Zoo-Alltag

Gewitterwolken hängen trüb am Himmel. Wir sind auf der Phyrnautobahn unterwegs, unser Ziel ist der Tierpark Enghagen nahe Windischgarsten in Oberösterreich.
Das dortige Tiergefängnis ist vor allem TierschützerInnen landeweit ein Begriff. Besonders die Enghagener Bärenhaltung erregte immer wieder die Aufmerksamkeit deren. Aber auch in allen anderen Bereichen erfüllt der Zoo dem Vernehmen nach keine Vorbildwirkung, ganz im Gegenteil. Er kann wohl, stimmen die zahlreichen Gerüchte, als leuchtendes Beispiel dafür dienen, warum Tierparks schon lange nicht mehr die Ansprüche von ethisch begründeten Vorbedachten gegen diese Art der Gefängnisse erfüllen, nie erfüllt haben. Längst ist es ein Faktum, dass diese Beherbergungsstätten in keinster Weise dazu beitragen können, ein Volk zu bilden (wie es früher so gerne posaunt wurde). Vielmehr erfahren wir dort wie übermächtig sich Mensch auf diesem Planeten gebärt, zeigen wir unsren Kindern, wie unantastbar, selbst in Hinblick auf ethisches Verhalten, wir sind.
Aber, kommen iwr auf den von Zoodirektoren und ‚TierfreundInnen‘ der anderen Art vorgekauten Einheitsbrei zurück, was bitte könnte man wirklich lernen an solchen Plätzen? Wie man Mitgeschöpfe ihrer natürlichen Heimat beraubt, sie in armselige, erbärmliche Flecken Erde zwängt, ausgestattet mit Beton und manchmal einer handvoll zermorschter Baumstämmen in künstlicher Umgebung, ausgeliefert dem Gelächter und den Launen eines nimmersatten Publikums? Ja, das ist wohl die einzige Möglichkeit einer Weiterbildung!
Dass Zoos letzte Zukunftsstätten für bedrohte Arten sind, hören wir. Aber warum erhalten wir ihnen dann nicht ihre natürliche Heimat, fragen wir uns? Warum verfrachten wir sie in den Wahnsinn Zoo? Dort wo sie an der Öde und der Triste des Alltags langsam den Geist aufgeben, uns mit starren, traurigen Augen anblicken?
Nur in Zoos erhalten Kinder einen Einblick in die so umfangreiche Anatomie des Tierreiches; aber, so die nicht unberechtigte Frage, könnten wir die Anatomie des Tieres nicht genau so gut an künstlichen Nachbildungen ihrer perfekten Körper studieren?

Enghagen liegt nicht am A… der Welt, entgegen der Meinung vieler ZeitgenossInnen – aber zumindest kann man den von hier aus sehen. Nur wenige Gäste haben sich in diesen Seitenarm des öffentlichen Interesses verirrt, der Parkplatz präsentiert sich bis auf ein paar abgestellte Autos gähnend leer. Ein Reisebus steht am Straßenrand, gelangweilt gähnt der Fahrer in seinem Innern. Er ist der einzige Mensch weit und breit, sein Blick genau so einsam und verlassen wie wir ihn später noch hunderfach sehen werden.
Wir betreten das Parkgelände, zwei Dutzend desinteressierter Teenager, wahrscheinlich die Reisegruppe, auf welche der Buschaffeur am Parkplatz wartet, fadisieren sich an den vor sich hinrostenden Beschäftigungsmöglichkeiten; tatsächlich, kaum eine/r der Jugendlichen betrachtet die Tiere in ihren Gefängnissen, vielmehr bevölkern sie die spärlichen ‚Attraktionen‘ rund um die sorgsam angelegten, aber inzwischen vernachlässigt wirkenden Spielplätze. Da gibt es Hutschen, Kutschen, Rutschen, kleine knietiefe Betonteiche mit schmutzigem Wasser, wo man mit noch viel kleineren Booten Runden drehen kann, eine GoKartBahn mit teils abgewrackten Tretfahrzeugen der ersten Stunde, dessen Herausforderung die Bewältigung einer Runde auf einer unfreiwilligen Mischung aus Asphalt, Schotter und Erde besteht,..

Was sofort auffällt: niemand kümmert sich um die Kids, keiner beachtet ihr Tun; eine Gruppe Buben ärgert ein Äffchen, immer wieder stecken sie Stäbe und Halme durch die Gitter, bis der Kleine wütend gegen den Zaun springt – was die anscheinend sehr leicht zu erheiternden Jugendlichen regelmäßig zuerst in die Flucht treibt und dann in schallendes Gelächter ausbrechen lässt; niemand gebietet ihnen Einhalt, kein Lehrer, kein Parkpersonal;
Während sich ein Großteil der teilweise sehr übergewichtigen Mädchen in purer Langeweile aufzulösen scheint und darauf mit körperlicher Bewegungslosigkeit und stimmlich mit zwei- und dreisilbigen Satzversuchen reagiert, gibt es dann doch ein paar der jungen Frauen, welche sich auch für die gefangen gehaltenen Tiere interessieren. Eine handvoll Mädchen sitzt an einem der Käfige und füttert die darin gefangenen Äffchen, offensichtlich in guter Absicht, mit frischem Gras; ob diese Art der Ernährung allerdings eine geeignete für die Primaten ist, möchten wir dahin gestellt lassen – es scheint auch niemanden zu kümmern, kein Tierpfleger weit und breit, welche in das Szenario aufklärend eingreift.
 
Teenager ärgern völlig unbehelligt ein kleines Äffchen…


im wahrsten Sinne des Wortes: die Traurigkeit ins Gesicht geschrieben…


Ein Berberäffchen dreht in völliger Freiheit seine Runden, bis es die Aufmerksamkeit der Runde auf sich zieht – mit einer blitzschnellen Handbewegung macht es sich über den achtlos abgestellten Rucksack eines der Mädchen her! Die Teenager rasten nun völlig aus, laut kreischend laufen sie beim Anblick des Tieres zuerst in heller Panik in alle Richtungen auseinander, jede für sich ihr Leben retten wollend… bis sie die offensichtliche Ungefährlichkeit des Äffchens ansatzweise zu erkennen vermögen und das aufgeweckte Tier nun langsam aber bestätig einzureisen und, sehr vorsichtig, mehr in Rückwärts- den in Vorwärtsbewegung verhaftet, plötzlich interessiert zu beobachten beginnen. Das Äffchen beschäftigt die Gruppe eine Weile, holt die Teenager so wenigstens für die nächsten Minute aus der fast peinlichen Lethargie.

Man könnte wohl ganze Aufsätze über das teils sehr eigenwillige, orientierungslos anmutende Verhalten der Jugendlichen schrieben, doch dies wäre wahrscheinlich vielmehr eine höchst interessante Aufgabe eines Psychologen; so wenden wir uns wieder unserer Bestimmung zu – einer kurzen Bestandsaufnahme des Tiergefängnisses.

Enghagen, wie Anfangs bereits erwähnt, erntet seit jäher Kritik aus allen Lagern für seine Bärenhaltung. Es wurde zwar in den letzten Jahren eine neue Anlage errichtet, aber auch diese erscheint wenig geeignet, um den wunderbaren Tieren auch nur annähernd artgerechte Bedingungen angedeihen zu lassen. Eingefasst in grauen Beton, vegetiert Meister Petz dort in völliger Monotonie, gefangen in sich selbst. In seiner kleinen Welt existiert nichts, was diese so spürbare Tristeste auch nur für Bruchteile vergessen machen könnte. Die Wasserfläche im Gehege spiegelt eine durchgehend grünliche Farbe, die einzige Abwechslung bietet eine Art Landschaft von toten Bäumen und Steinen im Zentrum des Geheges, allerdings nur in sehr beschränktem Ausmaß. Drei Bären können wir ausmachen, alle drei scheinen zu schlafen; selbst als wir nach gut 2 Stunden wieder zu diesem Ausgangspunkt zurück kommen, liegen die Tiere an gleichen Stellen…

ist das ‚artgerechte‘ Tierhaltung?




In mehreren Zwinger sind Berberaffen eingesperrt. Besonders eine kleine Anlage, nur einige Quadratmeter groß, erregt unseren Ärger; das Äffchen darin langweilt sich zu Tode, nutzt jede Gelegenheit um auf sich aufmerksam zu machen. Immer wieder streckt es seine Hand durch die Gitter und grast den Boden außerhalb seiner Gefängniszelle ab. Man erkennt ganz deutlich wie weit seine Finger reichen, wie mit dem Lineal gezogen ist dort eine Abgrenzung entstanden. Jeden Grashalm hat das arme Tier im Bereich seiner Armlänge ausgerissen und wohl Stunde um Stunde inspiziert; jetzt erreicht der Kleine nur mehr Steinchen, schmutzige Erde und von Menschen achtlos weggeworfene Papierfetzen, viel schlimmer noch ab und dann Zigarettenkippen.
In einem ebenfalls nur wenige Quadratmeter großen Zwinger sind mehrere schwarze Schwäne untergebracht, welche sich allesamt in einer seichten Wasserfläche in Größe eines Planschbeckens drängeln.



Das Pumagehege zeigt sich völlig verwachsen, ein Tier erkennen wir nicht; es wäre schön, müsste darin im Moment keine Raubkatze leben und es wäre noch schöner, würde diese Zelle auch niemals wieder nach besetzt werden.
Auch Marderhunde, Silberfüchse und Co sehen alles andere als glücklich aus, ein Nasenbär muss in einem winzigen Verschlag ohne jegliche Beschäftigungsmöglichkeit, auf Sägespäne, sein Auskommen finden.

nicht viel besser als in einer ‚Pelztier’farm…

Im Wolfsgehege dösen einge ziemlich ausgemergelte Wölfe vor sich hin, uninteressiert und teilnahmslos. Isegrim beachtet sich untereinander kaum, keine Spur vom ‚Rudeltier‘. Es dürfte sich um eine ältere Generation handeln, allesamt sind sie ziemlich grau und machen auch sonst nicht den agilsten Eindruck. Es bleibt die Hoffnung, dass die Tier hier einen Art Altersitz gefunden haben und somit ein Weg aus der Sinnkrise des Zoos gefunden werden konnte – nämlich dem künftigen Zweg, als Auffangstation für Alte, Ausgesetzte, Kranke zu dienen, wie etwa Tiere aus Zirkussen, die sich nicht mehr in Freiheit zurechtfinden können, um nur ein Beispiel anzuführen!
Doch schon im näcshten Augenblick finden wir uns wieder auf dem Boden der realität – eine Wölfin, selbst ausgezehrt und mager, säugt tatsächlich ein Kleines…

Besonders an den Schweinegehegen erkennt man eine weitere Problematik der Anlage – fast sämtliche Tiere im Zoo kratzen sich beständig, offensichtlich von Parasiten geplagt. Bei einigen der Tiere zeigen sich deutliche Anzeichen für Stereotypen, Bewegungsabläufe, die ständig wiederholt werden.
Eine anderes Dilemma dürfte in der Instandhaltung er einzelnen Gehege liegen, manche davon präsentieren sich baufällig oder nur notdürftig in Ordnung gehalten. In vielen Umzäunungen wurden Gitter in den Boden eingearbeitet, welche die Stabilität in der Hanglage garantieren sollten. Überall sieht man diese Gitter nun wieder aus der Erde heraus ragen, eine potentielle und fürchterliche Verletzungsgefahr für die darin beherbergten Tiere. Auch sind die einzelnen Gefängnisse nicht besonders gut gesichert, nur einfache Vorhangschlösser verhindern ein unbefugtes Öffnen der Türen.

Verletzungsgefahr stets präsent…


der sargähnliche Bunker im Bild rechts sollte übrigens die Rückzugshöhle des Pumas sein…


Extremes Missfallen erregt wohl die ‚Anlage‘ für einen kleinen schwarz-weißen Vogel, welcher sich während unseres ganzen Besuches in seinem körpergroßen Unterschlupf versteckt hält und uns nur seine Umrisse präsentiert. Es dürfte sich dabei um einen Pinguin handeln, so gottverlassen, dass es einem das Herz bricht. Aber, um Himmels Willen, was soll der Vogel in diesem Schandmal anstellen? Wie sich beschäftigen, wie die Triste des Tages totschlagen? Es scheint als habe er einen Ausweg gewählt – seinen Geist entlassen in eine andere Welt, wo er gerade mit Artgenossen in Eiseswasser schwimmt, nach Fischen taucht, dahin scheint er entflohen. Doch wenn es auch der Geist geschafft hat, der Körper haftet fest an diesem Ort; der Arme presst er sich ohne Unterlass in sein Häuschen, vor sich ein wirklich trostloses Betonbecken mit schmutzigem Wasser, allerhöchstens knietief, auf dessen Grund tote Fische langsam verfaulen. Der Anblick ist ein unerträglicher…

artgerechte Umgebung für einen Piguin? Urteilen Sie selbst…




Auch seine Nachbarn haben nicht das große Los gezogen; da gibt es zum Einen Fischotter, welche in freier Natur in kristallklarem Wasser planschen; hier sind sie gefangen in Betonröhren, ohne Beschäftigung, ohne Sinn; und noch ein Gehege weiter versuchen zwei Waschbären irgend wie den Tag zu überstehen, wohl zum tausendsten Male in den letzten Stunden klettert der eine in seinen Spalt im Holz, von dort wieder heraus, runter zum nun schon gewohnt schmutzigen Wasser, wieder zurück zu seiner Behausung. Dort verharrt er kurz, doch wie von einem inneren Geist getrieben, beginnt er die Runde alsbald von Neuem.



Inzwischen hat sich das Wetter beruhigt, was sich allerdings nicht in der Anzahl der BesucherInnen niederschlägt; noch immer sind wir neben der Schulklasse die allereinzigen Menschen hier – und wohlgemerkt tatsächlich die einzigen, denn nicht eine/n TierpflegerIn oder ZoomitarbeiterIn konnten wir während unseres Besuches entdecken!
In deprimierter Stimmung, wie immer nach einem Aufenthalt in einer derartigen Gefängnisanlage, verlassen wir gemeinsam mit den nun ob der bevorstehenden Abreise offensichtlich zu neuem Leben erwachten, laut lärmenden Teenagern den Park.

Fazit: Enghagen bestätigt seinen Ruf und die Forderung der Tierrechtsvereine, endlich an einer Abschaffung der herkömmlichen Zoobetriebe zu denken und diese in möglichst schnellen Schritten umzusetzen, gewinnt hier schlagartig an Aktualität. Enghagen widerlegt den Anspruch auf Bildung bravourös, der Besuch in einem dieser Tiergefängnisse ist allerhöchstens dazu geeignet , um durch nicht artgerechte Haltung entstehende Psychosen aufzuzeigen, Krankheitsbilder zu präsentieren; wer anders behauptet, der/die belügt sich selbst.
Wir haben viele Zoos besucht, in- und ausländische, wovon wir alsbald in einer fortlaufenden Serie berichten wollen; Enghagen ist im Vergleich mit den meisten Tierparks des Südens und des Ostens wohl das geringere Übel, fast ein Hort, aber ein Tierpark mitten in Österreich, der sollte sich wohl an anderen Maßstäben orientieren – und da muss der Park entweder sein Versagen eingestehen oder in allen Belangen sehr an sich arbeiten.

Buchtipps: ‚Verrückt hinter Gittern‘, Emilio Sanna, Sachbuch 9163, Rowolth-Verlag
‚..und hinter tausend Stäben keine Welt!‘, Stefan Austermühle, Rasch und Röhring


 
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