Leben und Sterben des kleinen James

Teil 5 unserer Serie über Tierversuche von Heike-Ingeborg Karwatzki              

Die Geschichte von James (aus dem Jahr 1997)
Sieben Monate lang arbeitete Michelle Rokke als Undercover-Agentin innerhalb von Huntingdon Life Sciences – als einziges Signalfeuer des Mitleids in einer ansonsten gewalttätigen Umgebung. Michelle wurde Augenzeugin der Frustration, des Horrors und der Folter, die das Leben der Tiere bestimmen, die in diesem „Forschungs"-Labor gefangen gehalten und täglich vergiftet werden.An den meisten Tagen tat Michelle nach der Arbeit etwas, das die meisten von uns für emotional unmöglich halten würden – sie durchlebte das Leiden des Tages noch einmal, indem sie in ihrem privaten Tagebuch die Gräueltaten, die sie gesehen hatte und den Schmerz, den sie gefühlt hatte, festhielt. ihre Tagebucheinträge dokumentieren ein klares und detailliertes Muster von schrecklicher Gewalt gegen Tiere und illegaler betrügerischer Wissenschaft. Diese Tagebucheinträge, zusammen mit Fotos und undercover- Videobeweismaterial brachten HLS fast dazu, ihre Tore dauerhaft zu schließen.Ihr Tagebuch enthält über einhundert Seiten herzzerreißende Geschichten und ist unmöglich am Stück zu lesen. Die Geschichte von James ist eine der berührendsten und traurigsten in diesem Tagebuch. Wir sind Michelles Tagebuch durchgegangen und haben alle Passagen, die sich mit James beschäftigen, in chronologischer Reihenfolge angeordnet.Die Geschichte von James ist tief berührend und beunruhigend. Sie dreht sich um die unbegreifliche Verbindung zwischen einem neugierigen kleinen „Labor"-Affen und seiner einzigen Hoffnung auf Sicherheit – Michelle. Die zärtlichen Momente, die sie teilten, werden von James‘ psychologischem Verfall als Opfer grausamer Misshandlung überschattet. Michelle war in der Lage, die einzige Form von Liebe und Trost bereitzustellen, die dieser kleine Primat in seinem kurzen Leben kennen lernen sollte. James ist nun tot, aber sein Tod muss nicht umsonst gewesen sein. Es gibt jetzt in diesem Moment einige hundert andere Affen wie ihn bei HLS – für die KEINER die wenigen, seltenen Momente der Güte schafft, die James hatte. Es liegt an jedem und jeder von uns, heute und jeden Tag zu handeln, bis die Türen von Huntingdon Life Sciences sich für immer schließen.



KAPITEL EINS – November
21. 11. 1996 Donnerstag, HLS; Ich war in Raum 957. Dort befindet sich ein männlicher Affe, Nr. 6988, der sich an die Käfigstäbe krallt, während er auf die Tür schaut. Er ist sehr neugierig und war der enizige Affe, der nicht in den hinteren bereich des Käfigs zurück sprang, als ich hineinkam.
28. 11. 1996DonnerstagHLSIch ging in Raum 957, der zur Procter & Gamble-Studie gehört, um einige Fotos zu machen. Die Primaten haben alle sehr viel Angst vor Menschen und springen in den hinteren Käfigbereich, wenn sich die Tür öffnet. Die ersten Affen, die bemerken, dass die Tür sich öffnet, stoßen einen Warnschrei für die anderen aus, und der Raum hallt von aufgeregten Schreien wider.Alle Affenkäfige sollten mit „Anregungs"- Spiegeln ausgestattet sein, und diejenigen Primaten, die genug Glück hatten, einen zu bekommen, benutzen ihn zu ihrem Vorteil. Sie sind so schlau, sie benutzen die Spiegel nicht, um ihre eigenen Spiegelbilder anzuschauen, sondern sie benutzen sie, um mitzubekommen, was in verschiedenen Teilen des Raumes vor sich geht. Sie beobachten verstohlen jeden, der in den Raum geht, tun so, als seien sie nicht interessiert, verpassen aber kein Detail. Nr. 6988 ist anders als der Rest. Er bleibt tapfer vorn im Käfig, seine Füße auf den Stäben, während er auf dem einsamen Sitzstange hockt. Seine Hände sind immer um die Stäbe gekrallt, in der Nähe seines Kinns. Ich gab ihm eine Erdnuss und er nahm sie mir sanft aus der Hand.

KAPITEL ZWEI – DEZEMBER
7. 12. 1996SamstagHLSIch putzte den P&G-Raum, 3314. Ich habe begonnen, das freundliche Männchen in 957 ‚James‘ zu nennen. Er ist immer so neugierig, hat keine Angst. Die Affenkäfige werden gesäubert, während die Affen darin bleiben, und die meisten der Affen klammern sich im hinteren Teil des Käfigs fest, so hoch, so weit weg vom Wasser, wie sie nur können. Wenn ihnen das Wasser zu nahe kommt, machen sie ängstliche Gesichter und versuchen, wegzukommen, wobei sie panisch schreien. Als ich James‘ Käfig säuberte, blieb er auf der Sitzstage in seiner üblichen Position und sah dabei zu, wie der Dreck aus der Käfigpfanne entfernt wurde. Er mag es, das Wasser zu beobachten und heute hat er Wassertropfen vom Käfig geleckt, als ich mit dem Saubermachen fertig war. Ich hielt den Schlauch nach oben, und er fing die Tropfen mit seiner Zunge auf. Die Affen tun mir Leid – sie haben soviel Angst vor Menschen, fast alle von ihnen sind sehr eingeschüchtert, wenn Leute bei ihren Käfigen stehen bleiben. Ich bin nicht sicher, wieso dieser kleine Kerl so anders ist, aber sicherlich gehört er nicht hierher. Keiner von ihnen gehört hierher.
8. 12. 1996SonntagHLS; Ich machte Raum 3314 sauber. In einigen der Käfige fehlen die „Anregungs"- Spiegel, die in jedem Käfig sein sollten.In Raum 957 war James freundlich und neugierig wie immer. Einige andere Affen nehmen ein „Leckerli" aus meiner Hand, aber die meisten von ihnen kommen nicht in den vorderen Teil des Käfigs, wenn ich dort bin.All diese Affen sind so traurig. Sie leben isoliert in winzigen Käfigen ohne irgendeine mentale Stimulation oder Gesellschaft. Ich glaube, der Grund dafür, dass James immer vorn an seinem Käfig hängt, ist, dass er so einsam und verängstigt ist. Er gehört nicht in diesen Käfig in diesem Labor und er weiß das.
15. 12. 1996SonntagHLS; In 3314 machte ich Fotos von James. Es ist schwierig, die anderen Affen zu fotografieren, weil sie so verängstigt sind, dass sie nach hinten in den Käfig springen und sich zur Käfigwand drehen. James ist immer vorn in seinem Käfig und schaut sehnsüchtig auf die Tür. Er sieht so traurig aus. Er zeigt Interesse an den Dingen, die ich ihm zeige, wie den Schlauch und meinen ID-Button, aber mir scheint, er sieht sie nur an, weil es nichts Besseres zu tun gibt.
21. 12. 1996SamstagHLS; In Raum 957 rennt mein freundlicher kleiner Affe, der an der Käfigtür hängt, mich seine Hand streicheln lässt und Wassertropfen aus dem Schlauch trinkt, nun nervös durch seinen Käfig. Ich konnte kein Foto von ihm machen, weil er soviel herumrannte. Ich konnte nicht herausfinden, wodurch sich seine Persönlichkeit in einigen wenigen Tagen so verändert hatte. Später sah ich auf der Verhaltenstabelle, dass ihm am Tag vorher zum ersten Mal eine Magensonde gelegt worden war.Wo ich vorher Einsamkeit sah, sehe ich nun Angst, die an Hysterie grenzt. Ein Erkennen, dass das, was für diesen kleinen Affen eine schlimme Situation war, sich nun in seinen größten Alptraum verwandelt hat.
28. 12. 1996SamstagHLS; James hing wie üblich an der Käfigtür und starrte sehnsüchtig die Tür an. Als ich vor seinem Käfig innehielt, drehte er sich um und sah mir in die Augen. Sein Gesichtsausdruck verriet tiefe Kontemplation. Er betrachtete jeden Teil meines Gesichtes, legte den Kopf schief und gurrte leise. Wir sahen uns lange gegenseitig in die Augen und zu meiner Überraschung streckte dieser kleine Affe seine Hand aus und berührte meine Stirn. Er streichelte sie einmal sanft und betrachtete die Haarsträhne, die aus meiner Schutzhaube hing. Zu meiner Überraschung begann er, mich sanft zu kämmen, er bewegte seine Finger sanft durch meine Haare und hielt nur kurz inne, um näher an die Käfigstäbe zu kommen, die uns trennten.Nach einigen Minuten sagte ich ihm, dass er jetzt an der Reihe sei, und er hörte auf und bot mir seinen Kopf dar Als ich meine Finger durch sein babyweiches Fell bewegte, wobei ich seine Bewegungen zu imitieren versuchte, hatte ich das Gefühl, ihn schon immer zu kennen.
29. 12. 1996SonntagHLS; Zum ersten mal seit Monaten freue ich mich darauf, zur Arbeit zu gehen. ach gestern habe ich das Gefühl, endlich einen Freund im Labor zu haben. Als ich den Raum betrat, hing James wie üblich vorn an seinem Käfig und starrte die Tür zum Korridor an. Als ich vor ihm kniete, streckte er sofort seine Hände nach mir aus und begann ungeduldig an meiner Schutzhaube zu zerren, um mehr von meinem Haar herauszuholen. Er bewegte seine Finger über meinen Kopf und ich kann nicht anfangen, zu beschreiben, was für ein wunderbares Gefühl das war. Die Verbindung zwischen mir und diesem Affen ist mit nichts zu vergleichen, was ich vorher empfunden habe. Dass er mir vertraut, wo ich in meinem weißen Laboranzug und meiner Schutzhaube genau aussehe wie die anderen Techniker, ist schlicht unglaublich. Es mag daher kommen, dass ich mich anders verhalte als die anderen Techniker. Ich habe mir immer die Zeit genommen, „Hallo" zu sagen, wenn ich mit ihm allein im Raum war, und ich achte darauf, ihn nicht mit Wasser zu bespritzen, wenn ich seinen Käfig saubermache. Ich denke, er weiß, dass ich anders bin als die anderen Angestellten, dass ich dort bin, um ihm zu helfen – nicht, um ihm weh zu tun.


KAPITEL DREI – JANUAR
01. 01. 1997MittwochHLS; Habe 3314 saubergemacht. Mein kleiner James war heute morgen ziemlich fertig. Er hing vorn am Käfig, wie immer, aber er wollte mich nicht ansehen. Er nahm Popcorn aus meiner Hand, als ich es anbot, aber er war sehr abwesend. Ich schaute auf den Raumplan, um zu sehen, ob er eine weitere „Gewöhnung" ans EKG oder Magensonde hatte durchmachen müssen, aber der Plan war schon weggenommen und durch einen neuen ersetzt worden.
04. 01. 1997SamstagHLS; 3314 saubergemacht. Nr. 6698, ab4a, — James, sah mir in die Augen, als ich vor seinem Käfig kniete. Er streckte die Hand aus und begann mich zu kämmen. Ein paar Strähnen meines Haares hingen aus der Haube und er begann, es sanft durchzukämmen. Als ich meine Hand ausstreckte, zwickte und streichelte er meinen Arm und meine Hand. Er glättete meine Augenbrauen. Dann streckte er sich aus, sodass ich ihn streicheln konnte.Als ich mit Saubermachen fertig war, bot ich ihm eine halbe Orange an. Er wollte sie nicht nehmen, also steckte ich sie in den Käfig und quetschte sie durch sie Käfigtür, wo er saß. Er sah mich an und leckte und knabberte an der Orange, während ich sie hielt. Für einige Minuten hielt er die Orange nicht selbst, sondern aß nur, während ich sie für ihn festhielt. Er war so sanft, als er sie aß. Obwohl seine Zunge meine Hand fast berührte, wusste ich, er würde mich nicht beißen.
05. 01. 1997SonntagHLS; James war im Stress. Er starrte die Tür an und rüttelte verzweifelt an seiner Käfigtür. Dann sah er mir in die Augen und begann mich zu kämmen.
25. 01. 1997SamstagHLS; Ich schaute ins Beobachtungsbuch für 96-3314 und sah, dass bei James in den letzten sieben Tagen rückgängige Aktivität und abgezehrte Erscheinung eingetragen waren. Ich ging am Ende des Tages hin, um ihn zu sehen. In Raum 958 war Blut abgenommen und gespritzt worden, kurz bevor ich hineinging. Er saß in einer aufrechten Embryonalstellung, sein Kopf tief unten. Als er die Tür ins Schloss fallen und alle anderen Affen schreien hörte, zeigte er die Zähne auf ängstliche, unterwürfige Weise. Ich hatte das schon viele Affen tun sehen, aber noch niemals James. Er betrachtete mich, während ich bei seinem Käfig kniete, und starrte dann wieder auf seine Füße. Er bewegte sich etwas näher zum Fütterungsloch hin. Ich streckte eine Hand hinein und streichelte seinen Rücken. Er schaute mir in die Augen und als er sah, dass ich nichts tun konnte, außer zurückzuschauen, schloss er die Augen und kauerte sich wieder zusammen.26. 01. 1997SonntagHLSIch wollte James heute nach der Medikation sehen. Er saß in genau der gleichen Position da wie gestern. Er zeigte mir das ängstliche, unterwürfige Grinsen wieder und als ich bei seinem Käfig kniete, neigte er den Kopf auf die Brust und kauerte sich in einer aufrechten Embryoposition zusammen. Ich rieb seinen Rücken durch das Fütterungsloch, aber ich konnte ihn nicht dazu bringen, mich anzusehen. Seine Hände waren fest geballt und er krallte sie um seine Knöchel. Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen. Er ist so verängstigt.Ich versuche, mir vorzustellen, wie es wäre, James ohne Stäbe zwischen uns zu besuchen. Ich versuche ihn mir in einer natürlichen Umgebung vorzustellen, wo er sein Leben ohne Angst und Schmerz leben kann. Ich schließe die Augen und ich kann ihn am Ast eines wunderschönen Baumes hängen sehen statt der kalten Stahlstäbe seines Käfigs. Ich versuche, mich nicht zu fragen, ob er sich mir nähern würde, wenn er im Leben mehr hätte als die Betonwände eines Laboratoriums. Es kümmert mich nicht – der Gedanke an James frei und glücklich und sicher ist wichtiger als mein eigenes Bedürfnis nach seiner Gesellschaft.
29. 01. 1997MittwochHLS[Während des EKGs]; James zeigte wieder sein unterwürfiges Grinsen während der ganzen Festbinde – Prozedur, und als er einmal angebunden war, lag er still und starrte in den leeren Raum, als wenn er nicht wirklich da wäre. Sein Blutdruck und Puls waren merklich niedriger als bei den anderen Primaten.

KAPITEL VIER – MÄRZ
22. 03. 1997SamstagHLS; James saß ganz zusammengekrümmt beim Fütterungsloch, als ich hinging, um ihn zu sehen. Er streckte seine Hand sofort nach mir aus, und als ich vor ihm kniete, krümmte er sich wieder. Ich weiß nicht, ob er krank ist und deshalb diese Schonhaltung einnimmt, oder ob er sich „nur" elend fühlt Er ließ mich seinen Rücken streichen, aber er nahm nicht das „Leckerli", das ich ihm anbot.Ich kann nicht abwarten, dass die Procter & Gamble- Studie endlich vorbei ist. So sehr wie ich James liebe, so sehr erwarte ich, dass das Elend der Tests für ihn vorbei ist. Ich weiß, dass ich nichts tun kann, um ihm zu helfen, und ich wünsche mir jeden Tag, dass die Testsubstanz ihn tötet, sodass das Leid endlich vorbei ist. Das einzige, was mich an diesem Punkt weitermachen lässt, ist die Hoffnung, dass, wenn die Öffentlichkeit erfährt, wie unzuverlässig Tierversuche sind, vielleicht keine Tiere mehr leiden und sterben müssen. Firmen wie Procter & Gamble, die James gekauft und in ihrer Folterkammer versklavt haben, werden zugeben müssen, wie sinnlos Tierversuche sind. Sie werden alte Gesetze ändern müssen, um Mensch und Tier zu schützen.23. 03. 1997SonntagHLSJames saß in Embryonalstellung, wie üblich, und grinste mich unterwürfig an, als ich hineinging – dann sah er mich nachdenklich an. Er ließ mich seinen Kopf streicheln und streckte seine Schultern zurück, sodass ich seinen Bauch und seine Brust streicheln konnte. Alls ich seine Wange berührte, lächelte er ein wenig. Als ich aufstand, fiel er wieder in Embryonalstellung und ließ den Kopf hängen.
29. 03. 1997SamstagHLS; Etwa um 14:30 ging ich zu James. Es war seit der Medikation knapp eine Stunde vergangen, und er war noch ganz aufgeregt. Er saß angespannt auf der Sitzstange seines Käfigs als ich hineinging, und er grinste unterwürfig und humpelte zurück, als ich mich näherte. Er kam wieder nach vorn, als ich mich davor kniete und in den Raum starrte. Er ließ mich für eine Weile sein Bein streicheln, aber als ich seinen Bauch kraulte, begann der Affe im Nebenkäfig, an den Gitterstäben zurütteln und dabei wild zu schreien. Der ganze Krach erschreckte James, und er krümmte sich wieder in seine Embryostellung. Er hat mich heute nicht ein einziges Mal angesehen.
30. 03. 1997Sonntag; Bin heute zu James gegangen. Er hing an der Käfigtür und grinste unterwürfig, bevor er mich ansah. Er ließ den Kopf hängen und ich streichelte seinen Rücken. Er legte den Kopf zurück, damit ich seine Brust streicheln konnte. Ich sagte ihm, dass er zu weit weg war, als dass ich ihn berühren konnte. Er stand auf und ging nach hinten in den Käfig. Als er zurückkam, setzte er sich so nahe an die Käfigtür, wie er nur konnte. Ich rieb seine Arme und Beine und seine Brust für ein paar Minuten. James legte den Kopf zurück, öffnete leicht den Mund und schaute an die Käfigdecke. Der abwesende Ausdruck auf seinem Gesicht lässt mich denken, dass es für ihn schwieriger wird, Zärtlichkeit für einige wenige Minuten zu erkennen, als sie jemals überhaupt zu erkennen. Ich glaube, die meisten von uns kennen diesen Trick – sich distanziert und nonchalant verhalten, weil es dann vielleicht weniger wehtut, wenn jemand, den wir lieben, gehen muss.

KAPITEL FÜNF – APRIL
13. 04. 1997SonntagHLS; Als ich heute zu James ging, starrte er in meine Augen und dann auf seine Füße, als ich ihm Lebwohl sagte. Die meisten Affen in 3314, auch James, werden diesen Donnerstag und Freitag getötet. An ihnen werden jetzt alle möglichen Bluttests und EKGs gemacht, wo die Studie dem Ende entgegen geht, und ich habe ihm gesagt, dass ich ihn wahrscheinlich nicht noch einmal sehen kann. Als ich ihm das sagte, kam er zur Tür und drückte sein ganzes Gesicht gegen die Stäbe, wobei er mich anstarrte. Ich streichelte über seine Wange und flüsterte etwas zum Abschied. Als ich aufstand und er sich wieder in Embryostellung zusammenkauerte, begriff ich – zu spät – dass er sein Gesicht in Erwartung eines Kusses vorgestreckt hatte.
17. 04. 1997DonnerstagHLS; An der Tür zur Procter & Gamble-Studie hängt der Plan zur Einschläferung der Affen. Acht Affen werden für eine Erholungsperiode am Leben gelassen. Vier Kontrollaffen und vier der „Gruppe 5" – zwei von jeder Gruppe für jeden Raum. James wird Freitag eingeschläfert.Stephanie brachte die Affen in den Einschläferungsraum und strich ihre Namen auf dem Plan durch, als sie starben. Den ganzen Tag habe ich sie gesehen, wie sie in Mülltüten eingewickelte betäubte Primaten durch den Korridor in den Einschläferungsraum trug.Stephanie und einer der Abdecker versuchten, eine Vene zu finden, um einen „Gruppe 1"-Affen einzuschläfern. Ich konnte sehen, wie der Affe seine Hand zur Faust ballte und wieder entspannte, als sie suchten. Stephanie hielt ihn fest und der andere gab die Injektion. Ich habe schon gesehen, wie Abdecker ein großes Stück aus dem Arm des Affen hacken, um eine Vene zu finden. Der Abdecker injizierte dem Affen einen Teil irgendeiner Lösung, bevor er bemerkte, dass sie nicht hineinging, sondern nur unter der Haut blieb. Sie nahmen den anderen Arm und versuchten es noch einmal. Schließlich gelang es ihnen, die Lösung zu injizieren. Nur ein paar Sekunden später klopfte der Abdecker dem Affen auf den Kopf und fragte, ob er tot sei, bevor er wegging. Er verließ den Raum und Rich kam herein, um die Leichenschau zu machen. Er beklagte sich, dass Henning das eigentlich machen sollte, und dass er erst vor ein paar Minuten erfahren hatte, dass er hier herunterkommen musste. Er tippte die geschlossenen Augenlider des Affen an und fragte „Bist du tot?" und dann schnitt er ihn auf. Er öffnete den Hals und durchschnitt eine Arterie (Vene?), sah das Blut, das das Herz herauspumpte, sagte „Der Kerl hier könnte aber ruhiger sein" (was hieß, dass der Affe den Schmerz fühlen konnte), und fuhr fort, an ihm herumzuschneiden und zu -hacken.Nach kurzer Zeit war der Primat nicht mehr als eine flache, blutige Masse, die schnell in einen Mülleimer geworfen wurde, als Stephanie hineinschaute und fragte, ob sie schon fertig wären für den nächsten. Ich zwang mich dazu, ein letztes Mal mit James zu reden. Ich wollte nicht – ich ging an all den leeren Käfigen mit den offenstehenden Türen vorbei, deren vorherige Bewohner jetzt in blutigen Mülltüten im Kühlschrank liegen Mein kleiner Freund schaute mich an und streckte sich aus, sodass ich seinen Bauch noch ein letzes Mal streicheln konnte, und nahm schnell wieder seine Embryostellung ein, als ich mich verabschiedete.


19. 04. 1997SamstagHLS; Ich ging bei der Procter & Gamble-Studie vorbei. Der Raum ist bis auf die acht planmäßigen Überlebenden leer.

James ist tot.            


 

 

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