Stroh und Ketten – eine Kurzrecherche im Waldviertel

Wieder einmal führte uns der Weg dieser Tage ins wunderschöne niederösterreichische Waldviertel; der Grund des Besuches war aber naturgemäß kein touristischer, vielmehr hatte ein Anrufer im Vorfeld von ‚unhaltbaren Zuständen‘ in einem Rinderbetrieb berichtet!
Es sei vorweggenommen – unhaltbar zeigten sich die Zustände dann sehr wohl, denn die an jenem Platz durchgeführte unsägliche Kettenhaltung ist ein wirklich herzzerreißendes Relikt der Landwirtschaft. Und sie ist – trotz eigentlichem Verbot laut Tierschutzgesetz – leider noch immer massiv verbreitet. Warum? Weil das Gesetzbuch derart viele Schlupflöcher zulässt, dass die Möglichkeiten zur rechtlichen Untersagung dieser indiskutablen Haltungsweise in der Realität völligst zahnlos bleiben…
Der erste besuchte Hof ist aber eine Bullenmast; solche sind immer besonders schrecklich, stelle man sich doch nur vor, die armen Tiere mit all ihrer Energie und Kraft, sie sind eingesperrt zu jeweils einem halben Dutzend in Boxen, wo ihnen nur ein paar Schritte vor und zurück erlaubt sind… in diesem Falle gibt es wenigstens Stroh als Einlage, ein Umstand, der nicht überall geboten wird; allerdings, der Verdacht besteht, dass hier erst unlängst eingestreut worden ist, dann einfach über den Mist vergangener Tage hinweg. Was heißt, die hygienischen Zustände dürften an anderen Tagen bedenkliche sein. Wir werden den Betrieb also im Gedächtnis behalten!
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Ein zweiter Hof liegt am Weg; der Landwirt ist ein altbekannter. Zweimal bereits hatten wir hier schon Anzeige erstattet, wegen dem allgegenwärtigen Schmutz, sowie wegen der Anbindung der Rinder über die Hörner. Beim zweiten Male hatten wir dabei den Hof sogar flankiert mit Transparenten und auf das Eintreffen der Polizei gewartet, derart furchtbar waren die Umstände. Andererseits aber, nicht zuletzt dieser Stall veranlasste uns später zu der Kampagne gegen die Hornanbindung, welcher letztendlich ein großer Erfolg beschieden war: heute gilt es als gegeben, dass eine derartige Haltung durchwegs als verboten angesehen und daher ausnahmslos und sofort bestraft wird! Außerdem, besagter Landwirt war bis vor unserem Eingreifen mit der ‚G’sunde Tiere. Da schau’n wir drauf! Du auch?‘-Plakette der niederösterreichischen Bauernschaft ausgezeichnet; nach dem Eklat war dieselbe sofort entzogen…
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Fotos aus 2017 und 2019…
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Jedenfalls, der Bauer dürfte aus der Vergangenheit gelernt haben; Kühe gibt es jetzt weniger im Stall, jene, die da sind, dürfen sich über eine Stroh-Einlage freuen. In Zeiten wie diesen leider so ganz und gar nicht selbstverständlich – zur allgemeinen Schande unserer Gesellschaft! Während aber wenigstens zwei Rinder in einer Bucht leben, nicht angebunden, fristen die anderen weiterhin an der kurzen Kette ihr Dasein; warum das so ist, stellt sich allerdings die Frage! Denn das Grundstück ist ein weitläufiges, Wiesen, Obstbäume, alles da. Noch dazu, es müsste für einen allfälligen ‚Hofgang‘ – was immer wieder als Ausrede dient – nicht einmal eine Straße überquert werden; die Weide erstreckt sich auf tausenden Quadratmetern gleich hinter dem Haus und dem Stall den Hang hinauf. Platz genug für abgestellte Fahrzeuge, für Maschinen, für große Mengen an gestapeltem Brennholz – aber keiner für die armen Tiere…
Dennoch, die gesetzlichen Mindestanforderungen, ohnehin beschämend geringe Standards, sind wohl eingehalten, denn sehr wahrscheinlich wird der Landwirt auch über eine Ausnahmegenehmigung für die Stallhaltung verfügen (es ist überhaupt kein Problem eine solche zu erhalten: die jeweilige Bauernkammer bietet hierfür sogar ein vorgefertigtes Papier, welches man nur ausfüllen muss: für den Bauern positive Behandlung des Antrags? Nur Formalität…).Was bleibt, ist, der Anblick der kurzen Ketten hinterlässt so oder so schmerzende Wunden und ist für den ‚Feinkostladen Österreich‘ – wie er nur allzu gerne propagiert wird – eine echte Schande!
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Fotos 2020: wenigstens gibt es nun mehr Stroh udn kein Rind ist mehr an den Hörnern festgebunden – dennoch, die kurzen Ketten sind ein Gräuel!
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Es folgt ein Schweinestall, auch von dort erhalten wir Bilder (anonym zugesandt, selbstredend). Hier gilt selbiges wie für den Rinderhof zuvor: beängstigende Mindeststandards sind eingehalten, und obwohl die übriggebliebene Tristesse für die Schweine eine lebenslange Tortur bedeutet, verlieren wir keine Zeit – weder Amtstierarzt noch Behörde würde auf eine Anzeige reagieren, im Gegenteil sogar, würden wir solche dennoch einbringen, es ginge unsere Glaubwürdigkeit zur Einschätzung von Verfehlungen gegenüber dem Amtsapparat verloren. Traurig, aber wahr.
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Der von Nachbarn gemeldete Stall; jener stellt sich als schwer einzuschätzen heraus, auch bezüglich des Recherchierens, erfahren wir später. Von AnrainerInnen umgeben, ist es eine echte Herausforderung, Fotomaterial daraus zu bekommen. Es gelingt aber dennoch; auf den Bildern erkennt man ebenfalls Stroh-Einlagen, was uns natürlich sehr freut. Aber man sieht auch, dass das Platzangebot für die einzelnen Kühe ein besonders geringes ist, dass die Stände für die großen Tiere viel zu kurz bemessen scheinen, und dass die Ketten viel zu wenig Bewegungsspielraum lassen! Ganz offensichtlich! Man stelle sich vor: die armen Wesen sind ohnehin 24 Stunden am Tag auf ihrem Platz auf Beton gefesselt, und dann noch derart kurz, dass es ihnen kaum gelingt, den Kopf überhaupt nur gänzlich zu Boden zu legen. Eine wahrlich erschütternde Tatsache, die folgen haben wird – natürlich berichten wir über den weiteren Verlauf dieses Falles!
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6c426522 40f5 45e8 8ff1 17e5aac2e66cFazit: die Recherche brachte auch Gutes zu Tage; offensichtlich vermehrt sich der Anteil der TierhalterInnen, welche Stroh zur Unterlage nutzen. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, galt bisher dennoch immer nur als bloße Ausnahme. Tatsächlich, dies ist ein Punkt, der uns freudig zurücklässt. Andererseits, die anhaltende Selbstverständlichkeit, mit oder ohne Ausnahmegenehmigung schwer gegen das Tierschutzgesetz zu verstoßen und Rinder in dauernder Anbindehaltung zu fixieren, ist ein gar furchtbares Unding. Diese Praxis MUSS ein Ende haben. Ein solches kann aber nur Wirklichkeit werden, wenn die so unseligen Ausnahmegenehmigungen nicht nur minimiert, sondern sogar gänzlich abgeschafft werden – unmöglich? Ganz und gar nicht, denn meint es der Gesetzgeber ernst mit Tierwohl-Bestimmungen, dann muss er genauestens darauf achten, wer denn überhaupt die Möglichkeiten hat, ein Tier gemäß dessen psychischen und physischen Bedürfnissen zu halten. Gibt es eine solche Möglichkeit nicht, MUSS die Tierhaltung eine untersagt sein, ohne Wenn und Aber. Und das Wort ‚Ausnahmegenehmigung‘ bezüglich des Umganges mit Mitgeschöpfen ersatzlos gestrichen werden!!!
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