‚Esel in Mauretanien‘, die Zweite!

Einsatzbericht, Teil Zwei:
Wir besuchen heute eine ‚neue‘ Wasserstelle, eine jener, die unser Programm ergänzen und als Ausweichplätze dienen, falls an einer unserer wöchentlichen aus irgend einem Grund nicht gearbeitet werden kann – und solche Gründe passieren sogar relativ häufig: zum Beispiel aus Wassermangel, wenn der Brunnen leer ist, wenn der Mieter der Entnahmestelle seine Rechnungen nicht bezahlt hat und deshalb der Wasserhahn abgedreht wurde, oder als krasses Gegenteil, wenn der so seltene doch dann intensive Regen die Straßen dorthin unpassierbar macht (ein Umstand, den, so unwahrscheinlich er für die größte Ansiedlung der Sahara auch zuzutreffen scheint, wir alsbald am eigenen Leibe erfahren werden…); Dr. Dieng behandelt hier schon länger und er zeigt uns einige Patienten vergangener Tage: wir sehen einen Esel, der ein riesiges Cut an den Ohren erlitten hatte; die Wunde ist sauber vernäht und nur noch ein schmaler rötlicher Streifen zeugt von dem erfolgreichen Eingriff; ein weiterer litt unter einer enorme Entzündung der Hoden, diese ist nun im Abklingen und in spätestens einer Woche werden die Insignien der Männlichkeit auf Normalgröße geschrumpft sein, verspricht der Arzt;  ein anderer wurde von einer riesigen Wunde am Rücken geplagt, selbst hier sind nur noch Spuren sichtbar. Auch eine der leider sehr oft vorkommenden Augenentzündungen ist bereits in ein zufriedenstellendes Stadium ausgeheilt.

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Fotos – erste Reihe: Moussa bei der Arbeit, rechts Dr. Dieng und Praktikant Gueye; Mitte: Irmi zeigt wie Hufeschneiden auszusehen hat; rechts: ein Esel muss sediert werden; Fotos unten: Mohammed bei der Arbeit, rechts Moussa
Für hunderte Fotos vom Aufenthalt drücken Sie bitte diesen Link: https://picasaweb.google.com/RespekTiere/ImpressionenMauretanien

Wir freuen uns natürlich riesig dass das Team derart helfen kann, und diese Freude und Dankbarkeit spiegelt sich auch in den Augen der Eselhalter wieder. Inzwischen ist ihre frühere Zurückhaltung uns gegenüber längst einem offenen Kommunikationswunsch gewichen, und selbst dann, wo sie uns doch nur alle paar Monate sehen, empfangen uns viele der Eselhalter mit inniger Gewogenheit. Ganz offensichtlich, die zwischenmenschliche Basis ist eine andere geworden; während zu Beginn der mobilen Klinik noch einer gewissen Scheu und Zurückhaltung Vorrang gegeben wurde, wahrscheinlich beiderseits, gilt heute das Gegenteil; immer wieder sind wir in das Geschehen integriert, werden um Rat gefragt, werden mit Freundlichkeiten überhäuft – und das ist wunderschön. Die Menschen Mauretaniens sind von stolzen Völkern; sie sind kommunikativ, lebendig, freundlich, und obwohl ihr Dasein aus einem ständigen Kampf ums Überleben besteht, haben sie nie das Lächeln verlernt.
Dennoch, die immer wieder so offene Grausamkeit gegenüber Tieren ist ein Aspekt, der schwer mit ihrem so herzlichen Dasein konkurriert; Tierquälerei, viel zu oft gar nicht als Delikt erkannt, passiert aufgrund eines explosiven Inhaltes, welcher sich aus einer Mischung von völlig starrer Tradition und Unwissenheit über die Bedürfnisse der Mitgeschöpfe zusammensetzt; eine Konstellation, die nie zu Gutem geführt hat…

Die jungen Männer an den Wasserstellen nutzen die Gunst der Stunde, um ihre trotz des latenten US-Feindbildes immer verbreiteter werdenden Englischkenntnisse zu testen – keine Frage, die Weltsprache erfährt hier eine zunehmende Popularität (leider spreche ich zu meiner Schande nicht Französisch, was die Sache dann noch einfacher machen würde; so aber bleibt ein Vorsatz für die Zukunft!); sie sind äußerst interessiert am Fremden, betrachten die in diesen Breitengraden doch sehr ungewohnten Tatoos, und fordern zu Späßen und Spielen heraus; so zum Beispiel messen wir das eine oder andere Male unsere Kräfte im Armdrücken, wo dann aber tunlichst danach getrachtet wird, dass es nie einen Gewinner oder Verlierer gibt!

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Auch wenn angesichts des allgegenwärtigen Tierleides eine Äußerung wie die folgende bemerkenswert schwer fällt, sich gar wie Salz auf offener Wunde anfühlt, ich muss gestehen, ich liebe die meisten dieser Menschen hier vom Herzen – auch wenn gegenteiliges Gefühl im Angesicht schwer verletzter oder sterbender Esel wahrscheinlich wesentliche einfacher zu ertragen wäre.  Aber vielleicht ist es ja gerade der unabdingbare Glauben an das Gute im Menschen, welches ohne Zweifel in jedem von uns zumindest bruchstückartig vorhanden ist, der uns überhaupt erst dazu befähigt den Tieren beizustehen; wie auch immer, Hass, Wut und Feindlichkeit waren noch nie gute Berater. Wer es weiß, welcher Weg der richtige ist, der/die werfe den ersten Stein – die Zukunft allein wird ihr Urteil fällen…

Irmis so offene und nette Art gefällt der Eselhalterwelt bestens; der Arbeitstag gestaltet sich so zu einem äußerst kurzweiligen, lebendigen, eine Lernstunde, die hin und wieder sogar die Gabe in sich trägt, die latente Traurigkeit ob der Opfer einer gnadenlosen Hierarchie auf ein erträgliches Maß abzumildern – ein Überlebensrezept, auch für uns, zumindest während der Stunden im Feld! Freilich, erst zur Ruhe gekommen holt uns das Gesehene nur allzu schnell ein, und es gibt Momente, wo man ob der Heftigkeit des beobachteten Leides kaum ein Wort zu sprechen vermag; zum Beispiel dann, wenn man der Erlösung schwerer Gedanken durch den Schlaf harrt, aber Bilder des Alltags immer wieder vor dem geistigen Augen lebendig werden…

Irmi, immer gut gelaunt und in bester Stimmung, leistet übrigens Großes, sie schafft es tatsächlich in der Männerdomäne ‚Eselgewerbe‘ alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und überzeugt durch die hohe Kunst das Handwerkes – wir zollen ihr dafür tiefen Respekt! Sie ist die geborene Lehrerin, und zur Weitergabe ihres Wissens benötigt sie noch dazu keine Worte, allein ihre Hände und Gesten spechen eine allgemein gültige Sprache!

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Wir verteilen wieder viele mitgebrachte Geschenke, immer unter dem Aspekt dass der Beschenkte seinen Esel ganz besonders gut zu behandeln scheint. Schnell wechseln Sonnengläser, Taschenlampen und allerlei andere nützliche Dinge den Besitzer, die Ärzte erklären den überraschten und erfreuten Eselhaltern den Grund für die unerwartet bereitete Freude. Der Sinn solcher Vergaben besteht im Hoffen auf einen möglichst positiven Effekt, auf das Bewusstwerden des Esels nicht nur Arbeitskraft sondern als Freund, und auf tunlichste Nachahmer dieser neuen Regungen!  
An einem anderen Ort überreichen wir zwei kleinen Kindern – kaum 8 Jahre alt und anstelle der Schule im Schmutz der Straßen unterwegs – ebenfalls eine Sonnenbrille; die kleinen ‚Man in Black’ blicken freudestrahlend in die Kamera.

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Hinter einer Wasserstelle, in einem engen Innenhof, erweckt ein Getümmel von Menschen unsere Aufmerksamkeit. Es herrscht ein emsiges Kommen und Gehen und erst im Zoom der Kamera erkennt man was passiert – dort wird geschächtet! Zu oft haben wir dieses Szenario schon gesehen, so viel Blut und so viel Tränen; sie finden einen schmerzlichen Film über die grausame Tötungsart auf unserem youtube-Portal (
http://www.youtube.com/watch?v=nqTnQFI5mVw&list=UUKuxHEHGAT1ce9NS9Ff6f-w&index=20&feature=plcp, leider ist die Musik dazu eine nicht ganz passende, aber das Original wurde uns aus Lizenzgründen verboten zu verwenden; selbiges Video in deutscher Sprache hatte übrigens bereits fast 150 000 Klicks, bis ein muslimischer Mitbürger sich daran stieß und youtube schließlich davon überzeugt das Video vor der Öffentlichkeit zu verbannen…) – vor einigen Jahren haben wir diesen in Nouakchott, in Fakt nur einige Häuserblocks entfernt vom hiesigen Standtort, aufgenommen. Nichts hat sich während all der Zeit geändert an der Art des Tötens, nichts verkürzt die Länge des Leidens – nicht die letzten Jahre, und nicht die letzten Jahrzehnte, seit Jahrhunderten leben und sterben Schafe und Ziegen auf genau dieselbe Art und Weise, durch genau derselben Abfolge von Gewaltmechanismen – und, als großes Paradoxon, obwohl man nämlich jene Tötungsweise als von Gott erkoren, befohlen, niedergeschrieben in einem der ältesten Bücher der Welt, verkauft, werden dabei wahrscheinlich nur ganz, ganz selten werden selbst die allereinfachsten Schutzvorkehrungen des Koran – im selben Buche vom selben Gott verlangt – auch nur annähernd eingehalten. So zum Beispiel darf ein zum Sterben verurteiltes Tier keine anderen bereits getöteten Artgenossen im Blickfeld wiederfinden, kein Blut, nicht einmal ein Messer, nicht bis zum allerletzen Augenblick. Ich aber konnte nie und zu keinem Anlass beobachten, wie beim Tötungsakt etwa ein Gebet gesprochen wurde, wie Mordwerkzeuge versteckt, tote Tiere aus dem Blickkreis lebender entfernt, Blut weggewischt, das Opfer in Richtung Mekka ausgerichtet wurde. Vielmehr bestand und besteht der Akt aus einer sturen Abfolge, eine zu erledigende Arbeit, ohne jeder Spur von Heiligkeit, von Reinheit, oder auch nur Spiritualität; ‚halal‘, also ‚rein‘ ist dabei nur die Gier nach Fleisch, das Handwerk hierfür Routine im Töten; Erbarmungslosigkeit, menschliche Gewalt in ureigenster Form, gnadenlos; selbst Mitgefühl ausgeschlossen, nicht anders, als ob man Mais zerstampft oder Gemüse aus dem Boden zieht. So war es, so wurden Tiere getötet, vielleicht seit Anbeginn der Zeit, uns so soll es nach den Wünschen der Traditionalisten – jenen, die zwar das Ergebnis huldigen, doch den Weg dahin, heiligen Riten und Gebräuche, viel zu oft längst verlernt und vergessen haben – auch für alle Zeiten unabrückbar sein; aber alle alten Muster und Traditionen, nicht nur im arabischen Raum, auch im Westen, beginnen sich langsam und fortwährend abzunützen und geben die Sicht frei für eine Überdenkung vergangener Ansichten und auf eine neue ethisch angepasste Verhaltensweise – inshalla, so Gott will…

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Nach den vergangenen schrecklichen Tötungswellen  an Straßenhunden präsentierten sich die Wege in der Hauptstadt über einen kurzen Zeitraum hinweg fast leer von jenen Ausgestoßenen der Gesellschaft; dass das Morden abertausender Tiere aber noch nirgendwo in der Welt zum Ziel deren Eliminierung geführt hat, diese Botschaft ist weder hier noch in so vielen anderen Teilen der Welt zu den Verantwortlichen durchgedrungen. Nouakchott bildet da keine Ausnahme; selbst die Überreichung von 5 000 Protestunterschriften im Zuge unseres letzten Besuches wird wenig an der Tatsache ändern, und so bahnt sich eine neuerliche Katastrophe an – denn schon wieder prägen Hunde das Straßenbild, an jeder Ecke sieht man sie, selbst im realtiv wohlhabenden Viertel der Stadt. Manche davon sind geduldet, fast wie Semi-Haustiere, das heißt, oft sogar gefüttert von der Nachbarschaft, mit festen Liegeplätzen und Territorien, andere nicht; suchend, schleichend, von Hunger und Angst gezeichnet, bewegen sie sich wie Geister durch die Straßen, immer auf der Hut vor plötzlichen Angriffen. Und sie haben jeden Grund zur Vorsicht, denn wieder und wieder sehen wir wie Kinder aber auch erwachsene Männer Steine aufheben und nach ihnen werfen – fast sämtlichen Hunde ist deshalb eine allgemeine Furcht vor der Menschlichkeit gemein; nur nicht jenem in der Nähe von Saleck’s Haus, Buddy nennen wir ihn, ein wunderschöner blutjunger Mischlings-Teenager…  Er ist dürr, spindeldürr, doch trotz des Hungers und des Missachtet Werdens scheint er die Menschen um sich herum zu lieben; er isst auch, Saleck bringt ihm oft ein Stück Fleisch und die Inhaber des Restaurants gegenüber lassen ihn an Übriggebliebenem mitnaschen, aber er nimmt aus irgend einem Grunde kein Gewicht zu. Seine Rippen sind zu sehen, einzeln abzählbar, udn wenn er sich fest an usn schmiegt, ist sein Gewicht trotz der Größe eine völlig zu vernachlässigende Konstante … 

So treffen wir uns eines Abends mit Dr. Dieng, er hat ein Mittel gegen Tollwut mitgebracht dazu Vitamine und Anti-Parasitenmittel (Tollwut ist ein nicht zu unterschätzender Faktor in Mauretanien; tatsächlich erklärte uns die Bürgermeisterin beim letzten Aufenthalt, es gäbe 40 Tollwutfälle bei Menschen auf Grund von Bisswunden durch Hunde – pro Jahr! Dieser Wert scheint uns aber bei weitem als zu hoch gegriffen, Nouakchott wäre somit ganz bestimmt die Tollwut-Hauptstadt des gesamten Planeten,  aber eine gewisse Gefahr besteht ohne Zweifel. Dr. Dieng erzählt, er habe allein letzte Woche 2 Tollwutfälle bei Eseln den Stadtbehörden melden müssen… Jedenfalls dient die Krankheit als hochwillkommene Angstmache um den Hundemord damit zu legalisieren, ihn zu instrumentalisieren, ja ihn der Bevölkerung als gelobtes Heilmittel verkaufbar zu machen, nicht zuletzt um daraus politisches Kapital zu schlagen Wir kennen diese Abläufe nur zu gut, nicht anders passiert es in Bulgarien, Rumänien, wo auch immer, und selbst in den so reichen USA…). Buddy lässt die Behandlung ohne jegliche Gegenwehr über sich ergehen; und natürlich wartet danach eine Belohnung in Form eines Abendessens auf ihn! Wir suchen nun nach einem Weg ihn dauerhaft zu schützen – und vielleicht gibt es da schon eine Idee, doch dazu später 🙂

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Wir sind heute am Eselmarkt; der Ort des Schreckens, jener Platz, der in den persönlichen Erinnerungen eines oft so strapazierten Tierrechts-Gehirns den allerschrecklichsten Rang einnimmt. Es ist ein Ort, eingehend beschrieben in vergangenen Publikationen, wo der Tod allgegenwärtig ist, den dieser wohl als sein Wohnzimmer bezeichnen würde.

Schon 2006 haben wir folgende Worte über ihn verloren, und bis heute hat sich jene Einstellung nicht abgenutzt: ‚…die wahre Tragödie spielt sich außerhalb der Verschläge (der Eselhändler, Anm.) ab; dort warten verlassene Esel auf ihr Ende, auf Grund von mehr oder minder schweren Verletzungen von ihren ehemaligen Besitzern einfach im Stich gelassen und ausgesetzt. Sie stehen und liegen  inmitten der verwesenden Überreste ihrer ArtgenossInnen, welchen zuvor dasselbe Schicksal widerfahren war. Völlig sich selbst überlassen, aufgrund ihrer körperlichen Gebrechen unfähig, die weitere Umgebung nach Essbarem abzusuchen, ergeben sie sich stoisch ihrem Verhängnis. Sie verhungern, langsam und qualvoll. Ohne jemals Hoffnung, Glück oder Freude erfahren zu haben, scheiden sie in einem lautlosen Abschied aus dieser Welt. ‚Entsorgt’, nicht anders als die Abermillionen Kubikmeter Straßenmüll. Nur schwer erträgt ‚Mensch’ den Anblick – all diese todtraurigen Weggenossen nach Jahren härtester Arbeit und Entbehrung, von Gewalt gezeichnet, blutend, humpelnd, zitternd, ängstlich, weggeworfen. Hier beginnt der verhängnisvolle Kreislauf, hier endet er auch. Ein Ort des Grauens, wie man ihn sich schrecklicher nicht vorstellen könnte, ein Exerzierplatz Luzifers. Der unumstößliche Umstand, dass es nichts gibt, was man im Augenblick dagegen unternehmen könnte, raubt dem/der BetrachterIn beinahe die Luft zum Atmen, treibt Tränen in die Augen. Die Luft ist allerdings so heiß, dass die salzige Flüssigkeit nicht mehr einem kosmischen Gesetz folgend den Weg über die Wangen findet; sie scheint einfach zu verdampfen, setzt ihren Fluss im Inneren fort, solange bis sie die Seele berührt und sich dabei unauslöschlich in die tiefsten Winkel der menschlichen Existenz einbrennt. Nun, auf alle Zeiten gezeichnet, kann man sich dem Ungeheuerlichen nicht mehr Verschließen: das Gesehene wird zu einem Teil von sich selbst, eine weitere Falte im vom Leben durchfurchten Gesicht; vergessen wäre eine Wohltat, zu belastend die Szenerie. Jedoch, wie sagte der Schweizer Schriftsteller Max Fritsch? ‚Die Unverbindlichkeit, das Schweigen zu einer Untat, von der man weiß, ist wahrscheinlich die allgemeinste Art unserer Mitschuld.’ Deshalb bleibt nur eine Alternative – fortan sogar noch stärker und ohne Unterlass für die Esel zu kämpfen….’ 

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Bis heute haben jene Zeilen Bestand; und bis heute gibt es die Überlegung einen Ort zu finden, zu kreieren, wohin man diese Ausgestoßenen führen, ihnen einen friedvollen, einen versöhnlichen Lebensabend bieten könnte. Selbst an die Erlösung der armen Esel haben wir gedacht, ein eigentlich absolutes Tabu-Thema, ein Ansatz, der unserem Ermessen von Ethik so völlig widerspricht, zumindest solange es einen Funken Hoffnung gibt – aber hier, im Staub und Schmutz des Eselmarktes, blutgetränkter Boden, heimgesucht von den Geistern der Vergangenheit, da hat selbst diese vor langer Zeit aufgehört zu existieren; sie liegt begraben, umhüllt vom Leichentuch eines gnädigen Schöpfers, der verzweifelt versucht die Schandtaten seiner Schützlinge zu verbergen, und sei es nur vor seinen eigenen Augen. Begraben, verschluckt mit den Körpern der Geschundenen, ohne Widerkehr; ja, die Hoffnung stirbt zuletzt, verkündete einst ein weiser Mann – doch davon ist man hier unfassbar weit entfernt, harrt sie doch vielleicht vielmehr immer noch ihrer Geburt…

Die so schwer verständliche Problematik offenbart sich erst bei näherer Betrachtung und einem Verständnis der Gedankenwelt bettelarmer Menschen; denn obwohl die Esel von ihren Haltern schmählich im Stich gelassen wurden, aus deren Augen sind sie nicht. Nouakchott ist trotz seiner inzwischen imposanten Größe noch immer ein Dorf geblieben, jede/r kennt jede/n, und solange auch nur ein Funken Leben in einem der Esel steckt, genauso lange besteht die theoretische Aussicht auf Erholung – so die einfache Rechnung jener, die viel zu oft ihre Kinder nicht satt bekommen. Würde man ein Tier also von den Leiden erlösen, am nächsten Tag würde der Halter an die Tür klopfen und eine Abgeltung fordern. Ein undurchdringbarer Kreislauf.

So warten die verletzten, kranken, sterbenden Esel weiter. Es ist ein Warten auf eine Berührung, eine Berührung eines Engels, der sie mit sanften Schwingen hochheben und in eine andere Welt entführen wird.

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ein Warten auf den Tod, umgeben von bereits Verstorbenen – der Eselmarkt; Foto rechts unten: unser Team bei einer Besprechung, v.l.n.r.: Praktikant Gueye, Barbara, Mohammed, Irmi, Eselhändler, Moussa

Doch trotz all der düsteren Vorkommnisse, trotz des täglichen Sterbens, auch hier haben unsere Behandlungen längst gefruchtet, wir haben den Eselmarkt als fixen Behandlungsort jeden Samstag im Kalender.  Bei jeglicher Bemühung, es lässt sich nicht absprechen, es klebt das Gefühl der alles verzehrenden Traurigkeit über dem Stück Boden; die alten, zerrissenen Zelte der Eselhändler stemmen sich noch immer gegen die Elemente, ein aussichtsloser Kampf; hier und da weht eine zerrissene Fahne im Wind, ein Symbol einer verlorenen Zeit. Die Arbeiter tragen schmutzige Kleidung, wie anders sollte es dann auch sein? Die ganze Umgebung erstarrt in Triste, und selbst bei strahlendem Sonnenschien, wie er hier nun mal allermeist vorherrscht, wirkt das Land wie eingehüllt in einen Nebel des Leidens, der Kummer verewigt im traurigen Lied des Windes. Manchmal, wenn man ganz ruhig ist und ihm zuhört, dann kann man sie vernehmen, die sanfte Melodie des Todesengels; wie er sie ruft um das Leid zu beenden. Anders das Klagen der Verstorben, denn dies ist unhörbar, gibt keinen Ton von sich – es ist ein Gefühl, so deutlich zu spüren wie eine Berührung; man spürt es innerlich, wie ihre Geister keine Ruhe finden und noch immer festsitzen, heimgesucht von den Dämonen der Finsternis.

Es wird der Tag kommen, wo auch hier wieder die Sonne am nahen Horizont aufgeht; jener Tag wird einer der Befreiung sein, eine Erlösung nicht nur für die Tiere, sondern die Befreiung des eigenen Geistes, das Wiedererwachen der verloren geglaubten Menschlichkeit. 

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Saleck und ich sind unterwegs in die uns längst gut bekannte Druckerei. Wir wollen heute Broschüren erstellen lassen, in Zeichensprache, wo den BetrachterInnen anhand von Bilder erklärt wird wie Esel behandelt werden sollten. Kein erhobener Zeigefinger kommt dabei zum Einsatz, denn dies wäre ganz gewiss der falsche Ansatz; würden erst Fronten geschaffen, dann würde das Abtragen deren einen nicht gebührenden Anteil einnehmen, ein Anteil, welcher viel Zeit und Energie kosten und in die direkte Hilfe unabschätzbare Wunden reißen könnte. Vielmehr soll das Heft animieren nachzumachen, wie es schon bei der ersten Auflage passierte (die neuerliche Ausgabe wurde übrigens von der Salzburger Künstlerin Caro Riener gezeichnet und unseren Vorstellungen angepasst).

Allerdings, der Preis der Druckerei ist ein enormer – fast 5 Euro pro Stück (bei einer Auflage von mindestens 500 Stück exhorbitante Kosten)! Wir überlegen neu, werden das Heft wohl in Europa produzieren lassen müssen, um einen Bruchteil dessen, und dann die Broschüre bei der nächsten Reise mitbringen. Dafür aber lassen wir neue Aufkleber machen, die wir an die Wasserfässer kleben werden und die ebenfalls in Zeichensprache gehalten das Schlagen von Eseln verhindern sollen!

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Heute steht ein gar wichtiges Treffen am Programm: eine Delegation aus dem Senegal wird uns besuchen, dort soll in absehbarer Zukunft eine Eselklinik nach unserem Muster entstehen! Wie die Tierschützer auf uns gekommen sind? Weil sie den Vorschlag an verschiedene westliche Institutionen zwecks Unterstützung getragen hatten; so auch an die Botschaft Deutschlands im fernen Dakar. Und diese wusste von unserer Initiative und sprach: geht erst nach Nouakchott und lasst Euch dort zeigen wie so etwas funktionieren kann! Eine große Ehre für uns, so weit ist der gute Ruf der mobilen Klinik also schon vorausgeeilt!

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Die drei Herren in feiner Kleidung erwarten uns gespannt; zusammen fahren wir eine Wasserstelle an und zuallererst kümmert sich Dr. Dieng um sie. Ein extra Schreiber notiert alle Ansätze und mit großem Interesse hören die Besucher den Ausführungen des inzwischen so renommierten Arztes zu. Noch viel imposanter ist allerdings die praktische Arbeit – und die beginnt wieder einmal mit einem Paukenschlag! Ein Esel torkelt auf den Platz, er kann kaum mehr gehen, seine Hufe schrecklich verkrümmt, deformiert. Wir fangen ihn mit großer Mühe, trotz der Behinderungen ist er blitzschnell, und Irmi möchte ihr Werk beginnen – allerdings, der Arme wehrt sich aus Leibeskräften! So rufen wir schließlich nach Dr. Dieng; alle vier Hufe unter dieser Belastung zu behandeln, dieses Vorhaben werden wir nicht bewerkstelligen können, ohne den Esel in große Panik zu versetzen! So beruhigt ihn der Arzt mit dem Narkosemittel und im nächsten Moment fällt der Esel sanft in sich zusammen, nicht ohne das wir ihn auffangen und mit Vorsicht betten. Dann beginnt die Arbeit – Irmi an den Hinterbeinen, Zappa macht sich an den vorderen zu schaffen, abwechselnd mit Gueye und Mohammed; Barbara und ich versuchen den Esel ruhig zu halten, immer wieder schlägt er trotz der Narkose aus – schlechte Träume! Dann ist er kurz vor dem Aufwachen – nun benötigt es einiges an Anstrengung ihn am Boden zu halten; nochmals betäuben wollen wir ihn nicht, zu sehr könnte sein Kreislauf durch das ungewohnte Mittel strapaziert werden. Minuten später sind wir fertig – Irmi setzt die Feile ein letztes Mal an den Huf und mit neuen ‚Schuhen‘ entlassen wir ihn in die Freiheit. Tatsächlich schnaubt er mehrmals wütend, so als ob er uns sagen wolle ‚nicht mit mir‘, dann trottet er davon, doch einiges behänder als zuvor! Kurze Zeit später sehen wir ihn wieder; tatsächlich bewegt er ich nun fast normal, und er scheint große Freude an der neu gewonnenen Beweglichkeit zu haben!
Allerdings, ganz normal gehen wird der Arme wohl nie mehr wieder können, zu sehr waren seine Verletzungen fortgeschritten, seine Bänder und Sehnen durch die lange Zeit der Fehlbelastung zum Zerreißen gedehnt und verwachsen.

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Nun sind wir an der Reihe den Herrn aus dem Senegal Rede und Antwort zu stehen. Wir setzen uns gemeinsam hin und gehen alle wichtigen Themen durch, versuchen so wertvolle Tipps wie möglich zu geben. Immer wieder betont der Schriftführer die Wichtigkeit einer Zusammenarbeit, einem Verlangen, welchem wir nur allzu gerne zustimmen!

Wir haben von einem Mitarbeiter der deutschen Entwicklungshilfe GIZ ein Navigationssystem geliehen bekommen, sein privates (Jürgen, an dieser Stelle: allerherzlichsten Dank!); damit möchten wir heute die Koordinaten ‚unserer‘ Wasserstellen bestimmen, um sie für alle Wüstenreisenden leicht auffindbar zu machen – falls Sie jemals eine Reise nach Mauretanien planen, bitte vergessen Sie nicht, jede/r BesucherIn ist beim Projekt zu jeder Zeit nicht nur herzlichst willkommen sondern wird mit Freuden empfangen!

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Besprechung vor Ort mit der wunderbaren Barbara als Übersetzerin und später in Saleck’s Wohnzimmer

Das Trio aus dem Senegal begleitet uns auf der Fahrt durch die Stadt und danach genießen wir zusammen ein herrliches Gemüseessen in einem der so zahlriechen kleinen Lokale der Stadt.

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Nouakchott wächst und wächst, frisst sich langsam an seinen Rändern weiter hinein ins Nirgendwo aus Sand und Sonnenglut; während seine BewohnerInnen in Wahrheit Gefangene ihrer Anziehung sind – im Norden und im Süden durch hunderte Kilometer Wüste von den nächsten größeren Ansiedlungen getrennt, im Osten gar ihrer tausende, bis weit hinein nach Mali, wo die Unbesiegbarkeit der Sahara reagiert, und im Westen der Atlantik, welcher für so viele tausende Menschen schon zur Todesfalle geworden ist, in einem Fischerboot dem Wahnsinn ausgesetzt, der Versuch das gelobte Land Europa zu erreichen von vornherein zum Scheitern verurteilt; wie viele der ihren sind ertrunken? Vom eigentlichen Menschenrecht auf Aufnahme aus einer Notsituation, einer Flucht vor Regimen, Hungersnot und bitterster Armut bitter enttäuscht und vom Westen verraten (bitte lesen Sie Jean Ziegler’s Meisterwerk ‚Das Imperium der Schande’…) –  sind sie andererseits aber auch Zeitzeugen einer geradezu historischen Entwicklung: Mauretanien, das Land der Nomaden, zwingt seine BewohnerInnen immer mehr zum Stillstand, der Wüstenwind getauscht mit dem Gestank der Großstadt, welche diesem Ansturm allerdings hoffnungslos gegenüber steht, längst nicht dafür gewappnet ist; doch nur sie bietet ausreichend Möglichkeiten das Leben zu bestreiten, und so wohnen in einem Land mit der dreifachen Größe der Bundesrepublik gerade einmal drei Millionen Menschen, und über 1 Million davon allein auf diesem Flecken Erde, in Nouakchott.

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Kinder transportieren einen offensichtlich verletzten Esel durch die Verkehrshölle der Stadt

Mithalten mit dieser Herausforderung kann weder das Gesundheits- oder das Sozialsystem, beide in erschreckendem Masse vernachlässigt, Großteils eigentlich nicht vorhanden, noch die Infrastruktur – so soll es in der Hauptstadt gerade vier Kilometer an Kanalsystem geben, der Rest des Ab- und Brauchwassers wird mittels altertümlichsten Methoden entsorgt; auch Wasserleitungen findet man praktisch nur im Nobelviertel, dort wo die Botschaften, die Entwicklungshilfe, die MitarbeiterInnen westlicher Organisationen wohnhaft sind.

All diese Dinge, kombiniert mit der Explosivität eines bei weitem nicht ausgeglichen ethnischen Gemisches bestehend aus verschiedensten Zugehörigkeiten verleiht der Stadt gleichzeitig Glanz und traurige Depression. So verspricht Nouakchott zum einen die Wiege der Hoffnung einer noch jungen Nation, aber andererseits auch die gnadenlose Zurschaustellung aller seiner Ängste.

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Die Temperatur bewegt sich dieser Tage in lichten Höhen; es hat wohl weit über 40 Grad, dazu kommt eine enorme Luftfeuchtigkeit, welche die Kleidung in sekundenschnelle an der Haut festkleben lässt und uns oft sogar das Atmen schwer macht. Nur ein Mann scheint immun gegen diese Herausforderungen: Zappa! Unser Anwärter auf einen fixen Platz im Team arbeitet wie ein Besessener, mit Herz und Verstand, mit Liebe zum Tier und unbändigem Eifer! Er repräsentiert unseren größten Erfolg dieser Tage,  und eigentlich schon nach wenigen Minuten Testphase ist klar – er soll die Mannschaft künftig nicht nur verstärken, er soll sie bestmöglich ergänzen und die so notwenigen Hufarbeiten übernehmen! Irmi attestiert ihm unfassbares Talent, tatsächlich schafft er es schon am zweiten Tag einem Esel die Hufe zurechtzuschneiden, und dass ohne dass ihm jemand dabei hilft – ‚I am happy‘, sagt er immer wieder, und wir erst recht! Zappa ist die Entdeckung, wir sind stolz darauf ihm kurz vor der Abreise ein RespekTiere-Shirt als Zeichen seiner bevorstehenden Festanstellung überreichen zu dürfen!

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Foto rechts unten: Dr. Dieng und Zappa bei der wohlverdienten Pause!


Wir sitzen im Freien und unterhalten uns prächtig; Kevin beehrt unsere Runde, ein gebürtiger Kanadier, der sich jedes Jahr zwei Monate Zeit nimmt, um mit seinem eigenen Kamel durch die Wüste zu ziehen, wie es die Nomaden seit Anbeginn der Zeit taten. Gespannt hören wir seine so interessanten Erzählungen, als plötzlich ein grelles Leuchten den Horizont erhellt. Blitzschlag! Immer und immer wieder! Ein Spektakel, inmitten der größten Ansiedlung der Sahara. Doch aus dem Naturereignis wird im Bruchteil des Momentes plötzlich bitterer Ernst – ein kräftiger Wind zieht auf, und augenblicklich beginnt es aus heiterem Himmel zu regnen, zu schütten!

Wir eilen zurück ins Heim, die Fenster sind offen. Kaum aber haben wir sie zugemacht, dringt Wasser von anderer Stelle ein und nur kurz darauf schwimmt der ganze Haushalt – obwohl das Haus neu gebaut wurde, verfügt es anscheinend über keinen funktionierenden Abfluss, dazu ist eine Dachrinne so angebracht, dass sie weder geschlossen noch weggedreht werden kann, und sich ihr ganzer Inhalt auf die schmale Terrasse ergießt – die sich in Minuten füllt und ihren Inhalt in die angrenzende Küche und von dort aus in den ganzen Haushalt entleert…

Innerhalb eines Wimpernschlages bahnt sich die Flut ihren Weg, durch alle Räume; Sidi, reagiert schnell – er holt einen Hammer und ein Stemmeisen und beginnt ein Loch in die Wand an der Terrasse zu schlagen um einen Abfluss zu erzeugen. Während er hart arbeitet, füllen wir Eimer um Eimer mit dem Regenwasser aus dem Haus, bis nach Mitternacht, immer und immer wieder.

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Dann ist es geschafft, der Fliesenboden zeigt sich halbwegs trocken, den Rest wird die unbarmherzige Sonne morgen sehr schnell erledigen. Nichts desto trotz, auch die Teppichböden sind durchgeweicht, ein Aspekt, der Sidi und Barbara nicht weiter beschäftigt; mit jener Gelassenheit, die nur AfrikanerInnen (und jenen mit der Gabe gesegneten, sich an den hiesigen Lebensstil anpassen zu können) eigen ist, setzt der Hausherr den wunderbaren Pfefferminztee auf und gießt in schließlich heiß dampfend in die kleinen Gläser.
Sidi ist ein fantastischer und ungewöhnlicher junger Mann; mehrsprachig aufgewachsen, mit unfassbar schneller Auffassungsgabe ausgezeichnet, von seherischen Fähigkeiten, im höchsten Maße liebenswert. Falls Sie je nach Mauetanien aufbrechen möchten – was wir Ihnen nur ans Herz legen können, das Land braucht den Tourismus und Sie werden kaum einen Platz in dieser inzwischen so eng gewordenen Welt finde, wo sie derart Ihre Seele baumeln lassen können wie in den unendlichen Weiten der Wüste – bitte wenden Sie sich an ihn, denn Sidi ist selbstständiger Touristenguide, wird sie zu sensatinellen Konditionen in die wunderschönsten Orte des Landes führen, zum Beispiel ins sagenumwobene Chinguetti, der siebentheiligsten Stadt des Islam, oder zu den uralten Ruinen um Atar; abenteurliches reisen, wie sie es bisher nicht gekannt haben und sie es ganz sicher nie vergessen werden (www.sidi-tours.com, mit bester Empfehlung von RespekTiere :))…

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Am nächsten Morgen wird uns das Ausmaß der Unwetters erst wirklich bewusst; die halbe Stadt schwimmt, auf Grund eines mangelhaften und meist nicht vorhandenen Kanal- und Abwassersystems gibt es kaum Abfluss und so bilden die hunderttausenden Pfützen und Seen bald einen idealen Nährboden für Krankheitserreger und eine wunderbare Brutstätte für Moskitos; Kevin meint, der Regen birgt so viel Segen, doch in diesem Falle auch den Tod. Malaria zum Beispiel, in Nouakchott wenig vorkommend, wird vielleicht dennoch in den nächsten Wochen auf traurige Weise die Schlagzeilen beherrschen, zumindest weiter im Süden des Landes…

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Diese Woche stand erneut im Zeichen des Aufruhrs in der arabischen Welt; nachdem ein verabscheuungswürdiges Video, welches den Propheten Mohammed in unwürdigsten Situationen darstellte, auf unerklärliche Weise zu Weltruhm kommen sollte und die Hersteller sich nun mit dem vorhersehbaren Tod von Dutzenden Menschen ‚brüsten‘ dürfen, hatte eine französische Zeitung dann auch nichts besseres zu tun als weiter Öl ins Feuer zu gießen; wohl um ihren angekratzten Ruf aufzupolieren, veröffentlichte sie erneut Karikaturen des Propheten! Fatale Folge: überall in Arabien brannten Botschaften, heftige Proteste forderten Tote und Verletzte. Warum tut eine westliche Propagandaindustrie so etwas? Ist die Erhöhung der Auflage wirklich Menschenleben wert? Und warum andererseits reagiert der Islam so monoton, hat er nicht genug davon vom Rest der Welt als unfassbar radikal diffamiert zu werden? Bedenken wir doch, es ist eine Religion des Friedens, seine Botschaften sind nahezu ident mit jenen der katholischen Kirche!

Oder streuen gar islamische Separatisten solche Botschaften? Um das Feuer am Lodern zu halten? Um den Westen damit zu denunzieren? Wir werden es so schnell nicht erfahren, jedenfalls explodiert das Pulverfass Naher Osten immer wieder genau dadurch auf ein Neues.

Mauretanien bildet den Schneidepunkt der arabischen mit der afrikanischen Welt. Themen wie diese, in einer islamischen Republik, gehen natürlich nicht spurlos vorbei und so stand unser vorletzter Tag, der Freitag, Tag des Gebetes, dann auch im Zeichen der so schrecklichen Entwicklung. Sämtliche westliche Institution gaben die Empfehlung heraus den Tag besser in den Häusern zu verbringen; die Öffentlichkeit zu meiden, vor allem die Plätze und Orte vor den Moscheen, Menschenansammlungen im Allgemeinen, speziell die Umgebung der großen Botschaften, jene vor den Ämtern Frankreichs und der USA sowieso.

Wir hielten uns nicht an die Vorgaben, und bei mehreren Gelegenheiten spürten wir dann auch den Keim des Hasses, der hier unaufhörlich gesät wird – der allerdings auf mauretanischen Boden nicht wirklich fruchtet (viel problematischer ist da schon die Spannung in den landeseigenen Ethnien); anti-amerikanische oder anti-französische Parolen konnten wir schnell entkräften, da wir zu keiner der beiden Nationen eine Verbindung aufweisen – jedoch, unsere Arbeit wird durch solch unsägliche Nicht-Trennung von Staat und Kirche zusehend gestört, und das ist es was uns zornig macht! Wenn man öffentliche Plätze meiden soll, es vielleicht sogar zu einem Stillstand der Arbeit kommt, solche Vorgaben schaden einem derart offensiven Projekt natürlich – und noch viel schlimmer: die Problematik um die Tieren, mit so viel Mühe ins Zentrum gerückt, wieder immer mehr an Bedeutung verliert, weil andere, WICHTIGERE (was gäbe es wichtigeres als die Schwächsten der Schwachen zu schützen, selbst wenn jene nicht der selben Art angehören?…) Themen das allgemeine Interesse bestimmen? Wird dann nicht Gefahr gelaufen, dass religiös und politisch bestimmte Abläufe auf den Rücken der Unschuldigsten, nämlich auf jenen der Tiere, ausgetragen werden? Buchstäblich bei den Eseln, sehen Sie sich doch ihre blutigen Wunden auf ebendiesen an! Was die Wut weiter verstärkt, ist die unbändige Ohnmacht, weil man gegen den Zusammenprall derart unterschiedlicher Kulturen dann wirklich gar nichts tun kann, zumindest nicht als Tierrechtsverein – und das ist eine neuerliche Schande im Namen der Menschenrechte!

 

Zum Ende dieses so ausführlichen Newsletters möchten wir Ihnen noch zwei ganz besondere Menschen aus Nouakchott vorstellen; zum einen handelt es sich dabei um einen alten Bekannten, aufmerksame LeserInnen werden sich ganz sicher noch an ihn erinnern – Omar Ball, der junge unfassbar talentierte Künstler aus der Mauretanien-Metropole! Omar ist inzwischen zur lokalen Berühmtheit geworden, er betreibt sehr erfolgreiche Ausstellungen und sogar in einem Buch hat sein Werken Niederschlag gefunden (Nouakchott La Belle, heißt die wunderschöne Sammlung von Fotografien und Bildern des begnadeten Künstlers). Trotzdem ist der junge Mann ganz er selbst geblieben, mit einer Ausstrahlung gesegnet, welche ihresgleichen sucht. Und sein Schaffen ist noch vielfältiger geworden, neben Skulpturen, Bildern, Fotografien fertigt er auch Kunstwerke aus Drahtgestell an, Skulpturen von Tieren, welche den/die BetrachterIn mit offenem Mund zurück lassen.
Wir haben wieder einige seiner berühmten handgefertigten Esel mitgebracht, ebenfalls aus Drahtgeflecht, ummantelt mit erdigem Lehm, den man nur einige hundert Kilometer von der Hauptstadt entfernt im Süden Mauretaniens findet. Nicht zuletzt deshalb sind diese einzigartigen Figuren unschätzbare Unikate!

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Fotos: Omar’s Atelier; Omar und Irmi verpacken die von uns gekauften Kunstwerke; Fotos unten: Omar beim signieren; mein Freund Omar

Und dann noch trafen wir eine junge Frau namens Mountaha; Mountaha hat in Frankreich studiert, setzt sich seit vielen Jahren vehement und unter Aufbietung aller Kräfte und selbst auf die Gefahr hin irgendwann Opfer ihres unbändigen Mutes zu werden für Mensch und Tier ein. Aufmerksam geworden sind wir auf sie schon vor vielen Monaten – damals postete sie auf Facebook eine unfassbare Geschichte: ein Hundemörder, mit Auftrag der Stadt, war in ihrer Gegend unterwegs. Sie war nicht zu Hause, als er in den Wohnbereich eindrang und dort ihre geliebte Dixie – eine Straßenhündin, welche sie als Welpe mit wenigen Wochen aufgelesen und mit der Flasche aufgezogen hatte – erschoss – in ihrem eigenen Haus! Mountaha reagierte prompt, setzte alle Hebel in Bewegung. Was passierte? Der Täter kam zu ihr ins Büro (Büro für Menschenrechte in Nouakchott, wohlgemerkt!!!), verhedderte sie in ein Gespräch und – schlug plötzlich zu. Mit voller Wucht, mit einer unfassbaren Brutalität, welche nur Schwerverbrechern eigen ist. Er brach ihr Schlüsselbein, schlug ihr einen Zahn aus, fügte ihr mehrere schwere Hämatome und Prellungen zu. Dann verschwand er.

Die Geschichte fand ihre Fortsetzung im Unglaublichen: im Bürogebäude, umgeben von den Verwaltungsräumen ihrer MitarbieterInnen, kam ihr keine Hilfe zuteil; mindestens eine volle Stunde sollte es nun dauern bis ihr Vorgesetzter, vergessen wir nicht, Leiter eines öffentlichen Menschenrechtsamtes, die Rettung und die Polizei rief!

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Fotos: im Büro von Mountaha, wo unser Plakat nun einen Platz gefunden hat; Irmi in mauretanischer Kleidung mit Mountaha beim Übernachten in der Wüste vor der Stadt

 

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