Länger nun schon waren wir nicht mehr in Ungarn gewesen, dort, wo wir seit vielen Jahren unseren Partnerverein, die „Hundehilfe Nordbalaton“ bestmöglich unterstützen; doch jetzt sollte der Einsatz ein unbedingt notwendiger, unaufschiebbarer geworden sein. Denn zum einen sind die Hundefutterlager bei unseren TierschutzkollegInnen beängstigend leer, zum anderen gab es einen mindestens genauso dringenden Hilferuf: Kater Sammy ist in Lebensgefahr geraten, ein Nachbar, bekennender Jäger, hat ihm bereits ein Auge mit Schrot ausgeschossen und jetzt gedroht, ihn endgültig „zu erledigen“… Im Wissen der Situation waren wir in die Verantwortung geraten, und dieser, Ihr kennt uns, müssen wir uns ohne Wenn und Aber stellen.
Foto: Lasst uns Sammy retten – er muss schnellstens in Sicherheit gebracht werden!
Was hatten wir die letzten Tage über nicht alles gesammelt; unfassbar, wie viel in einer Notlage zusammenkommt, dann, wenn möglichst viele Menschen an allen Ecken und Enden mithelfen! Tiernahrung ist dem Himmel sei Dank nicht zuletzt durch den unabdingbaren udn andauernden Beistand der TierschützerInnen rund um das Tierheim Krems in unserem Lager bei der Spedition „TLP“ in Herzogenburg bei St. Pölten vorhanden; auch dorthin geht ein riesen „Dankeschön“, dafür, dass wir das Lager für diese Zwecke nutzen dürfen! Apropos, dass die wunderbaren Menschen im Tierheim Krems immer zur Seite stehen, wenn es gilt, Tieren in Not zu helfen, macht uns natürlich sehr stolz – auch deswegen, weil es beweist, die Tierschützenden helfen doch großartig zusammen!
Fotos, oben: All die Sachen unterm Carport, sie müssen in den Van! Unten: Aber vorher gilt es die Hundenahrungsmittel einzuladen, wo uns der Platz zur Lagerung bei der Firma „TLP“ ermöglicht wird – ein herzlichstes Dankeschön hierfür!
So stapelten sich hunderte Kilos an Hundefutter im Laderaum des RespekTiere-Mobils. Dazu waren auch die unfassbaren Mengen an Gütern des täglichen Bedarfs schnell zugefügt; von der Kleidung bis hin zu Alltagsgegenständen, von den Decken bis zum Kinderspielzeug, alles sollte Platz finden. Und noch dazu: eine ganze Kiste voller Tomaten, Paprika und Gurken, von den Säcken Erdäpfel gar nicht zu sprechen. Alles wird gebraucht werden im Magyarenland, wo die Lebensumstände – drücken wir es vorsichtig aus – besonders für die nicht so Begüterten „prekäre“ Umstände angenommen haben…
Foto: Alex ist wieder dabei – so vollbeladen ist das RespekTiere-Mobil für die weite Reise!
Der Tag hatte früh begonnen; vom Start der Reise, Zwischenstation Krems in Niederösterreich, musste noch jede Menge zugeladen, sowie, bereits angesprochen, die Lebensmittelrettung angefahren werden – was die tatsächliche Abfahrt dann erheblich verzögerte
Foto oben rechts: Martini-Fest naht… es werden die letzten Wochen für die Gänse hier ringsum sein, auch wenn sie die Tage bis dahin wenigstens ein bisschen im Freiheit verbringen dürfen… Unten: der kleine Pamhagen-Grenzübergang.
So sollte es bereits nach 11 Uhr vormittags sein, als Alex, RespekTiere-Aktivist und Hilfsfahrten-Veteran, in Wien zusteigt; der Tag ist ein kühlerer, zumindest gefühlt, nach den beängstigenden Hitzeexzessen der vergangenen Wochen. Es regnet sogar immer wieder, dennoch kommen wir jetzt gut voran. Vorbei an den Industrieparks der Windkraftanlagen, wo die stählernen Monster in Reih und Glied stehen, eine starre Armee aus Stahl und Beton. Über die wunderschönen burgenländischen Orte am Neusiedlersee erreichen wir bald den kleinen Grenzübergang bei Pamhagen.
Weiter geht es über die zerfurchten ungarischen Landstraßen, meist in unfassbar zerbrechlichem Zustand; links und rechts neben den Wegen finden sich unglaublich große Milchbetriebe, einige davon in unserem Archiv bereits dokumentiert. Auch heute halten wir an solcher Stelle, „entern“ den Ort, wo sich fast 2 000 der wunderschönen Tiere wiederfinden. Darunter naturgegeben auch Kälber – und zwar in nicht zu glaubender Anzahl! Iglu reiht sich dabei an Iglu, was mit den Armen letztendlich passiert, wir wollen es uns gar nicht ausmalen. Lange können wir in der Farm allerdings nicht verweilen; sehr bald stellt uns nun ein Arbeiter, der sich als Chef des Betriebes ausweist. Und der zeigt mit dem Finger in Richtung Ausgang! Jegliche Diskussion sinnlos… Er wird wissen warum er uns keinen näheren Blick gestattet!
Es geht immer weiter östlich. Langsam wechselt das öde Flachland in hügeliges über. Bald dehnen sich gar Wälder aus und die Landschaft bekommt ein wirklich prächtiges Antlitz. Vielleicht der sanfteste Teil des Ungarnlandes, jedenfalls ein wunderschön anzusehender.
Die Straßen werden nun breiter, und letztendlich erreichen wir den Zielort nahe des Plattensees, des „Meeres der Ungarn“.
Gabi wartet bereits auf uns; die Wiedersehensfreude ist eine große, tatsächlich waren wir jetzt viele Monate nicht hier, jedenfalls den ganzen Sommer über nicht. Gabi’s Hundeschar, gut ein Dutzend, will erst einmal jede Aufmerksamkeit für sich, alsbald belagern die Süßen aber vielmehr das RespekTiere-Mobil – der Geruch daraus, gebildet von hunderten Kilos an Nahrung, ist offensichtlich ein betörender!
Fotos: In Gabis Heim angekommen beginnt die Arbeit erst so richtig! 🙂
Foto: Unfassbar, all dies und noch mehr hatten wir geladen!
Gabi’s Räumlichkeiten füllen sich in Folge schnell; all die mitgebrachten Sachen werden sich schließlich in den Häusern einer Romasiedlung wiederfinden! Der Zweck dahinter: zum einen soll natürlich den Menschen geholfen werden, zum anderen, genauso wichtig, wird den TierschützerInnen mittels der Geschenke der Weg geebnet, um später genau von dort arme Hunde aus schlimmen Verhältnissen bergen zu dürfen…
Foto: kurze Pause, dann geht es ins naheliegende Tierheim!
Nach getaner Arbeit sitzen wir bei einer Tasse duftenden Kaffee, in herzerwärmenden Gesprächen verloren. Inzwischen gibt es, so erfahren wir, wieder über 60 Hunde im Tierheim des Vereins. Dorthin begeben wir uns auch, ganz an den Rand der kleinen Stadt, direkt neben den Mülldeponien. Der Zutritt ist ein herzzerreißender; denn vor der eigentlichen Station – um in diese zu gelangen muss man durch Reihen von Gitterkäfigen schreiten – befindet sich das städtische Asyl. Die meisten der Hunde sind dort in Einzelhaft, und viele zeigen sich gerade darum ziemlich aggressiv. Sooo schade, denn was dort mit den Hundeseelen passiert, es ist nicht auszudenken. Besonders ein Hund tut uns unendlich leid; es ist ein sogenannter „Kampfhund“, welch hässlicher Ausdruck, aber ein offensichtlich extrem sanfter. Er zerbricht an der Situation, gar keine Frage. Hoffnung? Praktisch nicht existent, denn wohin soll der Gute? Viele Länder wie Deutschland, Frankreich oder die Schweiz haben den Grenzübertritt für ihn und seinesgleichen längst verboten, in Österreich, aufgrund des unfassbar tragischen Todes einer Joggerin, ist das Mitbringen zurzeit eine ganz schlechte Idee. Vielleicht fällt uns noch etwas ein, wie wir ihm helfen können. Tun müssen wir es, irgendwie, auf jeden Fall!
Auch Gabi’s Hunde sind allerliebst. Sie können sich tagsüber im Gelände frei bewegen, abends jedoch müssen die meisten in ihre Zwinger. Im Augenblick aber genießen sie unsere Anwesenheit, und man kann sich ihrer Liebesbekundungen kaum erwehren.
Protest vor der Jägergaststätte!
Auch das ist fast schon obligatorisch – der Protest im Osten! Nachdem wir uns von Gabi verabschiedet haben – hoffentlich bis auf ganz bald – ist ein passender Platz hierfür schnell gefunden: so können PassantInnen alsbald Gevatter Tod sehen, wie er vor einem Jagdrestaurant protestiert; in seiner Hand ein Transparent, welches „There is no excuse for animal abuse“ verrät…
Es ist bereits tiefste Nacht, als wir die Reise fortsetzen. Kater Sammy, das ist das Schlimme, konnten wir trotz aller Versuche heute nicht mitnehmen; er, der im normalen immer um das Haus unterwegs ist, lässt sich gerade nun nicht blicken. Ja, der 6. Sinn der Tiere, er ahnte wohl die absolute Lebensänderung, welcher der Arme nun entgegenblickt – die aber andererseits seine einzige Chance ist zu überleben…
Wir müssen einen Plan fassen, einen neuen; inklusive aller Überlegungen, inklusive einer „logistischen“ Herausforderung. Werden wir ihn retten können? All das überlegen wir, als wir mitten in der Nacht durch die ungarische Pusta ziehen. Von zwiespältigen Gefühlen begleitet; ja, wir konnten unfassbar notwendige Hilfe bringen; andererseits, wieviel Leid den Weg begleitet, es ist Legende. Eine Legende, welche sich bleiern schwer auf die Häupter legt und uns sprachlos zurücklässt…
Foto: All die roten Punkte, es sind die Spitzen der Windräder. Das Ausmaß der Verbauung der Landschaft wird erst in der Nacht so richtig bewusst…