Tierversuch – die Interviews mit den Ausfuehrenden

Gerne würden wir heute Ihre Aufmerksamkeit wieder auf ein besonders heikles Thema lenken – den Tierversuch!
Wir möchten die Problematik allerdings einmal von einer anderen Seite her beleuchten – und Ihnen Eindrücke und Ansichten aus der Gefühlswelt jener präsentieren, welche so zu sagen am Puls des Geschehens sitzen – den Experimentatoren!

In Salzburg gibt es eine ‚Zentrale Versuchstierhaltung‘ in den Räumlichkeiten der Naturwissenschaftlichen Fakultät. Deren Leiter, Univ- Ass. Mag. Dr. Hammerl, stellte sich uns für eine Führung durch die ‚Katakomben‘ zur Verfügung und beantwortete dabei mit sehr viel Feingefühl und Geduld all unsere diesbezüglichen Fragen.

Auch mit dem Leiter der Hämatologischen Abteilung des Landeskrankenhauses, Priv.Doz. OA Dr. Alexander Egle, seines Zeichens ebenfalls mit in der Forschung an Tieren tätig, trafen wir uns zu einem Interview.
Auf Grund der Fülle an Information möchten wir Ihnen die Ergenisse der Gespräche gerne in zwei Teilen präsentieren!

Tierversuchs-Experimentator, Teil 1, Naturwissenschaftliche Universität Salzburg

Salzburg, vor den Toren der Naturwissenschaftlichen Universität Salzburg; ein regennasser Tag hatte seien Anfang genommen, die Sonne versteckte sich seit gefühlten Wochen hinter tief hängenden, wasserschwangeren Wolken.
Wir sollten heute einen seltenen Termin wahrnehmen dürfen, waren eingeladen, die Zentrale Versuchstierhaltung in den Kellnern der Uni zu besuchen.
Univ. Ass. Mag. Dr. Peter Hammerl, der Leiter dieser Abteilung, wollte uns tatsächlich durch die diesbezüglichen Räumlichkeiten führen.

Zugegeben, gerne wären wir nun von einem griesgrämigen alten Mann begrüßt worden, einem in sich gekehrten Gelehrten, der mit negativer Ausstrahlung seine Umgebung vergiftet und auf welchem man schon auf Grund dessen die ob der so schrecklichen Thematik angestauten Gefühle ohne jeglichem schlechten Gewissen entladen kann.
Aber, weil das Leben manchmal seltsame Wege geht, es sollte anders kommen.

Dr. Hammerl ist ein äußerst freundlicher Mann in mittleren Jahren, einer jener Menschen, die nach Erklärungen suchen, offen sind für neue Impressionen und die auch alt eingesessene Meinungen zu überdenken bereit sind, kommt nur der richtige Anstoß. Kurzum: er ist ein Mensch welchem man sich schwer tut nicht zu mögen, selbst dann, wenn man weiß, dass er Herr über so viel Leben ist, Leben, welches durch seine Hände geht und letztendlich unweigerlich mit dem vorzeitigen Tod in experimenteller Forschung endet…

Dennoch: es ist eine Fügung des Schicksals, dass gerade ihm die Aufgabe der Betreuung der so genannten Versuchstiere überantwortet worden ist, denn – auch wenn er letztendlich so etwas wie der Kerkermeister für viele, viele hoffnungslos Eingeschlossenen ist – er macht sehr glaubhaft, dass er weit über gesetzliche Vorlagen hinaus geht um seinen ‚Schützlingen‘ wenigstens für die kurze Zeit deren Daseins bestmögliche Betreuung zukommen zu lassen.

Der Dr. führt uns in den Keller der Fakultät; viele Gänge und Türen sind die Lebensader dieses unterirdischen Labyrinthes, künstliches Licht unterstreicht die sterile, fast lebensfeindliche Note der Katakomben.
Nun müssen wir zuerst durch eine Schleuse, bekommen hauseigene Schuhe, dazu noch Überzieher; wir müssen unsere Haare unter einem zur Verfügung gestellten Netz verbergen, einen Mundschutz, eine OP-Maske, tragen; es dürfen keine Keime in die verborgenen Räumlichkeiten eingeschleppt werden. Schon ein kleinster Fehler würde den Tod der gesamten ‚Kolonie‘ bedeuten, da diese, völlig isoliert, natürlich höchst anfällig auf Bakterien oder Viren von außen reagiert..
Vor dem Betreten des jeweiligen Raumes muss man durch einen ‚Seuchenteppich‘ gehen, um auch die Gefahr von an den Schuhen haftenden Erregern zu minimieren.

könnte so ein Ort aussehen, denn wir im Allgemeinen als ‚die Hölle‘ bezeichnen? ein auswegloses Gefangensein in Tristesse, eine Welt zusammengeschrumpft auf die Größe eines Zimmers?


Zuerst besuchen wir die Mäuse; allesamt sind sie in identischen Käfigen, einfachen und kargen Behältnissen aus Plastik, untergebracht. Es gibt nur schwarze und weiße, später werden wir dann auch noch ‚Nacktmäuse‘ sehen, Nachfahren vom im Institut selbst gezüchteter Tiere. Und sie haben eine Besonderheit: allesamt sind die Mäuse gen-verändert, um bestimmte Versuche an ihnen besser durchführen zu können. Die Tiere vor uns zum Beispiel verfügen über keinerlei Anti-Körper; ob deren Lebenserwartung im ‚Normalen‘ darunter leiden würde, wollen wir gerne wissen. Natürlich, sie müssen in möglichst steriler Umgeben leben, sie sind ob dieses gewollten ‚Defektes‘ sehr krankheitsanfällig. Schafft man jedoch künstliche Bedingungen, dann könnte sie ohne weiters ein vollständiger Lebenszyklos erwarten.
Dr. Hammerl meint, die Lebenserwartung einer Maus wird, als Haustier gehalten, 2-3 Jahre betragen. In freier Wildbahn sterben sie meist sehr viel früher, fallen Fressfeinden, Nahrungsmangel, Witterung, Übervölkerung und Krankheiten zum Opfer. Der Wissenschaftler führt ferner aus, der natürliche Tod sei meist ein sehr grausames Ereignis, das oft mit langem Siechtum und Leiden verbunden ist. Im Labor werden die Mäuse meist nur 6 – 8 Monate behalten, zum einen weil sie durch das fortgeschrittene Alter für Versuche nicht mehr uneingeschränkt geeignet sind, zum anderen um Infektionen vorzubeugen, für die sie im höheren Alter immer anfälliger werden. Ausnahmen gibt’s in der Krebsforschung, weil Krebserkrankungen auch bei Menschen häufig erst im Alter auftreten.

RespekTiere-AktivistInnen mit Dr. Hammerl in den ‚Katakomben’…


Die meisten dürfen also nur ihre Kinderstube durchleben, werden dann der Wissenschaft ‚zur Verfügung gestellt‘. Verlassen die Tiere einmal den Raum, dann kommen sie nicht mehr zurück – zu groß wäre die Gefahr des Einschleppens von Erregern. Mit anderen Worten: jede Maus, welche zu Experimentierzwecken die kleine Nische verlässt, wird sterben, entweder am Versuch selbst oder am Umstand, dass sie mit der Außenwelt in Berührung gekommen zum unberechenbaren Risikofaktor für die Mitgefangenen geworden ist…
Fast jede, verrät Dr. Hammerl; denn immer wieder komme es vor, dass z. B. 10 Mäuse angefordert werden würden um StudentInnen bestimmte Vorgänge zu erklären; tatsächlich würde der Experimentator dann oft mit weniger das Auslangen finden, die übrig bleibend Glücklichen würden dann fast ausnahmslos von den Studierenden ‚adoptiert‘ werden. Sie dürfen zwar das Gebäude nicht verlassen, das Gesetz verlangt diesen Passus bei gen-veränderten Lebewesen – würden aber in den Studierräumen alsbald größere Käfige erhalten und man können beobachten wie sich die Ansammlung von Spielsachen und Nahrungsmittel in diesem neuen zu Hause rasant vermehren würde.

Die Tiere leben in fensterlosen Räumen, tief im Keller der Uni, erreichbar nur durch einen Wirrwarr von Gängen. Um Verhältnisse zu schaffen die ‚der Natur angenähert‘ sind, gibt es 12 Stunden pro Tag ‚künstliches‘ Licht, 12 Stunden absolute Finsterheit. Dr. Hammerl, der seine Affinität den Tieren gegenüber sehr glaubwürdig vermitteln kann, möchte mit Hilfe von Dimmerschaltern die Lichtquelle nicht ‚plötzlich‘ aufscheinen lassen, sondern so wie bei Sonnenauf- und Sonnenuntergängen den ‚Tag-Nacht‘-Übergang, oder besser die Simulation dessen, flüssig gestalten.

Die Behältnisse der Tiere werden einmal die Woche komplett gereinigt und mit heißem Wasser ausgewaschen; d. h. der Käfig inkl. all seiner Bestandteile (Schale, Deckel, Wasserflasche) wird alle 7 Tage komplett entleert, gewaschen und desinfiziert, danach mit frischem Einstreu befüllt.
Es ist für Nestmaterial in Form von Papierschnitzel gesorgt, die Tiere leben paarweise oder in Gruppen, und nur ganz vereinzeln müssen sie auch alleine leben, zum einen auf Grund eines dementsprechenden Versuchvorganges, viel mehr jedoch durch immer wieder auftretende Unverträglichkeit mit andern Tieren.
Die Mäuse scheinen allesamt in gutem Zustand, sind sehr lebendig, mit dem Ausüben sozialer Strukturen beschäftigt.

das ist ihre ganze Welt…


oder das hier…


Hauptsächliche Versuchsreihen beinhalten Krebs-, Allergie- und Impfforschungen.
 
Ob Dr. Hammerl denn Mitleid mit ‚seinen‘ Schützlingen hätte; natürlich, meint er, und er sehne den Tag herbei wo auf den Tierversuch gänzlich verzichtet werden könne. Gott sei Dank, so sagt er weiter, geht die Forschung immer mehr in Richtung von Alternativmethoden.
Vor all zu großen Erwartungen in naher Zukunft aber warnt der Biologe; frei von Illusionen stellt er fest: ‚Die gegenwärtige Forschung (und das heißt auch: die Hoffnungen und Erwartungen die von der Bevölkerung heute an die moderne Medizin gestellt werden) ganz ohne Tierversuche voranzutreiben, das ist derzeit leider noch ungefähr so weit weg wie beamen (aus vielen Gründen, über die wir uns gerne einmal ausführlicher unterhalten können) – auch wenn die Bemühungen sicher in Richtung Ersatzmethoden gehen, und das nicht nur aus ethischen Gründen: Tierversuche sind extrem teuer und aufwändig, dauern oft lange und liefern dann manchmal auch noch schwer interpretierbare Ergebnisse. Derzeit sind sie noch auf unabsehbare Zeit ein notwendiges Übel, weil sie die einzige Möglichkeit darstellen, biologische oder medizinische Vorgänge im Zusammenspiel eines lebenden Organismus mit all seiner Komplexität zu untersuchen.‘

würden Sie so leben wollen? warum muten wir es dann anderen Lebewesen zu, noch dazu denen, die unsere Krankheiten mit heilen sollen????


Ob es denn vorkäme, dass er zu bestimmten Mäusen ein ganz besonders Verhältnis aufbaue, interessiert uns auch; und vor allem wenn ja, wie er dann damit umgehe.
Eine derartige Gefühlsregung versuche er so weit als möglich zu vermeiden, er schaue halt einfach dass es den Tieren, und zwar allen, so gut als möglich gehe, auf die einzelnen Persönlichkeiten solle man sich dabei besser nicht einlassen, wolle man ein inners Dilemma vermeiden.
Die gesamte Anlage werde mindestens einmal täglich inspiziert, um Missstände in der Tierhaltung so weit als möglich zu vermeiden.

Das Futter ist ein Alleinfutter, enthält also alle lebensnotwendigen Stoffe und ist in gepresster Form; ein abwechslungsreicherer Speiseplan wäre wohl eine enorme Innovation, jedoch, so vermuten wir, könnte man diesen Tieren – welche ja auf Einflüsse von außen so sensibel reagieren – aus Angst vor Viren und Bakterien einen solchen Zusatz gar nicht anbieten.
Eines Besseren belehrt werden wir hier einmal mehr von Dr. Hammerl; er sagt: ‚Bis zu einem gewissen Grad könnten wir den Tieren vielleicht sogar Essen in natürlicherer Form anbieten. Erstaunlicherweise schätzen unsere Mäuse solche Abwechslung aber absolut nicht. (In der Beziehung sind sie wie die Kinder, die im Restaurant lieber ihre ewig gleichen fetten Pommes und Cola bestellen….) Die Kaninchen, als wir noch welche hatten, waren da anders. Die akzeptierten zwischendurch auch frischen Salat, Karotten oder Äpfel.‘

Die Mäuse in den Kellerräumen verfügen über wesentlich mehr Platzangebot als es ihnen der Gesetzgeber zugestehen würde; dessen Vorlagen sind eigentlich der Wahnsinn pur, vor allem in Anbetracht dessen, dass wir immer wieder, auch am späteren Nachmittag bei einem Gespräch mit dem Tierversuch-ausführenden Arzt Dr. Alexander Egle, hören, dass Österreich über eines der strengsten Gesetze in Bezug auf den Tierversuch und das damit einhergehende Wohlergehen der verwendeten Tiere überhaupt besitzt. 10 x 10 cm, pro Maus, hören wir; stellen Sie sich das vor, 10 x10 cm! Rechnet man die Schwanzlänge zu, überragt die Körperlänge des Tieres in den meisten Fällen schon den jeweiligen Schenkel des zur Verfügung gestellten Platzangebotes…

Die Käfige auf der Nawi bieten da mehr Platz, sie sind auch nicht groß, aber zumindest können die Mäuse darin einige ihrer angeborenen Verhaltensweisen ausleben. Meist liegen sie jedoch ohnehin in Nestern gedrängt, dicht an dicht, meint Dr. Hammerl. Rund 2500 Tiere gibt es in den Räumen der Naturwissenschaftlichen Fakultät, erfahren wir. Ihr Leben wird in erster Linie der Krebsforschung geopfert, wie sinnvoll alle diese Versuchen wären, dazu will Dr. Hammerl nicht eindeutig Stellung beziehen, ‚Wissenschaft bedeutet oft auch Neugierde‘, ist eine ausweichende Antwort.
Der Biologe zeigt aber auch hier keinerlei Berührungsängst und fährt weiter fort: ‚Also, ausweichen wollte ich auf gar keinen Fall. Nur ist die Frage komplexer als sie sich anhört. Hier zuerst eine allgemeinere Antwort:
Es gibt angewandte Forschung, die nach einer Möglichkeit sucht, eine bestimmte Krankheit zu heilen. Und es gibt Grundlagenforschung, die verstehen möchte, wie ein Lebewesen funktioniert. Ersteres möchten manche gerne als sinnvoll ansehen, letzteres als Hobby von einigen Spinnern abtun. Nur lassen sich die beiden Bereiche gar nicht so leicht trennen. Denn nur wenn wir verstehen, was in unserem Körper vorgeht können wir erkennen, was im Krankheitsfall schief läuft – und was wir versuchen könnten, um ihn wieder ins Lot zu bringen. Weil sie Voraussetzung für nutzbringende angewandte Forschung sind, halte ich auch die Versuche der Grundlagenwissenschaft für sinnvoll – auch wenn deren Motivation aus dem reinen Verstehenwollen kommt und weniger aus dem Wunsch, die Welt retten zu wollen (das kann Bruce Willis ohnehin besser). Und in der Praxis schließen die beiden Varianten und ihre Motivationen einander keineswegs aus. Gerade die Forschergruppen, die hier bei uns ihre Tiere halten verbinden beide Aspekte sehr intensiv. Noch kurz eine zweite Antwort aus dem Alltag:
Um einen Tierversuch durchführen zu dürfen, benötigt man eine Genehmigung vom Wissenschaftsministerium. Die dort ansässige Kommission für Tierversuchsangelegenheiten beurteilt die Sinnhaftigkeit der beantragten Versuche sehr genau. Persönlich muss man mit deren Beuteilungen nicht immer einverstanden sein, aber eine gewisse Grundabsicherung gegen sinnloses Tierleid ist damit schon gegeben.’Weiters stellt er fest: ‚Mir tun die Tiere leid, aber Tierversuche, insbesondere die, die wir hier machen halte ich durchaus für sinnvoll, die angewandten und auch die der Grundlagenforschung. Die Details dazu wären wieder einmal ein Thema für eine spannende Diskussion, oder?‘

Wir wollen wissen ob denn auch hier Tiere ‚übrig bleiben‘ würden, also solche, welche man für einen gewissen Versuch gezüchtet hätte, nach Abschluss der diesbezüglichen Forschung dann auf Grund deren ‚speziellen Eigenschaften‘ nicht mehr benötigt werden würden; das komme hie und da vor, aber – eine gesetzliche Zwangsmaßnahme – gen-veränderte Mäuse dürfen wie bereits erwähnt die Räumlichkeiten nicht mehr verlassen – erzwingt deren Tod; sie werden mit CO2 in Berührung gebracht und müssen an einer Vergiftung – völlig schmerzlos, ergänzt Dr. Hammerl – durch Einatmen des tödlichen Gases sterben.
Der Biologe drückt diesen Vorgang wissenschaftlich präziser folgendermaßen aus: ‚CO2 ist das natürliche Produkt unserer Atmung. Ist zuviel davon in der Luft, reden wir von „schlechter Luft", davon werden wir erstmal müde. In noch höheren Anteilen in der Atemluft, wirkt es zunächst schmerzlindernd, danach narkotisch. Das heißt, die Tiere sind ohne Bewusstsein, wenn sie sterben.‘

Ob wir solche Tiere nicht übergeben bekommen könnten; wir würden nur zu gerne Plätze suchen…
Das sei leider nicht möglich, früher wären solche Mäuse noch an das Haus der Natur oder den Zoo zur Fütterung von Schlangen oder anderen Gefangenen hergenommen worden (grausam genug, aber damit wäre wenigstens anderen Tieren dieser Tod erspart geblieben, die Krebsmäuse würden ja in jedem Falle getötet; dieses Vorgehen war damals völlig legal, denn die Fakultät verwendete noch keine transgenen sondern so genannte ‚Wildtyp‘-Mäuse, Anm.), aber inzwischen hat der Gesetzgeber enge Schranken gesetzt; warum? Weil diese Tiere eben gentechnischen Veränderungen unterworfen worden sind, und dadurch zur Gefahr in irgend einer nicht bekannten Form für die Außenwelt werden könnten.


Dr. Hammerl hat eine sehr gute Idee; er meint, hier könne der Tierschutz ansetzen; man können beantragen, Listen zu erstellen, welche die tatsächliche ‚Gefährlichkeit‘ der jeweiligen Mutation festsetzen, und danach ‚weniger‘ dramatischen Abänderungen, solchen wo man jegliches Wagnis durch jahrelangen Beobachtungen ganz genau einschätzen könne, ein weiters Leben zubilligen.
Diesen Ansatzpunkt werden wir aufgreifen!
Dr. Hammerl ergänzt: ‚ Vielleicht ließe sich der Gesetzgeber leichter darauf ein, analog zum Tierversuchsantrag oder „Antrag auf Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen" ein Bewertungsverfahren zu erarbeiten, das beurteilt inwieweit solche Tiere nach außen gebracht werden dürfen. Ich helfe gerne mit, wenn es darum geht molekularbiologische Argumente zu formulieren.
Eine zweite Variante gäbe es noch, wenigstens einen Transfer ins Haus der Natur legal zu gestalten. Das HdN müsste den betroffenen Bereich beim Ministerium als Gentechnische Anlage genehmigen lassen – aber ob das realisierbar ist…?‘
Wir werden uns erkundigen.

Die Nacktmäuse sind seltsame Wesen; völlig haarlos wirken sie zerbrechlich wie Glas, so ungeheuerlich verletzlich. Sie sind eine Laune des Menschen, vielleicht in guter Absicht (d. h. von Nutzen für uns, wir die wir uns mit dem Teufel verbrüdern…) ‚erschaffen‘, dennoch fragt man sich unwillkürlich: ist es Recht? Hat eine exorbitant überlegene Lebensform das Recht, solche Wesen zu schaffen, Wesen die in natürlicher Umgebung keine Chance hätten ein Überleben zu bewerkstelligen, gezüchtet nur um die Krankheiten des Opressors an ihnen zu simulieren, hervorzurufen? Die selbst beim kleinsten Sonnenstrahl, der ihre gläserne Haut berührt, verbrennen würden, verglühen, wie der Funke einer trügerischen Hoffnung – welchen die Forschung an ihnen darstellt? (Anm. von Priv. Doz. OA Dr. Egle, Chefarzt an der Hämatologie im LKH Salzburg und unser Interviepartner in Teil 2: ‚Nacktmäuse gibt es durchaus auch als "Laune der Natur" – das ist eine Spontanmutation die in freier Wildbahn natürlich nicht überlebt – aber vorkommt und im Labor (also in der "geschützten Werkstätte") überleben konnte (so ähnlich wie heute Menschen auch mit schweren Behinderungen leben können, die noch vor 200 Jahren Ihr sicherer früher Tod gewesen wären). Nur um den Eindruck zu korrigieren es wären die Wissenschaft, die sich da "verrückte Dinge" einfallen lassen. Das macht die Natur sehr oft (da akzeptieren wir nur einfach viel leichter, dass das wohl so sein muss – es ist aber auch wahr, dass es eine sehr junge Errungenschaft ist das zu akzeptieren, die Launen der Natur als "normal" anzunehmen und z.B. Kinder mit Down Syndrom (Also einer spontanen Chromosomalen Mutation) als "Mitbürger" und nicht als "Missgeburt" zu sehen – nur soviel zu meiner Überzeugung, dass man sich nicht aussuchen kann was man für lebenswertes Leben hält oder halten will). Es ist also jede Ihrer Beobachtungen in Wirklichkeit etwas vielschichtiger als das leicht darzustellen ist.‘
Auch Dr. Hammerl bezeichnet Nacktmäuse als ‚eher eine Laune der Natur, als die eines Menschen‘; die Mutation sei ohne das Zutun von Biologen spontan von selbst entstanden. Auch sieht er die Zerbrechlichkeit deren haarloser Körper nicht ganz so dramatisch. Er vergleicht deren Anfälligkeit gegenüber der Sonne mit der Haut eines ‚sehr empfindlichen hellen Menschentypen‘.)

elfenhafte Wesen aus einer anderen Welt…


Durch den dunkeln Gang geht es weiter zur nächsten Tür; wieder der ‚Seuchenteppich‘, wieder tut sich vor unseren Augen eine Welt auf, die wir weder verstehen noch akzeptieren können.
Hier sind Ratten in ähnlichen Käfigen, deren Platzangebot ist im Verhältnis zu ihrer Körpergröße schon ein wesentlich beengteres; ein Fakt, auf welchen auch Dr. Hammerl sofort hinweist. Alle diese Ratten in jenem Raum, um die 50, würden sehr bald sterben müssen; normalerweise hätte man gar nicht so viele hier, aber man hätte sie die letzten Wochen hinweg ‚zusammengespart‘, da man bald neue Seminare abzuhalten hätte, wo diese Tiere, allesamt nun fast ein Jahr alt, gebraucht werden. Sezieren würde man sie, so viel sei verraten.
Normalerweise wären diese Ratten längst getötet worden, lebende ‚Vorräte‘ anzulegen sei nicht im Sinne der Fakultät, aber weil man von den Seminaren im Vorfeld wusste, hätte es Dr. Hammerl sinnvoll erachtet, nicht diese Tiere zu töten und dann ein paar Wochen später ‚neue‘ einzukaufen, nur um sie alsbald den SeminarteilnehmerInnen zur Übung deren Fingerfertigkeiten auszuliefern.
Mit gewisser Genugtuung vernehmen wir die Überlegungen des Doktos, beweisen sie doch einmal mehr, dass er den Verlust an Leben so weit als möglich minimieren möchte – dafür sind wir ihm sehr dankbar!

Auch die Lebenserwartung der Ratten an der Uni wäre nur auf einige Wochen begrenzt. Auch sie sterben meist mit ungefähr 10 Wochen, nur für zweckbezogene Studien dürfen Auserwählte dann etwas länger leben.

Wie es denn nun tatsächlich sei mit dem Mitleid, fragen wir erneut; ja, das steigere sich mit der Größe der Tiere, man baue schon mehr Verbindung z. B. zu einer Ratte oder einem Kaninchen als zu einer Maus auf. Mit Hunden, das wäre dann bestimmt nochmals eine enorme Steigerung, eine Gefühlschaos, welchem er nicht ausgesetzt sein möchte.

Auch Wachteln werden an der Uni gehalten; zur Zeit, wegen eines Umbaues, allerdings nur etwas fünf der Vögel, und experimentiert würde nicht an den Vögeln direkt, sondern nur an den von ihnen gelegten Eiern.

Ob er gerne hier arbeitet, interessiert uns nun; Dr. Hammerl’s Antwort ist eine schnelle, reflexartige, benötigt keine Zeit zum Überlegen; er versuche sein Bestes, aber im Wesentlichen sei es so, dass er niemals hätte mit Versuchstieren arbeiten wollen. Schon in der Ausbildung haben sich etwas in ihm immer gegen diese unleugbare Gewalt gegen andere Wesen gewehrt, aber das Leben geht eben oft eigene Wege. So sei er hier gelandet, versuche den Tieren nun bestmögliche Umstände zu bereiten und nebenbei seine eigenen Forschungen an Zellkulturen voranzutreiben.
Fast beschämt fügt er dem hinzu: ‚Ich liebe die Arbeit mit Zellkulturen, Molekülen und alles, was man im Reagenzglas machen kann. Aber der Vollständigkeit und Ehrlichkeit halber: Auch ich mache Tierversuche, wenn mir nichts anderes übrigbleibt.‘

ist ansatzweise artgerechts Leben in einer sterilen PVC-Welt möglich? Es ist boß menschliche Arroganz, die da behaupten würde: Ja!


Dr. Hammerl macht den Eindruck ein sehr ehrlicher und einfühlsamer Mensch zu sein, einer jener Zeitgenossen, in deren Nähe man sich schnell wohl fühlt; wir hätten gehofft und viel mehr erwartet anders empfinden zu können, aber mit jeder gegensätzliche Behauptung würden wir uns selbst belügen.

Das so aufwühlenden Treffen war ein sehr sinnvolles; es hat dazu beigetragen – wenn auch die eigenen Standpunkte unabrückbare sind – dass es doch wenigstens Respekt zwischen so gegensätzlichen Anschauungsmodellen geben kann; wir haben in Dr. Hammerl einen Gesprächspartner gefunden, der uns an ’seiner‘ Welt teilhaben lässt, nichts beschönigt, der uns einen unverhüllten Einblick gewährt; andererseits hoffen wir, dass auch für ihn neue Gesichtspunkte offenbart wurden. Eien erfreuliche Entwicklung:Dr. Hammerl hat ganz von sich aus angeboten eine Gesprächsrunde zwischen RespekTiere und Wissenschaftlern zu inizieren, wo wir weitere Antworten auf unsere Fragen erhalten werden.
Wir möchten usn auf diesem Wege für seine uns zur Verfügung gestellt Zeit und die große Geduld beim Beantworten unserer Fragen bedanken!

Bitte lesen Sie nächste Woche den 2. Teil dieser Serie, dann das große Interview mit Priv.Doz. OA Dr. Alexander Egle vom Salzburger Landeskrankenhaus sowie einen Impressionsbericht aus der Gefühlswelt einer Aktivistin!

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