platz für 2 oder 3 Kälber geparkt. Allerdings drängt sich dann auch schon der eine oder andere LKW bekannter Tierhändler zwischen die Massen aus Blech. Der ‚Fortschritt‘, der immer mehr zu unserem Feind zu werden scheint, macht eben auch vor dem Waldviertel nicht länger halt. Wir müssen uns wohl endgültig verabschieden von der ‚guten alten Zeit‘, welche aber zumindest für die (‚Nutz‘-)Tiere ohnehin niemals so gut gewesen sein dürfte – willkommen in der Moderne, des Zeitalters wo die Tierqual ein nie gekanntes Ausmaß erreicht hat, wo ‚Mensch‘ sich selbst zum Gefangenen seines eigenen Freiheitstraumes gemacht hat.
Wie dem auch sei, unser letzter Blick gilt den auf die lebende Fracht wartenden Anhängern; die allermeisten präsentieren sich völlig ohne jegliche Einstreu und diejenigen, in welche eine Unterlage gegeben wurde, weisen meist eine erbärmliche Menge von Stroh oder Sägespänen auf; warum spart der/die LandwirtIn so oft auf Kosten der Tiere, das ist die wohl berechtigste Frage…

 

 

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