Wir haben es getan – und den unserer Meinung nach unlauteren Werbefeldzug der Molkereien allgemein bezüglich der Herkunft der Milch und den Haltungsbedingungen der Milchkühe beim österreichischen Werberat angezeigt! Ob die Beschwerde letztendlich durch geht, wir wissen es nicht – was wir aber wissen, ist, dass in diesem Bereich enormer Aufholbedarf besteht und jede Möglichkeit genutzt werden muss, um das öffentliche Interesse auf die Thematik zu lenken! Es kann nämlich nicht sein, dass man auf Milchpackungen und Co praktisch nur Kühe auf Weiden und Almen sieht, in der Realtiät aber sogar die meisten davon an Ketten im Stall hängen. Hier also unser Schreiben:
Fotos, oben: So ist die reale Situation für mehr als 500 000 Kühe in Österreich! Unten: Solche Bilder vermittelt die Milchanbieter gerne, obwohl sie mit der Realität der Milchindustrie so gut wie nichts zu tun haben. Nur 0,1 % der Kühe in Österreich leben in Freilandhaltung…
Beschwerde
Verschiedene Milchanbieter werben mit Bildern, welche eine Situation vortäuschen, welche es in der Realität so nicht gibt. Dazu gibt es Versprechungen, welche weder überprüft noch überhaupt nur umgesetzt werden können. Beispiele: Salzburg Milch etwa zeigt in allen Broschüren, Prospekten und in der Fernseh- bzw. Soziale Medienwerbung fast zu 100 % Kühe auf Almen, zumindest solche auf weitläufigen Weiden. Tatsächlich aber lebt ein Großteil der Tiere in der „Kombihaltung“, also Kette gepaart mit (vermeintlichem) „Freigang“. Versprochen wird dabei, sämtliche SM-Kühen wird ein solcher Freigang an mindestens 120 Tagen gewährt, entweder auf „Weiden oder im Auslauf“. Obwohl das Verhältnis nun aber zwischen beiden propagierten Möglichkeiten ganz sicher im überwältigendem Ausmaß zugunsten des bloßen „Auslaufes“ – ein paar qm Betonboden an den Stall angeschlossen – ausfällt, sieht man in der Werbung dennoch bloß Kühe auf Almen. Auch bei anderen Anbietern stellt sich die Konstellation gleich oder sehr ähnlich dar. Ob nun bei der Bergland Milch, bei der Gmundner Milch, bei Schärdinger oder NÖM. Überall wird im extra „Tierwohlprogramm“ auf den Standard über den gesetzlichen Bestimmungen – also in jenem Falle „120 Tage Freilauf“ anstatt der gesetzlich geforderten 90 – hingewiesen. Wie und ob das aber überprüft wird, bleibt man eine dahingehende Antwort schuldig. Warum? Weil: 120 Tage ohne Ketten sind gar nicht überprüfbar, nach belegbarer Selbstaussage eines Anbieters. Viele Kühe sind selbst nach diesen Versprechungen weiterhin in 365 Tage-Anbindehaltung gefangen. Nachbarn belegen „hier ist nie eine Kuh draußen“. Angesprochen auf solche Fakten, antworten die Milchanbieter gerne ausweichend oder zeigen sogar nicht nachvollziehbare Gegen“beweise“ (bei Bedarf können wir solche Anschuldigungen natürlich belegen; auch auf der Homepage www.respektiere.at finden sich dutzende Beispiele hierzu). Die AMA beispielsweise verspricht im Tierhalte-Plus-Programm ebenfalls 120 Tage Freigang. Suggeriert werden den KundInnen also rund 33 % der Zeit des Jahres. Es heißt aber nicht, genau wie bei Salzburg Milch und allen anderen Milchanbietern, „120 Tage“, sondern bei genauerem Hinsehen „an 120 Tagen“. Ein kleines Wort macht einen riesigen Unterschied. Die AMA spricht von „mindestens 2 Stunden“. 2 Stunden „an 120 Tagen“ sind aber nur 240 Stunden, also 10 Tage im Jahr. So werden aus 120 Tagen nur mehr 10 – und 355 an der Kette! Die Dauer ist völlig unüberprüfbar, genau wie die Gewissheit, dass, wenn Kühe „freikommen“, dass dann alle gemeint sind. Wer belegt, dass sämtliche Kühe in den Genuss des Freiganges kommen, auch solche, die vielleicht störrischer sind oder sich aus nachvollziehbaren Gründen schwieriger wieder anhängen lassen würden? Fazit: Solange die Anbieter die eigenen Vorgaben nicht lückenlos (für die KundInnen nachvollziehbar) überprüfen können und in der Realität nicht haltbare Bilder und „Fakten“ präsentieren, sollte die Werbung für die Tierwohlprogramme in dieser Form nicht gezeigt werden dürfen. Es geht hier schließlich nicht um Waren, sondern um hoch empfindsame und leidensfähige Mitgeschöpfe.
Mängel nicht gleich Tierquälerei? In dem Fall leider doch!
Einen weiteren Schriftverkehr möchten wir Euch ebenfalls nicht vorenthalten. Es geht dabei um unsere letzte Aufdeckung im Bezirk Krems, welche hohe Wellen geschlagen hat. Nachdem in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ sogar am Titelblatt berichtet worden war, veröffentlichte selbige Zeitung schließlich einen Leserbrief. Darin kommen ein Landwirt sowie der „Abteilungsleiter der Tierhaltung der Landwirtschaftskammer NÖ, Dr. Andreas Moser, zu Wort: Tatsächlich ist das Geschriebene dann aber leider einmal mehr ein nicht der tatsächlichen Situation angepasstes.
Hier unser Antwortschreiben:
Stellungnahme zum Leserbrief der Herren Franz Stöger, Landwirt, und Dr. Andreas Moser, Landwirtschaftskammer:
Vorneweg, wir finden es extrem schade, dass in solchen Situationen und nach derartigen Vorkommnissen die Angelegenheit von Seiten der Landwirte und deren Kammer immer und ausnahmslos gleich gehandhabt wird. Immer sind es „Momentaufnahmen“, die da gezeigt werden, immer wird unterschwellig suggeriert, dass jene, welche sich für die Tiere einsetzen, nur den Skandal suchen, deswegen überzogen agieren und eigentlich das Tierleid selbst gar nicht beurteilen können. Schauen wir auf jenen Fall: Die beiden Herren meinen tatsächlich folgendes: „Eine nicht ausreichende Einstreu, eine nicht trockene Liegefläche und ein zu dunkler Bereich im Stall wurden umgehend behoben und bei einer Nachkontrolle wenige Tage später nicht mehr vorgefunden. Zwei weitere Mängel, für die eine Behebungsfrist bis Ende Juni bestand, wurden ebenfalls bereits beseitigt. Von Tierquälerei konnte aber zu keinem Zeitpunkt die Rede sein.“ Was hören wir da? Überlegen wir: Nicht ausreichende Einstreu bedeutet, dass die Tiere auf blankem Beton liegen – und zwar 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Nicht nur auf blankem Beton, wie weiter ausgeführt wird, dann auch noch auf einer „nicht trockenen Liegefläche“ – was heißt, der blanke Beton ist mit Urin und Fäkalien durchtränkt. Ein zu dunkler Bereich? Die Kühe sind, soweit lehnen wir uns aus dem Fenster, dort seit Jahrzehnten untergebracht gewesen, fast im Dunkeln, tagein tagaus. Und hätten die TierschützerInnen das nicht beanstandet, würden sie dort noch weitere viele Jahre vegetieren. Im Dunkeln, auf nassem, glitschigem, fäkalüberzogenem Boden. Um es in der Landwirtssprache zu übersetzen: „Zu keinem Zeitpunkt also in tierquälerischer Haltung“….
Weiters kommt hinzu: RespekTiere wurden Bilder aus dem Hof zugespielt, welche nachweislich über einen mehrere Monate andauernden Zeitraum entstanden sind – und die Fotos zeigen IMMER denselben Tatbestand! So viel zur Momentaufnahme.
Die Frage, die sich stellt: Wann endlich lässt die Agrarwirtschaft zu dieser Thematik auf eine ehrliche, nicht polemisch gehaltene und vielmehr faktenbezogene Auseinandersetzung zu? Glauben Sie, beide Herren, nicht, die Glaubwürdigkeit der Interessenvertretungen der Bauernschaft gegenüber wäre eine hoch gesteigerte, wenn dem so wäre? Warum kann man bei jenen „Einzelfällen“ (die man mindestens wöchentlich in den Zeitungen nachlesen kann…) nicht einfach sagen, ok, da wurden Fehler begangen, die werden jetzt behoben und in Zukunft wird es so etwas nicht mehr geben? Glauben Sie nicht, damit würden Sie in der Öffentlichkeit viel mehr Vertrauen aufbauen können?
Nebenbei: Bei einem Stall, der auf 24/7 Anbindehaltung setzt, kann man getrost von Tierquälerei sprechen, auch wenn die anderen Umstände bessere wären. Wir leben im 3. Jahrtausend, und haben in finsteren, dreckigen, stickigen Ställen Tiere bis zur fast völligen Bewegungslosigkeit angekettet? Erklären Sie bitte eine solche Tatsache den Menschen, deren ethisches Verständnis entgegen zu den leider noch immer viel zu oft in der Vergangenheit verharrenden Ansichten des Bauernbundes ein wesentlich gesteigertes ist! Und noch eins: Bitte steigen Sie endlich vom hohen Ross herunter und gestatten Sie anderen BürgerInnen für sich selbst entscheiden zu können, wo denn nun das „Tierwohl“ aufhört und das Tierleid beginnt. Denn das ist es, was Landwirtschaftsbetreibende auch einmal billigen müssen – dass selbst Menschen, welche nicht jeden Tag mit Kühen zu tun haben, sehr wohl den Unterschied zwischen „Tierwohl“ und „Tierleid“ erkennen können… Vielleicht sogar noch eher, weil eben nicht betriebsblind – was eine nicht zu unterschätzende Gefahr ist.
Abschließend: Apropos „ehrliche Auseinandersetzung“ – laden Sie nicht nur die NÖN zum Austausch ein, sondern auch jene, welche die Situation in den Ställen kritisch hinterfragen. Sie würden staunen, wie denn plötzlich alle Seiten profitieren könnten – im Interesse der Hauptleidtragenden, der Tiere!
Tom Putzgruber
Verein RespekTiere
Foto unten: „Mängel keine Tierquälerei“? In dem Falle leider doch – oder ist die Unterbringung zur beinahen Bewegungslosigkeit in einem finsteren Loch auf den eigenen Fäkalien ein Kavaliersdelikt?