„Welcome to my paradise“, spricht Gevatter Tod mit dem Wolfskopf in der Hand…

Ungewöhnliche Szenen sahen da PassantInnen vor dem „Passauer Wolf“ in St. Pölten, dem ehemaligen Wahrzeichen der Stadt. Gevatter Tod war gekommen, in seinen Händen einen blutigen Wolfskopf, und seine Botschaft solle eine eindeutige sein: „Welcome to my paradise“! Aber warum hatte sich der Knochenmann für den Auftritt ausgerechnet St. Pölten ausgesucht, dann noch die unmittelbare Nähe der Regierungsgebäude?

Aktivist im Todeskostüm hält einen Wolfskopf in den Händen, im Hintergrund die Wolfsstatue von St. Pölten

Canis Lupus“, so der lateinische Name des Hundeartigen, ist in der Metropole ein omnipräsenter Akteur und überall anzutreffen; so zum Beispiel ziert der Wolf seit 1538 das Wappen, er ist als Assistent des Bürgermeisters angestellt, wo er kurz Lou genannt wird und Fragen der BürgerInnen beantwortet; sein Konterfei blitzt uns von der Etikette des Stadtweines entgegen und sogar die Busflotte hört auf den Namen „Lup“ (abgeleitet von „Lupo“, dem Lupus – also Wolf); die Busse, „Lups“, zeigen uns zudem ein wunderschönes Wolfslogo.

Protest gegen Wolfsabschuesse vor der Wolfsstatue in St. Poelten 1

Aber das ist noch lange nicht alles; die Knöpfe an den Uniformen der Mitglieder der Stadtkapelle erfreuen das Auge mit dem Abbild Isegrims, noch markanter gestaltet sich der Namensverweis im Sport: Die Herren-Fußballmannschaft, im Moment in Liga zwei, aber wieder am Weg nach oben, sowie die Basketballer werden „Wölfe“ genannt und natürlich kennt die hoch erfolgreiche FußballerInnen-Frauschaft, welche seit Jahren Österreichs unangefochtene Nummer 1 sowie international Champions League-erfahren ist, jedermensch unter der Bezeichnung „Wölfinnen“!

Aktivist in tode3smaske mit Schild "Welcome to my paradise" protestiert in St. Pölten gegen Wolfsabschüsse

Der Wolf, ein gern gesehenes Wesen, ein Star, so müsste man meinen. Weit gefehlt, denn an dieser Stelle kommt die so unfassbare Schizophrenie des Menschen ins Spiel. Der Beliebtheit als Maskottchen steht plötzlich die Realität gegenüber, das Wesen aus Fleisch und Blut. Und im Augenblick des Wimpernschlagdreht sich das Blatt… Tatsächlich, nicht einmal einen Steinwurf von der markanten Statue entfernt, hat der niederösterreichische Landtag vor kurzem eine neue Wolfsverordnung erlassen (bei Interesse, bitte lest im Internet darüber nach) – der ohnehin zuletzt sehr instabil gewordene Schutz des Wundersamen wird weiter aufgeweicht, heißt, „Wolf“ darf ab nun bereits beim leiseten Hauch eines „problematischen Verhaltens“ ENTNOMMEN, sprich gemordet werden…

"Rote Karte" für die St. Pöltener Politszene

Was für ein Hohn für die NÖ-Metropole – der Stadtpatron, auf der eine Seite, aber nur in seiner rein körperlosen Form, comichaft, das Maskottchen, der Glücksbringer, das Amulett einer ganzen Gesellschaft! Auf der anderen Seite in physischer Gestalt, in der Wirklichkeit, jener, der in Zukunft fast schon beim bloßen Anblick auf der Stelle niedergeschossen werden darf… Unglaublich und unfassbar. Wahrlich. Was für ein gespaltener Persönlichkeitshaufen sich da in den Kremien tummelt, leider finden wir hierfür keine anderen Worte.

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