Mehr durch Zufall, ach, was sage ich, aus purstem Zufall, haben wir im letzten Jahr jenes Tierheim entdeckt. Irgendwo im Nirgendwo. Hart an der Grenze zur Ukraine, in Fakt nur wenige Kilometer entfernt, aber noch in Ungarn. In einem Eck des Landes allerdings, wo der Verfall bereits ein allgegenwärtiger ist, wo der erste Blick verrät, hier haben sich alle Versprechen von einst, von einer goldenen Zukunft inmitten der Europäischen Union, längst als Irrglaube herausgestellt. Wo die Landflucht keine Option, sondern eine bitterste Tatsache darstellt und die Elemente an allem und jedem nagen. Selbst die Menschen wirken gezeichnet von der alles umgebenden Triste. Leerstehende Häuser sind überall zu finden. Schlaglöcher beherrschen den Untergrund, welcher die Bezeichnung „Straße“ nicht verdient; immer wieder passiert man Dörfer, wo kaum noch eine einfachste Infrastruktur in Takt scheint. Drei, vier Häuser leer, von Wind und Wetter und Vergänglichkeit zerfressen, dann wieder eines bewohnt. Augenscheinlich von alten Leuten, denn die jungen werden wohl allesamt längst weggezogen sein. Die, die geblieben, sind zu müde und zu hoffnungslos, um nochmals den Wohnort zu wechseln. Neuanfang? Viel eher Endstation. Hunde an Ketten in den Gärten, zerschlissene Verkehrswege, Zerfall, wohin das Auge blickt.



Im Reisebericht der letzten Hilfsfahrt schrieben wir dann folgerichtig: Ein Landstrich abseits des Stromes der Geschichte. Vergessen von der „Außenwelt“, in einem eigenen Mikrokosmos gefangen. Jedermensch scheint Selbstversorger zu sein, anderes kann es gar nicht funktionieren. Die Zäune eingebrochen, Dächer mit klaffenden Löchern, Fassaden seit einer Ewigkeit nicht mehr bearbeitet und deswegen im Würgegriff der Vergänglichkeit. Der nächste Einkaufsmarkt meilenweit entfernt. Die Uhr scheint an einem jetzt undefinierbaren Tag plötzlich stillgestanden, und bis heute sind die Pendel nicht mehr in Schwung gekommen. So völlig abseits des Stromes der Geschichte hat wohl selbst der im Ungarn-Land allmächtige Orban auf diese Menschen vergessen – so zumindest macht es den Eindruck, wenn die Frauen in schwarzen, wallenden Kleidern, dicken Jacken und Kopftücher auf ihren uralten Fahrrädern an uns vorbeifahren. Vom Friedhof kommend, mit aller Wahrscheinlichkeit. Die Männer sitzen inzwischen auf Bänken vor den Häuser, vor dem verfallenden ehemaligen Gemeindeamt. Rauchen, trinken, fluchen. Husten, vom Leben gezeichnet. Vielleicht glorifizieren sie gerade die „gute alte Zeit“, die so gut nie gewesen ist.

Fotos, oben: Beim bloßen Vorbeifahren erahnt man noch nicht das Ausmaß! Unten: Hilfe wird gebraucht, dringend!



In einem solchen Umfeld wundert es kaum, dass auf die Schwächsten der Gesellschaft zunehmend vergessen wurde. Und so ist jenes von usn entdeckte Tierheim zu einer Insel geworden, zu einer Insel der Menschlichkeit. Tatsächlich aber fehlt es an fast allem, der Fokus liegt auf „Überleben“ – wie auch anders, Enikö, die Gründerin dieses Ortes, sie ist und war seit jeher mit dieser Monsteraufgabe auf sich alleine gestellt. Noch dazu von der Umwelt als Außenseiterin abgestempelt, denn wer bitteschön kümmert sich mit aller Seele, aller Kraft, um so viele Straßenhunde, die ohne sie keine Chance hätten? Gibt all ihr Geld, all ihr Herz, gibt ihre pure Existenz. Für jene, die oft bis auf die Knochen abgemagert, von Parasiten geplagt und von Krankheiten gezeichnet, an ihrem Tor landen. Wer, wenn nicht ein Engel in Menschengestalt? Einer, der diese Herausforderung überordnet, weit über das eigene Wohlbefinden stellt.

Fotos: Tom im Gespräch mit Enikö; wo, wenn nicht hier ist respekTIERE IN NOT gefordert? Enikö hat all das bisher ganz alleine geschafft. Den Preis, den man für eine solch außerordendliche Leistung zu bezahlen hat, ist selbstredend immens, bringt „Mensch“ an jegliche Grenzen!


Enikö arbeitet bei der Gemeinde und im Nebenberuf rettet sie Hunde. Hunderte davon, tausende. Bis zu 200 schafft sie im Jahr zu vermitteln, dennoch quillt das Asyl an allen Ecken und Enden über. Mehr als 400 Individuen beherbergt sie im Moment, alle auf eigene Rechnung, ohne jede Hilfe von außen! Unfassbar eigentlich. Ein wunderbarer Mensch, der alles, am meisten sich selbst, einer Aufgabe geopfert hat und täglich opfert…





Fotos: Ihr seht, hier gibt es viel zu tun – packen wir gemeinsam an! Die Hunde brauchen uns, gar keine Frage!


Selbstredend fehlt es an vielem. Nein, an allem. Manche der Hunde müssen an der Kette leben, zum Schutz anderer, manche in verfallenden Buchten. Wasser heranzuschafffen ist ein Thema, Futter sowieso immer. Der einzige Lichtblick, die einzige Erleichterung: Von den umliegenden Schulen können täglich Essenreste eingesammelt werden. Verarbeitet in Fässern über offenem Feuer zu einem Brei, gemischt mit dem wenigen Hundefutter, welches gerade zur Verfügung steht. Für Streicheleinheiten bleibt meist kaum Zeit, das Ich brutalst aufgeschlagen in der Realität. So viel muss getan werden, so viel erledigt.
4 Helfer hat Enikö, allesamt wollen diese bezahlt werden. Deshalb darf sie ihren Job nur ja nicht verlieren, denn ansonsten wäre die Katastrophe perfekt. Urlaub? Seit vielen Jahren keinen Tag. Wochenend-Ruhe? Vergiss es. Dazu der unfassbare Stress, die ständige Angst um ihre Schützlinge. Körperliche Schmerzen, seelische noch viel mehr. Bilder im Kopf, die so unfassbar wehtun. Und die sie nicht loslassen. „Burn out“, ein offensichtliches Thema. Nur verhindert durch das „muss“. Durch eine Aufgabe, die längst weit über den Kopf gewachsen ist. Und keine Aussicht auf Besserung. Sowas von nicht; das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Gedanken an das eigentlich Unschaffbare liegen mit bleierner Schwere über der Szenerie. Über dem pochenden Herzen einer Frau, es muss nochmals gesagt sein, welche bis zum bitteren Ende alles, alles, alles der Rettung von Straßenhunden unterordnet. Die nicht nur längst einen Orden verdient hätte, unser aller Hochachtung, sondern eine Nennung unter den Größten unserer Zeit. Ohne Abstriche.



Foto unten: Alles muss genutzt werden, um die Hunde vor Wind und Wetter zu schützen – und wenn es mal eine alte Gefriertruhe ist…

Wir sind auf den Wahnsinn an der EU-Außengrenze völlig unvermutet gestoßen, aber jetzt, wo wir davon wissen, gibt es kein Zurück. Wenn jemand Hilfe braucht, dann dieser Ort. Wenn wo geholfen werden muss, dann hier. Jetzt sofort, es gilt keine Sekunde zu zögern; denn wie lange Enikö eine solche Monsteraufgabe noch durchsteht ohne daran zu zerbrechen, ist keine Frage nach dem „ob“, sondern vielmehr bloß nach dem „wann“…

Fotos: Tom und Enikö mit dem Süßen; unten links, Andi bei den Hunden, im Zuge der letzten Ukraine-Reise, die von hier nur einen Steinwurf entfernt ist! Rechts: Enikö mit Aleko, beim ersten Zusammentreffen im letzten Jahr. Leider haben wir damals den Kontakt verloren – was uns nun nicht mehr passiert!



Hier wird unsere Hilfe soooo dringend gebraucht und händeringend erwartet! Bitte helft uns helfen! Ohne Euch sind wir hilflos – die Hunde brauchen uns, und wir brauchen Euch! Gerade eben sind wir dabei aufzubrechen, um ganz viel Hundenahrung zu bringen. Aber gebraucht wird noch viel mehr, viel, viel mehr – wir müssen Enikö bei den medizinischen Notfällen unterstützen, bei den Kastrationen. Bei den Hundeunterbringungen, den notwendigen Materialbeschaffungen, bei…. eine wirklich umfassende Aufgabe steht hier bevor! Nur ZUSAMMEN können wir das alles bewältigen – bitte, helft uns helfen!
