Der nächste Morgen. Gnadenlos brennt die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Aber das sind ja noch keine Neuigkeiten, ganz im Gegenteil. Routine. Seit Anbeginn der Zeit.
Gegen 9 sind wir am Arbeitsort. Direkt am Hühnermarkt. Mitten in Schwarz-Afrika. Zumindest gefühlt. Am selbigen wird alles verkauft, nicht nur Geflügel wie der Name eigentlich suggeriert. Ganz viel Fisch, tote Körper, die voller Fliegen und oft in der prallen Sonne aufgestapelt sind, wird ebenfalls angeboten. Eier, Brot, Bohnen, Hülsenfrüchte sowieso. Man kann aber auch jegliches Baumaterial erstehen, dazu Gemüse, Nüsse, wirklich alles von Gott gegebene an Nahrung. Traditionelle Medizin; Holz vom Zahnbürstenbaum, der tatsächlich so genannt wird, zum Zähneputzen (alle machen das so, sind ständig mit dem Stäbchen beschäftigt). Der Marktbericht liegt genau im Grenzgebiet zweier Bezirke, an einer der Lebensadern der Stadt. Nicht zuletzt deshalb ist der Verkehr rundherum, ob Autos, Motorräder, TukTuks oder eben auch Eselkarren, ein wahrhaft überwältigender.






Ein Gewühle aus im Stich gelassenen Tieren, bloßer Nahrungsmittelvorrat, wo Hühner an den zusammengebundenen Bein en Kopf nach unten aufgehängt sind; wo Hunde, Esel, Kühe im Müll der Straßen nach Essbarem suchen. Wo Kinder mit Blechdosen betteln, Behinderte nach einer milden Gabe fragen, wo diskutiert, geschrien, gestritten und gelacht wird. Berstendes Leben als Ganzes, das aber am Individuum gemessen bei genauer Betrachtung unfassbar fragil wirkt.
Wir beginnen mit den Behandlungen, und schon nach wenigen Augenblicken füllt sich der Platz rings um uns. Dutzende Esel warten auf medizinische Unterstützung, Irmi und Zappa werden die nächsten Stunden mit intensiver Hufarbeit beschäftigt sein. Der wunderbare Markus ist auch mitgekommen, leistet als Übersetzer einmal mehr unbezahlbare Dienste. Einfach großartig – er hat sich für unseren Aufenthalt extra Urlaub genommen, um als Dreh- und Angelpunkt zur Verfügung zu stehen. Der Gute, ein wahrer Jünger Jesu, stellt sich – um bei der Thematik zu bleiben – immer mehr als Segen für uns persönlich und das Projekt heraus.

Mohamed und ich sind wieder mitten im Gewühle. Wir geben Entwurmungsmittel an nahezu 100 Tiere, Augensalben in gequälte Sehorgane, Ivermectin-Spritzen gegen sämtliche Parasiten, welche vom oralen Medikament nicht erreicht werden. Esel an Esel reiht sich alsbald. Dazu verteilen wir aber auch eine ganze Menge an Kappen, Warnwesten und dergleichen an Eselhalter, deren Esel wirklich gut aussehen. Ein junger Mann bedankt sich besonders herzlich. Er erinnert sich, meint, ich hätte seinem Esel im letzten Jahr dieselbe Behandlung zukommen lassen, und „schau jetzt“, setzt der Tierhalter nach! Es geht im prächtig, gesund, stark. Und ohne Wunden! Super! Dafür wechselt eine wunderschöne neue Sonnenbrille den Besitzer…

Fotos: Hufarbeiten sind essenziell! Irmi beweist einmal mehr, dass sie diese Kunst überragend beherrscht. Und nicht nur dass, sie ist auch eine einzigartige Lehrerin!


Eine Runde am Markt. Einmal zu oft habe ich eine solche gedreht. Und so wird es heute eine kurze. Zu qualvoll der Anblick der Hühner und Gänse in den winzigen Gitterkäfigen; der der Schildkröten in ihren Gefängnissen. Der der Kaninchen, welche der Hitze nichts entgegenzusetzen haben. Der der Tonnen von Fischen, wo bestimmt ganz viel verdirbt in der gnadenlosen Sonne. In einem Land, welches zu den ärmsten der Welt zählt, wo die Menschen durchwegs Hunger leiden. Gekoppelt mit dem Sand in der Luft, dem Lärm, den Autoabgasen, dem Eselgeschrei wirkt die Szenerie nahezu utopisch, nein, eher apokalyptisch.
Gegen 12 sind wir fertig. Mit der Arbeit und den Nerven. Wie anstrengend und fordernd eine Dreistundenschicht nur sein, kann, man erfährt es hier. Es geht zurück zur Herberge, wir zu viert hinten im winzigen Kofferraum des Opels. Nichts gelernt, ganz offensichtlich, aus der Episode mit der Polizei am vergangenen Tag. Nein, dem sogar noch eines draufgesetzt – gestern zu dritt, heute dann einer mehr. Aber auch das ist Mauretanien. Schnell vergessen, Probleme von gestern sind wie die Zeitung von letzter Woche.



Fotos: Ob Esel, Pferd, Schaf oder Ziege, ob Parasitenbefall, Hufverformung oder Augenproblematik, das RespekTiere-Team versucht überall zu helfen!

Wir verabschieden uns vom Team. Markus bleibt noch, zusammen trinken wir Tee, sprechen über den Tag, essen Wassermelone. Fast hätte ich den Gedanken aufgegeben, in dieser so gewaltbereiten und ich-bezogenen Zeit noch echte neue Freundschaften abschließen zu können, doch dieser Mann hier gibt neue Hoffnung. Es kann wunderschön sein, ein Austausch mit Menschen, die man vor kurzem noch gar nicht gekannt. Ein Gewinn, welcher so viel an Lebensmut addiert!
Gegen 13.30 fahren wir dann zu seinem persönlichen Projekt. Markus ist ein großer Hundefreund. Einer, der zwar am Schicksal so vieler Vierbeiner hier nahezu zerbricht, aber dennoch nicht stillsitzt und es einfach hinnimmt. Der agiert. Und das macht er hervorragend! Zusammen mit einer Mitstreiterin, der Irina, welche eigentlich aus der Ukraine stammt, aber seit 35 Jahren im Land wohnt und so zur echten Mauretanierin geworden ist, und deren Tochter haben die Drei eine Organisation gegründet. Dogs of Africa (www.dogsofafrica.com). Mit dem Hauptziel, mutterlose Welpen aufnehmen und an Plätze vermitteln zu können. Tatsächlich besteht große Nachfrage; weil alle Waisenkinder zuerst medizinisch versorgt und geimpft werden, bevor man sie in ein neues Heim weitervermittelt. Alles auf eigene Kosten übrigens. In Zukunft sollen auch Zimmer für Gäste zur Verfügung stehen – für tierliche, wohlgemerkt. Dann das ist ebenfalls einer der viel übersehenen Schwachpunkte in Nouakchott – dass sich Gastarbeitende, welche bei Botschaften und dergleichen arbeiten, gerne Hunde als Wachorgane für ihre Unterkünfte anschaffen, dann aber, wenn sie beispielsweise nach Hause auf Urlaub fahren oder gar das Land für immer verlassen, nicht wissen, wohin mit den Hunden. So gesehen ist der Ansatz ein extrem wichtiger, denn leider herrscht bei vielen der Genannten noch immer die Meinung vor, „ja, ich hab‘ dem Armen jetzt eine gute Zeit gegeben, das ist auch Tierschutz. Ich hab halt ein gutes Herz, aber jetzt muss er halt wieder schauen, wie er auf der Straße zurechtkommt“… Eigentlich nicht zu glauben, aber Realität. Noch dazu eine ohne jede Würde, und dabei von Güte zu sprechen, schmerzt umso mehr im Herzen. Es ist purer Verrat an den Mitgeschöpfen, an Kameraden, welche ihren Teil der Abmachung zuvor mehr als nur erfüllt hatten; es ist Schwäche, es ist grausam, es ist verachtenswert. Leider fällt mir dann kein einziger Grund ein, um das Urteil im Gesamten abzuschwächen.



Sie wirkt organisiert, ist heimelig, die neue Hundeherberge. Die erste im Land. Ein unfassbar wichtiger Ort, ein lebensretender. Ein Ort der Barmherzigkeit, genau wie eine heilige Kirche, mehr noch. Weil er aktuell an einem Verbrechen der Menschheit arbeitet, dieses an der Wurzel erschüttert. Wir besprechen Möglichkeiten der Zusammenarbeit, trinken noch kaltes Wasser und verabschieden uns dann herzlich. So schön, Brüder und Schwestern im Geist kennenzulernen!
Ein kurzer Abstecher zu einer Baustelle. Dort kümmert sich der Wächter – solche gibt es überall, wo gebaut, gelagert und von reicheren oder mitarbeitenden Menschen an Botschaften und anderen Organisationen gewohnt wird – um eine kleine Hündin. Die Süße ist jetzt ein paar Monate alt und wird täglich von Markus und Irina gefüttert. Leider ist vor kurzem etwas passiert. Niemand weiß was genau, jedenfalls ist der Vorderfuß gebrochen. Dr. Dieng kam gestern vorbei, gab schmerzstillende Mittel, gipste das Bein. Es erfüllt mit großen Stolz, dass es unsere Organisation ist, welche in solchen Fällen helfen kann. Niemand sonst tut es.

Fotos: Diese wunderhübsche Hündin wird von Markus und Irina täglich mit Futter versorgt; kürzlich brach sie sich auch noch das Bein, worauf Dr. Dieng zu Hilfe gerufen wurde. Fakt ist, unser Netzwerk breitet sich aus, für alle von Vorteil!


Zurück in der Herberge müssen erst einmal Gedanken auf Papier gebracht werden. Dann ist eine halbe Stunde relaxen angesagt. Um 17 Uhr findet ja noch das Team-Meeting statt.
Teamsitzung, 17 Uhr. Dr. Dieng, Moussa, Mohamed, Zappa kommen mehr oder weniger pünktlich. Markus ist als Übersetzer dabei, und er hat auch zu Essen mitgebracht. Für alle Teilnehmenden einen heißen Wrap. Das Gespräch, es sei vorweggenommen, verläuft sehr harmonisch. So schön, dass wir alle zusammenhalten und an einem Strick ziehen. Im Mittelpunkt steht der – trara – Baubeginn der gewollten kleinen Klink bzw. des Gnadenhofes! Tatsächlich, verzeiht die unvegange Redewendung, die Katze ist aus dem Sack – wir werden noch diese Woche mit dem Errichten der Mauern beginnen, inklusive eines Anschlusses für Wasser! Bei der Erkenntnis steigt die Nervosität, aber es ist jetzt höchst an der Zeit. Die Idee soll zur Wirklichkeit werden, der Samen zum Keimling, der Keimling zum Baum – bitte haltet ganz fest die Daumen!!!

Foto: Besprechung im Wohnzimmer der Herberge. Hauptthema – die entstehende RespekTiere-Klinik!
Die Kosten sind natürlich schon ein bisschen Angstschweiß treibende; aber wenn alles funktioniert, dann haben wir einen Meilenstein geschafft. Einen echten Impact in die Gesellschaft, mit der Rückberufung auf alte Werte des Islam, die da die Unterbringungen alter, kranker Tiere einfordern. Auch wenn es in unserem Fall nur ein paar sein können, die gepflegt und versorgt werden sollen, der Hof ist als Sinnbild erkoren. Es muss gelingen. Yamal, Hoffnung, wird sein Name sein!
Wir besprechen später noch viele andere Dinge, den Medikamentenverbrauch, die Notwendigkeit neuer Arzneimittel, die Beschaffung deren, neue Gegebenheiten durch den voranschreitenden Straßenbau bzw. die Motorisierung; aber all diese Themen stehen im Schatten des Schaffens des RespekTiere-Gnadenhofes in Mauretanien…
Gegen 20 Uhr verlässt uns das Team wieder. Auch Markus muss nun zu seinen Hunden nach Hause. Ein bisschen Computerarbeit noch, dann endlich … Ruhe!!!

Am nächsten Morgen finden wir uns viel zu schnell im Leben wieder. Es war eine kurze Nacht, eine von Träumen geplagte. Markus, deutsche Pünktlichkeit, kommt, zusammen besprechen wir schnell einige Dinge auf dem kleinen Terrassenplatz vor der Haustüre. Jetzt schon ist es heiß, drückend. Dann kommen Zappa, Mohamed und Birome hinzu. Im kleinen Opel, hinten erneut zu viert gedrängt im „Gitterkäfig“ mit der offenen Schwingtür als Klimaanlage, trotten wir quer durch die Stadt, wo der Verkehr bereits explodiert. Dennoch überraschend schnell erreicht das Team den Strand; durch eine Polizeisperre hindurch – warum auch immer ist der Hafen, Fischmarkt, nicht frei zugängig – lassen sich dann schon die ersten traditionell bunt bemalten Boote der einheimischen Fischer erkennen. Noch eine kleine Kuppe, und vor uns breitet sich der Ozean aus. Groß und mächtig. Bildhaft das Tor in eine andere Welt. Nicht umsonst starten von hier aus ganz viele Menschen den Versuch in ein vermeintlich besseres Leben; hunderte Kilometer sind es bis zu den Kanaren, werden die erst erreicht, kann ein Neustart in der Europäischen Union langsam tatsächlich möglich sein. Aber dazwischen liegen eben diese unendlich scheinenden Wassermassen voller Gefahren. Hoher Wellengang, unberechenbare Strömungen, dafür ist er gut bekannt, der Atlantik. Der Ozean, ein Massengrab Flüchtender, wir wissen es alle. Wie viele Menschen im Wunsch ihn zu überqueren sterben, niemand kann korrekte Zahlen nennen. Weil niemand weiß, wie viele tatsächlich aufbrechen. Wie viele nie an ihrem Ziel ankommen. Es sind tausende, abertausende. Das besonders Furchtbare: Niemand will es auch so genau wissen. Unbekannt, unbeweint. Geister, so, als ob sie nie gelebt. Ja, und selbst wenn erst mal überquert, ist es noch längst nicht geschafft. Denn jetzt warten die Behörden, die Grenzschutzeinheiten, der hohe Zaun; die zunehmende Hetzte, die viel zu oft in purem Hass gipfelt. Aber ein paar kommen tatsächlich durch. Werden später Bilder aus ihrem Zielland schicken, und in Dorfgemeinschaften irgendwo in Afrika zum Vorbild für hunderte, tausende Jugendliche hochstilisiert. Die dann den Weg ebenfalls auf sich nehmen, denn der Beweis ist erbracht: Der Traum kann für den einen oder die eine zur Realität werden, und „warum sollte der oder die nicht gerade ich sein“?!




Fotos: Wir helfen mit, ein Boot ins Wasser zu bringen (oben links); darunter, Tom übergibt eine Sonnenbrille als Anerkennung, weil der Esel des Mannes besonders gut in Form ist! Daneben: Irmi zeigt Zappa spezielle Griffe!

Zurück im Hier und Jetzt. Erste Eselhalter kommen. Aber wir dürfen heute nicht an den sonst üblichen Stellen behandeln. Müssen irgendwo in die Hinterhöfe ausweichen, weil sich hier am Strand irgendjemand angesagt. Hohe PolitikerInnen oder sonst wer. Es interessiert uns höchstens am Rande. Jedenfalls hat alleine die Ankündigung hunderten Hunden in den letzten Tagen das Leben gekostet, denn die Umgebung wurde extra hierfür „gesäubert“. Ein junger Mann, dessen Hund ich eine Anti-Parasiten-Spritze geben werde dürfen, wird uns erzählen, wie sein Vierbeiner gestern völlig verängstig in den kleinen Hinterhof zurückgekehrt war. Er zitterte am ganzen Körper, hören wir, während ringsum die Schüsse nicht abebbten. Hundemord ohne Ende.



Fotos: Der kleine Süße ist den Schergen gerade noch entkommen. Tagelang hat er sich danach versteckt, berichtet sein Halter. Von uns bekommt er Anti-Parasitenmittel, wie notwendig, zeigt ein Blick in seine Ohren! Spürbar ist, die Liebe zu den „besten Freunden des Mesnchen“ überschreitet alle Grenzen. Nichts mehr mit „im Islam gilt der Hund als schmutzig“! 🙂
Selbst mit den Eseln hat die Autorität ein Problem; die Grauen dürfen sich nicht direkt beim Strand aufhalten, sondern müssen vielmehr in den versteckten Hinterhöfen der hunderten Gässchen und Wege rund um die eigene Welt „Fischmarkt“ versteckt sein. Auch der Müll wurde Großteils weggebracht, weggeschafft aus der Sicht jener, die nicht mit dem Anblick der Realität vorliebnehmen möchten. Dabei sind ja genau diese Leute dafür gewählt, um Umstände zu verbessern! Warum gaukelt man dann „bessere Umstände“ vor, die noch weniger zu einem Handeln animieren werden? Unverständlich. Oder doch nicht? Bilder von sauberen Orten bringen Wählerstimmen, munkelt zumindest der Schelm.

Wie gewohnt sind die Esel hier extrem nervös. Die hiesigen Eselhalter gehen aber auch grober als andere Eselhalter mit ihnen um. Warum? Ja, es ist schon richtig, Ausreden zählen nicht. Wahrscheinlich aber, es ist der Grund, der sich aufdrängt, weil die gesamte Umgebung in Triste gefangen scheint. Die geißelnde Sonne, der Sand in der Luft, die schwere Arbeit, der erhöhte Kriminalitätsfaktor (wie überall sonst auch auf der Welt in Hafengebieten) der Lärm, der Geruch nach Tod und Verwesung. Die Zusammenfassung all dieser Faktoren. Fakt ist, man muss enorm aufpassen. Hoch konzentriert sein. Ein Esel beißt mich tatsächlich, zuerst erwischt er dem Himmel sei Dank nur ganz leicht das Handgelenk, dann aber den Fuß. Jedoch, meine hohen Stiefel schützen vor einer Verletzung.
Oft und oft können wir nur in Teamarbeit die Herausforderung bewältigen. Eselhufe zähmen, aufgewühlte Körper durch Muskelkraft besänftigen. Nach der Behandlung, so ist der Trost, wird es ihnen allen besser gehen. Nach dem Hufeschneiden, das bei so vielen so dringend nötig ist, nach der Wurmkur, nach der Vitamin- oder Anti-Parasiten-Spritze. Welche sich immer wieder als besonders schwierig herausstellt, denn manchen der Esel gehen sofort beim Einstich auf die Hinterbeine, hoch in die Luft, und müssen dann erst wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Schwerarbeit. Mehr als das. Unglaublich ermüdend.



Wir treffen einen Mann, der ebenfalls Hufe behandelt! Nach offensichtlich sehr traditioneller Methode. Mit einem extrem scharfem Messer, welches an den Hufen an rechter Stelle anlegt wird. Wo es der gute Mann dann mit einem Hammer schlägt. Funktioniert überraschend prächtig. Super! Allerdings gefällt den Eseln die Prozedur so ganz und gar nicht, die Schläge sind laut, vibrieren in Folge bis zum Kopf hinauf. Hoch unangenehm allemal.
In einem Hinterhof zerlegen Fischer ihren Fang. Schlachthaus pur. Manche Menchen meinen tatsächlich, „Fisch“ wäre etwas anderes wie Fleisch, es gibt sogar solche, welche die Meerestiere als vegetarsiche Speise verstehen. Dabei wissen wir längst, den Wunderschönen sind selbe Gefühlswelten eigen wie „Mensch“, und sie zu töten, ist nicht anders als Kuh, Schwein oder Huhn zu schlachten. Oder Esel, oder Hund, oder Katze. Und es wird die Zeit kommen, ganz gewiss, wo es Allgemeingut wird zu sagen: „Oder Mensch“…
Polizeibeamte kommen. Wohl wegen des anstehenden „Besuches“. Sehen auch uns bei der Arbeit zu, informieren sich. Vielleicht springt ein Funke über, der sich irgendwann entzündet. Ganz klein noch, irgendwo unter der dicken Haut versteckt, aber im rechten Augenblick Nahrung findet und ein Feuer entfacht. Das Feuer der Tierliebe. Wäre so schön.
Gute 3 Stunden später sind wir am Weg zurück in die Stadt. Länger ist das Ganze am Stück kaum auszuhalten.




Kurze Ruhepause. Danach holt uns Zappa. Wir fahren wieder Richtung Wüste, dort wo die „ausgestiegene“ Tierschützerin aus Frankreich wohnt. Ganz alleine übrigens. In einer aufgelassenen Hütte, welche der Mutigen nun als Heim dient. Schon auch sehr couragiert, richtig cool allemal. Sie kümmert scih auch um ein Pferd, welches der eigentlcihe Halter für Taxidienste nutzte. So lange – wir sehen es am Video – bis der schwarze Hengst kaum mehr aufstehen konnte. Ein Häufchen Elend, eher tot als lebendig. Heute geht es dem armen Tier besser; von prächtig ist aber keine Rede. Noch immer schmerzt die Wunde durch den „Sattel“, eine riesengroße, heilt aber langsam zu. Geblieben sind die Schäden an den Beinen; er humpelt stark, einen Fuß zieht er hinterher. Aber es gibt jetzt wieder eine Chance zurück ins Leben. Einen Lichtblick. Für das Heute verkörpert durch Irmi. Denn die Hufe sind ebenfalls in schlechtem Zustand, unsere Schmiedin aber, wir wissen es längst verfügt über Zauberkünste. Während Zappa und ich einen Gang durch die Wüste antreten, Pflanzen und Tiere studieren, bei der Benennung uns gegenseitig Sprachunterricht in Französisch bzw. Englisch geben. Warum wir nicht helfen? Weil der schwarze Hengst Männern nicht umsonst völlig misstraut. Er hat ja einige bisher kennengelernt, und niemand noch davon tat ihm auch nur einen Funken Gutes…




An dem nahen Kreisverkehr ist ein kleiner Markt. Bei uns würde man Greißler dazu sagen (Kleinladenbesitzer). Vom Wasser bis zum Getreide kann man dort alles kaufen, und es überrascht immer wieder, wie viele Produkte auf wie wenig Platz Raum finden. Vor dem Laden lebt wie fast überall hier ein Esel. Er gehört zum Geschäft. Und seine Aufgabe ist es, den KundInnen, die oft weit in die Wüsten hinein Quartier bezogen haben (weil dort das Land noch nicht verwaltet oder genutzt ist), beim Nachhausetragen von zum Beispiel Wasserkanistern behilflich zu sein. Der Esel tut uns schrecklich leid; aber andersrum, so schuften wie seine ArtgenossInnen in der nahen Stadt wird er nie müssen. Dafür ist die Einsamkeit die Geißel seines Daseins…
Wir verabschieden uns von der Mutigen. Seit mehreren Jahren lebt sie unter derartigen Umstände, meistert sie den Alltag. Der ganz sicher an vielen Tagen einfach nur zum Heulen ist. Es wird aber auch solche Tage geben, wo sie einfach dem Wüstensand lauscht, abseits von den Sorgen und Nöten der restlichen Welt. In sich hineinhört und Stimmen versteht, die uns anderen längst verschlossen sind. Würde sie je ein Buch schreiben, ich wäre der erste, der das Werk lesen wird. Das sage ich ihr immer wieder, in der Hoffnung, der Wunsch wird erhört.

Mauretanien ist ein hartes Land, immer gewesen. Ein Land des Leides, des Kummers, der Vergänglichkeit. Der Tod so nah wie kaum sonst wo. In Fakt spürst du bei jedem Schritt seine Anwesenheit, sein Atem schlägt dir an jeder Ecke entgegen. Man hat gelernt, mit dem Knochenmann zu leben. Und zu sterben. Als wäre es das normalste auf der Welt. Was es aber ja eigentlich auch ist. Nur haben wir im Westen fast verlernt, diese Tatsache zu akzeptieren.

Fotos: Warum die Menschen so oft so brutal mit Tieren umgehen, es ist ein Rätsel; dieser Mann schleift seinen Schützling am Bein gepackt hinter sich her, über eine weite Strecke. Danach kann das arme Tier kaum gehen – und wird offensichtlich von der Herde getröstet…

Foto unten: Ob Ihr es glaubt oder nicht, auch dieses Fahrzeug nimmt am öffentlichen Verkehr teil – und befördert sogar noch Güter!

Am Weg zurück in die Stadt fällt es wieder enorm auf. Gott, was hast sich die Stadt in den 20 Jahren unserer Anwesenheit verändert. Heute schaut sie an den Einfahrten eher wie eine echte Metropole aus, erinnert wenn auch entfernt an andere arabische Großstädte, wo der Entwicklungsstand ein wesentlich höherer ist. Tatsächlich wurde und wird gebaut, an jeder Ecke, an jedem Ende, und manches, besonders die neuen Ministerien, sind geradezu Prachtbauten. Ein riesiges „Sheraton“ ist im Entstehen, mit hundert oder mehr Palmen rundherum. Überall Ampeln, und die Menschen halten sich zumindest in den gehobenen Bezirken nun tatsächlich an deren Farben. Stop-and-Go-Verkehr, nicht anders als in Mailand, Barcelona oder Wien. Supermärkte, Eissalons, Boutiquen, Ladys World, Autohändler. Ein Toyota-Fachgeschäft, wo bestimmt hunderte der nagelneuen, sündhaft teuren Karossen – besonders beliebt bei der reichen Oberschicht ist seit jeher der Toyota Landcruiser – in der Wüstensonne glänzen. Nigelnagelneu.


Fotos: Überall wird gebaut! Die wunderschönen Uralt-Laster sind auch noch nach 70 Jahren im Dauereinsatz! Rechts: Straßenzüge wie sonst in Dubai – hier das Nationalstadion!
Zappa bringt uns nach Hause. Er ist übrigens auch der Geldbote, holt die von RespekTiere ausbezahlten Gehälter von der Bank, kauft Medikamente für die Teams, usw.; gerade mussten wir eine ganze Menge überweisen, für Prämien, für den Klinikbau, für verschiedene Auslagen. Die dafür erforderlichen Scheine, ein riesen Bündel ob der Währung, liegen jetzt vor uns. Der Tisch wirkt wie im Büro des Drogenbarons, wären es US-Dollar oder Euro, puhhh… Aber auch die MRU, mauretanische Währung, machen einen ordentlichen Betrag aus. Jedenfalls ordnen wir die Noten nun deren baldigen neuen Besitzern zu, dann gehen wir gemeinsam sämtliche offene Rechnungen durch. T-Shirts zum Beispiel sind ebenfalls zu bezahlen, solche mit dem Vereinslogo für das Team. Im Senegal hergestellt, nach Nouakchott gebracht. Als wir mit der Arbeit fertig sind, ist es bereits nach 20 Uhr. Zappa nimmt uns noch mit rein die die Stadt. Die Strecke im gegenwärtigen Müdigkeitszustand zu Fuß zu bewältigen, hätte jede Menge an Überwindung erfordert. Und so kaufen wir also doch noch Brot für den Abend. Der Rückweg zu Fuß ist ein langer, ob der Ermattung, ob der Hitze, der schmerzenden Körper. Vorbei an der Hundegruppe, welche vor der deutschen Botschaft schläft. Und durch ein Wunder die staatliche Tötungskampagne überlebte.

Foto: Zappa sortiert einen Teil der Mannschafts-T-Shirts! 25 Stk haben wir anfertigen lassen, sie kommen direkt aus dem Senegal!
Zu Hause wird erst mal gegessen. Dann läutet der Vermieter. Der unglaublich nette, freundliche Mann, der natürlich auch sein Geld bekommen muss; wie es sich für Mauretanien gehört, nimmt er noch Platz, unterhält sich eine Zeitlang über Klatsch und Tratsch und setzt dann seinen Weg fort.
Es ist nach 22 Uhr, als der Bericht des Tages in die Tastatur gehämmert wird.

Foto: Kinderarbeit ist leider noch immer weit verbreitet in Mauretanien!