Fohlenversteigerung Abtenau

Heute fand in Abtenau im Salzburger Land einmal mehr die alljährliche Fohlenversteigerung statt.

Wieder hatten sie sich eingefunden, die eingeschworene Gemeinschaft von Pferdezüchtern und Pferdehändlern, um Leben zu kaufen und zu verkaufen, ungeachtet der späteren Schicksalsbestimmung und fatalen Auswirkung dieser Geschäfte auf das geknechtete Mitgeschöpf.

Tatsächlich sind die allermeisten der hier ausgestellten Jungtiere unweigerlich zum Tode verurteilt, nur ganz wenige und besonders ‚schöne’ (wobei Schönheit doch immer nur eine menschliche Definition nach dessen Spielregeln darstellt…) ‚Elitetiere’ werden die nächsten Wochen überleben, allerdings nur, um dann den grausamen Kreislauf als Zuchtmaschinen von vorne zu starten.

Auf all die anderen wartet ein grausames Schicksal – ihre Fahrt im Tiertransporter, entrissen einer weinenden Mutter, hilflos gefesselt, ungehört seiner Schreie, wird gleichzeitig ihre letzte sein, sie mündet direkt in eine Mastanstalt oder in den Schlachthof. Von einer Sekunde auf die nächste jäh herausgezerrt aus einer brüchigen Idylle, einer gläsernen Bauernhof-Romantik, welche aber sowieso nur noch in den Köpfen besonders leichtgläubiger ZeitgenossInnen Halt finden hatte gekonnt; überall sonst bröckeln diese Ufer, ständig umspült von einem reißenden Strom, einem Meer aus Blut, welches fortwährend an seinen Küsten knabbert und letztendlich nur eine einzig wahre Einsicht zurücklässt: diese herzallerliebsten Geschöpfe wurde nur aus dem Grunde geboren, um die Urlaubslaunen einiger Stadtflüchtlingen zu erbauen, als Werbebotschaft einer nicht existenten ‚Heilen Welt’, um dann als ungeliebte ‚Mitesser’ im Herbst zu sterben, dem Tode ausgeliefert von jenem Wesen, welche einst vorspielten sein Freunde und Beschützer zu sein! Der Lauf der Welt, gefangen im Mühlrad der Tradition und bäuerlichen Interessen?

So einfach ist die Antwort nicht; der menschliche Geist ist ausgestattet mit einem weiten Gefühlsspektrum, einem unbetrügbaren Gewissen – es beinhaltet Verantwortung für jedes Leben, dass man in diese Welt schafft, auch für jenes, dass man zeugen lässt. Haben wir uns von Nächstenliebe und Güte, und sei diese dann auch auf eine andere Spezies ausgeweitet, so weit entfernt, dass nur mehr ein hohler Wortlaut daraus übrig bleibt, dann dürfen wir das ohne jeden Zweifel als Verrat bezeichnen – als Verrat am Leben selbst!

Ein halbes Dutzend AktivistInnen hatte sich eingefunden an der Stätte der sich erneut anbahnenden Tragödie. Auch der ‚Animals Help Europa’-Obmann  griff mehr als unterstützend ein, diskutierte mit den PassantInnen und hielt den Protest auf seiner Kamera für die Nachwelt fest.

Die Polizei war zur Bewachung der TierschützerInnen erschienen, ein Mannschaftsbus voll Beamter in Uniform.

Kaum hatte die Kundgebung begonnen, marschierte ein Aktivist in blutiger Metzgerkleidung und Totenkopfmaske weg vom Demozelt, ins Zentrum des Pferdemarktes; hinter sich an einem Seil zog er eine Aktivistin im blutig roten Overall und in Pferdemaske. Die beiden bahnten sich ihren Weg durch die Masse der Schaulustigen und der Seelenhändler, vorbei an mutzusprechenden Menschen genau wie an all jenen, die diesen Auftritt mit Flüchen und Schimpfworten begleiteten.

Rund um die Versteigerungsarena hat sich im Laufe der Jahre ein reger Handel etabliert, es gibt dort allerlei zu kaufen, angefangen vom putzigen Plüschpferd bis hin zur Reitpeitsche, vom Sattel bis zur Reiterbekleidung. Auch für das leibliche Wohl der BesucherInnen wird ausreichend gesorgt, es gibt Schaumware aller Art, tierliche Leichenteile in mannigfaltiger ‚Verkleidung’ und ein großes Zelt, wo Durst und Hunger gestillt werden können.

An Durst und Hunger leiden auch die Pferde, dieses Leid geht allerdings unter im dröhnenden Festtagsgetöse. Es ist ein einsames Leiden, ein unbeachtetes. Die Fohlen wirken verschreckt, zum ersten Mal in ihrem noch so jungen Leben weggezerrt vom gewohnten Umfeld, angestarrt, festgehalten von einem viel zu kurzen Seil; den Blicken der Menschen ohne Ausweichmöglichkeit ausgeliefert, tausend Hände, die sie betasten; Nervosität liegt in der Luft, Angst und Schrecken spiegelt sich in ihren Augen. Ja, sie haben Durst, aber es ist nicht der Durst nach Flüssigkeit; kein noch so herrlich klares Wasser könnte hier löschend eingreifen – es ist der Durst nach Leben, der sie plagt. Und die Angst, dass dieser Durst wohl nie mehr gestillt werden wird, das ganze Umfeld verkündet eine andere Bestimmung.

Sehr viele der Mütter haben diesen Wahnsinn schon öfters mitgemacht; sie wissen, ihre Kinder werden hier und jetzt entrissen, weggekarrt ins Ungewisse. Sie kennen die Unberechenbarkeit, welche vom Wesen auf zwei Beinen ausgeht; sie haben sich dessen Gewalt längst gefügt. Wer, so fragt man sich stumm, kann ihr Leid nachvollziehen?

Später konnte ganz in der Nähe des Standes ein Mann gesehen werden, der auf einem blutigen Lacken lag, in der Hand einen Revolver, ein Rinnsaal von Kunstblut floss aus seinem Mund; neben sich hatte der Verzweifelte eine Schild mit der Aufschrift: ‚Ich konnte die Schande nicht mehr ertragen ein Pferdehändler zu sein’ angebracht.

Pünktlich gegen Mittag begannen die Verladungen. Das Geschrei trauernder Mütter sowie weinender Fohlen übertönte die festzeltartige Lärmkulisse. Mitten in diese so traurige Szenerie platze erneut der ‚Metzger’ mit seinem ‚Pferd’; nun, zur fortgeschrittenen Stunde, war der Pegel der Pöbeleien im selben Maße mit dem Alkoholkonsum gestiegen. Unglaublich, was die AktivistInnen nun zu hören bekamen; mehrmals schien die Situation zu entgleisen, aber irgend wie schafften es die Beiden doch unbeschadet durch die Menge zu gelangen. Ich möchte hier nicht näher eingehen auf diese unrühmlichen Auswüchse, möchte keinen Wortlaut zitieren; aber ein Beispiel einer völligen geistigen Entkleidung sollte hier dennoch stellvertretend für all die Schimpftiraden Platz finden; ein Mann im fortgeschrittenen Alter stellte sich mitten im Menschenauflauf vor die Tierschützer, wünschte sich diese in der Hand des Fleischhauers und schrie aus voller Kehle: ‚Der Hitler gehört wieder her!’ Dann grüßte er, voller Stolz und ohne jegliche Zurückhaltung, mit gestreckter rechter Hand – einen lupenreinen Hitlergruß – Willkommen im dritten Jahrtausend!

Aber es gab auch andere: tatsächlich nahmen viele Menschen die Kundgebung sehr positiv auf, wünschten alles Gute und waren offensichtlich erfreut, dass sich TierschützerInnen dieses Ortes annahmen.

Was noch zu erwähnen wäre: die Polizisten, zahlreicher als die AktivistInnen, wiesen uns einen wirklich guten Standplatz zu, einen Demo-Ort gleich am Anfang der Veranstaltung, wo jede/r BesucherIn direkt und ohne Ausweichmöglichkeit an uns vorbei musste – super! Die Exekutive verhielt sich sehr zurückhaltend und durchwegs freundlich, versuchte Streit zu schlichten, als sich etwa ein Landwirt darüber aufregte, dass wir ‚Standgebühr’ zu zahlen hätten; und, fast noch wichtiger, sie ließ die Kundgebung gewähren, wobei sie bestimmt das eine oder andere hässliche Wort eines Pferdezüchters oder eines Pferdehändlers wegstecken musste – herzlichen Dank dafür!

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