RespekTIERE IN NOT in der Slowakei

Langsam besiegt die Morgendämmerung die Finsternis der Nacht; letzte Nebelschleier sträuben sich an den Wasserläufen, kämpfen einen einsamen und aussichtslosen Kampf gegen die aufsteigende Wärme des beginnenden Tages. Wir sind seit Stunden unterwegs, bahnen uns unseren Weg gen Osten. Das Ziel der Reise ist einmal mehr im Herzen der Slowakei zu finden, dort, wo die fortschreitende Industrialisierung noch nicht restlos gegriffen hat, wo stalinistischer Geruch immer noch an den Betonsilos klebt, welche abertausende Menschen ihr Heim nennen. Schnell bringen wir die Wegstrecke zur österreichischen Grenze hinter uns, und bald darauf erreichen wir die slowakische Hauptstadt, Bratislava. Auch von dort hatten wir einen Notruf erhalten, eine einsame Tierschützerin stellt sich der Woge von Unmenschlichkeit entgegen, welche seit vielen, vielen Jahren kleine Inseln der Nächstenliebe, Auffangstationen für all die Rechtlosen, unaufhörlich umschwemmen. Die Ränder dieser Insel sind aus Sand gebaut, fortwährend unterspült von mächtigen Wellen einer nach Reichtum und schnellem Geld orientierten Gesellschaft; eine Gesellschaft, die für die Ärmsten ihren Armen über kein Notprogramm verfügt, nichts achtet als eigenes Prestige und den allmächtigen Dollar. Tatsächlich beweist schon die Stadteinfahrt dieses gewissenlose Streben, wo Beton-, Glas- und Aluminiummonster dem Besucher entgegenlachen, von beklemmend glatter Sterilität geschmückte Fassaden aufbauend, vom zweifelhaften Charme neonlicht-schreiender Reklametafeln umgarnt. Es sind Monumente der Ungeduldig ihrer Erschaffer, schnellstmöglich errichtet und oft schon vor der wirklichen Inbetriebnahme wieder dem Verfall preisgegeben. Ihr Sinn ist nicht der, sich der Landschaft und dem Charakter ihrer Umgebung anzupassen, vielmehr sind sie wie eine schallende Ohrfeige mitten ins Gesicht einer jahrtausende alten auf nativen Boden gewachsenen Kultur. Der neue Baustil veranschaulicht EU-weite Interessen, Interessen, welche die der Mächtigen sind und solche der weniger Begüteten gnadenlos untergraben. Die Bauwerke, riesige Einkaufszentren und Geschäftsbetriebe, künden von der Getriebenheit ihrer Erschaffer, wie niemals satte Monster verzehren sie in unstillbaren Hunger unaufhaltsam und in kaum begreifbar schnellen Zeiträumen jeden letzten Rest von einstiger Wärme und Geborgenheit, erlöschen mit giftigbraunem Wasser die immer spärlicheren Funken von früherer Gemeinschaftlichkeit. Sie zeigen präzise genau die Intention der Verwalter, scheren sich nicht um Vergangenes und finden auch in der Gegenwart kaum Halt, viel zu schnelllebig ist die neue Epoche – eine Epoche, wo – die Geschichte wird es weisen – letztendlich als große Errungenschaft nur eins übrig bleiben wird: es konnte ein allweltverständliches Wort für Gott, den Schöpfer, geschaffen werden; und dieser ‚neue‘ Gott, allmächtig und zornig und rachsüchtig, eine Bestie unter Bestien, einer der es geschafft hat, den letzten Rest von Menschlichkeit aus einer sich von der übrigen Schöpfung abgespaltenen Gattung, die sich selbst ‚Mensch‘ nennt und eine künstliche Trennlinie zwischen sich und allen anderen MitbewohnerInnen dieses einst so wunderbaren Planten formte, ja dieser neue Gott hat den gerechten Namen erhalten, zwei Silben, welche bis in die hintersten Winkeln unserer Mutter Erde gleichermaßen verstanden und bestaunt werden – der neue Prophet, der Angebetete, heißt Dollar oder Euro!!!!
Mitten in diesem Pott der Hässlichkeit existiert einer dieser eingangs erwähnten Inseln, umgeben von Bauruinen und boomenden Geschäftemachereine, von umgegrabenen einstigen Paradiesen, wo jeder Grashalm der Gewalt des Bulldozers geweicht ist, der Macht von Kränen und Motorsägen, durchzogen von gestürzten Baumgerippen, sterbende Riesen oft hunderte Jahre alt, doch in wenigen Stunden zersägt, vergewaltigt und geschändet. Wie ein Garten Eden streckt sich die kleine Fläche unseren hungrigen Augen entgegen, von meterhohe Brennesselmeeren bewacht. Hier darf ein Strauch noch Strauch sein, ohne jemals von einer heulenden Heckenschere auf EU-Norm zurechtgestutzt zu werden, hier strecken sich die Bäume noch kraftvoll und schattenspenden dem Himmel entgegen. Der Wind streicht beinahe zärtlich ihre Blätter, umspielt ihre Krone, doch der Friede ist ein trügerischer; denn in seiner Stimme ist bereits die Trauer und die Hoffnungslosigkeit zu hören – er, der von weit her über das Land geströmt ist und all diese Sünden gegen die Schöpfung selbst bezeugen kann…
Ja, auch diese Insel ist längst bedroht, erfahren wir später, schon möchte die Stadt das Asyl hier weg haben, jeder Quadratmeter ist eine wertvolle Devise, bringt schnelles Geld in die immer maroden Kassen.
Eine Frau in mittlerem Alter begrüßt uns herzlich, streckt uns ihre von Arbeit gezeichnete Hände entgegen; sie ist wunderschön, vielleicht nicht im Sinne des allgemein gültigen chirurgisch-plastischen Silikon-und Botox-gestählten Einheitsbrei, aber im Verständnis des Unnatürlich-Müdens. Ihre Augen leuchten in einer vom Herzen kommende Güte, ihre Wangen, obwohl von harten Lebensbedingungen geformt und von Falten durchzogen, strahlen ein gesundes rosafarbenes Leben aus. Ihr Lächeln verrät Liebe, eine Liebe zur Schöpfung, der selbst kommunistische Regime und der jetzige ausufernde Konsumwahn einer kapitalistisch geprägten Gesellschaftsform nicht die wahren Werte töten konnte! Auf Anhieb versteht man ihre Sprache, unbeachtet aller linguistischen Andersheiten des slawischen und des germanischen. Denn ihre Sprache wird nicht mit der Zunge gesprochen, ihres ist die Sprache des Herzens.

Frau Havranova und ihre jungen HelferInnen


Frau Havranova beherbergt rund 60 Katzen, allesamt ausgestoßene, vertriebene und ungewollte; hier haben sie Frieden gefunden, statt Verfolgung Herzlichkeit, statt Hass und Gefahr immerwährende Liebe. Ihre Behausungen sind einfach, aber zweckdienlich; allesamt haben sie ständig Zugang ins Freie, von großräumigen Gehegen umgeben, von Gitterdrähten bewacht, an welchen sich wilder Wein empor rankt, der es irgend wie schafft, dem kalten Stahl doch noch eine heimelig wärmende Note abzuringen. Das Grundstück ist klein, nur ein paar hundert Quadratmeter, aber jeder davon ist erfüllt von Leben. Frau Havranova ruft ihre MitbewohnerInnen allesamt beim Namen, weiß über jedes Tier unzählige Geschichten. Manchen wohnen hier seit der Errichtung, nunmehr 13 Jahre lang. Kaum jemals kommt wer um einer der Ihren ein zu Hause zu bieten, sagt sie mit einem leichten Zittern der Traurigkeit in ihrer Stimme, das passiert vielleicht vier-fünfmal im Jahr. So ist das Asyl langsam aber sicher vielmehr zum Gnadenhof geworden, zum Altersitz und gleichzeitig zur Kinderstube – in einem Raum säugt eine Katzenmutter ihre Babys, in einem Plastiksack hat sie vor wenigen Tagen ein hartes Herz auf den Türgriff es Eingangstores gehängt; eines der Kleinen ist blind, nur halb so groß wie seine Geschwister, sterbenskrank; doch Frau gibt die Hoffnung nicht auf, umsorgt das Baby wie vielleicht nur sie es kann.

Blick vom Haus in die Freiläufe der Hübschen…


wer kann so ein Wesen einfach aussetzen? Das kleine Kätzchen, geboren in eine Welt, die keinen Platz für sie zu bieten scheint, schreit um Hilfe…


die Kinderstube…


Auch sechs Hunde wohnen hier, allesamt hatten sie bereits neue Plätze bekommen, doch immer wieder wurden sie zurück gebracht, manche schon mehrmals. Sie fühlen sich im wahrsten Sinne des Wortes pudelwohl im Asyl, beschützt vor einer kalten Welt, die ihnen außerhalb dieser Mauern niemals Schutz gewährt hatte. Ihre Zwinger sind sauber, mit Spielsachen versehen, ihre Näpfe sind voll; sie sind wunderhübsch, gesunde Mischlinge, zweifellos sind es gute Hunde; aber die ‚neue‘ Slowakei, sie strebt viel mehr nach reinen Rassen…
Frau Havranova wohnt im kleinen Haus, hat dort ein noch viel kleineres Zimmer mit einem einfachen Bett und einem Dutzend Kartons, welche als Kästen und Regale dienen; alle anderen Räume sind belegt, selbst die Küche wird von Katzenscharen bewohnt. Ein kleiner, alter Ofen soll das ganze Areal in den kalten Wintermonaten heizen, inklusive der Hundezwinger und Katzenhäuser – fast eine Unmöglichkeit. So fürchtet man hier die kalte Jahreszeit, eine Zeit des Leides für die ganze, große Familie.
Luxus sucht man an diesem Platz vergebens, ist ein Gut, welches weder gewünscht noch gebraucht oder gar vermisst wird. Beschränkt auf das Notwendigste hofft man ein irgend wie ein Auskommen zu schaffen, und Liebe zum Geschöpf ist der Zaunpfahl, welcher dem Ganzen Leben einhaucht und trotz der unübersehbaren Armut den Ort zu einem Ort der Geborgenheit macht. Die gesamte Anlage und vor allem das ‚Wohnhaus‘ bräuchten aber dennoch dringenst Sanierungsarbeiten, die Elemente der Zeit haben allen Gebäuden stark zugesetzt.
Die Stadt bezahlt rund 700 Euro im Monat als Kostenzuschuss, damit muss die Existenz sichergestellt werden – 700 Euro, für den Tierarzt, für Frau, für Lebensmittel, für Strom, für Kastrationen und Sterilisationen, für Holz zum Heizen,… Unter diesen Voraussetzungen wird jeder neue Tag zum Kampf ums Überleben, Abstriche aller Art zum absoluten Muss. Zusätzlich hängt des Schwert des Damokles über dem Anwesen; die Stadt spricht immer lauter davon Grund und Boden zu veräußern und an eine der vielen, vielen auf diese Chance wartenden Firmen zu verkaufen. Der Quadratmeterpreis liegt angeblich höher als in Wien – Bratislava ist eine der neuen Spielwiesen der Finanzwelt, wo bevorzugte Projekte lange umgarnt und verwöhnt aber dann mindestens ebenso schnell fallen gelassen und ausgespukt werden. Übrig bleibt danach nur Lethargie und Leere, dort, wo früher eine Einheit geherrscht, wo buntes Leben war.

Wie überall in der Welt gibt es aber auch in Bratislava ganz großartige TierfreundInnen, ohne deren Hilfe dieser existenzielle Kampf zum Ding der Unmöglichkeit werden, eine Ende voraussehbar sein würde. Eine zusammengeschweißte Einheit bietet Hilfe in allen Lebenslagen, versucht internationale Unterstützung zu bekommen um Frau Havranova so gut als möglich zu entlasten. Es sind junge Menschen, voll der Energie, die mit liebevollen Augen das Mitgeschöpf betrachten, nicht infiziert vom Virus des Kapitals.
Wir laden die mitgebrachten Güter aus, vom Handtuch bis zum Katzenfutter, vom Hundespielzeug bis zum Kauknochen ist alles dabei – einmal mehr haben wir diesen Transport nur mit Hilfe unseres Partnervereins ‚Tierhoffnung International‘ (www.tierhoffnung-international.at) aus Vorarlberg geschafft; die Tierhoffnung wird ihren Namen immer wieder auf’s Neue mehr als gerecht, unentwegt bestrebt Sachspenden zusammenzusammeln und an jene zu verteilen, welche diese bitterst nötig haben! Unser herzlichster Dank dafür!!!!

Wir werden bestimmt noch öfters nach Bratislava zurück kommen und wie an diesem Tag Sammelgüter mitbringen, und wir werden das nicht nur für die Katzen und Hunde, sondern in Wahrheit auch für uns selbst tun; denn nach dem Abschied bleibt dank Frau Havranova ein warmes Gefühl in der eigenen Seele zurück, ein Gefühl der Hoffnung und Zuversicht.
Menschen wie Frau schaffen es nicht nur unzähligen Tieren eine Heimat zu schaffen, sie lassen auch uns immer wieder aufs Neue wissen, dass unsere Arbeit bei all dem Leid, dessen wir fast täglich Zeuge werden, doch eine unglaublich ergreifende und wunderschöne ist…

Bald darauf hat uns die Autobahn erneut verschluckt und führt uns gegen Norden. Tausende und abertausende Autos jagen hinter Schatten, einem ungewissen Ziel entgegen – Rastlosigkeit ist unsere moderne Krankheit… Drei Stunden später biegen wir in die schlecht asphaltierte Landstraße in Dubnica ein, dem Zufahrtsweg zu Herrn Viliam Jaros‘ Tierheim. Der Tierheimbesitzer erwartet voller Freude unsere Ankunft, fällt uns in die Arme. Ein Dutzend aufgeregter Hunde vergnügen sich, frei wie der Wind; Viliams Pferde mästen sich an den grasbewachsenen Hängen, heben bei unserer Ankunft nur ihre mächtigen Köpfe und ignorieren uns mit aufgeblähten Nüstern sekundenbruchteile später auch schon wieder. Die Ziegenherde dreht eine letzte Runde um das Asyl, bevor die Schönen zurück kehren in ihre Unterkünfte. Viel haben wir schon geschrieben über Herrn Jaros, und bei jedem Besuch müsste die Lobesliste auf seine Leistungen hier neu geschrieben werden. Er macht eine ganz wunderbare Arbeit, auch sein Platz zählt trotz aller so offensichtlichen Entbehrungen zu einem der ganz großen Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Wir können wieder eine Menge Sachen abladen, angefangen von Hundebetten bis hin zu den Futtersäcken; eine gute halbe Tonne an Gütern, welche wir einmal mehr nur unter kräftiger Mithilfe der Tierhoffnung International zusammen sammeln hatten gekonnt!

rund 40 Hunde warten zur Zeit bei Herrn Jaros auf ein neues zu Hause…




Herr Jaros hat en neues Gelände für sein Heim bekommen, nach einem Rundgang im ‚alten‘ Asyl fährt er uns zu diesem Ort. Im wahrsten Sinne über Stock und Stein quält sich sein zerbeulter Wagen an zerschlissenen Schotterstraßen, bis wir nach einigen Kilometern das Grundstück zu Gesicht bekommen. Eine magische Anziehung geht von diesem Flecken Erde aus, umgeben von wunderschönen Wäldern schmiegt sich eine gut 2 Hektar große Wiese in die sanfte Landschaft. Ganz stolz ist Viliam auf sein Haus dort, 7 000 Euro hat es gekostet meint er fast verlegen. Das Haus ist allerdings eine Ruine, es hat keine Fenster und keine Türen, die kahlen Wände sind graffitti-beschmiert, ein Dach ist nicht mehr vorhanden. Alle Arbeit daran wird er selber leisten. In den nächsten 2 Jahren möchte er das schaffen – und sein unerschütterlicher Blick verrät, dass dem dann auch so sein wird!

um hieraus ein bewohnbares Haus zu machen, wird viel Mühe nötig sein… Herr Jaros wird’s schaffen, so viel ist gewiss!


Die Dämmerung ist bereits hereingebrochen, als wir den Rückweg antreten. Wieder geht es vorbei an sonnenverbrannten endlosen Feldern, die Ruhe der späten Stunde taucht sie in fahles, doch wunderschön sanftes Licht. Gedankenschwer passieren wir verlassene Fabriken mit zerborstenen Fenstern, Mahnmale des einstigen kommunistischen Größenwahns; dann wird das Land leerer, unbewohnter. Schnell reihen sich stolze Wälder an einsame Gewässer und endlose Agrarwüsten; riesige Sonnenblumenfelder beleben die Triste, die Köpfe der stolzen Blumen zur Seite geneigt; wie ein Heer von müden Soldaten, geschlagene Krieger, zollen sie dem voranschreitenden Herbst Tribut, die Ernte wird sehr bald einsetzen.
Unsere Müdigkeit wird besiegt vom überschäumenden Gefühl, diesen Tag einmal mehr unter Menschen verbracht zu haben, die über eine mitreisende Kraft verfügen; Menschen, die die Lebensgemeinschaft Erde einen Schritt näher zu deren wahren Bestimmung führen. Miteinander kann die Devise nur heißen, und dieses ‚Miteinander‘ schließt nun nicht nur TierschützerInnen ein, sondern auch alle anderen denkenden Geistern, und insbesondere alle Lebensformen, die letztendlich nur als Gemeinsames überleben werden!

respekTIERE IN NOT denkt über eine neue Form der Auslandshilfe nach; die Gründung eines Einsatztrupps wäre ein Ansatzpunkt, ein zeitlich begrenzter Zusammenschluss von engagierten Menschen, die immer wieder an einen dieser Orte reisen, um dort an mehreren Tagen Aufbauarbeit zu leisten.

Wir bitten Sie vom Herzen um Unterstützung für diese so wichtigen Projekte, denn ohne Ihre Hilfe sind wir hilflos!

 

 

 

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