Serbien, die Erste!

Wir sind zurück von unserem Serbien-Einsatz! Und es gibt so viel zu erzählen, dass wir die Ereignisse auf zwei Newsletter aufgeteilt haben – zum einen auf die folgende Recherche im Zoo vom Belgrad, zum anderen auf unsere Besuche in jenen riesigen Tierasylen, wo jede Hilfe benötigt werden würde – und unser erneutes Treffen mit der Ikone des Tierschutzes schlechthin: Frau Monika Brukner!

Es ist nun halb sieben Uhr morgens. Müde quetschen wir uns durch die engen Sitzreihen der Austrian-Airlines-Maschine, welche uns alsbald nach Belgrad bringen wird. Tatsächlich dauert es nun nicht mehr lange und die Maschine hebt mit einem Dröhnen der Motoren von der Landebahn ab; binnen weniger als eineinhalb Stunden und um einiges billiger als Selberfahren werden wir in der serbischen Metropole landen.

Die Nacht zuvor hatte uns keinen Schlaf gebracht. Von zu weit kamen wir angereist, viel zu früh mussten wir am Wiener Flughafen sein. Wie auch hätten wir schlafen sollen, mit gut drei Stunden Anreise und einer Deadline zum Aufgeben des Gepäckes um halb fünf Uhr früh?

Wir, das oft geprüfte und längst eingeschweißte Team von RespekTiere und dem Sternenhof, hatten uns deshalb schon gegen Mitternacht in St. Pölten getroffen und dann einen Freund in Wien besucht, wo wir noch 2 Stunden gemütlich zusammen saßen, über alte Zeiten tratschten und dabei wunderbaren heißen Kaffee genossen.

 Es ist nun halb 9 Uhr vormittags. Der angeschlagene Highway Belgrad’s hat uns bereits aufgenommen, wir finden uns wieder von dem derben Charme der Großstadt verschluckt. Eingereiht in die Anonymität Tausender auf der Suche nach Glück und Hoffnung, eingebettet in all die Chancen, welche ein neuer Tag verspricht. Die Stadt beginnt zu erwachen, wie ein gefräßiges Monster schluckt sie die Ströme der Gesellschaft, welche scheinbar ziellos in ihr irren, gleichsam als Blut in den Adern des Körpers ‚Zivilisation’.

Belgrad zeigt an manchen Stellen ein neues Gesicht, ein überraschend modernes, wenn riesige Bauten aus der Erde ragen, scheinbar getragen noch immer vom längst sterbenden Traum einer großserbischen Mächtigkeit. Glasfassadenstrotzend stehen sie da, fast unpassend der zerfallenen Größe, ein matter Abglanz von erhoffend wiederkehrender  Stärke; und sind doch nur starre Schaufenster in eine Welt die es so nie mehr geben wird, vielleicht nie gegeben hat. Ein harter Aufprall in der Wirklichkeit zerstört im Augenblick des Wimpernschlages diese Phantasterei endgültig, übrig bleib jedoch zwar eine bloss eine Ruine, aber dennoch: diese ist eine unerschütterliche. Nationalstolz an jeder Ecke, hunderte serbische Fahnen die im Gleichklang dem Wind trotzen. Die Straßen präsentieren sich gesäumt von PolizistInnen, unfassbar, alle paar Meter stehen welche und bewachen morgennebel-dampfende Straßen. Irgendeine hohe Persönlichkeit, verdienter- oder unverdientermaßen in diesen Stand gekommen, dürfte der Stadt einen Besuch abstatten; ein Faktum, welches sich jedoch jenseits unseres Interesses bewegt. Wir bahnen uns den Weg über ein zerklüftetes Asphaltlabyrinth, so zerbrechlich wie die Seele des Landes, in der Einsicht, irgend jemand politisch Mächtiges muss wohl unterwegs sein.

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Unser erstes Ziel im Osten Europas, dort wo die Zukunft noch immer in der Vergangenheit zu harren scheint, soll der Belgrader Zoo sein. Ein Schreckgespenst  der Empathie, ein Gefangenenhaus allerschlimmster Güte – so zumindest haben wir ihn in der nur allzu lebendigen Erinnerung einer Recherche-Reise vor einigen Jahren. Hat sich dort etwas geändert, hoffentlich zum Guten, oder erstarrt der Ort immer noch in den Abgründen menschlichen Irrsinns? Inkompetenter Überheblichkeit, mit Worten kaum zu beschreiben?

Schnell finden wir die veraltete Anlage im Herzen der Metropole. Tief eingegraben in einer weltberühmten alten Festung, eines Ortes, welcher wohl schon unfassbar unermessliches Leid im Laufe seiner Geschichte ertragen musste, genährt vom Schweiß und Blut, von Tränen und  Verdorbenheit, von der Zähigkeit und einer pochenden Überlebenskraft seiner über die Jahrhunderte hinweg an dieser Stelle gemordeten, gefolterten, feiernden, lebenden, leibenden und leider auch hassenden ZeitzeugInnen – tierlicher und menschlicher Herkunft!

Natürlich, Eintritt zu zahlen wäre keine gute Sache, würde die hier stattfindenen Grausamkeiten fördern, unterstützen – dafür spricht alleine die Ummauerung eine wohl überdeutliche Sprache: Zoos gehören in die Vergangenheit, Relikte einer unfassbaren Arroganz einer sich vom gemeinsamen Lagerfeuer allen Lebens erhebenden Spezies; Tierparks verkörpern Einrichtungen, welche so völlig fehl am Platz sind, in einer modernen Gesellschaft keinen Halt mehr haben dürfen  – wenn doch, dann verliert das Wort ‚Menschlichkeit’ jegliche Bedeutung, versinkt es in Banalität und Lächerlichkeit.
 

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Der Lernwert des Zoos? Nur in so geringem Maße vorhanden, in Zeiten von Computeranimationen und unumschränkter Reisefreiheit, einer Welt des Wissens, des allumfassenden Netzwerkes – und selbst wenn dem nicht so wäre, seit jeher haben die Tiergefängnisse in der Erfüllung eines solchen Auftrages ohnehin versagt, in allen Punkten – wurde uns doch über die Jahrhunderte hinweg ein ‚bildender Wert’ in der Zurschaustellung bitternen Leides – mit unschuldigsten Opfern, allesamt zu lebenslangen Haftstrafen verdonnert – vorgegaukelt; wir sind hierum zu dokumentieren, anzuklagen, nicht als Tierschützer, nein, viel mehr als Zeitzeugen. Unser Presseausweis öffnet die Türen ohne den Betrieb zu fördern.

 

Was soll man zum Belgrader Zoo sagen? Was ist noch nicht erzählt worden?! Jedermann/frau hier weiß, dass nicht alles rechtens ist was hinter den verschlossenen Mauern passiert; jedermann/frau weiß, dass der Direktor, ein Mann, welcher die Anstalt seit einem halben Jahrhundert mit unumschränkter Macht führt, überall im Land Verbindlichkeiten ausgibt, indem er ‚seine Schützlinge’, besonders begehrte wie zum Beispiel Wölfe oder Bären, als Jungtiere an InteressentInnen weiter gibt, gratis, doch damit ein ‚Ich-schulde-Dir-was’-Verhältnis aufbaut.
Ein Zoo, welcher international geächtet ist, weil er auf zu kleinem Raum viel zu viele Tiere sperrt…
 

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Das die Verhältnisse nicht immer ganz einfach sind, und dass der Herr Zoodirektor viele ungeahnte Freiheiten besitzt, so behaupten böse Zungen, hat auch etwas mit seinem Sohn zu tun, der in anderen Gesellschaften verkehrt – zumindest verkehrt ist, bis er 2009 in Spanien von der internationalen Polizei gefasst und als gefürchteter Unterwelt-Boss eingesperrt wurde. Serbische Autoritäten kreiden ihm an, zumindest 11 Morde an Clan-Gegnern einer organisiert zu haben. Solchartige Beziehungen haben dann zumindest in der Vergangenheit, so vermutet der Schelm, so manch versperrte Türen geöffnet und KritikerInnen nur allzu oft zum Verstummen gebracht.
 

Was ganz augenscheinlich ist, ist folgende Tatsache: es gibt im Zoo in Belgrad unfassbar viele Jungtiere, an welchen sich Zoo-BesucherInnen natürlich besonders erfreuen und diese in Massen anziehen; was dann mit den Jungtieren passiert, nach der ‚Saison nun im Teenager-Alter, bleibt eine Frage, die so manche/r besser nicht beantwortet haben möchte…

Jedenfalls haben dann nicht nur die Gefangenen selbst für reichlich Nachwuchs gesorgt, an jedem Eck findet man – vor unaufmerksamen BesucherInnen allerdings gut versteckt – kleine Räumlichkeiten, wo sich Heerscharen von Nagern und Geflügel tummeln – warum? Ganz bestimmt sind sie als lebender und günstiger Nahrungsmittelvorrat gedacht…

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Abgesehen davon präsentiert sich der Zoo dann völlig veralteter, angepasst an die verfallenden Steinmauern einer ehemaligen Festung samt Folterkammern, welche sich heute als unüberwindbare Barrieren für Bären und Raubtiere wieder finden.

Wir beobachten die gut zwei Dutzend Wölfe, aufgeteilt meist in Pärchen welche sich wenige Quadratmeter große Zwinger teilen, offensichtlich als Zuchtobjekte dienen; fast ausnahmslos leiden sie an Psychosen, bewegen sich immer im selben Trott, einige Schritte vor, einige Schritte zurück, springen gegen die Käfigabzäunung, werfen den Kopf im Wahnsinn vor und zurück, und beginnen danach den ewig gleichen Rhythmus.

Zwei Nilpferde, deren gnaze Welt ein kleines gemauertes Bassin darstellt, eine Welt aus kaltem Beton; ein Elefant, der seit Jahren einsam und allein seine Runde dreht, zwischen sich und der gaffenden Masse nur ein tiefer, grauer Graben – ein solcher, wie er in fast allen Zoos der Welt längst verpönt ist, da er ein enormes Unfallrisiko in sich birgt und so in früheren Zeiten Legionen von Dickhäutern zum Verhängnis geworden ist.

Ein Ochse in einem Verlies, kaum körpergroß. Man weiß gar nicht wo man anfangen soll in einer derartigen Aufzählung. Ach ja, auch Hunderassen werden hier ausgestellt, natürlich ebenfalls in Zwingern. Und lebende Nahrung gezüchtet, es gibt Räume voller Nager und Vögel. Mitten in einem Übergang zum Beispiel steht eine unscheinbare Säule mit einem kleinen Verliesfenster in gut 2 Metern Höhe; ein leichter Lichtstrahl und ein leises Gewimmere erregt meine Aufmerksamkeit – ich klettere hoch und finde darin Kücken und Entchen, zusammen gefercht auf dreckigem Stroh, offensichtlich der Verfütterung harrend…    

 

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Wir möchten aber gar nicht viel über den Ort erzählen, stattdessen lieber Bilder sprechen lassen. Bitte betrachten Sie diese Zeugnisse länger als Sie sonst Zeit mit dem Ansehen von Fotos verbringen; blicken Sie tief in die Augen dieser so bedauernswerten Geschöpfe – und dann überlegen Sie: ist der Zoo in Belgrad – und sind Zoos im Allgemeinen – nicht vielmehr Quälanstalten, Orte, wo die Unmenschlichkeit regiert, wo fühlende, leidende und höchst deprimierte Wesen ein Dasein als Schaustücke verbringen? Ist es nicht längst an der Zeit an der Institution Zoo zu rütteln, und am Gewissen der viel strapazierten Humanität?

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