RespekTiere-Ukraine-Hilfe – der Einsatzbericht!

Der Himmel zeigt sich am ersten Reiseabschnitt, der Strecke Salzburg-Krems, gewitterverhangen und immer wieder prasselt schwerer Regen auf das RespekTiere-Mobil ein. Die Hitze der letzten Tage, eine würgende, alles einvernehmende, hat sich endlich verzogen, doch, typisch österreichisch halt, auch die neuen Bedingungen geben Anlass zur Klage. Denn das Vorankommen ist beschwerlich, und nur mit viel Mühe und immer wieder ob der Menge vom Himmelswasser fast im Blindflug kämpfen wir uns Richtung Osten. Unser Ziel – einmal mehr das Tierheim Uzhgorod in der Ukraine, dort, wo sich die Tierschützerin Iryna gegen alle Zeichen der Zeit stellt und den Betrieb der lebensrettenden Herberge trotz der unfassbaren Situation ringsum unverändert aufrecht erhält!

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So viel haben wir wieder gesammelt; angefangen von der Tiernahrung bis hin zur Bekleidung, Baby- und Kindersachen, medizinische Artikel, sogar Gehilfen, Rollatoren, ein Rollstuhl sowie jede Menge an wunderschönen Schultaschen – zur Verfügung gestellt erneut vom so großartigen ‚Fachcenter Wagner‘ (www.fachcenter-wagner.at) aus Eugendorf im Salzburger Flachgau – sind sicher im Laderaum des ‚orangen Monsters‘ verstaut. Gut eine Tonne an Gütern, bestimmt dazu, dort zu helfen, wo Hilfe am allermeisten gebraucht wird!

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Foto: wir bedanken uns einmal mehr von ganzem Herzen bei der Firma Wagner in Eugendorf und ihren so herzlichen Mitarbeiterinnen für die andauernden so großzügigen Spenden von Schultaschen und Rucksäcken… ihr seid wunderbar!!!

An meiner Seite hat wieder einmal die Christine Platz genommen, Lehrerin in Linz und Veteranin so vieler Hilfsfahrten. Der Duft von frischem Kaffee erfüllt bald das Wageninnere und vermittelt ein bisschen das Gefühl von Heimat. Eine tiefe Verbundenheit mit dem Land, welche mit zunehmendem Alter immer weiter wächst. Im Angesicht dessen, was uns in den nächsten Tagen erwarten wird, steht ‚good old Austria‘ mehr noch für Frieden und Sicherheit, der rot-weiß-rote Banner als Schutzschild vor einer Realität, die zunehmend den Atem stocken lässt. Eine Insel, deren Küsten aber bereits ebenfalls heftig umspült sind, ein imaginäres Eiland, das noch ein letztes bisschen Entspannung und Ruhe verspricht. Für wie lange noch? Letztendlich sind wir doch alle eins auf diesem Planeten, völlig nebensächlich der Nation, der Religionszugehörigkeit, der Hautfarbe, der sozialen oder der sexuellen Gesinnung, gefangen im selben Boot, an einem brennenden Ort, wo es keinen Notausgang gibt. Für niemanden, auch nicht jene, welche noch immer auf einer ‚Insel der Seligen‘ leben dürfen. Oder, vereinfacht gesagt: die, die in der Luxuskabine sitzen, sie werden gleichermaßen untergehen, wie jene, die rudern… Kriege nehmen zu, ringsum, religiöse Verwirrungen, Kampf um Ressourcen, um Wasser, um Energie, Geldentwertung, Zoonosen und die damit verbundenen Pandemien, Klimakollaps – all das macht von einer vom Menschen gezogenen Grenzlinie natürlich nicht Halt.

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Für den Moment aber vertreiben wir die düsteren Gedanken. Konzentrieren uns auf das Wesentliche. Und sind erfüllt von großer Vorfreude; dem Wissen nämlich, dass dieser Einsatz einen Unterscheid ausmacht. Für jene, die die mitgebrachten Waren bekommen werden, ob nun menschlicher oder tierlicher Abstammung, einen riesengroßen sogar. Dafür sind es alle Mühen dieser Welt wert auf sich genommen zu werden. Gar keine Frage.

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Foto oben: Einfahrt Wien; unten: Grenze zur Slowakei!

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Nachdem es gestern im Westen noch regelrecht gegossen hatte, nehmen die Niederschläge gen Osten langsam ab. Vor uns tauchen nun auch schon die ersten Gebäuderiesen der Donaumetropole Wien auf, Giganten, welche sich langsam aber sicher zu einer durchaus imposanten Skyline zusammenfügen. Dann tauchen wir ein in das Pannonische Becken mit seinen sturmzersausten Steppen und den hundert Meter hohen Stahlgiganten, unentwegt bemüht, dem Wind die Freiheit zu nehmen. Das Land hat kurz aufgeatmet unter den Regengüssen, verzweifelt nach dem Wasser des Himmels gegiert; jetzt kehrt langsam wieder Ruhe ein, und mit ihr wird die Hitze zurückkehren. Eine Hitze, die beispielsweise dem Neusiedler See den niedrigsten Pegelstand seit den Wetteraufzeichnungen beschert hat – und keine Entspannung ist in Sicht. Der Klimawandel längst beinharte Realität, eine neue Periode, die die Kraft ins ich trägt, alles Bekannte, Gewohnte, für immer zu verändern. Ein Wetterphänomen, welches einen ganzen Planeten als Kochtopf zurücklassen wird, ohne Ablassventil allerdings. Alleine eine Weisheit fällt mir dazu eine, eine indianische: ‚Wir haben den Planeten nicht von unseren Eltern geschenkt bekommen, sondern nur von unseren Kindern geliehen‘. Ein Satz, der eigentlich alles aussagt, der die Schwere des Verbrechens der Nachwelt gegenüber mühelos in ein paar Buchstaben fasst…

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Bald verlassen wir Österreichs Ostautobahn. Unser erstes Ziel des neuen Tages liegt in der Slowakei, genauer in Bratislava. Dort sollen wir von unserem Partnerverein ‚Sloboda Szvierat‘ (‚Freiheit für Tiere‘) noch eine größere Menge an Anti-Parasiten-Mittel auf den langen Weg mit uns nehmen. Erneut segeln wir übrigens mit Papieren aus der Slowakei, ausgestellt einmal mehr von Yulia, die ihrerseits ein Partnertierheim von Sloboda Szierat hart an der Grenze zur Ukraine betreibt. Yulia kennt sich perfekt aus mit den dortigen Zollgewohnheiten, und so soll es uns nicht allzu viele Schwierigkeiten bereiten, den Grenzübergang zu bewältigen. Allein, die Erfahrung sagt, einfach ist ein solcher nie. Von ‚reibungslos‘ sogar unter besten Bedingungen stets meilenweit entfernt…

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Gegen Mittag erreichen wir die Paradeherberge. Bojan, der langjährige Mitarbeiter mit serbischen Wurzel und einer der vielleicht größten Tierfreunde dieser Welt, öffnet uns das stählerne Gatter und schon tauchen wir ein in diesen so wunderbaren Platz! Selbst heute, Samstag, wo das Tierheim nun um diese Zeit eigentlich bereits geschlossen hat, strömen dutzende Menschen herbei, holen Hunde für eine kurze Auszeit; eine junge Frau und ihre kleine Tochter adoptieren soeben eine kleine süße Maus, die, als ob sie wüsste, dass sich nun ihr ganzes Leben ändern wird, nicht damit aufhört, voller Freude an den Füßen ihrer neuen Familienmitglieder hochzuspringen. So berührend! Allerdings, Zeit haben wir eigentlich keine für all die großartigen Eindrücke, ein paar Minuten nehmen wir uns trotzdem. Gehen die weitläufigen Zwinger entlang und spenden Streicheleinheiten. Besonders ein unfassbar netter Hund hat es uns dabei angetan; er stammt aus einer der vielen Romasieldungen im Land, und ihm wurde von irgendjemanden, einer menschlichen Bestie, Säure in die Augen gespritzt. Angeblich mit voller Absicht. Zurückgeblieben ist grüner Schimmer über den Pupillen, ganz so, als ob jetzt smaragdene Steine in den Augenhöhlen sitzen. Sein Schicksal berührt uns zutiefst; offensichtlich hat sich der Arme aber mit seiner Blindheit längst arrangiert, wirkt so überhaupt nicht unglücklich. Im Gehege weiter säugt eine Mama ihre sechs oder sieben Welpen. Die Hälfte deren schaut aus wie sie, braun, ein bisschen etwas vom Schäferhund, ein bisschen etwas von einer Bulldogge oder ähnlichen Hunden. Die anderen Tierkinder erinnern vielmehr an Huskys, mit blauen, wachen Augen und voller Tatendrang. Zwei verschiedene Väter, alle aber am selben Tag geboren. Die Natur überrascht immer wieder auf ein Neues…

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Foto oben: Bojan übergibt uns die Schachtel mit Flohhalsbändern und Co; links unten: erkennt Ihr die grünen Augen des Armen?

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Ein Transporter ist angekommen; darin befindet sich ein halbes Dutzend Hunde, welche der so bemerkenswerte Verein geschafft hat von dubiosen Züchtern im Hinterland abzunehmen. Auf sie wartet ein echtes Leben, abseits der ‚Zuchtmaschine Hund‘. Dem Himmel und Sloboda Szvierat sei‘s gedankt!

Dann müssen wir aber wirklich weiter. Eine feste Umarmung noch mit Bojan, dem Guten, und dann verschwindet dessen Silhouette auch schon im Rückspiegel.  Der Weg führt uns jetzt durch die Metropole, scharf gen Osten. Es geht über leicht hügeliges Land, wunderschön anzusehen, durch teils menschenleere Landschaften. Die sanften Hügel bewachsen mit dem von mir so geliebten goldgelben, hüfthohen ‚Präriegras‘, eine vage Erinnerung an die amerikanischen Plains!

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Foto: als Zuchthunde gedacht, von Sloboda Szvierat gerettet!

Urplötzlich werden die Wälder dunkler, dichter, der Himmel wolkenverhangen. Wunderschöne Gegenden, mit teils fast alpin anmutendem Charakter. Es geht noch weiter rauf, bestimmt einige hundert Meter über den Meeresspiegel sind wir nun. Plötzlich öffnet der Himmel seine Pforten. Es beginnt zu regen, leicht zuerst, dann immer stärker. Gemischt mit den aufsteigenden Nebeln der Wälder ist der Ausblick von einem Moment zum nächsten ein zutiefst herbstlicher, das Thermometer fällt binnen Minuten auf deutlich unter 20 Grad. Eine einsame Raststelle tut sich vor uns auf, mit weitläufigem Spielplatz und kleinen Holzhütten zum Verweilen. Die kurze Pause kommt wie gerufen! Kaum nehmen wir an einem der Tische Platz, steht plötzlich ein Roma-Junge vor uns. Kaum 10 Jahre alt. Wie er hierherkommt, irgendwo im Nirgendwo, wir wissen es nicht. So abseits der Zivilisation, wo nur der offensichtlich neu erbaute Highway an eine solche erinnert, wir wissen es nicht. Es gibt eigentlich nur eine Erklärung – die Eltern, die Familie, hat ihn abgesetzt, um durch seine Kindheit an jenem Rastplatz das Herz der Vorbeirasenden zu erwärmen. Ein Wagen bleibt stehen, eine Frau gibt ihm ein paar Brote. Wir reichen Trinkflaschen. Mit seinen großen schwarzen Augen schaut er uns dankbar an. Er, der sowas von nicht auf der Butterseite des Lebens gelandet ist; pitschnass und alleine zurückgelassen an jenem einsamen Ort. Inmitten des Regens. Des Kindseins beraubt.

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Die Landschaft wird immer uriger; der Regen lässt alsbald langsam nach, und nun geht es wieder hinunter in die Senke. Einige große Städte tauchen aus dem Nichts vor uns auf, verschwinden aber bald wieder, wie aufgesogen von der umliegenden prächtigen Natur. Ein wunderschönes Land. Wären da nicht die toten Tiere entlang des Verkehrsweges, in unglaublicher Zahl. Überall verrotten sie unbeachtet am Aspaltband, unbeweint. Und dann die unsagbaren Riesenhallen der weltweiten Konzerne, die wie Pilze aus dem Boden zu sprießen scheinen. Monsterhallen fressen sich in das Land, wie nimmersatte Raupen. Verunstalten die Umgebung, stehlen den Bergen und Täler für immer jede Unschuld. Es gibt wohl keinen deutschen oder österreichischen Konzern, welcher hier nicht im großen Stile expandiert hat. Und amerikanische, Amazon beispielsweise. Hie und da reihen sich die Großen der Marktwirtschaft wie Perlen an der Kette. Bringen Arbeitsplätze, mag sein; aber vernichten die Stille, die nie wieder zurückkehren wird…

Weiter geht es durch uralte Dörfer, vom Verfall gezeichnet. Ganz viele offensichtlich alleine von Roma-Angehörigen bewohnt, die Menschen ohne jede Chance auf eine bessere Zukunft. Hier am Ende der Welt, inmitten von Müll und gebrochenen Versprechungen. Manche noch dazu von meterhohen Blechwällen umgeben; wer hier geschützt werden muss, ist nicht ganz klar. Die Roma vor Ewiggestrigen, oder, wie es die hellhäutigeren Anrainer wahrscheinlich lieber hören, sie vor vermeintlichen Diebesbanden.

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Foto unten links: Einsatzfahrzeug mit Nostalgie-Charakter! 🙂

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Autobahnen werden gebaut. Bagger schänden Mutter Erde im großen Stil, Baustelle an Baustelle. Dazu, je weiter gen Osten, desto auffälliger, gibt es dutzende Berge, die oft fast zur Hälfte abgetragen sind. Um aus dem Gestein Kiesel zu machen, der im Winter auf den Straßen landet, damit niemand rutscht. Bei näherem Nachdenken tut sich da der Gedanke auf: wie erklären wir solche Dinge, solch nicht wiedergutzumachende Zerstörung, einmal der nächsten Generation???

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Der Regen hört schließlich ganz auf und die Temperatur steigt langsam wieder an. Schwüle drückt auf den Lebensmut. Schwüle, bei knapp um die 30 Grad. Keine gute Kombination. Wir erreichen nun Košice. Košice, wir haben kürzlich darüber berichtet, beherbergt die größte Romasiedlung Europas. Gut 8 000 Menschen leben hier in verfallenden Plattenbauten, konzipiert für die Hälfte an BewohnerInnen. Trotz der Warnungen in den Internetforen lenken wir das RespekTiere-Mobil mitten hinein in den berüchtigten Bezirk mit dem spacigen Namen ‚Lunix IX‘. Wollen uns selbst ein Bild machen, nicht von der Meinung Dritter abhängig sein. Hunderte Menschen auf den Straßen. Inmitten von Müllbergen, kaputten Autos und zerbrochenen Träumen. Kinder, in Staub gehüllt, wie Geister. Immer wieder laufen sie direkt vor das Auto, man muss extrem aufpassen, dass nichts passiert. Dazwischen die Straßenhunde, unzählige. Die baufälligen Balkone sind geziert mit gewaschener Kleidung, zerbrochene Fensterscheiben bilden viel weniger die Ausnahme, sondern die Regel. Männer rauchen, Frauen sitzen zusammen und manche winken uns zu. Andere registrieren die Reisenden mit verärgerten Blicken, möchten uns zum Halten veranlassen. Das wäre eine schlechte Idee, eine ganz schlechte. Hier an einem Ort, den Gott längst verlassen hat. Aufgegeben. Dritte Welt mitten in Europa. Wo Meningitis und Hepatitis allgemeines Problem sind, ebenso wie Krätze und Kopfläuse. Wo 95 % der Menschen keine Arbeit haben, und wahrscheinlich nie eine finden werden. Finden können. Alleine ihrer Hautfarbe, ihrer unleugbaren Ethnie wegen. Schande. Schande für uns alle. Ein Faustschlag ins Gesicht der Menschlichkeit. Ein brennender Bezirk, ohne Hoffnung. Wie gut können wir die Bettler aus Salzburg nun verstehen, welche mit ihren selbstgezüchteten Huskys ein Auskommen in der Mozartstadt versuchen. Und welchen wir dennoch diese vielleicht einzige Chance vermiesen müssen – weil nicht noch Schwächeren noch schlechtere Karten zugespielt werden dürfen. Armut kann und darf keine Rechtfertigung für Tierquälerei sein.

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Foto: Bezirk ‚Lunik IX‘ in Kosice; unfassbare soziale Verhältnisse – von hierher kommen die meisten der Husky-Halter, welche mit ihren Hunden in Salzburg nach Geld bitten. Darüber, mit weiteren Fotos aus diesem Armuts-Hotspot, werden wir alsbald nochmals extra berichten!

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Es ist dann bereits stockdunkel, als wir nach fast 1 000 gefahrenen Kilometern Vel‘ke Kapusany erreichen, die Grenzstadt zur Ukraine. Dort suchen wir ein Motel, werden Gott sei’s gedankt auch schnell fündig. Lange hätten wir es nämlich nicht mehr geschafft, die Augenlider inzwischen zentnerschwer…

Trotz oder gerade wegen der Anstrengungen des vergangenen Tages soll der Geist aber keine Ruhe finden; es ist zudem selbst des Nachts drückend schwül und das Thermometer pendelt sich sogar über die dunkelsten Stunden hinweg bei weit über 20 Grad ein. So schrecke ich immer wieder hoch, von schlechten Träumen geplagt. Über gefühlte Stunden hinweg ist an einigermaßen erholsamen Schlaf leider gar nicht zu denken…

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Foto: die letzten Kilometer bis zur Herberge sind besonders mühsame. Die Straßenverhältnisse, oft genug am Tag schon prekär genug, sind des Nachts umso schwieriger zu bewältigen…

Der Wecker schrillt viel zu früh und es dauert ein bisschen, bis die malträtierten Knochen in die Gänge kommen. Auch der Kaffee fehlt ganz eindeutig; wir brechen zeitig auf und es bleibt heute keine Zeit für derartige Annehmlichkeiten. Im Wissen, was uns an der Grenze höchstwahrscheinlich wieder erwarten soll. Und wir werden nicht enttäuscht… gegen 10 stehen wir nach einer aufregenden Fahrt durch verlassene Bauerndörfer und über weitläufige Felder hinweg vor dem Grenzbalken. In der kleinen Zeltstadt errichtet für die auf so tragische Weise zu Flüchtigen gewordenen Menschen aus der Ukraine herrscht bereits reger Betrieb, der Flüchlingsstrom scheint kein Ende zu nehmen. Dann beginnen die Zollformalitäten; ach, ja, es muss gesagt sein: es gibt dem eigenen Gefühl nach keinerlei Vorteile für Hilfstransporte, so wie es eigentlich im Vorfeld angekündigt wurde. Im Gegenteil, wir dürfen auch nicht die ‚Personenverkehrsspuren‘ passieren, dort, wo gar nicht so viele Fahrzeuge mit ihren InsassInnen auf die Einreise warten. Nein, das RespekTiere-Mobil findet sich eingeordnet in der LKW-Schlange wieder. Die nervenaufreibende Prozedur nimmt ihren Anfang. Alleine die Ausreise nötigt uns über eine Stunde ab, kurz geht es über stacheldrahtbewehrtes ‚Niemandsland‘, dann wehen schon die ersten blau-gelben Ukraine-Fahnen in der leichten Brise. Es ist erneut heiß, düstere Regenwolken allerdings lassen ein nahendes Unwetter erahnen. Viel zu junge Menschen in Soldatenuniformen, mit umgehängten Maschinengewehren kontrollieren nun unsere Papiere, gefühlt ein Dutzend Stationen müssen passiert werden. Ausweiskontrolle hier, Fahrerpapiere da, Ladegutinspizierung, erneut Fahrzeugpapiere, erneut die Pässe; durch einen gelb-schwarzen stählernen Wald aus Pfählen hindurch, dessen Sinn wir nicht erkennen, auch jetzt beim nächsten Anlauf nicht; es gibt nur ein Gebot ‚zwischen den Stangen nicht stehenbleiben‘. Warum? Überhaupt keine Ahnung! Dann geht es einen Hügel hinauf, erneut bekommen wir ein unlesbar beschriebenes Blatt Papier, das alte wird abgestempelt und konfisziert. Wie viele Kilometer hat der Wagen am Tachostand, wieviel Diesel ist im Tank. Was genau macht ihr, wohin fahrt ihr, was bringt ihr, die Fragen nehmen kein Ende. Endlich im Zollraum mit seinem gut ein Dutzend Büros geht es von Schalter zu Schalter, zu Schalter – und dann in selbiger Reihenfolge wieder zurück! System erkennen wir hinter der nervigen Prozedur nicht. Aber die ZollbeamtInnen sind wenigstens durechwegs freundlich, gestresst zwar, aber hilfsbereit.

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Fotos: die bürokratischen Hürden zum Grenzübertritt sind zermürbend; man muss diversteste Check-Points durchlaufen, vorbei an schußfesten Barrikaden, immer wieder elends lange anstehen – letztes Bild: endlich geschafft!

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Die letzte große Zollstation. Erneut dieselbe Prozedur, alles, was schon zigmal kontrolliert und erfragt wurde erfährt hier ein Déjà-vu… So soll es bereits nach 13 Uhr sein, als wir endgültig ukrainischen Boden entern. Vorbei geht es jetzt an einer tatsächlich kilometerlangen LKW-Schlange auf der gegenüberliegenden Seite; die armen Trucker, wartend auf die EU-Einreise, sie stehen bestimmt 2 volle Tage hier!

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Müllberge neben den Straßen, Armeekontrollen. Wir kommen jetzt aber dennoch gut voran. Und bald erscheinen die Außenbezirke von Uzhgorod vor uns. Überall Baustellen, eine boomende City, die aber durch die Kriegswirren zum Stillstand gekommen ist. Viel mehr als die Neubauten fasziniert uns jedoch ohnehin der alt-kommunistische Flair, der selbstverständlich trotz all dem Passierten noch unverändert seinen wenn auch zweifelhaften Charme versprüht. Der Fluss durch die Stadt zeigt sich beinahe ausgetrocknet, wie so viele Wasser in ganz Europa. Dürreperiode, mehr als das. Klimawandel, der sein erschreckendes Ausmaß immer deutlicher zeigt. Kirchen an jeder Straßenecke, hauptsächlich orthodoxe, in ihrer ganzen, fast orientalisch anmutenden Pracht.

Sobald wir die ersten ergreifenden Eindrücke verarbeitet haben, rufen wir auch schon Iryna, die großartige einheimische Tierschützerin. Datenroaming aufgepasst, Kostenfalle Telefonie, das kann schnell extrem teuer werden! Iryna ist sogleich an der anderen Leitung, sie arbeitet wie immer im Tierheim. Kann uns nicht abholen, weil sie alleine dort ist. So erklärt sie den Weg, und tatsächlich finden wir später auch die richtigen Passagen. An den Rändern der Stadt, dann auf einem von den Elementen zerfressenen Feldweg über einen Kilometer hinein ins Nirgendwo. Buchstäblich. Manche erinnern sich vielleicht noch an die Schilderungen von der Zufahrt zu Frau Oprea‘s Herberge in Rumänien – die, wohl oft genug praktisch unmöglich zu passieren, ist ein reiner Kindergeburtstag verglichen mit dem hier…

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Foto oben: wirkt zwar eher wie Cinderella’s Schloss, ist aber ebenfalls eine Kirche! Dritte Reihe rechts: weite Land- und Stadtstriche sind vom Verfall gezeichnet…

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Letztendlich haben wir es aber geschafft; die ersten Zaunelemente erscheinen vor uns, die ersten Baucontainer. Und da wartet die Tierschützerin auch schon, öffnet die Tore. Wir begrüßen uns voller Freude, wie alte Freude – sind wir inzwischen ja fast auch schon! 🙂

Iryna ist ein Fels in der Brandung, ich habe es letztes Mal bereits geschrieben; sie geht ihren Weg, unverrückbar, ein wahrer Engel für die Hunde. Weit mehr als 150 beherbergt sie inzwischen wieder, in verschiedenen Bereichen. Da gibt es kranke, da gibt es gerade erst geimpfte, die natürlich noch nicht zu den anderen dürfen. Dann jene, die auf ein neues zu Hause warten, welches sehr oft – doch vielleicht etwas überraschend – in Tschechien liegen wird (genau wie für ganz viele BewohnerInnen des Asyls in Bratislava oder Velke Kapusany übrigens)! Iryna’s Hunde sind alle herzallerliebst, sehnen sich nach Streicheleinheiten, nach ein paar netten Worten. Meist schüchtern zuerst, aber bald, bewegt man sich nicht hastig und spricht nicht zu laut, fallen die Hemmungen. So unfassbar großartige Wesen, so viel Schlechtes haben sie erfahren – und dennoch nicht die Zuneigung zu unserer Art verloren…

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Es gibt jetzt ein Problem – Iryna kann die Hilfsgüter für Menschen nicht bei sich behalten, zu voll ist ihr Platz, zu viele Ratten und Mäuse gibt es hier draußen. So telefoniert sie hastig, findet eine passende Hilfsorganisation. Dorthin sollen wir nun zuerst, um die hunderte Kilos an Gütern abzuladen, dann wieder zurückkommen, um die unter diesen begrabenen Tiernahrungsmittel auszuladen.

Schon sitzen wir wieder im orangen Ungetüm, den ganzen, zerfurchtenen Weg zurück, mitten hinein ein weiteres Mal in die einst vor Aktivität brodelnde Stadt. Es sei vorweggenommen – die gegebene Adresse bleibt trotz Navi leider unauffindbar. Was uns dann aber ehrlich gesagt gar nicht einmal so leid tut, denn die wäre im 2. Stock eines Häuserblocks gewesen – hunderte Kilos so weit rauf tragen? Muss auch nicht sein. 🙂 Was aber nun tun? Wenn wir in all den Jahren etwas gelernt haben, dann ist das die Improvisation! Und so lenken wir das Hilfsmobil zu jener Flüchtlingsaufnahmestelle, wo wir beim letzten Besuch im Frühjahr waren, damals, um eine Unzahl von lebensrettenden medizinischen Artikeln zu bringen. Und, einer im Alter besser werdenden Orientierung sie’s gedankt, finden den Ort tatsächlich – nur, heute ist leider geschlossen… Allerdings, ein großes Zelt der Unicef befindet sich am Gelände, und zwei äußert freundliche junge Frauen freuen sich riesig über das unerwartete Angebot, eine solche Menge an Hilfsgütern entgegenzunehmen! Schließlich kommt auch noch ein Arzt hinzu, und zusammen entladen wir den Van. Besondere Freude erwecken wohl die vielen Gehhilfen, von der Krücke bis hin zum brandneuen Rollstuhl!

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Nach einer sehr netten Konversation sind wir auch schon wieder in Bewegung. Es geht zurück zu Iryna’s Herberge; und wieder bereitet uns das Auffinden des Tierheims kaum Probleme – schööön!  Die Entladung ringt uns aber dann die letzten Kräfte ab; es ist brütend heiß, die Regenwolken haben sich weitgehend verzogen, und eine drückende Schwüle hält das Land in Geiselhaft. All die Säcke kommen in einen extra Container, dort, wo auch die kranken Hunde und Katzen untergebracht sind; für uns WesteuopäerInnen nicht immer schön anzuschauen, aber aus Mangel an Möglichkeiten müssen die Armen in beengter Umgebung ausharren, solange, bis sie wieder gesund sind, die Ansteckungsgefahr gebannt ist. Es fehlt natürlich an allem, aber man versucht aus der gegebenen Situation stets  das Beste zu machen. Ohne zu lamentieren, was ja sowieso nichts bringt. Ungewohnt, kommt man aus der österreichischen Schule! 🙂 Auch eine schwer krebskranke Hündin ist unter den PatientInnen, eine Süße, welcher das Karzinom einen Teil der Nase weggefressen hat – ob es Hoffnung gibt? Zumindest einen Schimmer davon, meint Iryna. Wir halten uns an jenem fest…

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Dann müssen wir uns aber endgültig von der Lieben verabschieden. Eine feste Umarmung, ein von ganzem Herzen kommendes ‚see you again‘, und dann brausen wir auch schon wieder los… möge Göttliches diesen Ort schützen, und alle Mächte des Himmels…

In dem Stress der vergangenen Tage habe ich leider völlig auf gewisse Demo-Utensilien zu Hause vergessen. Unbedingt aber möchten wir noch einen ‚Putin, go home!‘-Protest abhalten. So finden wir uns in einem Ost-Hypermarket für Bauwaren wieder, und gegen das Reichen der Kreditkarte wechseln eine große Ukrainefahne sowie zwei Lackdosen in unseren Besitz! Auf einem einsamen Parkplatz sprühen wir schließlich ein passendes Transparent. ‚Putin, go home! Stop the war!‘, gibt es da zu lesen!

Und so bestaunen erfreute PassantInnen später Gevatter Tod mit selbigem Banner an einer belebten Straßenkreuzung, und danach auch noch in einer Fußgängerzone. Hochgehaltene Daumen tun in der Seele gut…

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Aber auch Kritik an dem blau-gelben Land muss sein; denn wie die Straßentiere hier behandelt, werden, es ist ebenfalls traurige Legende. Ob Krieg oder nicht. ‚Stop killing stray dogs‘, flattert deshalb alsbald im Wind, gehalten vom Knochenmann sowie einer Aktivistin im Hundekostüm!

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Es ist nun Zeit für die Rückreise in die Slowakei. Wieder ziehen Gewitterwolken auf, der Himmel lässt ein unaufhörliches, bedrohliches Knurren hören. TomTom führt uns zu einem kleinen Grenzübergang, wo schon eine Schlange von gut einem Kilometer auf den Übertritt wartet. Null Bewegung allerdings. Nein, bis Mitternacht wollen wir da nicht warten, und so suchen wir im nächsten Moment, nach einer spektakulären Kehrtwendung auf der megaengen ‚Straße‘, auch schon nach jener Passage, über welche wir ins Land gekommen waren. Und finden erneut den richtigen Weg. Allerdings, dort hat der LKW-Stau inzwischen unglaubliche Ausmaße angenommen. Mehrere Kilometer Motormonster reihen sich Rad an Rad. Unglaublich. Wir überholen frech auf der Gegenfahrbahn; müssen wir auch, sonst würden wir bis zum Übermorgen an jener Stelle zu stehen haben. Ab und zu kommen Fahrzeuge entgegen, ausweichen ist auf der schmalen Straße gar nicht so einfach. Dann die Grenze. Dieses Mal werden wir als ausreisender Hilfstransport zuerst vor gewunken. Die Freude darüber wehrt allerdings nur kurz, schon im nächsten Moment beginnt die zermürbende Prozedur von Neumen. Stunde um Stunde müssen wir über uns ergehen lassen, kommen dabei nur meterweise voran. Das bei einem nahezu beängstigenden Müdigkeitsfaktor. Es ist zum Haare-Raufen. Wir, das einzige Fahrzeug mit 3,5 Tonnen, sonst nur und ausschließlich 20-Tonner! Nach endlos scheinenden Stunden ist es dennoch fast geschafft – eine Kontrolle noch auf ukrainischer Seite! Doch im gleichen Augenblick wo wir dort den Pass vorlegen (tatsächlich!!!), schließt das Fenster – Schichtwechsel!!!

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Wir wären nicht im Osten, würde dieser ‚wechselnd‘ geschehen. Alles pausiert vielmehr. Stillstand. Über eine weitere gute Stunde hinweg. Dann endlich kommen die Ausgeruhten. Beeilen tun sie sich allerdings dennoch nicht, ganz im Gegenteil. Sie finden dann auch noch einen Karton mit Kaugummis im Wagen, welchen wir abzugeben vergessen hatten; ausgerechnet solche mit Coca-Extrakt, energiespendend. Eine Donation vom Erzeuger. Selbstverständlich ist das Extrakt der Cocapflanze in einem völlig legalen Maße als Inhalt zugefügt, das Produkt in den meisten Verkaufsregalen zu finden. Dennoch, alleine das Wort ‚Coca‘ erweckt die Phantasie; ‚you have more drugs with you?‘, oder ‚any other Narkotika?‘ sind noch die harmlosesten Fragen, welchen wir uns nun stellen müssen! Das Auto wird geöffnet, alle Türen auf, und zwei Beamte durchsuchen jeden Winkel. Klopfen die Blechwände ab. Auch unter die Motorhaube wollen sie einen Blick werfen. Der Spuk ist nicht vorbei – nachdem, es wird nun schon dunkel, die Ukraine-Behörden von uns ablassen, erwartet uns selbige Problematik auf slowakischer Seite. Hätten wir den verdammten Karton doch einfach beim Fenster hinausgeworfen.

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Foto oben: Zigaretten um 55 Cent? Unglaublich!

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Wir sind fast schon entnervt, bereits in Gedanken, einfach im Schlafsack im Van zu übernachten, da leuchtet letztendlich doch noch das grüne Licht der Ampel – Freifahrt zurück in die EU! Ganz ehrlich, bei all solchen Schikanen, ist mir in den letzten Monaten vermehrt der Gedanke gekommen, ‚langsam wirst Du zu alt für den Job‘. Von bleierner Müdigkeit gezeichnet, verwerfe ich die Posse aber blitzschnell – denn wer, wenn nicht wir sollte solche wichtigen Fahrten auf sich nehmen? Zumindest ist es uns eine große Ehre, immer gewesen und wird es immer sein, die von euch gespendeten Güter sicher an den Zielort zu bringen. Hoffentlich noch für wenigstens ein paar weitere Jahre!

Endlich fällt Regen. Viel ist es nicht, aber das Nass bringt Abkühlung. Weit nach 10 Uhr nachts kehren wir schließlich wieder in selbiger Herberge wie gestern ein. Mit einen tiefen ‚Durchatmer‘…

Es warten nun noch eine Menge Schreibarbeiten; so wird es erneut 1 Uhr morgens, bis wir endlich ins Bett fallen…

Am nächsten Morgen treffen wir uns mit Janka. Janka betreibt ein wunderbares Tierasyl in Vel‘ke Kapusany, hier hart an der Grenze zur Ukraine. Als wir uns zum letzten Mal sahen, zeigte sie auch ein verlassenes, verfallenes ehemaliges Fabrikgelände, auf welchem eine Herberge errichtet werden soll. Ihre Herberge, ihre und die ihres Mannes. Zugegeben, wir fanden das Vorhaben damals mehr oder weniger illusorisch, gemessen an der Menge der Restaurierungsarbeiten, welche der ehrgeizige Wunsch mit sich bringen würde. Ein Ding der Unmöglichkeit. Eine riesige alte Fabrik, einst wurde hier Dünger hergestellt, von den Elementen zerfressen; derart, dass nur noch der Verfall von einstiger Größe zeugt.

Heute zeigt sie uns den Ort erneut; und nun verschwindet die Skepsis langsam. Unfassbar, was hier in den letzten Monaten geleistet wurde wird – es gibt noch immer unendlich viel zu tun auf dem hektargroßen Grundstück, aber zumindest sieht man jetzt bereits in Ansätzen, was da wirklich entstehen könnte. Was möglich ist, wenn Menschen von einer tiefen Überzeugung, welcher sie alles andere unterstellen, geleitet werden! Sollte das Ganze wirklich gelingen, es ist ein echtes Wunder, was Janka und die ihren hier leisten!!! Hochachtung, das ist es, was aus unseren Augen spricht.

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Fotos: ja, es schaut noch immer aus wie eine Ruine; aber im Vergleich zu vor wenigen Monaten kann man den Willen dahinter nun bereits deutlich erkennen; unten links: das wird die Tierarztordination – was sonst? 🙂 rechts: sie ist die erste Bewohnerin im neuen Asyl: eine Hündin, welche sich mit keinem Artgenossen versteht und jetzt die Aufgabe innehat, das Holzlager zu bewachen!

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Dann fahren wir ins ‚alte‘ Asyl, irgendwo am Rande der Stadt. Dort herrscht heute Hochbetrieb; ein Tierarzt ist vor Ort, kastriert, behandelt. Tschechische TierschützerInnen helfen, sie kommen oft hierher und immer nehmen sie dann auch viele Hunde mit sich. So unfassbar schön zu sehen, wie diese IdealistInnen Unmögliches möglich machen. Osttierschützende, ich habe es so oft genug gesagt, verdienen mehr als unsere Bewunderung. Mit oft einfachsten Mitteln stellen sie die Ansinnen der viel Begüteteren weit in den Schatten. Weil sie alles dem einen unterordnen: Tierschutz bis an die Grenzen des Schaffbaren – und viel zu oft darüber hinaus!Dort, wo unsereins, verwöhnte Westkinder, käöngst w/o geben, dort fangen sie gerade erst einmal an! Sie sind die wahren Helden am Tierschutzhimmel, gar keine Frage.

Im einfachen, aber zweckmäßigen Tierheim, aufgrund der zur Verfügung stehenden Mitteln und der überbordenden Belastungen des täglichen Lebens, psychischen wie körperlichen, leben die geretteten Seelen auf engen Raum. Es geht nicht anders; ansonsten wären alle, ausnahmslos alle, der hier Gelandeten längst tot. Ein bisschen müssen sie noch ausharren, bis die Umsiedlung in das großzügig geplante, neue Asyl tatsächlich Realität wird… Wir lassen uns heute etwas Zeit, den es scheint an diesem Tag noch mehr als sonst: die Herzallerliebsten benötigen ein bisschen Zuneigung. Können gar nicht genug kriegen von Streicheleinheiten, trotz ihrer wahrscheinlich vorwiegend schlechtesten bisherigen Erfahrungen mit ‚Mensch‘. Die Allermeisten kommen wie so oft aus umliegenden Romadörfern, wo die Härte des täglichen Lebens Mensch wie Tier mit voller Wucht trifft. An dieser Stelle möchten wir aber viel lieber Bilder sprechen lassen. Denn die sagen, wie der Volksmund weiß, ohnehin mehr als tausend Worte…

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Die Zeit drängt leider; wir müssen aufbrechen, und Janka hat sowieso alle Hände voll zu tun! So übernimmt die beherzte Tierschützerin noch das mitgebrachte Hundefutter, auch Decken und Handtücher sowie Parasitenbekämpfungsmittel; dann verabschieden wir uns mit fester Umarmung. Tatsächlich fällt es mir heute besonders schwer mich loszureißen. Auch Christine ist sichtlich tief berührt. Das Schicksal all dieser Hunde hier, es tut in der Seele weh. Und ja, man gewöhnt sich leider nicht mit zunehmender Erfahrung an diese Bilder, ganz im Gegenteil. Die Situation geht einer geplagten TierschützerInnenseele stetig näher, nährt sich am eigenen Lebensmut. Aufpassen, das ist die Devise. Auf sich selbst. Denn ganz leicht zerbricht man an den Herausforderungen, besonders an Tagen wie diesem.

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Eine lange Fahrt liegt vor uns, fast 1000 Kilometer haben wir noch zu schaffen. Es geht jetzt erneut durch die Berge, über halbfertige Autobahnen hinweg, die immer wieder direkt in Landstraßen münden. Regen beginnt zu fallen, die Temperatur sinkt von schwül-heißen 30 Grad auf unter 20. Vorbei geht es an endlosen Landschaften, an wunderschönen, aber leider auch an vielen, vielen Naturzerstörungen. Überall verstreut riesige Tierfarmen. An einer, für Kühe, bleiben wir stehen, fotografieren ein bisschen. Es dauert aber keine 5 Minuten, da braust auch schon ein Wagen heran. Konfrontation brauchen wir heute keine, deshalb schwingen wir uns blitzschnell ins RespekTiere-Mobil und fliegen im nächsten Moment förmlich am Tierfabriksbesitzer-Mercedes vorbei…

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Die Slowakei ist ein wunderschönes Land. Berge und Seen, Ausläufe der ‚Hohen Tatra‘, an riesigen Industriewerken, an wunderbaren Weiten, an grasenden Tierherden vorbei führt uns die Strecke. Gegen frühen Abend wird das Land flacher, bald passieren wir nun Bratislava, auf direktem Weg in Richtung Wien. Als wir den vorläufigen Zielort, wo wir die Nacht verbringen werden, erreichen, ist es bereits stockdunkel. Und wir am Ende unserer Kräfte, tatsächlich machen sich Muskelkrämpfe in den Beinen bemerkbar. Zu wenig getrunken, zu viel Stress. Aber die Reise war sowas von notwendig, war trotz aller Furchtbarkeiten sowas von wunderschön. Im Wissen nämlich, einmal mehr wirklich helfen gekonnt zu haben…

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Foto: bald in der Heimat – wir passieren Bratislava… und dann Wien!

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Abschluss-Impressionen!

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