6. Ukraine-Einsatz – der große Reisebericht, Teil 2!

Die Wiedersehensfreude im „Eulennest“ der Flüchlingshilfe Uzhgorod ist eine große. Ein halbes Dutzend Mal waren wir nun doch schon hier, und langsam wird der Kontakt ja nahezu familiär! 🙂 Aber dann beginnt auch schon der unangenehmere, weil sehr arbeitsintensive Teil – das Ausladen. Entpacken von hunderten Kilos an Waren, plus Tiernahrung. Noch immer herrlich duftendes Gebäck vom Langenloiser Schalk-Bäcker, dem Freudenbringer! Und Säcken voller weihnachtsverpackter Spielwaren für Kinder, von der so herzensguten Frau Radler aus Oberndorf sowie der Michaela aus München gespendet. Soooo schön, soooo vielen Dank!!!

Schließlich sitzen wir noch eine halbe Stunde beisammen. In Gespräche vertieft. Dennis zeigt dabei ganz besondere Souvenire – Teile einer großen iranischen Kampfdrohne, welche ganz in der Nähe abgeschossen worden war. Hülsen von schweren Beschusspatronen. Bombensplitter. Einfach schrecklich.

Tom und Andi vor der Flüchtlingskoordinationsstelle in Uzhgorod

Foto: Andi und Tom vor dem Gebäude der UNHCR, wo die Flüchtlingshilfe koordiniert wird! Unten: Beim Ausladen des RespekTiere-Mobils helfen stets einige der Menschenrechts-AktivistInnen!

Auspacken vor der Flüchtlingshilfe in der Ukraine
Auspacken vor der Flüchtlingshilfe in der Ukraine
Fluechtlingskoordinationsstelle in Uzghorod 10
Auspacken vor der Flüchtlingshilfe in der Ukraine
Auspacken vor der Flüchtlingshilfe in der Ukraine

Fotos: Flüchtlingshelfer Dennis freut sich über die mitgebrachten Güter; besonders die Weihnachtsgeschenke für die Kinder, gespendet und liebevollst verpackt von der Michaela aus München und der Jasmin aus Oberndorf, werden große Freude verbreiten! Unten: Ein kleiner Abschnitt im hintersten Bereich des Kellers (um halbwegs vor Raketen geschützt zu sein) ist ein bisschen weihnachtlich gestaltet. Verbreitet ein klein wenig „Normalität“. Es soll übrigens die einzige festlich beleuchtete Stelle, welche wir während des gesamten Aufenthaltes in der Ukraine zu Gesicht bekommen.

Fluechtlingskoordinationsstelle in Uzghorod 11

Foto unten: Andi schlichtet die Brotspende der so wunderbaren Bäckerei Schalk aus Langenlois! Einer der Kartons voller Mehlspeisen landet sofort am Tisch der Helfer – zu einer Tasse Filterkaffee genossen, sind die süßen Delikatessen genau das richtige, was die HelferInnen für ein bisschen Ablenkung brauchen können!

Auspacken vor der Flüchtlingshilfe in der Ukraine
Auspacken vor der Flüchtlingshilfe in der Ukraine
Andi und Dennis im Gespräch im Eulennest

Foto, links: Dennis zeigt Teile einer kürzlich ganz in der Nähe abgefangenen Drohne, welche mit 300 kg Sprengmittel beladen war!!! Rechts: Andi und Dennis im Gespräch vor dem Stapel mit einem Teil der RespekTiere-Güter im Keller des „Eulennests“.

Nun beginnt es zu schneien. Zuerst noch vorsichtig, fast schüchtern bahnen sich die Flocken den Weg zum Boden. Dann stärker und stärker. Am Weg zur Herberge stoppen wir in einer Seitenstraße. Stray Dogs in Hülle und Fülle, wie man sie hier überall sieht. Mehr als zuletzt. Wir füttern die Armen, herzallerliebsten. Es fließt schließlich auch Blut, als ich mich an einer Futterdose schneide. Die Hunde aber freuen sich riesig über die unerwartete Mahlzeit…

Tom füttert Straßenhund
Tom mit Straßenhunden
blutiger Finder
Ein Straßenhund isst einen Knochen

Auch die nächste Herberge, in einem endlosen Wohnblockkomplex, finden wir dann fast schon problemlos. Super! Es ist eine nette Unterkunft, passt. Wie müde wir inzwischen wieder sind! Eine chinesische Nudelsuppe, nur mit heißem Wasser zu übergießen, wärmt bald von innen. Die Vermieterin akzeptiert dann aber die Kreditkarte nicht; so sind wir später zu Fuß unterwegs, um Geld von einem Automaten abzuheben. Es ist düster, die wenigen Laternen haben offensichtliche Probleme mit der Stromversorgung, flackern. Es regnet jetzt wieder nach dem Schneefall des vergehenden Tages, die Kälte ist jedoch geblieben. Unwirklich, so lässt sich die Umgebung beschreiben, ein tristes Grau, welches so ganz und gar niemals auch nur durch einen kleinsten Farbspritzer unterbrochen wird. Die Front ist zwar entfernt, die Depression des Krieges allerdings in allen Phasen des Lebens spürbar. Wir sind jedenfalls froh, wieder die Herberge zu erreichen; ah, den Automaten haben wir schließlich auch noch gefunden. Nachdem wir gut eineinhalb Kilometer gewandert und dann aus Mangel an Erfolg pitschnass umgedreht waren, entdeckten wir einen 24/7-Laden mit entsprechender Geldausgabe -einen Steinwurf vom Apartment in die andere Richtung entfernt…

Auffällig ist, dass es keine einzige Weihnachtsbeleuchtung in der ganzen Stadt zu geben scheint. Tatsächlich, nirgends auch nur die unscheinbarste Lichterkette, keine Rentiere in LED-Beleuchtung, kein Schlitten oder die inzwischen so verbreiteten Schnee-Tropf-Bänder in kaltem Weiß. Nichts dergleichen. Ob es an der Kriegsdepression liegt oder vielleicht auch ein bisschen an dem Faktum, dass Weihnachten erst seit letzten Jahr am 24. Dezember stattfindet, dann, nachdem man sich von der Russisch-Orthodoxen Kirche verabschiedet hat und als Tribut an den Westen die Feiertage vom 6. Jänner auf „unseren“ Dezembertermin verschob, wir wissen es nicht.

Bald ist es wieder Mitternacht, ein harter, intensiver Tag geht zu Ende. Das Bett wartet, und obwohl die Matratze völlig durchgelegen ist, finden sich doch ein paar Stunden Schlaf. Mehr dann aber leider auch nicht.

finstere Nacht in Uzhgorod
Protest für die Straßentiere in Uzhgorod

Fotos: Unsere Proteste dürfen im Ausland nie fehlen! Gleich am folgenden Morgen starten wir damit und haben auch keine Scheue, politische Themen anzusprechen!

Protest gegen Putin in Uzhgorod

Die Sonne wagt sich am Morgen einmal mehr kaum aus ihrem Versteck tief im Osten hervor. Es ist tatsächlich etwas wärmer geworden, und schon bald fällt die Tür der Herberge hinter uns ins Schloss. Die Arbeit wartet! Zuerst bemühen wir uns nochmals vor das „Eulennest“ Internet zu ergattern. Der dortige Hotspot ist ein starker, und genau einen solchen brauchen wir – gilt es doch, die nötigen Karten für die anstehende Fahrt in Irinas Tierheim herunterzuladen, um sicher zu jenem Ort zu navigieren. Denn der liegt irgendwo im Nirgendwo, nur durch einen langen, gebrochenen Pfad durch Hinterland zu erreichen. Dazu war es nass die letzten Tage, was heißt, der Unterboden wird sich inzwischen in eine Schlammwüste verwandelt haben. Ob’s mit dem Van zu schaffen ist, das ist unter solchen Umständen keineswegs sichergestellt, die große Frage. Aber wie wissen, wenn man es nicht probiert hat? Nur, Steckenbleiben wäre natürlich eine Katastrophe, würde uns Stunden an Zeit und noch viel mehr Mühe kosten.

Zuerst aber gilt es noch den Protest zu erledigen! Trotz Sonntag sind viele Menschen unterwegs, was uns sehr entgegenkommt – denn schon bald können die PassantInnen abwechselnd Gevatter Tod mit „Putin – Go Home! Stop the War“-Transparent oder den Aktivisten in Kuhmaske mit „Eating Meat Kills“-Slogan an belebten Straßenstücken sehen…

Ukraine Demobilder 8

Gegen Mittag durchschneiden wir die sichere Verbindung des Internets mit der Außenwelt endgültig. Wir wagen uns ins WLAN-lose Gefilde, was in der heutigen Zeit eigentlich leider schon fast eine Herausforderung darstellt 🙂

Das RespekTiere-Mobil wird jetzt getankt, für unschlagbare 1,15 Euro pro Liter Diesel; dann besuchen wir aus reinem Interesse auch noch einen Baumarkt, bevor der Tod und die Kuh bzw. der Hund schon wieder auf der Straße stehen, um ihre so wichtige Botschaft unters Volk zu bringen.

RespekTiere-Mobil an ukrainischer Tankstelle

Foto: Diesel ist in der Ukraine recht günstig. Für unter 1,20 Euro pro Liter tanken wir das RespekTiere-Mobil auf!

Gegen 14 Uhr folgen wir den Pfad zu Irina’s Tierheim; durch die viele Feuchtigkeit der letzten Tage ist der Weg ein tatsächlich erwartet mühsamer, schlimmer noch, ein extremer. Mehrmals drohen wir festzustecken, einmal müssen wir über eine weite Strecke rückwärtsfahren, weil wir die richtige Abzweigung verpassten. Mehrmals sitzt der Van auf, was der treue Gefährte mit einem dumpfen Schlaggeräusch quittiert. Welches wiederum die „Schmerzen“ des Blechkameraden für uns fühlbar macht… Inzwischen haben sich auch noch dutzende Zentimeter hohe Spurrillen gebildet, was die Fahrt zum Ralleyabenteuer macht. Shit…

Weg zu Irinas Tierheim

Foto: Und es soll noch schlimmer kommen! Das eine oder andere Mal sitzen wir tatsächlich auf, bleiben mehrmals fast hängen und müssen dann auch noch in einer Sackgasse der Schlammpiste umdrehen…

Schlammgebadet bringt uns das treue Einsatzmobil schließlich doch noch ans Ziel; Irina wartet bereits, von Krankheit gezeichnet. Sie ist schweißgebadet, fiebrig, muss aber durchhalten. Wie denn sonst, es sind fast 300 Hunde, die versorgt werden wollen… Eine zweite Tierschützerin hilft dem Himmel sei Dank bei der Aufgabe. Auch sie ist schon lange an Bord, ich denke sogar, seit wir in die Ukraine fahren arbeitet die Gute ehrenamtlich bei Irina. Das Asyl ist am Ende einer Sackgasse; noch gut 1 Kilometer getrennt von der Zivilisation, aber die schiebt sich inzwischen Meter für Meter näher heran an die Überlebensinsel. 2022, bei der ersten Reise ins Kriegsland, war noch gut die doppelte Strecke durch die Wildnis zurückzulegen; jetzt gibt es ab der Zufahrt zwei Dutzend neue Wohnblöcke und noch mehr offensichtlich soeben fertiggestellte Reihenhäuser. Und die Gebäude werden stets mehr, überall wird gehandwerkt. Selbstredend, bei einem Bevölkerungswachstum von 100 000 auf 140 000 binnen zweieinhalb Jahren!

Das Hundeheim liegt unmittelbar an der Grenze zur Slowakei; nur einen Steinwurf entfernt ist die imaginäre Linie. Irina, hat es oft betont, und auch heute spricht sie wieder davon. Jetzt, wo Raketen praktisch in der Nachbarschaft niedergehen, ist sie jeden Tag bereit, ihre Hunde in den Nachbarstaat in Sicherheit zu bringen.

Tom vor Irina's Asyl
städtisches Tierheim Uzhgorod
Irinas Tierheim in der Ukraine 18

Fotos, oben links: Direkt neben Irina’s Asyl hat die Stadt im letzten Jahr damit begonnen ein eigenes Hundeheim zu errichten. Ob das ein gutes Zeichen ist? Die Zeit wird es weisen. Jedenfalls wirkt der Platz stehts verlassen, hin und wieder sitzen Menschen davor und rauchen oder/und trinken – anstatt sich um die Hunde zu kümmern. Unten: Fast geschafft! Andi lädt die letzten Futtersäcke bzw. Hundebetten aus!

Irinas Tierheim in der Ukraine 3

Wir gehen durch die endlos wirkenden Reihen; so viele wunderschöne Tiere an einem Platz, in engen Verhältnissen, ohne rechte Hoffnung auf Adoption; das gibt schon zu denken. Aber wo ist eine Alternative? Es ist so schwer, eine Antwort zu finden. Fest steht, jemand, der oder die nie in einer mit Irina‘s Situation vergleichbaren war, dem oder der steht es wahrscheinlich kaum zu urteilen zu. Es mag ein Leichtes sein zu sagen, „ok, so viele Tiere kann man kaum versorgen, man darf es also erst gar nicht so weit kommen lassen, dass deren Anzahl eine derart hohe wird“. Aber, bedenkt: Führst Du ein Asyl in einem entsprechenden Land, und weißt dann genau, jeder Hund, den Du nicht aufnimmst, findet sich unweigerlich ausgesetzt, krank oder tot am nächsten Straßeneck wieder, dann must Du Dich für den einen oder anderen Weg entscheiden. Keine Kompromisse. Man spielt nicht mit Leben. Ja, auch wenn es gewiss ist, man kann nicht alle retten, würdest Du nicht ebenfalls jede Möglichkeit, jedes freie Eck nutzen, um den Schützlingen damit wenigstens das Überleben zu sichern?

Hund im Asyl in der Ukraine
Irinas Tierheim in der Ukraine 6
Irinas Tierheim in der Ukraine 7

Fotos oben: Das Bild links zeigt den Süßen mit seiner Narbe im Gesicht; rechts, so wurde er gefunden, völlig am Ende, die Schnauze zusammengebunden, zum Sterben zurückgelassen. Für solche Verbrechen gibt es keine Ausrede, keine Rechtfertigung. Krieg hin oder her…

Hunde in Box im Tierheim

Fotos: Irina leistet wahrlich Unvorstellbares! Um ihre Schützlinge aus den verschiedensten hoch gefährlichen Situationen retten und danach auch unterbringen zu können, hat sie zu Improvisieren gelernt – aus sämtlichen Materialien zimmert die Tierschützerin die Unterkünfte. Was dann zugegeben nicht immer unbedingt schön aussieht, aber zweckmässig ist. Und wo sie ob der zur Verfügung stehenden Mitteln überhaupt keine andere Wahl hat!

Irinas Tierheim in der Ukraine 14

Es ist einfach herzergreifend, erschütternd, erhellend, zutiefst berührend zugleich, wie sie dann an den Gittern stehen, wedelnd, winselnd, manche auch Zähne zeigend, bellend; der oder die eine völlig verängstigt, der oder die andere extrem kontaktfreudig; manche verletzt, vom Leben schwerst ge- und enttäuscht, das Schicksal als mieser Verräter gebrandmarkt. Wie so viele unter ihnen trotz der Situation, trotz allem, was ihnen unsere Rasse bisher angetan hat und noch antun wird, dennoch am Bund festhalten, welchen wir vor tausenden Jahren mit den ihren geschlossen hatten. Damals, wo wir sie noch brauchten, als Bewachung für unsere Tiere, für unser Eigentum, für unsere Lieben; wo wir noch das eine oder andere mit ihnen geteilt hatten, solange, bis Homo Sapiens durch die moderne Technik deren unvergleichliche Eigenschaften kopieren lernten und die ehemaligen Weggefährten schon im nächsten Augenblick brutalst im Stich ließen; sie aussetzten, prügelten, vergifteten, zu Millionen massakrierten? Man wagt bei solchen Gedanken gar nicht mehr ihren Blick standzuhalten, so weh tut das Wissen in solchen Augenblicken.

Eineinhalb Stunden im Asyl, dann müssen wir weiter. Eine vorsichtige Umarmung mit der kranken Irina, ein Versprechen, alsbald wiederzukommen, ein letzter Blick auf die Süßen, dann hat uns die knietiefe Schlammpiste wieder…

Hunde in Box im Tierheim
Tom streichelt einen Hund im Asyl
Hund im Asyl im Zwinger
Tom und Irina stapeln das mitgebrachte Hundefutter

Foto unten: Abschied! Das RespekTiere-Mobil schiebt aus dem Asyl!

Irinas Tierheim in der Ukraine 23

Wir sind jetzt ruhiger als zuvor, in Gedanken versunken. Es geht in Richtung Grenze, unweigerlich steht der Abschied vom längst liebgewonnen Land bevor. Die Dämmerung setzt auch schon ein, und so sind wir sehr froh, endlich das alte, von den Elementen inzwischen gezeichnete Zollhaus vor uns zu sehen; und überraschenderweise geht der Übertritt recht schnell, bis zum ungarischen Balken ist der Zeitaufwand tatsächlich recht überschaubar. Dort verlangsamt sich das Tempo der Abfertigung, aber soll es auch. Immerhin sind wir an der EU-Außengrenze, und wenn da nicht kontrolliert wird, wo dann? In Fakt müssen wir mit dem RespekTiere-Mobil jetzt sogar durch einen riesigen Röntgenapparat fahren, der, glaubt es oder nicht, die paar Säcke Hundefutter erkennt, welche wir für das ungarische Asyl, welches wir morgen nochmals besuchen wollen, rückschmuggeln wollten. Das daraus entstehende Problem ist allerdings kein großes, und so finden wir uns noch vor dem beginnenden Abend auf der Magyaren-Autobahn wieder. Und eine Stunde später ist auch die Herberge für die Nacht gefunden, vermietet von einem russischen Mann. Der sich ganz dem Klischee entsprechend verhält, ein versteckter Agent sein könnte, und sogar die leichte Schnapsfahne wirkt authentisch 🙂 Bestimmt ist sein Apartment zu Hause vollgestopft mit Empfangsantennen, Funkgeräten, GPS-Systemen und dutzenden Bildschirmen, von wo er die Weltlage überwacht und sämtliche Daten – auch die aus unseren Pässen – an „Big Brother“ weitersendet! 🙂

Protest an ukrainischer Straßenkreuzung
Andi und Tom vor dem Ukraine-Schild
Grenze Ukraine

Fotos: An der ukrainischen Grenze geht es bei der Ausreise relativ schnell. Ein bisschen mehr Probleme bereitet dann der Übertritt in die Union! Soll auch so sein, immerhin handelt es sich um eine EU-Außengrenze!

Grenze Ukraine

Foto unten: Im Stockdunklen sind wir angekommen in der Herberge – ein ganzes Haus, wo wir dann eine gute Nacht verbracht haben! Am nächsten Morgen wirkt die Welt schon ein bisschen freundlicher.

Unsere Herberge in Ungarn

Die Herberge dürfte eine solche gedacht für Jagdgesellschaften sein. Auf jeden Fall ist es ein ganzes Haus, mit riesigem wilden Garten rundherum, der im Sommer auch benutzt werden sollte; mit eigenem Grill- und Spielplatz und sonstigen Annehmlichkeiten. Das Dach mit Schilf gedeckt, die Wände ur dick, die Fenster aus einfachen Glasscheiben bestehend, winddurchlässig. Innen alles Holz, riesige Räume, fast Hallen; zwei Schlafzimmer, Küche, Bad, sämtliches Kochgerät vorhanden. Für 38 Euro. Herz, was willst Du mehr???

Andi und ich genießen einen heißen, duftenden Kaffee – welche Wohltat nach den Anstrengungen! Dann aber geht es an die Arbeit, die Geschehnisse der letzten Stunden wollen möglichst authentisch und erinnerungstechnisch am Puls der Zeit aufgezeichnet werden.

Später sitzen wir noch bei der obligatorischen chinesischen Packerlsuppe zusammen, bald in tiefe Gespräche verstrickt. Noch ein bisschen später ist es der Schlaf, der von den Sorgen und Ängsten des vergangenen Tages erlöst…

Kettenhund in Ungarn

Fotos: Kettenhunde überall, zerborstene Wege, welche immer wieder in Sackgassen enden, zerfallene Häuser – in jener Ecke ist Ungarn’s Politik gefordert!

kaputte Straßen in Ungarn
Impressionen aus Ungarn 6

Unten: Eine riesige Hühner-Farm am Weg! Über eine weite Strecke – und das ist bezeichnend – die modernste Anlage… grausam, aber wahr!

Rueckfahrt Ukraine Hilfsfahrt 7

Der nächste Tag beginnt mit einem „wow“. Zum ersten Mal bei der Reise habe ich gut geschlafen; und das standesgemäß in dem alten Haus mit den dicken Mauern und den undichten Fenstern. Auf einer harten Matratze, genau, wie sie im Straflager ausgegeben werden. War wohl die richtige für mich und auch Andi bestätigt, wenn auch mit einem gequälten Lächeln, den Eindruck!

Schon kurz nach dem Aufstehen sind wir auch schon wieder am Weg. Das Navi verirrt sich gleich mal in unbekannte Sphären, und erst nach gut 30 Kilometern Umweg befinden wir uns endlich auf der richtigen Straße. Die läuft immer wieder in wahre Schlammwüsten aus, Asphalt so weit entfernt wie der Eisbär vom Tropenstrand. Schlaglöcher groß wie Schäferhunde, dazu vorbei an Dörfern, wo kaum noch eine einfachste Infrastruktur in Takt scheint. Drei, vier Häuser leer, von den Elementen zerfressen, dann wieder eines bewohnt. Wahrscheinlich von alten Leuten, zu müde und zu hoffnungslos, um nochmals den Wohnort zu wechseln. Hunde an Ketten in den Gärten, Zerfall, wohin das Auge blickt. Ungarn hat ohne jeden Zweifel schöne Ecken, ist an vielen Orten modern und dem Zeitgeist angepasst. Hier nicht. „Vergänglichkeit“, heißt die Losung der Stunde.

Allerdings, wie eine Entschuldigung an die Triste, gibt es da auch jene kleine Stadt namens „Kekcse“. Eine Insel. Fast jedes Haus, im krassen Gegensatz zum vorhin Gesehenem und vor allem auch zu den Eindrücken in der Ukraine, scheint hier speziell beleuchtet. Großer Krippen erstrahlen wie im LED-Rausch, besonders rund um die Ortskirche. Überall begleiten uns Engel, Rentiere und andere weihnachtliche Motive, meist in wärmenden Gelbfarben, manche auch kunterbunt. Etwas kitschig vielleicht, aber doch auch wunderschön!

verfallendes Haus in Ungarn

Letztendlich finden wir das riesige Hundeasly der beherzten Tierschützerin wieder. 3 junge Männer begrüßen uns, Andi und ich leider nicht des Ungarischen mächtig. Sie aber sprechen ebenso wenig Deutsch oder Englisch, und gerade deshalb wird die Kommunikation schwierig. Zuletzt aber gelangt das Gespräch auf einen grünen Zweig: Die Jungs rufen ihre Chefin, geben mir das Telefon, und schon eine halbe Stunde später ist die fantastische Frau an unserer Seite. Sie, Enikö, arbeitet bei der Gemeinde und im Nebenberuf rettet sie Hunde. Hunderte davon, tausende. Bis zu 200 schafft sie im Jahr zu vermitteln, dennoch quillt das Asyl an allen Ecken und Enden über. Mehr als 400 Individuen beherbergt sie, alle auf eigene Rechnung, ohne jede Hilfe von außen! Unfassbar eigentlich. Ein wunderbarer Mensch, der alles, am meisten sich selbst, einer Aufgabe geopfert hat und täglich opfert…

Tom im Gespräch mit Enikö, im ungarischen Asyl!
im Tierhiem von Enikoe in Ungarn 65
Andi beim Entladen des RespekTiere-Mobils

Fotos: Ganz oben, die Tierheimgründerin Enikö mit Tom im Gespräch; oben: Andi entlädt jenes Hundefutter, welches wir aus der Ukraine „rückgeschmuggelt“ haben!

Unten: Hier wird gekocht – aus Mangel an Möglichkeiten gibt es Essensreste aus den Schulen, welche täglich eingesammelt werden, gestreckt mit jenem Hundefutter, das dann gerade vorhanden ist.

Impression im Asyl

Die Herberge braucht Unterstützung, ganz ohne jede Frage. Massive davon. Die paar Säcke, welche wir heute abladen können, die Packungen mit Kaustangen und anderen Leckerlies, die werden zwar gebraucht, aber sie sind wirklich nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Hier ist viel mehr nötig als nur Futerspenden, hier werden wir viel Energie und Kraft brauchen. Eine Aufgabe, welche der Umsetzung harrt.

Wir werden in einem Spezialreport über die Umstände berichten, vom Heim, dessen Problemen, von Enikö und ihren Mitstreitenden, von der furchtbaren, jeden Tag aufs Neue bezeugten Tragödie. Vom Zerfall und der Hoffnungslosigkeit, die beinahe spürbar ist. Aber auch vom Funken, der nicht erlischt und ein Weitermachen einfordert. Ein Funke, welche wir entzünden und zum wärmenden Feuer machen wollen.

wir haben Futter ins Tierheim gebracht!

Gegen Mittag hat uns der Highway wieder. Traurig sind wir, entsetzt über die Situation, in welcher sich die so nette Enikö und ihre SChützlinge befinden. Den brennenden Raum ohne Notausgang, wo es 2025 unsere oberste Aufgabe sein wird, einen solchen doch noch zu finden, die Triste zu besiegen, einen Keim zum Sprießen zu bringen. Und für die Hunde ein möglichstes zu tun, um deren bittere Lage wenigstens deutlich zu verbessern…

An einer sehr belebten Kreuzung halten wir. Das Todeskostüm ist schnell angezogen, das Transparent „Stop Killing Stray Dogs“ enthüllt.

Ukraine Demobilder 4

Gut 800 Kilometer trennen uns noch von der Heimat. Der Verkehr ist ein angenehmer, das Wetter ebenso. Zwar mit gelegentlichen Böen, die fast schon orkanartig wirken, aber wenigstens trocken und viel wärmer als zuletzt. Tatsächlich klettert das Thermometer ab und dann auf über 10 Grad.

Hin und wieder gibt es eine kurze Kaffeepause, der Horizont stets in dramatischen Farben gemalt. Budapest zwingt uns zur Geduld. Der Highway führt plötzlich mitten in die Stadt, und die ist zugemüllt. Mit Blechkarossen, hunderten, tausenden. Direkt ins Zentrum geht es, vorbei an wunderschöner Architektur, welche teilweise markant an Wien erinnert. Endlich die Stadtausfahrt! Am Wegesrand breiten sich weitflächige Roma-Ghettos aus, unfassbar, dass es solche tatsächlich noch immer und in solchem Ausmaß gibt. Es muss ein Gesetz der Stunde sein, für uns, für den Staat, für die gesamte Union – verschweigen wir deren Existenz nicht länger, sondern widmen wir uns dem Problem selbst! Solange es keine Lösung für Derartiges gibt, solange braucht man sich nicht wundern, wenn soziale Hotspots immer wieder aufflammen.

Einmal bleiben wir kurz stehen, ich folge einer Spur aus Müll. Die direkt in ein Barackendorf führt, welches ich aber heute lieber nicht betrete. Keine Zeit für Diskussionen, nichts in den Taschen, was ich hätte verschenken können.

Müllberge in Ungarn

Fotos: Müllberge entlang des Weges, schrecklich! Unten, ein Mann (gut getarnt, seht Ihr die grüne Kappe?) sucht im Abfall nach Verwertbarem.

Rueckfahrt Ukraine Hilfsfahrt 11

Es wird bereits dunkel, als die ersten der riesigen Windräder erscheinen. Das rote Warnlicht an der Spitze ist bereits eingeschaltet, und so wirken die Giganten noch bedrohlicher. Eine unbezwingbare Armee stählerner Kolosse am Wegesrand, welche dazu auserkoren ist, den Energie-Umschwung einzuleiten. Ob das gelingt? Schauen wir mal, wie der/die typische ÖsterreicherIn so schön sagt.

Grenze zu Österreich, stockdunkel. Der Mond in voller Pracht am Horizont, kugelrund. Der war wohl auch ein Grund dafür, dass die vergangenen Nächte trotz aller Anstregungen mit wenig Schlaf belohnt wurden.

Schließlich erreichen wir des Bruders Firma in Herzogenburg bei St. Pölten. Dort ist Andi’s Auto geparkt. Die beiden Freunde fallen sich in die Arme, es ist fast geschafft. Eine wundersame Reise geht in die letzte Etappe. Hoffentlich gibt es mehr gemeinsame davon, in den kommenden Monaten und Jahren. Denn wir sind zwar älter geworden seit damals, 1987 in Israel, weniger „glattgebügelt“ im Gesicht und noch mehr grau verglichen mit den Bildern zu unserer ersten gemeinsamen Reise. Keine Frage. Aber noch immer jung genug, um diese so unfassbar wichtigen Herausforderung der Hilfsfahrten zu meistern. Zumindest noch für eine weitere Dekade. Und das ist ein Versprechen!

Abendstimmung auf der ungarischen Autobahn
Abendstimmung auf der ungarischen Autobahn

Reise-Impressionen

Abendstimmung an der ukrainischen Grenze
Tauben rund um ukrainischer Fahne
Statue vor einem ukrainischen Regierungsgebäude

Fotos, links: Tauben umkreisen den Fahnenmast; leider ist keine einzige weiße – Friedenstaube – dabei… Oben: Wirkt doch sehr post-kommunistisch, Regierungsgebäude in der Ukraine.

Straßenhunde in der Ukraine
Andi im Asyl von Enikö mit zwei Hunden
Impressionen aus der Ukrainereise 22

Fotos, oben: Kinderkriegsspielzeug – ob’s das Richtige unterm Weihnachtsbaum ist? Rechts: Selenskyj-Pulli im Geschäft, fast schon Kultobjekt… 

Selenskyj-Pulli im Geschäft
Impressionen aus der Ukrainereise 32
Irinas Tierheim in der Ukraine 25

Fotos, oben: Katzen in Irin’s Asyl. Rechts: Kreative Baustelle in Uzhgorod – zwei unbeleuchtete Paletten mitten auf der Straße decken ein Schlagloch ab.

Baustelle in der Ukraine in der Nacht
Fahren in der Nacht auf der Autobahn

Fotos, oben: Die Windräder werden immer mehr, selbst inmitten vom Ungarn-Land; unten links: Am Rückweg geraten wir in einen langen Stau in Budapest. Nichts geht mehr. Rechts: Endlich angekommen, müde aber zufrieden – Andi und Tom vor dem RespekTiere-Mobil!

wir stehen in Budapest im Stau!
Andi und Tom, müde, aber weider zu Hause!
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