Der Tag war ein stressiger. Zuerst von Salzburg nach Krems. Ein schneller Kaffee noch mit den Lieben der Zwischenstation, dann gilt es rechtzeitig zum Flughafen nach Wien zu gelangen. Was nicht so einfach ist, wenn vier Koffer mit einem Gewicht von nahezu 100 kg im Gesamten mitzuschleppen sind. Am Flughafen Wien/Schwechat treffe ich dann Irmi, die Hufschmiedin. Eifrige RespekTiere-Newsletter-LeserInnen wissen jetzt natürlich sofort Bescheid: Irmi ist die Berufs-Koryphäe, jene begnadete Künstlerin, durch welche wir einst jenes so unfassbar wichtiges Gwerbe überhaupt erst mit nach Mauretanien gebracht hatte! Nun, nach unglaublichen bereits schon wieder 13 Jahren ist es längst an der Zeit, erneut an vorderster Front im Einsatz zu sein; nachzusehen, wie sehr ihr Vorbild gewirkt hat, eventuell eingeschlichenen Fehlern den Garaus zu machen, neue Techniken vorzustellen! Wie gesagt, 2012 war ihr erster Einsatz im fernen Wüstenland gewesen. Der sich später als einer mit überwältigendem Erfolg herausgestellt hatten. Warum? Tatsächlich gab es damals keine Hufschneider in Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens, und viele Esel mussten alleine an einer Verformung der Hufe sterben. Dann, wenn die Verwachsungen so extrem geworden waren, dass die armen Tiere kaum mehr gehen konnten. Und damit nutzlos für ihre Halter wurden, die sie viel zu oft auf sich alleine gestellt zurück ließen…

Foto: Irmi, Tom und Dr. Dieng beim Eselbehandeln – schon 20212 war das so! 🙂
Am Flughafen packen wir um. Irmi ist von Deutschlandsberg angereist, südlich von Graz. Mit kaum Gepäck. Dafür, wie gesagt, sind meine Koffer viel zu prall gefüllt, deutlich über dem erlaubten Gesamtgewicht. Was haben wir nicht alles mit – angefangen von überlebenswichtigen Medikamenten, von Arztbekleidung, von Arbeitsgewand, von medizinischen Instrumenten über die Sonnenbrillen und Warnwesten für die Eselhalter! Auf nichts wurde vergessen – hoffentlich zumindest! Nun müssen die Sachen „gerecht“ aufgeteilt werden, um nur ja kein teures Übergepäck bezahlen zu müssen. So breiten sich bald unendlich viel an Mitzubringendes am Flughafenboden aus. Bevor wir die anderen Passagiere aber allzu sehr behindern, füllen sich die Koffer schon wieder, jeder für sich jetzt mit ungefährem Idealgewicht. Mehr als 120 kg schleppen wir insgesamt mit uns! Jetzt gilt es erst mal durchatmen. Um 19.45 wird die Maschine abheben. Nach Istanbul. Wo wir dann irgendwo auf Flughafenbänken die Nacht verbringen werden. Weiterflug erst gegen 8 Uhr morgens. So weit, so gut.


Fotos: Am Flughafen – mit sooo viel Gepäck! Rechts: Imri udn tom, es gibt vor dem Abflug noch jede Menge zu besprechen; 13 Jahre haben wir uns nicht gesehen!
Bevor wir also einmal mehr in Nouakchott landen, widmen wir uns ein bisschen dem Land selbst. Ihr wisst es längst, Mauretanien ist ein von Krisen, Hungersnot und Dürre geschüttelter Staat in Westafrika. Wo für österreichische StaatsbürgerInnen noch immer eine Reisewarnung besteht (was heißt, im Falle von Problemen überlässt der Staat allfällige Reisende ihrem Schicksal, entzieht sich jeglicher Verantwortung), und welcher in einem Ranking der Hilfsorganisation „Care“ (mit dem Titel „Breaking the Silence“) über vergessene Krisenherde den Platz 5 unter allen Nationen der Welt belegt… Dazu kommen, tatsächlich als ein Faktor in immer größerem Ausmaß, die Auswirkungen des Klimawandels. Weit über 40 Grad wurden die letzten Wochen aus Nouakchott gemeldet; für die nächsten Tage ist allerdings etwas Entspannung angesagt. So um die 30 Grad soll es dann haben, dazu aber stets Tropennächte.
Wusstet Ihr, dass die Lebenserwartung der Einwohner Mauretaniens noch immer bei nur 64,7 Jahren liegt, bei Männern dann unter 63? Im Jahr 2023 waren 41,2 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre alt, während der Anteil der über 64-Jährigen bloß 3,2 Prozent der Bevölkerung betrug.
1957 lebten noch 90 % der Bevölkerung als Nomaden in Zelten, größere Städte gab es damals keine. Dagegen wohnten 2020 bereits 55 % in den Städten. Vier Fünftel der MauretanierInnen – inzwischen fast 5 Millionen – leben auf 15 % der Landesfläche (insgesamt über 1 Million Quadratkilometer, damit rund dreimal so groß wie Deutschland). Wahrscheinlich, so genau weiß das niemand, fast die Hälfte breiten sich in einer einzigen Stadt aus – Nouakchott, erst 1957 entstanden, damals für ca. 15 000 Menschen konzipiert. Obwohl es eine allgemeine Schulpflicht für 6- bis 11-Jährige gibt, werden nur rund 75 % der Kinder eingeschult. Was heißt, ganze 25 % besuchen niemals eine derartige Einrichtung. Etwa 46,5 % der Bevölkerung sind trotz steigenden Grundschulbesuchs Analphabeten (2017). Die durchschnittliche Schulbesuchsdauer der über 25-Jährigen betrug 2020 nur 4,7 Jahre.

Foto: Typische Szene in Nouakchott – Esel im dichten Autoverkehr auf zum Teil elendsschlechten Pisten!
Annähernd 100 % der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Der Islam ist Staatsreligion. Es gilt islamisches Recht (Schari’a). Ein Muslim, der zu einer anderen Religion übertritt, wird nach Artikel 306 des Strafrechts wegen Glaubensabfall (Ridda) mit der Todesstrafe bedroht, die bislang aber nicht verhängt wurde (für Homosexualität gilt gleiches). Die Sklaverei ist seit 1980 offiziell abgeschafft, wird aber nach wie vor im ganzen Land praktiziert. Nach Schätzungen der Anti-Sklaverei-Organisation SOS Esclaves gab es 2010 in Mauretanien 600.00 Menschen, welche zumindest in sklavenähnlichen Verhältnissen lebten, der Anteil von Sklaven an der Gesamtbevölkerung ist damit der höchste der Welt. Die Sklaverei in Mauretanien besteht trotz ihrer mehrmaligen offiziellen Abschaffung – zuletzt 2007 – weiter. Der Anteil arbeitender Kinder unter den Zehn- bis Fünfzehnjährigen lag im Jahr 2019 bei geschätzten 20 %.
Das gesamte Straßennetz umfasste 2010 etwa 10.628 km, von denen 3.158 km asphaltiert sind. Zum Vergleich: Im kleinen Österreich erstreckt sich selbiges auf 128 000 Kilometer!
Tierschutz war bisher ein Fremdwort im Wüstenstaat. Bis 2005 jedenfalls. Durch unseren Einsatz wurde seither viel verändert. Sah man zu Beginn der RespekTiere-Ära beispielsweise noch an jeder Ecke einen schwer verletzten Esel, ist die Situation heute um vieles besser. Weit entfernt von gut natürlich, aber immerhin. Die Saat wurde gesät, und Tierquälerei, früher überhaupt nicht als Delikt erkannt, wird nun von der Öffentlichkeit verpönt. Wie uns das gelungen ist? Etwas kurioserweise damit, dass wir die Religion für die Belange der Tiere nutzen. Denn strenggläubig sind sie alle, nur – bei der hohen Analphabetenrate wussten viel gar nicht, was denn eigentlich bezüglich im Koran steht. Und da ist Wunderschönes in Bezug auf die Tiere zu finden. Beispiel? „Und kein Getier gibt es auf der Erde und keinen Vogel, der auf seinen zwei Schwingen dahinfliegt, die nicht Gemeinschaften wären wie ihr. Nichts haben Wir in dem Buch ausgelassen. Vor ihrem Herrn werden sie dann versammelt.“ RespekTiere tt also Historisches: Wir schafften einen Radiospot, den ersten Tierrechtsspot Afrikas vielleicht, ganz sicher Mauretaniens. Geschaltet wurde der Dialog über Monate hinweg täglich 5-mal, in allen gängigen Landessprachen. Wo ein Mensch einen Esel schlug, ein Imam sich einschaltete und dem Halter entsprechende Verse nahebrachte. Der Erfolg sollte selbst für uns ein in diesem Ausmaß ungeahnter gewesen sein…

Foto: Selbst Neues ist bald von den Gegebenheiten gezeichnet!
Der Flug hat Verspätung; was uns wenig tangiert, wir haben sowieso eine zu lange Nacht in Istanbul vor uns. Der Weiterflug aus der Metropole ist wie bereits erwähnt dann eben erst für morgen früh angesetzt. So weit sind wir aber noch nicht; im Moment läuft in Wien noch alles ganz easy. Wir passieren die Kontrollen relativ schnell, sind im Nu im richtigen Gate und finden sogar viel Zeit für letzte Telefonate mit den Lieben. In der Maschine sehe ich einen Film, dazu gibt es das typisch großartige Turkish-Airline-vegane Menü – sogar bei einem Flug knapp an die 2 Stunden! Was heutzutage schon wirklich selten ist. Gegen 23 Uhr landet die Boing. Wenig behutsam, mit lautem Knall, aber dennoch bombensicher. Teil 1 von insgesamt 4 Flügen ist geschafft.
Istanbul Airport ist riesig. Eine eigene Welt für sich. Wir finden uns gut zurecht, suchen schließlich einen der vielen „Nap-Rooms“ auf, wo eine Art Liegestuhl den Passagieren zur Verfügung steht. Besser als die üblichen Sessel allemal; von bequem dennoch weit entfernt. Aber es gibt ja auch noch den Zaubertrick – extra im Vorfeld habe ich eine dieser neuen Luftmatratzen, selbstaufblasend, extrem wenig Platz im Gepäck benötigend, geordert. Und schon jetzt bin ich dankbar dafür. Zähneputzen auf den Flughafentoiletten, Schuhe ausziehen, tatsächlich hinlegen. Ausstrecken. Ja, die Hüfte tut mit zunehmendem Alter trotzdem weh, aber ansonsten? Schon eine sehr sinnvolle Innovation! 🙂

Fotos: Landung in der Nacht in Istanbul! Wir übernachten im Flughafen. Rechts: Istanbul ist bekannt für seine vielen TierfreundInnen; am Flughafen gibt es dann einen eigenen Raum für die vierbeinigen Lieblinge, samt Toiletten, Wasser zum Abduschen, Essensausgabe für Hunde und Katzen – schon auch sehr cool!




Fotos: Was für ein Unterschied – aus dem Flugzeugfenster, links hierzulande, rechts Mauretanien!
Wir unterhalten uns noch eine Zeitlang, es gibt viel zu erzählen. Schließlich haben wir uns 13 Jahre nicht gesehen. Wie wenn es gestern gewesen wäre, so fühlt sich das Gespräch dennoch an. Schlaf finden wir dann eher bescheidenen. Seien es die Umstände, ein bisschen auch die Nervosität ob der anstehenden Aufgaben, das viel zu helle Licht; aber die eine oder andere Stunde geht sich dennoch aus. Man hat gelernt, sich an kleinen Dingen zu freuen!
Gegen 5.30 stehen wir auf. Suchen jetzt das Abflug-Gate. Trotz der Größe des Flughafens soll es keine schwere Aufgabe sein. Super!
Der Abflug ist erneut ein verzögerter. Jetzt, im Gegensatz zur ersten Strecke, wo aufgrund der wenigen Auslastung fast schon freie Platzwahl war, ist im Inneren der Maschine ein Gedränge. Wir müssen mit einer Dreierreihe vorliebnehmen, ich mit dem mir sehr verhassten mittleren Platz. Sechseinhalb Stunden trennen uns noch vom Ziel.
Wieder gibt es einen guten Film, gutes Essen, weniger gute Beinfreiheit. Müdigkeit macht sich ebenfalls bemerkbar, doch Schlaf lässt sich keiner finden. Deshalb erledige ich Schreibarbeiten, nutzte die Zeit für das Aufsetzen erster Reiseberichte.
Irgendwann fallen die Augen aber doch zu; für wenigstens eine halbe Stunde überfällt uns das Bedürfnis, und erst die Stewardess, welche das Essen bringt, lässt den müden Körper in die Realität zurückkehren. Ganz ehrlich, wie gerne hätte ich auf die Speise zugunsten von ein bisschen mehr Schlaf verzichtet…
Es ist heiß im Flugzeug, stickig. Immer wieder rüttelt es die Maschine kräftig durch auf ihren rund 5 000 Kilometer-Flug, den sie in 6,5 Stunden bewältigen soll. Jedes externe Geräusch bringt aber auch Beunruhigung mit sich, handelt es sich beim Flugzeug doch um eine Boing Max. Genau jenes Modell, welche zuletzt so oft in die Negativ-Schlagzeilen geraten war. Schnell an etwas Anderes denken…

Flughafen Nouakchott – langsam auch ein bisschen schön! 🙂
Dann landen wir in Nouakchott. Dem endlosen Meer aus orangem Sand entwachsen plötzlich Gebäude, und mit einem Rumpeln setzt der Kapitän auf. Durchatmen ist angesagt. Auch deswegen, weil heute eigentlich die nervenzermürbende Prozedur des Visa-Antrages entfallen wird, haben wir den Eintrag doch schon online hinter uns gebracht. Nichtsdestotrotz hat die sogenannte Notwendigkeit aber dann keinerlei Auswirkungen auf die Wartezeit in der Abfertigungshalle. Es dauert und dauert und dauert. Genauso lange wie ohne online Vorarbeit. Warum dann das Ganze? Weil wir eben in Mauretanien sind. Wo nicht immer alle Behördenschritte so völlig nachvollziehbar sind.
Dafür aber finden wir später sofort die Koffer und auch deren Check geht im Nu über die Bühne. Kaum geseufzt, stehen wir auch schon draußen im Freien. Hitze, aber steter Wind. Und Markus wartet bereits auf uns!

Markus ist Mitarbeiter der GIZ, des „Deutschen Institutes für internationale Zusammenarbeit“; und ein großer Tierfreund. Wo wir uns künftig viel von einer möglichst intensiven Zusammenarbeit erwarten. Markus ist mit seinem Jeep gekommen, einem Riesending. Sehr cool! Und schon hat uns der Highway wieder; und diesmal kann man es selbst in Mauretanien so nennen – ein extrabreites Asphaltband erstreckt sich nämlich seit kurzem vom neuen Flughafen in die Stadt. Über mindestens zwei oder drei Dutzend gerade Kilometer, eingesäumt von tausenden neu gepflanzten Bäumen. Einfach toll, weil man sowas ganz und gar nicht erwartet.
Es kostet große Mühe das Hotel zu finden, welches ich zuvor über booking.com gebucht hatte. Wir fragen am ausgegeben Hotspot nach, dort kennt niemand die Anlage. Kreuz und quer erkunden wir das Revier, das „Maison Jolie“ lässt sich nicht finden. Fast glaube ich schon einem Betrüger aufgesessen zu sein. Aber dann läutet das Telefon, und der Vermieter meldet sich. Urfreundlich. Erklärt den Weg. Wie schön. Gegen 15 Uhr sind wir endlich angekommen.

Fotos: Die neue extrabreite Straße vom Flughafen in die Stadt; wenn die tausenden Bäume rechts und links anwachsen, wird sie richtig schön! Unten: Die Katze empfängt uns in der Herberge!

Markus muss weiter. Wir verabschieden uns mit fester Umarmung, der „Mensch Markus“ wird uns in kürzester Freund ans Herz wachsen. Dann gilt es gleich mal auszupacken, das Mitgebrachte zu sortieren. Die höchst unliebsame Überraschung dabei: Ein Koffer ist mit anderem Zeugs beladen, als wir eingepackt hatten! Natürlich ist dem nicht so, wir haben ganz einfach das falsche, ganz gleich aussenden Gepäckstück mitgenommen!!! Shit! Jemand anderer wird verfallen, weil sein oder ihr Koffer nicht angekommen scheint. Dabei ist der bei uns… Schlimmer geht’s nicht… Aber wie wir überhaupt durch die Kontrollen mit einem fremden Gepäckstück gekommen sind, es wirft auch kein besonders gutes Licht auf die Sicherheitsvorkehrungen
Retter in der Not ist wie so oft Dr. Dieng! Er kommt schließlich vorbei, zusammen fahren wir nochmals zum Flughafen. Die ganzen gut 45 Minuten zurück. Wenigstens, es ist eine unerwartete Freude, den Freund schon heute zu sehen. Und ihm geht es genauso. Besonders der Anblick von Irmi, die beim letzten Besuch einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, lässt ihn laut aufjubeln. Welche Überraschung!
Am Flughafen bekommen wir ganz unbürokratisch unseren Koffer zurück. Super. Ich hab‘ mir schon große Sorgen gemacht, sind darin doch fast sämtliche Elektrogeräte. Und die Besitzenden des anderen Koffers werden sich wohl auch sehr gefreut haben! Es tut uns echt leid, mit der Unachtsamkeit so viel Mühen für andere erschaffen zu haben…

Foto: Straßenhunde im „schönen“ Botschaftsviertel, wo die Gebäude mit Bollern gesichert sind!
Es ist dann schon nach 6, als wir ins Motel zurückkommen. Letztlich gehen wir sogar noch in die Stadt, finden uns gut zurecht, und kommen mit frischem Brot und reifen Obst und Gemüse zurück. Ein Festessen wartet…
Nouakchott hat sich weiter verändert. Ist, schon vom ersten Empfinden her, erneut moderner geworden. Es fahren nicht mehr ganz so viele total kaputte Autos, obwohl es die natürlich schon noch gibt. Sogar ein Paradebeispiel bestaunen wir – ein Wagen mit vier Menschen als Insassen fährt vorbei, wo die Stoßstangen fehlen, sämtliche Lichter, die Windschutzscheibe, die anderen an den Seiten offensichtlich festgesteckt, Rostlöcher, sodass man mit der gesamten Hand ins Innere greifen kann. Mit so einem Ding möchte man gerne mal beim Automobilclub vorfahren, ihn allerernstes zur Begutachtung vorführen – besonders bei den doch als sehr genau und akkurat (bestimmt nur ein Klischee J ) gedachten Beamten Deutschlands würde dies einen mittleren Kreislaufzusammenbruch nach sich ziehen! J
Aber dann gibt es auch ganz viele solche, welche nicht anders auf unseren Straßen zu Hause unterwegs sind. Dazu hat sich die Anzahl von Gehsteigen vermehrt, Lichter überall, Geschäfte, sogar Kreisverkehrsgestaltung. Menschen in schönen Kleidern. Es riecht an solchen Ecken sogar ein klein wenig nach Überfluss. Welchen Eindruck die Realität allerdings ganz schnell zerstört… Kinder, die zum Auto kommen, um nach ein bisschen Geld und Aufmerksamkeit zu bitten, rütteln den Betrachtenden alsbald wieder wach. Willkommen in der Realität! An beinahe jeder Kreuzung. Bettler, mit schweren Behinderungen. Ohne Arme, ohne Füße, in zerschlissene Decken und zerrissene Kleidung gehüllt. Eine Armada davon.

Foto: Im Straßenmüll suchen viele Tiere ein Überleben… Todtraurig!
Noch nicht lange zurück, in Fakt in den letzten Wochen, startete die Regierung erneut ihr unfassbares Konzept zu einer Begrenzung der Streunerhundpopulation. Welches stets mit dem Tod von hunderten, tausenden Tieren einhergeht. Säuberung. Welch niederschmetternder Begriff. Danach sollen die Straßen frei sein vom „besten Freund“ des Menschen. Theoretisch zumindest. Wir begegnen am Weg in die Stadt überraschend vielen der Vierbeiner. Rund um die Botschaften sogar in Rudeln zusammengekommen. Vielleicht genießen sie dort vermeintlichen Schutz. Temporären, bestenfalls.
Die Nacht soll eine gute werden. Es gibt Klimageräte im Haus, welche eine Wohltat. Auch wenn solche inzwischen verpönt sind. Aber ohne sie wäre eine Nachtruhe kaum möglich. Hitzestau.

Foto: Nouakchott hat sich verändert – besonders die Banken zeigen sich nahezu prächtig!
Der nächste Morgen beginnt wie immer in der Wüste. Mit verhangenem, diesigen Himmel, ganz so, als ob es regnerisch werden würden. Regnerisch? Ein Wunschgedanke, hier, in den Ausläufern der Sahara.
Tatsächlich wird es ganz schnell richtig heiß, weit jenseits der 30er. Der Tag beginnt mit einem Frühstück, dazu heißes Wasser aus dem kalt/warm-Automaten gemischt mit Kaffeegranulat. Dann beginnen wir die mitgebrachten Sachen aufzuteilen; einen Stapel für Dr. Dieng, einen für Zappa, für Mohamed, einen letzten für Moussa. Und auch für die so unkonventionelle Tierschützerin aus Frankreich namens Noemi – eifrige RespekTiere-Newsletter-LeserInnen erinnern sich, jene, welche im letzten Jahr einfach so in eine Hütte am südlichen Stadtrand, am Weg in den Senegal, gezogen ist und sich jetzt besonders um Pferdetaxis kümmert – haben wir so manche Sachen mitgebracht. Sie werden wir wahrscheinlich morgen treffen. Letztendlich malen Irmi und ich noch auf die für die Eselhalter mitgebrachten Warnwesten den Respektiere-Schriftzug, ebenso auf die Spitalskleidung, welche für die Mannschaft eingepackt wurde – und dann ist es schon Mittag!


Fotos: Das alles und noch viel mehr haben wir mitgebracht! Warnwesten werden per Hand mit dem RespekTiere-Schriftzug verschönert!
Eine Wanderung noch zu den nächstgelegenen größeren Läden, um dort Obst und Gemüse zu erstehen, dann gilt es bereits, sich für den Nachmittagseinsatz zu richten. Gegen 14 Uhr holen uns auch schon Markus und Dr. Dieng; ich nehme beim Arzt im Wagen Platz, Irmi bei Markus, und gemeinsam geht es zu unserem Grundstück. Quer durch die Stadt, bis zu deren südlichem Ende. In den Stadtteil Riad. Und am Weg, es sei vorweggenommen, ist die Überraschung groß: Überall neben der Straße steht es geschrieben, China der Geldgeber; Highways errichtet, welche den Vergleich mit deutschen oder österreichischen nicht mehr scheuen brauchen. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus; seit 20 Jahren nun schon ist es mir gestattet das Land zu besuchen, aber was sich in den letzten davon, insbesondere seit 2024, getan hat, ist einfach nur überwältigend. Ohne Wertung, ob man die Entwicklung für gut oder schlecht ansieht, den Ausverkauf mit Haut und Haaren an den Roten Drachen aus dem fernen Osten, man reibt sich nur mehr die Augen. Und nicht wegen dem vielen Sand in der Luft. Auf einmal gibt es tatsächlich ganz viele Ampeln, die auch noch funktionieren. Und wo die meisten Verkehrsteilnehmenden plötzlich auch noch bei Rot anhalten. Sogar welche extra für FußgängerInnen sieht man nun hin und wieder – zumindest auf dieser Strecke. Aber die ist dann doch ganze 16 Kilometer lang! Zebrastreifen – vor drei, vier Jahren hätte man als echter Mauretanier noch gesagt, „was machen die Straßenarbeiter da? Straßenbemalung? Wer braucht das. Pffft…“ Überkopfanzeigen, Richtungsweiser, richtige Bushaltestellen, alles inklusive. Echt, echt, echt unglaublich! Und überall wird gebaut; ganze Stadtteile entstehen, dort, wo beispielsweise früher der furchtbare Zoo war, erstrecken sich heute in kürzester Zeit aus dem Boden gestampfte Einkaufstempel und Ministeriumsgebäude.

Fotos: Autostraßen, Bushaltestellen, Überkopf-Wegweiser – alles neu in Nouakchott!

Das RespekTiere-Grundstück liegt am Ende des Weges. Kurz vor dem Zusammenprall mit der Wüste. Aber auch dort wurde seit dem letzten Jahr enorm dazu gebaut. Direkt vor unserem Land soll eine weitere Straße entstehen, scherzhaft sagen wir die „Rue RespekTiere“. Auch der Wasseranschluss ist auf 150 Meter nahegekommen. Dazu wurde das Ganze genau vermessen, die Enden exakt abgesteckt. Lange erklärt Dr. Dieng, Markus als perfekter Übersetzer. Was wir noch tun müssen, was zu beachten ist, und vor allem, wann wir starten sollen. Sobald als möglich – aber dazu später. Wir finden ein Haus in der Nachbarschaft, wo die Mutter mit ihren vier Kindern in der Tür verspricht, sie wird sich persönlich darum kümmern, dass die Baumaterialen für den angestrebten RespekTiere-Hof bei ihr abgelagert werden können. Sodass sie nicht abhandenkommen. Super. Ein Eselhalter bleibt stehen, zeigt uns schließlich verschiedenste Plätze, wo beispielsweise das Stromkabel liegt, wo dann angeschlossen werden kann. Ebenso die Wasserversorgung. Scheint alles gut. Ich atme erleichtert durch (unglaublich: ein einfaches Kabel, wo dann unzählige Haushalte rundherum anschließen? Beim Wasser genauso – eine Leitung, mit einigen Zentimetern Durchmesser, das reicht für alle? Aber das System scheint zu funktionieren, der Beweis rundherum)..

Foto oben: So breit ist das Grundstück – Markus, Irmi, Dr. Dieng!





Fotos: Grundstückspfeiler sind längst gesetzt; für westliche Menschen schaut es aus wie Wüste, MauretanierInnen wissen vom wahren Wert – ein perfektes Grundstück! Ihr seht die Kabel für Strom und Wasser im Sand, beide leiten zum Grundstück.
Fotos oben: Die Länge erkennt man im Bild mit dem roten Pfeil, wo Dr. Dieng steht – im Vordergrund der Beginn! Im nächsten Bild erklärt Dr. Dieng denVerlauf, wiederum im Hintergrund ist eine Moschee gebaut.

Der Platz ist ein friedlicher. Noch zumindest. Vielleicht der wirklich richtige für einen Ort wie von uns geplant. Etwas abseits noch, aber dennoch nicht im Nirgendwo. Mit elementaren Ausstattungen, bereits im Atem der Zivilisation. Für ein paar Jahre noch ein echter Rückzugsort. Und danach eben eine Station in neuen Stadtteilen, die dadurch aber auch eine erhebliche Wertsteigerung erfahren wird. Mit einem Wort: Zukunft! Wir freuen uns auf sie! 🙂
Dr. Dieng wohnt in der Nähe, wir verabschieden uns deshalb. Der Gute muss nicht den ganzen Weg wieder mit zurückfahren. So sitzen wir jetzt zu dritt im riesigen Jeep, auch Markus zutiefst erstaunt und beeindruck über die Bauentwicklung in jenem Bereich.

Wir bleiben schließlich noch lange bei uns in der Herberge, diskutieren, besprechen; im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt. Und über Künftiges, welches uns hoffentlich ganz fest verbinden wird – für die Tiere!
Am Abend gehen Irmi und ich nochmals in die Stadt hinein. Der Füße schwer, ein anstrengender Tag.
Frisches Brot ist schnell gekauft, zusammen mit den ebenfalls erworbenen Tomaten ein perfektes Abendessen. Später kommt noch der Vermieter der „Maison Jolie“ vorbei. Ein sehr netter Mann, der unheimlich gastfreundlich wirkt. Natürlich, wir bringen auch Geld, aber er kümmert sich schon sehr um seine Gäste.
Die Nacht soll eine unruhige werden. Draußen bleibt es richtig heiß, die Klimaanlage im Haus tut ihr Bestes, aber kommt gegen die Naturgewalt kaum an.

Foto: Auch das ist neu – Riesenrad im Familienpark mitten in der Wüste!
Am nächsten Morgen, mit müden Augen, läutet bald Markus. Er kommt wieder mit uns, wir sollen zuerst mit Team Dr. Dieng/Moussa zu einer Wasserstelle, später mit Zappa/Mohamed. Dieng erscheint dann ebenfalls bald, im selben Augenblick fährt auch Zappa vor. So war es nicht ganz geplant, aber, nicht wundern, wir sind in Mauretanien.Da laufen Dinge oft ganz aners als vorher ausgemacht, und gestalten sich dennoch stimmig. Dr. Dieng erklärt letztlich, er wolle heute mit uns zum Bürgermeister fahren, um eine Genehmigung für den Beginn des Baus einzuholen. Ok, so entscheiden wir, Markus wird ihn begleiten, während wir im Zappa einen Einsatz fahren. Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse können wir bei der Behörde eh nicht viel beitragen. Der Kompromiss passt allen.
Und so sitzen wir wieder einmal im kleinen Opel von Zappa, hinten im Laderaum, wo eine Holzbank an Stelle von Sitzen steht. Seit dem letzten Besuch hat Zappa auf der linken Seite aber auch noch 2 Autositze niedergeschraubt. Genehmigungen dafür gibt es natürlich nicht. Braucht man auch nicht in der Wüste. Oder doch? Mit von der Partie ist selbstverständlich auch Mohamed, wir fallen uns mit großer Freude in die Arme. Mohamed ist der Ruhefaktor, immer sehr freundlich, immer gut gelaunt, zu jedem Spaß stets bereit. Aber auch ein begnadeter Mitarbeiter, er, der jahrelang für den Staat Impfkampagnen begleitet hat. Und der einzige Mitarbeiter, der nicht von uns angeworben wurde, sondern aus eigenem Antrieb kam. Der vor vielen Jahren fragte, ob wir denn jemanden brauchen könnten, der schon Erfahrung mit Tieren hat. Was sehr imposant war. Und ihm das Ticket für das „Team RespekTiere“ einbrachte.

Foto: Irmi, Mohamed, Markus, Tom im Kofferraum des kleinen Vans am Weg zur Arbeit!
Auch Birome ist dabei; nachdem der wunderbare Ali, einige Jahre lang der Bildermacher bei den Einsätzen, im letzten Jahr leider verstorben war – Allah sei seiner Seele gnädig – wird er diese so wichtige und herausfordernde Aufgabe künftig übernehmen. Das beste Projekt ist schwierig nahezubringen, wenn es keine guten Bilder davon gibt…
Jedenfalls, die hintere Türe des Opels schließt nicht mehr. Mohamed wird sie mit einem Strick während der Fahrt bändigen, damit sie im „Nahkontaktverkehr“ nicht ständig auf andere Autos knallt. Wäre im gewissen Maße aufsehenerregend in Deutschland, hier ganz und gar nicht.

Foto: Kinder, Kinder mit Esel anstatt in der Schule zu sein, suchen im Straßenmüll nach Verwertbarem!
Esel finden sich vor allem in den ärmeren Stadtteilen; aber auch dort wird gebaut, überall. Planierraupen, schwere Maschinen, Betonlieferanten dominieren die Szene. Dazwischen das übliche Gedränge, wie man es sonst nur aus der Doku über das tiefste Afrika kennt.
Die erste Stelle – hier wird gerade an einer neuen breiten Straße gebaut, die Wasserstelle ist stillgelegt. Aber dennoch gibt es ein paar Esel, die wir bald zu behandeln beginnen. Wie gut, dass Irmi dabei ist, denn sofort wird klar: Bereits an dieser Stelle gibt es insbesondere Hufprobleme. Und schon sind wir mittendrinnen im ganz normalen Wahnsinn. Je länger man arbeiten, desto mehr Menschen kommen mit ihren Eseln. Stille Post in Reinkultur. Viele Kinder sind bald da, wir verteilen dann auch Süßes. Zuerst schüchtern, aber bald mit großer Freude genießen die Kleine die im Land selbst fast unerschwinglichen Delikatessen.


Die Esel sind in mittelprächtigem Zustand. Einer sieht ganz schrecklich aus, narbenübersät, die anderen laborieren ihrerseits allesamt an kleineren Verletzungen. Wunde Rücken, entzündete Stellen, wo einmal zu oft geschlagen wurde, all das gibt es noch immer. Aber all das ist auch nicht mehr die absolute Regel, so wie vor wenigen Jahren noch. Ich verabreiche Entwurmungsmittel, geben Salben in gepeinigte Augen. Blauspray wird gebraucht.
Irmi zeigt Zappa ihre Spezialgriffe. Der lernt begierig, ganz nach seiner Natur. Obwohl der Gute inzwischen selbst zum wahren Meister geworden ist; Gott, war das eine gute Idee damals, einen solchen Mann zu suchen – und was für ein Glück, einen viel Besseren als erwartet gefunden zu haben…


Nächte Wasserstelle; dort wird das kostbare Nass gefördert. Aber überraschender Weise sind mehr Tucktucks, jene dreirädrigen kleinen motorisierten Fahrzeuge, im Einsatz als Esel. Der Trend, seit vier, fünf Jahren feststellbar, hat sich noch weiter verstärkt. Der Motor, wenn auch nur im Kleinformat, verdrängt zusehend die tierliche Arbeitskraft. Was für ein Segen für noch nicht geborene Esel, die dann eines Tages deswegen gar nicht mehr in eine Welt gesetzt werden, welche sie ohnehin nie lieben würde…
Dann gibt es auch größere Dreiradler. Solche, die die neuen „Wasserfässer“ laden; gemeint sind dicke Plastikbottiche, ähnlich wie Luftmatratzen, die mit Wasser gefüllt werden. 300 Liter gehen da rein. Vorrat für lange Zeit.

Foto oben: Esel, neue Generaton – motorbetriebene Fahrzeuge mit Wassertanks!





Fotos: Mohamed sichert mit Seil die Autotür; offene Kabelschächte überall; Zappa bei der Arbeit; Eselgespann mit Ziegel überladen! links: Der „böse“ Polizist hat in unserem Auto Platz genommen, während Birome und Mohamed abwarten – er wird uns zwar viele Schwierigkeiten machen, letztenendlch aber muss keine Strafe bezahlt werden!

Der letzte Ort liegt im Bezirk Premiere. Aber auch dort ist relativ wenig los. Wir behandeln, verteilen an jene Eselhalter, deren Tiere so halbwegs wundfrei ausschauen, Preise für das „Besserhalten“ der ihnen ohne Wenn und Aber Ausgelieferten. Kappen, Sonnenbrillen, Warnwesten (Eselkarren sind immer unbeleuchtet, auch in der Nacht…). Die Kinder bekommen Süßes. Richtiggehend idyllisch ist der Eindruck, welchen zufrieden Menschen im Gemeinsamen vermitteln.
Wäre da nicht die nagende Armut ringsum. Der Geruch nach Verwesung in so vielen Ecken. Der Müll, omnipräsent. Die vielen, vielen Kinder und Teenager, die eigentlich in der Schule sein sollten. Nicht hier auf der Straße, am Vormittag. Und schon gar nicht mit ihren Eseln unterwegs, um ein klein bisschen zum Familieneinkommen beizutragen. Ja, Kinderarbeit ist hier noch immer kein Delikt; offiziell zwar schon, aber abseits der Theorie ein weit verbreitetes Phänomen. Dazu, erinnert Euch, rund 4 Jahre Schulbildung im Schnitt; eine gar desaströse Bilanz. Unter den Kindern ist aber auch ein Junge, der, richtig schön gekleidet, offensichtlich aus guten Verhältnissen kommt, und uns doch etwas überraschend in sehr gutem Englisch anspricht.
Etwas abseits der Wasserstelle liegt ein Berg Abfall. Daneben, wie dorthin platziert, perfekt aneinander gereiht ein toter Esel und eine tote Kuh. Die Stricke hängen noch um die Hälse, die Elemente zersetzen ehemaliges Leben. Deprimierend. Zutiefst.




Jetzt ist es genug für heute, die Hitze immens, die Esel offensichtlich in Mittagspause. Wir fahren zurück in die Herberge. Unterhalten uns gut im Wagen. Solange, bis eine Polizeikontrolle die Fahrt jäh stoppt. Der erste Polizist unterhält sich mit Zappa. Lächeln, Händeschütteln, Weiterfahren. Das sieht ein zweiter, offensichtlich übergeordneter. Der ist so ganz und gar nicht einverstanden mit der Entscheidung des Kollegen. Hält uns nochmals. Und wird bitterböse. Schon seine Augen verraten, er hat Frust und muss den abbauen. Tatsächlich beanstandet er die Mitfahrenden im Laderaum. Hey, sind wir hier plötzlich in Germanien?
Die Argumente Zappas fallen auf unfruchtbaren Boden. Ebenso jene von Mohamend. Birome, am Beifahrersitz, hält sich elegant aus der Diskussion. Schließlich müssen wir alle wieder in den Kofferraum, jetzt inklusive Birome. Vorne nimmt der Polizist Platz, wir sollen mit ihm zum Posten. Shit! Durch den Verkehr, es tangiert den Beamten nicht, dass Zappa die halbe Fahrt telefoniert, mehrmals entgegenkommende oder viel zu eng überholende Fahrzeuge fast anstreift. Alles egal. Selbst das Überfahren roter Ampeln wir stillschweigend hingenommen.
Am Posten dann muss Zappa mit dem Mann mitkommen. Nach einigen Minuten ist er zurück. Es gab ein Streitgespräch, schließlich deutete der Kappenträger auf Weiterfahren. Nachdem Zappe dreimal eine Forderung nach etwas „Schwarzgeld“ abgelehnt hatte…

Foto: Der „böse“ Polizist sitzt mit Zappa im Auto, während wir ringsum nur abwarten können; der „gute“ Beamte steht neben Mohamed und versteht die Vorgangsweise des Kollegen offensichtlich auch nicht ganz!
Die Stimmung im Fahrzeug bessert sich innerhalb des Augenblicks und wir sind bald wieder in Scherzen gefangen, bis zurück zur Herberge. Dort verabschiedet man sich mit festen Umarmungen, bevor es in eine kleine Pause geht. In nicht einmal einer Stunde müssen wir eh schon wieder los – dann werden wir Noemi, die Tierschützerin aus Frankreich, treffen.
Und schon sind wir wieder zu Fuß unterwegs, in Richtung Stadtzentrum. Im Cafe Tunesie, wo wir früher öfters gewesen sind, soll der Treffpunkt sein. In Fakt war dies die einzige Gaststätte neben dem winzigen Straßencafe Algerie, wo Dr. Facharani und ich ab und an eine Tasse Tee genossen hatten. Jedenfalls, Tunesie wurde seither genau wie die Straßen ebenfalls umgebaut, ganz dem Stadttrend nach „alles Neu“ folgend; es ist jetzt recht einladend, und ein kaltes Cola versüßt das Sitzenbleiben noch ein bisschen mehr – im wahrsten Sinne des Wortes! Bald kommt auch Noemi, wie schön, die Gute wiederzusehen. Vielleicht erinnert sich der oder die eine oder andere: Die Mutige ist vor Jahren aus Frankreich weggegangen, durch Afrika gewandert und letztlich in Mauretanien hängengeblieben. Hier kümmert sie sich vor allem um die Pferde der Personenbeförder, wo die Armen unter denkbar schwierigen Bedingungen Menschen für ein paar Ouguiya durch die Stadt kutschieren… Ob bei uns die Fiaker, ob in Griechenland oder sonst wo die Esel, welche Touristen durch die Gegend schleppen müssen, ob Kamele in Ägypten, die oft viel zu schwere Westliche zu den Pyramiden bringen, überall kann das Tun nur mit einem Wort beschrieben werden: Tierausbeutung. Tierqual. Aber während bei uns den Kutschenpferden wenigstens noch ein bisschen Schutz gewährt wird, was die Prozedur allerdings überhaupt nicht annehmbarer macht, sind hier die Rücken praktisch immer schwerst wund, die Hufe in schrecklichem Zustande.
Noemi kümmert sich aber natürlich auch um Hunde und Katzen, führt als gelernte Tierheilerin selbstständig kleinere Eingriffe durch und hat ein Wissen angesammelt, welches irgendwann den Unterschied schaffen kann. Die Menschen hier zu mehr Tierliebe führen wird. Genau wie unsere Arbeit, so Gott will!

Foto: Katzen geht es im Allgemeinen besser als Hunden, zumindest behandeln sie die Menschen anders – hier im kleinen Cafe zum Beispiel füttert ein Mann die Süßen mit seinem Menü. Bei Hunden wäre das kaum vorstellbar.
Jedenfalls sind wir alsbald in tiefe Gespräche verfangen. Wir hören so viel über das Land – von jemanden, die ganz alleine in einer Hütte im Hinterland wohnt, dort mehrere Vierbeiner versorgt – wie man sonst in keinem Reiseführer erfährt. Natürlich auch über Tierschutzstrategien tauschen wir uns aus, über neue Möglichkeiten, auch jene einer verstärkten Ergänzung. Ganz in diesem Sinne übergeben wir zwei gefüllte Taschen mit mitgebrachten Sachen, medizinisches Werkzeug usw.; ganze drei Stunden sitzen wir, bis es wirklich Zeit wird zu gehen. Besonders für die Tierärztin, die noch vor Einbruch der Finsternis zu ihrer Hütte an der Straße nach Rossi zurückmuss. Auf schlechten Pfaden, oft unbeleuchtet, über Pisten. Was bei einsetzender Dunkelheit dann sehr schnell sehr gefährlich werden kann. Wir verabschieden uns also hurtig und schmerzlos, mit dem Versprechen, am Mittwoch zu ihrem Heim zu kommen, um dort nach ihren Tieren zu sehen.
Es ist fast 20 Uhr, bis wir wieder in der eigenen Herberge sind. Irmi und ich tauschen uns noch lange über die heutigen Erfahrungen aus, bis die Müdigkeit die Oberhand erlangt.

P.S.: Auch Dr. Dieng’s Besuch beim Amt war von Erfolg gekrönt. Der Bürgermeister verlangt 8 000 Uuguiya, also rund 20 Euro. Diese Summe ist für die grundsätzliche offizielle Baugenehmigung unumgänglich. Darüber kommt man nicht hinweg, weil verpflichtend. Dann gab es noch ein Meeting mit jener Firma, welche sich um das Wasser kümmert. Der zuständige Manager war dann auch gleich mit dem Team am Grundstück, hat alles abgemessen, geschaut, wie viele Meter Leitung verlegt werden müssen Die Installation am Grundstück, also ein direkter Zugang ohne dass man Wassertanks braucht, weil dann eben Fließwasser, würde nach seiner Kalkulation um die 1000 Euro kosten. Wer Mauretanien kennt, weiß, der Betrag wird sich wahrscheinlich noch erhöhen, weil es ja immer „Komplikationen“ gibt, auch wenn solche nicht auf den ersten Blick erkennbar sein sollten. 🙂
Jedenfalls, es schaut gut aus – wir werden mit der Umsetzung des Traumes „Hope“ alsbald beginnen!

