Reptilienshow Anaconda

An diesem Wochenende gastierte die mittlerweile in Österreich zu unfreiwilliger Berühmtheit gewordene Reptilien-Schau ‚Anaconda‘ in der deutschen Grenzstadt zu Salzburg, in Freilassing. Dieser österreichnahe Auftrittsort birgt doch einiges an Brisanz in sich, weiß man von folgenden Begebenheiten: nachdem die umstrittene Zur-Schau-Stellung der Reptilien in Innsbruck untersagt worden war, folgte auch Salzburg dem guten Beispiel und vermieste das Gastspiel der Tier-Aussteller in der Mozartstadt. Hier ging man sogar noch weiter als in Innsbruck – nachdem dort ämlich auf Grund fehlender Formalitäten von Seiten der Reptilienbesitzer, der Familie Spindler, w/o gegeben werden musste, trat in Salzburg der Tierschutz auf den Plan; REspekTiere bat die Amtsorgane zum Einschreiten. Der Tierschutz-Ombudsmann zeigte der Truppe schließlich die rote Karte – hauptsächliche Begründung: der ständige Transport von Ort zu Ort sei den Reptilien, die sehr erschütterungsanfällig sind, nicht zumutbar.
Oberösterreich zog nach, und so durfte auch in Wels und Freistadt nicht ausgestellt werden.

Jenseits der Salzach herrschen aber leider andere Gesetze – eine von Menschenhand gezogene Trennlinie verändert die Ausgangslage völlig, Deutschland hinkt den wesentlich strengeren österreichischen Bestimmungen beinahe um Welten hinterher. Punkte Tierschutz-Zweckmässigkeit hat das kleine Österreich den ‚großen Bruder‘ BRD längst überflügelt, zum Statisten auf der Bühne der Menschlichkeit gegenüber den Mitlebewesen degradiert. Und so scheinen auch die Vollzugsorgane Germaniens, sich an unzureichende Bestimmungen klammernd, in einem Dämmerschlaf versunken; wie anderes ist es wohl zu erklären, dass die dortigen Amtstierärzte noch nie (!!!) auf unsere mittlerweile sehr zahlreichen Anzeigen gegen Wildtierzirkusse oder Ausstellungen wie eben diese auch nur durch eine Antwort reagiert haben.
Auf unseren jüngsten Hinweis von dieser Woche – warum ‚Anaconda‘ 100 Meter entfernt nicht die Pforten öffenen darf, es auf deutschem Boden dann aber scheinbar keine Hinweise auf selbige Tatbestände gebe, antwortete der Bürgermeister – und er antwortete wenigstens – folgendes: ‚…bezugnehmend auf Ihre E-Mail kann ich Ihnen mitteilen, dass die Familie Spindler eine gültige Erlaubnis (nach dem Tierschutzgesetz) zum gewerbsmäßigen zur Schau stellen von Reptilien, Amphibien, Spinnentieren und Insekten besitzt. Daher besteht für uns derzeit keine Veranlassung und Möglichkeit diese Veranstaltung zu untersagen.‘

Wir richteten auch einen Protest an das Salzburger Magistrat, denn die Veranstalter plakatierten selbst in Salzburg, was schon ziemlich an Hohn grenzt – gratis Werbeflächen in Anspruch zu nehmen in einem Land, wo besagte Veranstaltung unter ‚Tierquälerei‘ gelistet ist!

Folgenden Bericht erhielten wir heute:
Auf Grund unserer journalistischen Tätigkeit besuchten wir am Samstag die Reptilienshow Anaconda im Freilassinger Sportpark. Unsere Papiere wiesen uns zwar als Journalisten aus, trotzdem wurden wir mehrere Male auf ein Fotografier-Verbot angesprochen – was den Veranstaltern ja auch zu Ehren gereicht, den Blitzlichtgewitter wäre für die ausgestellten Reptilien bestimmt eine zusätzliche schlimme Qual, welche ja allein der Transport und das Ausstellen schon zweifellos sind. In der Halle, einem Tennis-Center, sind die Echsen, Schildkröten, Spinnen und Schlangen in ihren Terrarien aufgereiht. Mehr als 300 Tiere sollen es dann sein, so zumindest preisen hunderte Plakate es an. Dutzende BesucherInnen, vor allem Familien mit Kinder, sind dem unübersehbaren Werbeaufruf der Veranstalter gefolgt und ziemlich respektlos verharren die Menschen vor den Gefangenen, bemühen sich nicht, die Akustik niedrig, den Abstand zu den Tieren auf etwas Distanz zu halten. Gedämpftes Licht macht die Amtmosphäre etwas düster, aber für das Wohl der hinter Glas Verbannten ist das Unterdrücken der Lichtquelle bestimmt eine Wohltat. Dieser Fakt und das Fotografierverbot sind dann aber auch schon die einzigen beiden Punkte, welche in der Liste unter ‚positiv‘ gereiht werden können. Die Reptilien vegetieren in den handelsüblichen Becken, kleben in Monotonie gefangen auf den Glasscheibe oder versuchen sich hinter Teilen der dürftigen Ausstattung zu verstecken. Es gibt an einzelnen Terrarien Aufkleber ‚Klopfen und Berühren der Terrarien ist verboten‘, an den allermeisten leider nicht. Wie uns zugetragen wurde, wäre nach deutschem Recht eine Absperrung anzubringen, welche den BesucherInnen dieses wie einem inneren Magneten folgende Verhalten des unbedingt und unter allen Mitteln die Aufmerksamkeit des Tieres erregen wollens gar nicht möglich machen würde.
Schließlich stehen wir vor einem kleinen Terrarium, welches mit so vielen Werbebotschaften bestückt ist, so als ob sich darin Weltwunder Nr. 8 verbergen würde; hier ist der ‚Star‘ der Show untergebracht, ‚Tom und Jerry‘, eine Schildkröte mit 2 Köpfen. Der Eindruck einer über das Mittelalter nicht hinausgekommen Barbarei – damals, wo man menschlcihe Kleinwüchsige oder Riesen einer johlenden, sich am Elend des Gezeigten erfreuenden Menge vorführte – setzt sich unweigerlich im Kopf fest; da starren die Menschen ein armes Tier an, begaffen es, belustigen sich an der Anormalität, schlechte ‚Witze‘ gehen die Runde. ‚Mensch‘ hat sich in seinem Gebaren offensichtlich noch immer nicht wirklich über die Zeit seiner Entstehung, seiner Abspaltung als eigenständige Rasse, hinweg-entwicklet, wenn solch eine ‚Attraktion‘ die Massen derart in ihren Bann zu ziehen vermag.
Mindestens genau so schlimm erscheint das nächste ‚High-Light‘ – ein Plastikraum, mit durchsichtigen Gucklöchern versehen, darin dämmern große Echsen, Warane und Krokodile. Deren Wasserbecken bieten keinen Platz zum Umdrehen, sind körpergroß. Auch der ‚feste‘ Boden ist kaum großzügiger gestaltet. In einer dieser Haftzellen sind drei Riesenschlangen untergebracht, allesamt in Lethargie gefangen.

Was treibt die Leute tatsächlich dazu, solch eine Ausstellung zu besuchen? 12 Euro für den Eintritt zu bezahlen, als Zutrittspreis in ein Gefangenhaus, und damit eine Quälerei nicht nur zu unterstützen, sondern sogar zu fördern? Ist es die Lust daran, andere Wesen zu beglotzen, denen das Schicksal offensichtlich noch übler zugesetzt hat als einem selbst? Ist es der Sensationswahn, ‚Aug in Aug‘ panzerbewehrten ‚Bestien‘ der Natur, manche davon bestimmt extrem giftig und andere blitzschnelle Raubtiere, gegenüberzustehen – und selbst wenn diese in völlig ausbruchssichere Verliese eingepfercht sind und nebenbei wirken als wenn sie unter eine Überdosis Lexotonil gesetzt worden sind, tut das der allgemeinen Gänsehaut-Hysterie keinen Abbruch…
Einmal umspielt dennoch ein Lächeln unsere Lippen, erzeugt von jenem Gedanken: tatsächlich scheinen die Tiere fast betäubt, verweilen regungslos – was wäre wenn der Veranstalter uns alle hier getäuscht hat und seine ‚Ausstellungsstücke‘ nur aus PVC hergestelltes Kunstwerk wären? Hier wird über Tierschutzbestimmungen diskutiert, über Haltung, über Transport, über Sinn und Unsinn solcher Veranstaltungen – und in Wirklichkeit werden bloss leblose Objekte hinter Glaswänden ausgestellt, eine perkeft inszinierte Täuschung!
Und, ein zweiter, gar nicht so umwesentlicher Gedanke: wo wäre der Unterschied für die BetrachterInnen, hier, wo sich ohnehin nichts ‚rührt‘?
Es würde keinen machen, außer im Gewissen einer fortschreitenden Humanität – in dieser Topic wäre jene ‚Planänderung‘ nicht nur äußerst wünschenswert, sie wäre ein Meilenstein.

Beim Verlassen der Halle befragen wir noch die Veranstalter, welche sich breitmütig einem Interview stellen. Sie würden diese Show nun schon seit 35 Jahren betreiben, immer im Familienbesitz. Die Reptilien leben normalerweise im Reptilienzoo in Augsburg, welcher ebenfalls von der Familie betrieben wird. Dort verweilen sie die Hälfte des Jahres, während des Winters, die andere Hälfte verbringen sie auf Tour. Alle Tiere befinden sich im Familienbesitz, nicht zuletzt durch die jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit diesen könne man beste Pflege und Haltungsbedingungen gewährleisten.
Ob die Abweisung aus Österreich der Firma geschadet hätte? Ja natürlich sei ein Verlust entstanden, aber man komme damit gut zurecht. Andererseits: man dürfe in Innsbruck nun doch wieder auftreten, und das Ganze sei ja eine nicht zu unterschätzende Riesen-Werbung in den Medien gewesen! So auch in Salzburg, wo der Tierschutz-Ombudsmann das Verweilen unterbunden hatte; die Spindler-Familie bekam nach dem Öffentlichwerden des Auftritt-Verbotes so viele traurige Anfragen von ‚So-gerne-BesucherInnen‘, dass man sich entschloss, diesen eine neue Chance zum Begutachten der Reptilien zu geben und nur deshalb wäre Freilassing nachträglich extra in den Tour-Plan hineingerutscht. Freilassing passe nämlich gar nicht ins Muster des Ausstellers, sei von der Stadt her viel zu klein, aber man hätte trotzdem gut gepockert, denn tatsächlich seinen praktisch alle BesucherInnen aus Österreich. So hebe sich eben alles wieder auf.
Nächste Station sei nun Laibach, Slowenien, danach wolle man den Osteuropa-Raum durchqueren, mit Stationen in fast allen Ländern. Auch Skandinavien sei eine Option, letztendlich würde man ganz Europa den Genuss von ‚Anaconda‘ bringen! Ob Tiere während der Show sterben? Ja, natürlich, Menschen sterben doch auch. An Altersschwäche , Krankheit, usw. Aber wir wollen es dann doch genauer hinterfragen: Sterben Tiere auch aufgrund des Transport- und Ausstellungsstresses? Nein, niemals, ist die knappe und erwartete Antwort.

Warum die Tiere so ruhig wären, so bewegungslos, möchten wir noch zu gerne wissen. Weil es ihnen gut geht, sie gut zu Essen haben und weil die meisten sowieso nachtaktiv sind. Transportwege? Kein Problem, es gäbe Spezialbehälter und -fahrzeuge.

Salzburg Heute brachte einen Bericht über die Reptilienshow, diesen können Sie HIER ansehen.

 

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