Tod und Blut ist der Jägerschaft Gut…

Das Land scheint erstarrt, so als ob sich alles Leben auf einen monatelangen Schlaf vorbereiten würde; die Sonne versteckt sich beharrlich hinter den dichten Nebelschwaden, füttert durch ihr Nichterscheinen die tiefe Depression der vergangenen Stunden noch zusätzlich.

Zwei bis drei Dutzend Jäger, dazwischen auch mindestens ein Kamerad weiblichen Geschlechtes, wohl mit zu vielen männlichen Hormonen ausgestattet, weil von der behaarten Brüderschaft kaum zu unterscheiden, sind vor dem Wochenende im Melker Land unterwegs gewesen, um Tod und Verderben unter die dortige Tierwelt zu bringen. Eine Treibjagd war angemeldet, als Ziel Hase und Fasan ausgegeben. Anschliessend war eine Feierlichkeit im Park der kleinen Marktemeinde namens St. Leonhard geplant, zu Ehren des Schutzpatrons der Jagd, des Heiligen Hubertus, und gleichzeitig zur Andacht an den 65. Todestages des lokalen Jägerdichters Friedrich Freiherr von Gagern.

TierschutzaktivistInnen von RespekTiere und Robin Hood hatten sich aufgemacht um vor Ort zu agieren, jedoch waren sie ihrer nur zwei – durch die beschränkte Anzahl von Personen sollte die Mission dieses Mal wohl eher einer der Dokumentation denn der Intervention gleichkommen.

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Foto: der allgegenwärtige Alkohol; vielleicht weil ohne diesen das Gemetzel nicht zu ertragen wäre?

Die Treibjagd war in drei verstreuten Landkreisen vorgesehen und so sollte es dem kleinen Team trotz stundenlanger Suche verwehrt bleiben, die grüne Gesellschaft am Tatort selbst ausfindig zu machen. Aus Mangel an Alternativen legten die TierschützerInnen bald ihr Hauptaugenmerk auf jenen Park, wo in den späteren Nachmittagsstunden, exakt um 16 Uhr, die ‚Streckenlegung’, also das schamlose Präsentieren der Opfer, geschehen sollte.

Schon gegen halb drei Uhr konnte man dann erste Jäger sehen, welche lachend und scherzend beim ortsansässigen Gasthaus unweit der Feierstätte eintrafen; vielleicht, so der hehere Gedanke, war diese betonte Fröhlichkeit aber nur eine aufgesetzte, und in Wahrheit trugen die Lusttöter gar einen inneren Kampf aus, ihre vergangenen Taten wohl einzuordnen wissend?! Sei es wie es sein, hier unter ihresgleichen war es bestimmt leichter, sich mit Bier und Wein die Last des geschehenen Verbrechens von der Seele zu spülen, und wenn auch nur für den Augenblick!  Erntedankfest nennen sie übrigens solche Zusammenkünfte, den Grund der Feierlichkeit, und derart bed(t)ankt bereiteten sie sich in wärmender Stube auf das in Jägerkreisen heilige Ereignis vor. Manche der ihren hatten dann auch blutüberströmte Tiere mit sich, wir konnten Füchse erkennen und Feldhasen, welche ohne jeden Respekt an den Hinterbeinen hochgehoben den Gleichgesinnten mit überlegener Mimik zur Schau gestellt wurden. Das stolze Lächeln auf den Lippen ihrer Mörder, jene, welche todesmutig den so fairen Kampf zwischen hoffnungslos Eingekreisten, Wehrlosen, und modernst Bewaffneten ausgetragen und den entscheidenden Schuss getätigt hatten, verriet geringen Intellekt, Gesichtszüge geleitet von psychischer Krankheit, welche sich hinter einer Fassade von zum Himmel stinkender Protzerei zu verstecken versuchte; allein, es blieb beim Versuch.

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Im Park war alles vorbereitet; eine kleine Kapelle, versehen mit einem Gemälde der Hubertuslegende – von der Jägerschaft auf erbärmliche Art und Weise für eigenes verschrobenes Gedankengut adaptiert und umgeformt – war mit Tannenzweigen präpariert worden, zwei totgeschossene Füchse und ein bluttriefender Hase sollten bereits abgelegt sein. Gleich daneben erstrahlte das Denkmal des zumindest im Melker Land weltberühmten Jägerdichters, Friedrich Freiherr von Gagern, der die letzten Jahre seines Lebens gleich nebenan in Geigenberg verbracht hatte.

Wir versuchten nicht aufzufallen, was uns an jenem dem Strom der Weltgeschichte höchst entlegenen Ort aber nur sehr schlecht gelang. Schnell hatten wir das Gefühl hier unwillkommene Fremde zu sein, doch in Anbetracht der toten Tiere kümmerte uns diese Tatsache nur vernachlässigbar wenig. Nebenbei, hatte doch die Gemeinde selbst zur Hubertusfeier geladen, ein ‚Herzliches Willkommen‘ an alle Zaungäste ausgerufen.

So beschlossen wir nun vor dem Gasthaus zu warten; von dort weg, so dachten wir, würden die Grünröcke wohl zur Gedenkstätte für die Fröhnung ihres Kultus aufbrechen, als geschlossene Einheit. Wir sollten recht behalten und direkt vor dem Eingang war dann auch ein Auto geparkt, samt tannenzweiggeschmücktem Anhänger – dort fanden wir sie, die Ermordeten der letzten Stunden: 14 Feldhasen, 4 Füchse, 2 Enten, ein Fasan und eine Krähe, wie Todfeinde im Altertum an den Füssen aufgehängt auf Stangen, zur Schau gestellt den nach Blut gierenden Blicken der BetrachterInnen. Im Augenblick des so traurigen Momentes entblätterte sich die Mär vom Heger und Naturfreund in erschreckender Weise, denn bitte überlegen Sie: ein derart großes Gebiet, wo es uns nicht möglich war gut 30 JägerInnen im Felde aufzuspüren, und dann diese Ausbeute – auf eine so riesige Fläche verteilt, glauben Sie wirklich es würde einen Unterschied machen, ob diese von einem Fasan, einer Krähe oder zwei Enten mehr bewohnt wäre? Oder von 14 Hasen? Wo während der späteren ‚Feierlichkeiten’ dann beiwohnende ‚Zivilisten’ allesamt murmelten, ‚warum denn die Hasen, wo es doch eh schon so wenige gibt’? (Warum, so stellt sich die Frage, tut man so etwas überhaupt? Ist es die Schaulustigkeit, die Konfrontation mit dem Tod, mit Blut und Gewalt? Oder viel eher ein Überbleibsel aus dem Altertum, wo man gekommen war um erlegte Feinde zu betrachten und deren Leichen zu verspotten? Feinde, welche die Ernte auf den Feldern gefährden, erlegtes Raubwild, welches die überlebensnotwendigen Haustiere angreifen hätten können? Oder tun wir grosses Unrecht, vielleicht waren die Anwesenden doch  nur dem Ruf der Jägeschaft gefolgt, im Andenken an den Freiherrn – der dann ganz nebenbei doch noch mit ein paar Worten bedacht wurde?) 

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Ebenso vier Füchse, die ’Gesundheitspolizei’ des Waldes – einer ihrer Mörder erklärt uns später wie erfolgreich die heutige Jagd war, er können sich nicht erinnern dass jemals zuvor gleich vier deren erlegt worden sind… Ja, und wie wichtig es wäre diese zu eliminieren, denn das Raubwild würde furchtbaren Schaden unter der übrigen Tierbevölkerung anrichten, besonders unter Feldhasen und Fasanen. Wenn dem so ist, so fragen wir uns, und wenn das Ergebnis daraus so bedauernswert wäre, warum töten sie dann selbst unterschiedslos JEDEN angetroffenen Feldhasen???? Wenn diese schon der Armada von Füchen (erinnern wir uns, ihrer vier wurden getötet – also so viele dürften dann doch nicht im Gebiet vorhanden sein…) hilflos ausgeliefert sind, warum mindert man deren Anzahl dann zusätzlich, und zwar in bewusster Termination?

Nicht nur bei genauer Betrachtung fällt das Unwahrheitsgebilde, welches die Jägerschaft die letzten Jahrhunderte so mühsam hat aufgebaut um ihr eckelerregendes Tun zu rechtfertigen wie ein Kartenhaus in sich zusammen, ist weder schlüssig noch nachvollziehbar. Warum geben sie es nicht einfach zu, sie sind da draußen unterwegs um der perverseste Art von Befriedigung zu frönen, der Blutgier und der Mordlust? Warum? Weil sie zunehmend den Zorn und den Hass spüren, der ihnen auch ohne solcher Einsichten langsam aber sicher von jedermann/frau entgegen schlägt…

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Fotos erste Reihe: Hubertusfeier, triefend vor (Schein-)Heiligkeit; rechts: ein Tannenzweig für den Hut der Todesschützen; Fotos unten: Musik spiel ‚Hase tot‘; rechts. huch, wenn wir sie nicht hätten – stellen sie sich vor, all diese so gefährlichen Geschöpfe, egal ob Ente, Fasan oder Hase, wer würden uns vor jenen schützen?

Wie sie da stehen in Reih und Glied, sich als ehrwürdige Gesellschaft zu präsentieren versuchen, lässt ein Gefühl von Brechreiz und Übelkeit aufkommen; ja, sie sind eine Einheit, zumindest eine im kranken Geiste, denn wer hat nicht schon überlegt – kann es wirklich einer gesunden Psyche entspringen, dieses Verlangen an einem Morgen aufzustehen, mit der Familie zu frühstücken, seinen Kindern über den Kopf zu streichen, und dann die Waffe zu schultern und auszuziehen um zu töten? Auf alles Leben zu ballern welches von ebenso kränklichen Geistern, Handlangern des Todes, mit lauten Rufen aus den Wäldern getrieben wird, mitten vor die wartenden Flinten? Sich daran zu erfreuen, bluttriefende Wesen kopfüber an Stangen zu hängen, genau wie es fellbekleidete, mit gebückten Rücken wandernde, mit wenig Gehirn und breiten Kiefern ausgestattete Urmenschen vor tausenden von Jahren taten? Ist hier ein Fehler passiert, ein Fehler in der Evolution, in der geistigen Entwicklung? Ein Fehler, welchen geschulte ÄrztInnen vielleicht könnten ausmerzen, wenn, ja wenn sich die Meute nur in Behandlung begeben würde? Sollte, so die Überlegung, nicht der Gesetzgeber eine derartige Behandlung anstreben, anstatt offensichtlich beeinträchtigte MitbürgerInnen mit derartigem Gewaltpotential mit geladenen Waffen umherziehen zu lassen? Ist nicht schon genug passiert, genug Blut geflossen auf Grund dieser Tatsachen?

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Ich sehe diesen Jungen, der vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen trippelt, mit hochroten Wangen und stolzem Lächeln, darauf wartend vom Jagdvorsteher aufgerufen zu werden – er hat einen der beim Gedenkmal abgelegten Füchse getötet, dafür soll er ausgezeichnet werden, ein kleiner Tannenwipfel wir dann als Zeichen der Ehrerbietung in seinen Hut gesteckt; ich veräpple Sie, werden Sie nun vielleicht denken – aber nein, hierin besteht allerernstes die Auszeichnung, ganz so als ob kleine Kinder miteinander spielen würden…

Die viel entscheidendere Frage aber ist: was bringt einen jungen hoffnungsfrohen Menschen dazu für fragliches Prestige seine Hände zu beschmutzen, seine Seele für alle Zeiten zu beflecken? Seinen Geist zu belasten mit dem Tod völlig Unschuldiger, die dafür sterben mussten um sein Ego emporzuheben? Wird er sich jemals der Herausforderung des Nachdenkens stellen? Oder wird er wie so viele vor ihm seine persönliche Flucht aus der Pein der gedanklichen Sackgasse in großen Sprüchen und in flüssiger Form der Benebelung finden?

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Mit leeren Augen starren die Getöteten in den nebeligen Herbsthimmel; sie haben ihr Leben ausgehaucht in panischer Angst, der unfassbare Schrecken zeichnet selbst im Tod noch sichtbare Spuren auf ihren Gesichtern; sie liegen zu unseren Füssen, gebettet auf Zweigen; das verbleichende Grün deren sollte wohl von der Größe des Verbrechens ein bisschen ablenken, die Situation weniger grausam erscheinen lassen; doch das Unterfangen gelingt nicht – im Gegenteil, es klagt zusätzlich an! Denn das Blut aus gemarterten Leibern sammelt sich unter ihnen zu Bächen und fließt ab, bestens ersichtlich erinnert es auf gar grausame Weise daran, dass all diesen Wesen genau wie wir vom selben Lebenssaft angetrieben wurden, ein Geist in ihnen wohnte und eine Seele. Möge diese ihre Häscher des Nachts einholen und sie in ihren Träumen besuchen! 

P.S.: der Jagdvorsteher bot die Körper der Hasen zum Verkauf feil; er pries sie an als besonders gesund, viel besser als des Fleisch, welches man sonst in Geschäften kauft – auch besser als Fisch, der aus bereits vergifteten Meeren geholt wird. Auf unsere Frage, mit welcher Munition die Tiere denn getötet worden waren, erfahren wir: mit Blei! Ob eine Verunreinigung mit Blei denn nicht ungesund wäre, würden nicht immer wieder Greifvögel und andere Tiere welche sich von den Kadavern Angeschossener ernährten, an der Anhäufung dieses Metalls sterben? Nein, nein, das macht gar nichts, hören wir. OK, wir blicken in die Runde und sehen sehr viele auffällige körperliche Defizite, krankheitsbedingte – vielleicht liegt der Grund dafür in jener Tatsache? Vielleicht dezimieren sie sich letztendlich selbst, als Ironie des Schicksals, auf Grund genau desselben letalen Metalls in ihren Körpern, welches halt auf andere Art und Weise zurückkehrt und die Mörder am Schluss doch noch einholt, wie ein Fluch der Gerechtigkeit einfordert?!

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Was mit den Füchsen passiert? Deren Fellkleid brachten vor 15 Jahren noch gut 1 000 Schilling pro Stück (rund 70 Euro), heute aber, weil die Pelzfarmen einen derart schlechten Ruf über PelzträgerInnen brachten (oh, welche Einsicht! Wir sind fast überrascht), will es niemand mehr kaufen, geschweige denn tragen. Darum werden die Leiber einfach ‚entsorgt’. Nun, sagt uns die Jägerschaft nicht, dass die Jagd im Einklang mit der Natur steht, dass sie anders als bei gezüchteten Tieren alles verwertet, was sie vernichtet?

Wir fragen nach der Krähe; tatsächlich dürfen wir den geschundenen Körper mitnehmen. Auch ihr Tod ein völlig sinnloser. Wir werden sie im stillen Moment um Verzeihung bitten, ihr sagen, dass wir Menschen nicht alle gleich sind, und sie schließlich an einem ruhigen Ort begraben…

Mit Wut und Verbitterung im Herzen setzen wir zum Nachhauseweg an, im Wissen, es gibt anders als in anderen Bereichen des Tierschutzes/Tierrechtes keinen Kompromiss, der aushandelbar wäre. Zu weit entfernt sind die Fronten, zu verhärtet. Es wird letztendlich eine Frage der Menschlichkeit in der Gesellschaft sein, einen Übergang vom Barbarentum zu schaffen hin zur echten Zivilisation – in der grünberockte Lusttöter wie jene im kleinen Ort bei Melk keinen Platz mehr haben dürfen, um derart primitive Triebe auszuleben.

Foto unten: Warum?   

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