Mauretanien – der große Bericht, Teil 2!

Wieder hat uns der Alarm am Mobiltelefon viel zu früh geweckt; die Strapazen des Einsatzes haben bereits merklich Spuren hinterlassen, und so schleppen wir unsere matten Körper unter die Dusche, um schnellstmöglich die bleierne Müdigkeit zu vertreiben und uns statt dessen möchlichst viel frisches Leben einzuhauchen.
Nur wenig später treffen wir dann auch schon auf der ersten Wasserstelle ein; hier im Zentrum des alten Teiles der Stadt, wo die Ärmsten der Armen leben, wo von den Elementen zernagte Materie, Wellblechhütten und Schmutz das Straßenbild prägen, wo Hoffnung viel zu oft vom ständig aufwirbelnden Wüstensand unter sich begraben wird, fechten Dr. Dieng und Mohammed jeden Donnerstag ihren verzweifelten Kampf. Wie Don Quichotte stemmen sie sich gegen die sprichwörtlichen Windmühlen, immer im Bewusstsein, wären sie nicht hier, niemand würde sich der geschundenen Kreatur annehmen. Eine solche Einsicht belastet das Gemüt ungemein, beschwert die Gedanken; aber letztendlich zählt nicht die Überlegung, sondern nur das Getane, und genau diese Tatsache ist es, welche ihnen unendlich viel Kraft verleiht… Sie sind inzwischen eine Größe, eine wahre Festung in der Brandung, ein Bollwerk gegen die Uferlosigkeit. Und wie ihnen die armen Eselleute für ihren Einsatz danken, wie sie das ihnen entgegengebrachte Geschenk der kostenlosen Behandlung erwidern? Indem ihre Tiere einen wesentlich gesünderen Eindruck erwecken als an Plätzen sonstwo, indem sie diesen während des Wartens zur Beladung das Gewicht der Wasserfässer von den Schultern nehmen, indem sie selbstständig Rückenpolster herstellen! Mehr dürfen wir uns nicht erwarten, denn alleine solche Fakten versinnbildlichen einen wahrhaft durchschlagenden Erfolg – bedeuten sie doch, die Eselhalter machen sich ernsthafte Gedanken über das Wohl ihrer Tiere! Eine Einsicht, die umwälzender nicht sein kann, verspricht sie doch die schleichende Veränderung einer jahrhunderte lang antrainierten Mentalität…
Wir verteilen die mitgebrachten Warnwesten – wie wichtig solche sind, offenbart sich sobald die Dunkelheit einbricht; dann nämlich, wenn die Karren unbeleuchtet durch die Straßenschluchten gelenkt werden, sind sie eine tödliche Gefahr für den Esel, für den Lenker (nur Männer sitzen auf den Karren) und natürlich auch für entgegenkommende VerkehrsteilnehmerInnen. Im Gegensatz zu europäischen Städten sind jene der 3. Welt viel zu oft völlig unbeleuchtet, kein Schimmer einer Laterne erhellt die Gnade der Nacht, welche neben der leichten Abkühlung auch ein bisschen Verhüllung von den Grauen des Alltages verspricht…
Bitte helfen Sie uns weiterhin, wir können gar nicht so viele dieser Leuchtwesten mitbringen wie wir verteilen sollten… Auch die Rückstrahler, wie immer haben wir solche von der KFZ-Reparatur-Firma Stephan Urlhart aus Pocking in Niederbayern (www.urlhart.de) mit uns, sind lebensrettend, und Sonnenbrillen von Ihnen gespendet sowie Kappen und andere höchst begehrten Güter finden zutiefst erfreute Abnehmer!
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Sie kennen sicher noch unser Projekt im Projekt – wir beschäftigen mehrere Frauen aus einem der ärmsten Viertel der Stadt, welche mit der Handarbeitsherstellung von Halftern (samt Zugriemen, wo nun der Lenker diese zu halten und so keine Hand mehr frei für den Schlagstock hat) und Wundauflagen einen wesentlichen Teil zum jeweiligen Haushaltseinkommen erwirtschaften können! Genau diese Hilfe, eine jener raren Win-Win-Situation für Mensch und Tier, welche treffender nicht sein könnte, möchten wir gerne wieder vermehrt forcieren. Bisher konnten wir für umgerechnet 10 Euro ca. 4 Halfter anfertigen lassen, nun ist aber das Leben in Mauretanien empfindlich teurer geworden, im selben Maße wie nahezu sämtliche Rohmaterialen. Zudem haben sich manche der Halfter als nicht allzu lange haltbar erwiesen und so werden wir nun auch noch stärkere Riemen verwenden müssen, was sich natürlich auf den Preis auswirkt. Dennoch, für dieselbe Summe können trotzdem noch immer etwa 2,5 Stück genäht werden, und die damit geschaffene Hilfe, wiederum für Mensch und Tier, ist eine immense! Ebenso die Wundauflagen, essentiell in ihrer Bedeutung, in ihrer Wichtigkeit. Ein Stück davon kostet zwar gut 4 Euro, doch welche Qualen damit erspart werden, ist augenscheinlich!
Wir bitten Sie an dieser Stelle, helfen Sie uns helfen!
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Foto: welche Erleichertung diese Wundauflage bringen, lässt sich nicht hoch genug bewerten!

Wir sind am Hühnermarkt; der Platz ist – keine andere Wortfolge scheint treffender – Chaos pur. Erinnerungen an Schwarzafrika werden wach, abertausende Menschen auf engstem Raum, in einer Insel umgeben vom tosenden Verkehr, der an ihren Rändern nagt, wie die sturmgepeitsche See am langsam zerfallenden Ufer. Im Markt selbst verrichten hunderte Esel ihren immer unbelohnten Dienst, zerschlagen und zerkratzt, vom Leben enttäuscht, verzweifelt. In ihren Augen liegt ein Flehen, mehr ein Sehen; es ist ein Sehnen nach Ruhe, der einzige Zustand, der ihnen noch erstrebenswert zu scheinen vermag. Sie sind vom Dasein enttäuscht, von einem wütenden Gott in eine grausame Welt geworfen, mitten unter jene, welchen ihr Schicksal oft nur sehr wenig bedeutet, außer der Tatsache, dass man auf ihren Rücken Geld verdienen kann.

Zappa und Moussa erleben diesen Wahnsinn für vier Stunden jede Woche, eine unvorstellbare Tortur für den empfindsamen Geist.
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Wir helfen natürlich wieder mit, so viel und so gut es geht. Dr. Facharani verabreicht Schmerzmittel, zeigt dem Team wie man mit Eisenklammern Wunden schnell und fast schmerzlos zutackert, redet in seinem nahezu perfekten Arabisch auf die Eselhalter ein. Wir geben Wurmmittel, halten die Esel während der Behandlung und kleben unsere mittlerweile sehr berühmten Aufkleber, welche die Menschen nun täglich daran erinnern werden, dass der große Prophet Mohammed einst sagte, in einer Sure im Koran verewigt: ‚Wer Gnade am Tier übt, an dem wird Allah Gnade üben!‘
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Fotos: unfassbar: zur Kennzeichnung wurde dem armen Esel einfach ein Ohr abgeschnitten – die Wunde hat sich schrecklich infiziert…

Wir wandern zu Fuß zu einer anderen Wasserstelle, welche wir ebenfalls im Programm haben; dabei entdecken wir einen Esel, ausgesetzt, einsam; er kann kaum gehen, seine Hufe sind so hoffnungslos, so furchtbar verwachsen, dass jeder Schritt wohl schreckliche Schmerzen bereitet. Ohne zu überlegen nimmt ihn Zappa am Halsstrick, führt ihn mit; angekommen an der Wasserstelle begingen wir sofort mit der Behandlung – und wie ein Wunder, Zappa schafft es nach gut 30 Minuten tatsächlich den Zustand der Hufe um 100 % zu verbessern… wie er das gemacht hat, es ist ein Rätsel! Dr. Facharani bemerkt, überall sonst wäre die Aussicht auf einen derart durchschlagenden Erfolg bei null gewesen – bitte sehen Sie die ‚Vorher-Nachher‘-Bilder! Sooooo schön, so helfen zu dürfen!!!!

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Natürlich, wir können den Esel unmöglich mitnehmen, aber zumindest ist seine Situation nun nicht mehr hoffnungslos – er hat jetzt wenigstens eine Chance! Zum Arbeiten wird er nie mehr genommen werden, und ja, er wird ein Ausgestoßener bleiben, aber das heißt in einem Land wie Mauretanien nicht, dass dies immer was Schlechtes bedeuten muss, zumindest nicht für ‚Tier‘ – vom Menschen hat er ohnehin nur Schmerz und Leid zu erwarten, so ist es meist allemal besser aufgrund der Behinderung unbeachtet zu bleiben. Und: er kann nun um so vieles besser gehen, im weiteren Umkreis nach Nahrung suchen – nebenbei, Zappa wird immer wieder nach ihm sehen!

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Fotos: das RespekTiere-Team im Einsatz!!!

Wir möchten an dieser Stelle nicht missen einmal mehr dem wunderbaren Dr. Matthias Facharani aus Bayerisch Gmain bei Salzburg unseren herzlichsten Dank auszusprechen! Seit zwei Jahren begleitet er nun schon das Projekt und in dieser Zeit ist es nicht zuletzt durch ihn gelungen riesige Fortschritte in unseren Bemühungen zu erzielen. Dr. Facharani ist längst ein wesentlicher Teil derso ehrgeizigen Bemühungen; er arbeitet unfassbar effektiv, höchst engagiert, und der Fakt, dass er zweimal im Jahr seine eigene Klinik für einen Einsatz in Mauretanien schließt, ringt uns wohl den allerhöchsten Respekt ab! Durch seine fließende Beherrschung der arabischen Sprache schafft er es eine Nähe zu den Eselhaltern aufzubauen, welche ohne sein Wirken nicht möglich wäre – einfach nur fantastisch!!!

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Fotos: Dr. Matthias Facharani, einzigartig, wie er ist!

Am nächsten Tag gilt es an einer Wasserstelle einen blutigen Eingriff durchzuführen; ein Esel leidet unter einem schweren Abszess, ganz sicher eine Folge des brutalen Schlagens, und der Eselhalter weiß das auch – er zeigt Reue, ob die echt ist oder nur bedingt durch das Verlangen einer kostenlosen Behandlung, darf uns im Moment nicht belasten. Alle Ärzte reden auf ihn ein, und sogar seine Kollegen prangern ihn mit scharfen Worten an. Dem Esel hilft das im Augenblick leider nichts, er muss die Sünden seines Halters bitter büßen; Dr. Dieng schneidet oberhalb und unterhalb der Wunde mit sicheren Schnitten kleine Öffnungen, wo er dann das Blut und das unter der Haut angesammelte Eiter abfließen lässt. Dr. Facharani behandelt mit Antibiotika, und später wird durch den so entstandenen Kanal eine Drainage aus absorbierender Mullbinde gezogen. Diese wird nun im Inneren des Gepeinigten aushalten, bis sie Dr. Dieng nach wenigen Tagen wieder entfernt. Der Esel, unfassbar gutmütig wie die so wunderbaren Tiere nun mal sind, nimmt den unabwendbaren Eingriff mit der seiner Gattung eigenen Gelassenheit hin. Eselkenner wissen vom Schmerz, beobachtet man nur sein Ohrenspiel, doch nach außen hin lässt sich der Arme die trotz der leichten Betäubung bestimmt ohnmächtige Qual nicht wirklich anmerken. Ab und zu stampft er nervös, doch sein Geist scheint sich mit der Tatsache abgefunden dass Mensch übermächtig ist; in diesem Falle ist es zwar zu seinem Guten, doch wie oft wohl hat er schon Gegenteiliges bezeugen müssen?
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Auch an Zappa’s Behandlungsort, er und Moussa bilden das eine Team, während Dr. Dieng und Mohammed an anderen Orten helfen, gibt es wieder viel zu tun. Auch heute stehen wieder einige schwierige Hufarbeiten an der Tagesordnung, zusätzlich müssen eingetretene Eisenteile entfernt werden. Stellen Sie sich vor, all das war undenkbar, bevor das Projekt ‚Esel in Mauretanien‘ Wirklichkeit geworden ist – wie viel Leid unser Team wohl schon im fernen Mauretanien verhindern oder zumindest mildern konnten, ist in seiner Reichweite nicht hoch genug einzuschätzen!
Ein Mann lenkt seinen Eselkarren an der Wasserstelle vorbei, eingeordnet im noch massiveren Verkehr als sonst – heute ist Freitag, der Tag des Gebetes, und bis zum Beginn des Wochenendes zu Mittag erbricht sich eine Blechlawine unfassbaren Ausmaßes über die für diese enorme Belastung nicht ausgelegten Verkehrswege – nur um am frühen Nachmittag in nahezu gespenstische Ruhe getaucht zu werden, wo dann für mehrere Stunden kaum ein Mensch auf den Straßen zu sehen sein wird!
Der besagte Esel geht furchtbar schlecht, torkelt mehr vor sich hin; Zappa bemerkt die Situation als erster und hält das Gespann auf. Jetzt erst erkennen wir, der Eselhalter selbst ist ebenfalls schwer behindert, ein Umstand, der wohl überall in der Welt große Probleme nach sich zieht, in einem Land wie Mauretanien jedoch wird derart gehandicaped jeder Tag zum Kampf ums nackte Überleben. Wir überreichen den Gebrechlichen eine Warnweste, um nun wenigstens in der Dunkelheit einen bedingten Schutz zu haben, kaufen etwas zu trinken, während Zappa an den verwachsenen Hufen seine Arbeit verrichtet. Das Ergebnis ist ein bekanntes: sofort fühlt sich das arme Tier offensichtlich wohler, es steht wieder fest auf den Beinen, kann wesentlich schmerzloser laufen! Dankbar schüttelt der arme Mann unsere Hände und setzt seinen unbestimmten Weg fort, entschwindet alsbald den betroffenen Blicken. Wir wünschen den Beiden vom Herzen alles, alles Gute für eine unbestimmte Zukunft!
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Am Nachmittag sind wir wieder am Fischmarkt; dort, wo hundertausende der Meeresbewohner dem Atlantik entrissen werden, ist es kein guter Platz um zu sein. Ein Gewühl von Fischern, von zweifelhaften Geschäftsleuten, von Schmutz und Gestank geprägt, soll – doch etwas paradox, eine jener feinen Ironien des Schicksals – eine der Haupteinnahmequellen des Wüstenlandes sein. Mauretaniens Küsten galten lange Zeit als eine der fischreichsten der Welt, doch undurchsichtige Geschäftsgebaren verteilen die Einnahmen aus dem Naturschatz sehr ungleichmäßig. Während die oberste Schicht in teils unfassbarem Reichtum schwelgt, ein Promillteil der Bevölkerung, weiß die unter Klasse meist nicht wie sie den nächsten Tag bestreiten soll; tatsächlich gehört Mauretanien zu den ärmsten Ländern der Welt, mit einer beängstigenden Lebenserwartung von knapp über 50 Jahren!
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Es gibt Gerüchte, nach welchen Mauretaniens Regierung ihren Hafen in Nouakchott von China bauen ließ, im Gegenzug sämtliche Fischereirechte für eine bestimmte Zeit dem ‚Roten Drachen‘ übertrug – was bedeutete, dass das Reich der Mitte schonungslos über lange Zeit hinweg die Küste mit riesigen Abfischschiffen leerraubte. Die aberhunderten kleinen, bunten Boote der lokalen Fischer bleiben angesichts der mit unvorstellbaren Subventionen ausgestatteten ausländischen Flotten immer öfters am Strand, den es lohnte sich für sie kaum noch das Meer zu befahren. Den riesigen Kuttern, Fang- und Zerlegeschiffe in einem, darunter auch jenen der verschiedensten EU-Staaten, hoffnungslos unterlegen, gerät ein ganzer Berufszweig, das Rückgrat eines darbenden Landes, in allerärgste Bedrängnis. In Küstennähe gibt es nun kaum noch Fische, weiter hinaus können sie sich nicht wagen, viel zu groß die Gefahr eines Zusammenstoßes mit den Stahlmonstern der Industrienationen. Die Folge: viele geben ihre Arbeit auf, reihen sich in Folge langsam ein in die namenlose Masse jener, die in den Armenvierteln in Müll und Schmutz und ohne Hoffnung vegetieren; einige andere verkaufen ihre Schiffe um Spottpreise, oft an gierige Menschenhändler, welche Armutsflüchtlingen eine nur in den seltensten Fällen verwirklichbare Zukunft im goldenen Europa versprechen. Viel öfters jedoch, faktisch mit hoher Wahrscheinlichkeit, landeten die von Aussichtlosigkeit im eigenen Land vertriebenen jedoch in den Abendnachrichten, dann, wenn sich wieder eine jener furchtbaren Katastrophen im Meer abspielte, und dutzende Leichen an den Stränden Spaniens angetrieben werden…
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Heute aber muss der Fang gut gewesen zu sein; über weite Fläche starren uns unzählige Tierleichen entgegen – wie sie ausgesetzt der gnadenlosen Sonne für den menschlichen Verzehr genießbar bleiben, ist uns ein Rätsel. Berge der Tiere scheinen einfach zu verdorren, Kastenwägen und Pickups zum Bersten überfüllt mit Fischkadavern. Wie nach einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes rinnen Ströme von Blut zurück ins Meer, ganz so, als ob der Lebenssaft erneut mit fieberhafter Eile sein Element zu erreichen versucht, um dort zu neuem Leben zu erwachen; tatsächlich bilden sich richtiggehende Rinnsale, färben den Sand dunkelrot, und unweigerlich werden Erinnerungen an biblische Vorhersagen zum Endzeitalter wach.
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Erschreckend ist wohl auch die riesige Anzahl toter Tiere, welche scheinbar einfach übersehen, ungewollt am Strand zurückgebleiben. Überall starren leere Augen in einen gleisenden Himmel, vielen fehlen dieselben, wohl von den übersatten Seevögeln als einzige Delikatesse entnommen. Während nur wenige Kilometer entfernt, in Fakt ist die Stadt, welch gefräßiges Monster, doch schon fast bis zum Strand herangewachsen, täglich Menschen verhungern, sind diese Fische völlig umsonst gestorben; wie Müll verunzieren sie die Landschaft, als stumme Zeugen einer Raubgesellschaft, die selbst vom Dasein schwer betrogen, aber andererseits wie zum Trotz die Heiligkeit anderen Lebens offensichtlich nicht zu schätzen vermag.
Um uns abzukühlen beschließen wir kurz im Ozean zu schwimmen. Der Strand wird schon 200 Meter nach dem Fischerhafen zusehend menschenleerer, nur mehr kleine Gruppen von Jugendlichen versuchen der Trübe des Daseins ein wenig Lebensfreude abzugewinnen; allerdings, kaum haben wir uns der T-Shirts entledigt, beginnen solche Interesse an uns vorzutäuschen, und während wir von dreien in ein Gespräch verwickelt werden, greifen hinter uns andere blitzschnell zu! Tatsächlich versuchen sie mit unseren Taschen zu entschwinden, aber, welch großes Glück, weil diese geöffnet sind und auseinanderklappen, zeigen sie sich für den entscheidenden Moment verunsichert, und während wir noch aufspringen, lassen sie sie wieder fallen und laufen im Sprinttempo davon! Wir hätten es besser wissen müssen, nicht umsonst warnen sämtliche Quellen von so einem unbedachten Strandaufenthalt… dennoch, wir beschließen uns die Freude nicht nehmen zu lassen, gehen näher in Richtung Hafen, dort wo sich mehr Menschen aufhalten, und genießen kurz das kühlende Nass. Doch als sich dann erneut eine große Gruppe zusammengesellt und unseren Badeplatz umschließt, packen wir doch zusammen und enteilen im Schutz von vorbeiziehenden Passanten der Stätte der Gefahr…

Am nächsten Tag sind wir am Eselmarkt, jenem Platz, über welchen wir in der Vergangenheit schon so viele Gedanken verloren haben. Es ist in der Tat nach wie vor wohl einer der schrecklichst vorstellbaren Orte der Welt, umgeben von riesigen Tiermärkten, wo im Minutentakt Schafe und Ziegen durch einen – natürlich immer unbetäubten – Kehlschnitt ihr Leben im schmutzigen Wüstensand aushauchen. Es ist ein Ort des Blutes, und Tod und Verderben liegt in der Luft. Das Atmen fällt schwer angesichts des beißenden Geruchs der ihn umgibt, sowie der untragbaren Tragöde, die hier unentwegt und fortgesetzt passiert. Tote und sterbende Esel zuhauf, überall im Gelände finden sich verkohlte, verwitterte und verwesende Tierleichen. Hierher kommen die Eselhalter um neue Tiere zu kaufen, verletzte einzutauschen oder solche, die zu schwer verwundet sind, einfach zurückzulassen in einer mondähnlichen, düsteren, sandigen, von Müll verunstalteten, ja lebensfeindlichen, Landschaft auszusetzen. Wir haben es schon erwähnt, es ist auch nicht möglich jenen beim Übergang in eine andere Welt zu helfen, weil ansonsten die Besitzer unweigerlich kommen würden um übertrieben hohe finanzielle Ansprüche zu stellen – es hätte ja sein können, der Esel hätte sich nun, wo er nicht mehr zur Arbeit fähig ist, doch auch erholen und dann das Lastenschleppen fortsetzen können… würden wir es dennoch tun, die Gesellschaft würde uns nebenbei sofort das Vertrauen entziehen, im selben Moment meiden und wir könnten gar keinem Esel mehr helfen!
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Ein Esel liegt zwischen den Zelten der Eselhändler am Boden, unsanft versucht ihn ein alter, fast tauber Mann aufzurichten; als das arme Tier keine Bewegung mehr schafft, sollen Fußtritte helfen, auch andere Menschen eilen herbei, nur um mit bloßer Gewalt ein Aufstehen zu erzwingen. Unser Team rückt an, gemeinsam tragen wir den Esel zu den winzigen Schatteninseln, und die Mediziner versuchen durch Verabreichung verschiedenster Medikamente den Zustand zu stabilisieren. Wir bringen Wasser, der Arme schafft es kaum den Kopf zu heben, letztendlich trinkt er einen Schluck. Ob er den morgigen Tag erleben wird, wer mag es wissen; auf jeden Fall sollen Schmerzmittel und Antibiotika die ärgste Not lindern. Zudem ringen wir der versammelten Menge das Versprechen ab, ihn dem Schatten folgend zu bewegen. Morgen werden wir wieder nach ihm sehen, bis dahin bleibt uns nichts als die bange Hoffnung…
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Wir suchen neue, zusätzliche Wasserstellen, wo unser Team künftig einmal wöchentlich behandeln wird. Auf dem Weg durch die Stadt, durch einen Dschungel an ärmlichsten Wellblechhütten und zerborstenen Asphalt- und Wüstensandwege, unterbrochen nur von einzelnen gut gesicherten Palästen wohlhabender Menschen, Gebäude, die wie zum Hohn aus einer anderen Welt entkommen zu sein scheinen, vorbei an Kindern, welche mit aus weggeworfenen Metall- und Plastikmüll zusammengebastelten Spielzeugen unter gleisender Sonne dem kindlichen Gemüt freien Lauf lassen – vielleicht ist es gerade ihr Lachen, ihr Toben, welches dem Geist erlaubt nicht am Gesehenen zu zerbrechen…
Überall entlang der Straßen kehren und fegen Menschen, tragen Müll zusammen – es gibt eine neue Anordnung des Präsidenten, jedermann/frau muss am Wochenende zwei Stunden dem Gemeindewohl dienen und bei den Aufräumarbeiten helfen! Tatsächlich ist Nouakchott viel sauberer geworden, obwohl, jemand aus dem Westen, der/die zum ersten Mal hier ist, wird wohl kaum glauben, was wir hier schreiben; denn zu belastend ist die Szenerie allemal, und der Müll in den Straßen würde zusammengetragen bestimmt immer noch ausreichen um eine europäische Großstadt darin versinken zu lassen – tatsächlich aber, nun nach fast 10 Jahren Einsatz in der Mauretanien-Metropole, können wir den Unterschied nicht nur bemerken, sondern er erfüllt uns mit großer Hoffnung auf eine bessere Zukunft!

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Fotos: Aufbruchstimmung in Nouakchott! Umweltschutzthemen nehmen einen immer größeren Bereich für sich ein! Mitte: zu tun gibt es aber immer noch mehr als genug… unten: ein riesen Problem: durch das Abpumpen des (Süß-)Grundwassers drängt nun Salzwasser ungehindert nach oben; ganze Stadtteile sind überschwemmt – hier am einstigen Stolz, dem Palmengarten, sieht man die Katastrophe vielleicht am besten – die Bäume sterben, zu hunderten…

Wir werden unser Team künftig mit einem Kompressor bestücken, einem kleinen, tragbaren, dazu eine Autobatterie für die nötige Energie, um dann die Reifen der Eselkarren aufzupumpen. Das wird eine riesige Erleichterung für die Esel sein, viele der Menschen hier fahren die Karren fast luftleer… warum? Weil Luft in Pumpen Geld kostet, welches sie nicht haben oder nicht investieren wollen…

Am nächsten Tag sind wir wieder frühmorgens an einer Wasserstelle. Heue ist extrem viel los, sicher auch weil es für die Jahreszeit selbst für mauretanische Verhältnisse ganz furchtbar heiß ist. Tatsächlich brennt die Sonne vom Himmel, 35 Grad sind schon am frühen Nachmittag erreicht! Wir verteilen heute wieder große Mengen von Ihnen gespendeter Warnwesten, dazu Schirmmützen und Kappen. Auch einige Sonnenbrillen haben wir mitgebracht. Immer betonen wir, diese Güter sind für jene Menschen, deren Esel weitestgehend wundfrei sind. Und mittlerweile gibt es davon echt einige!

Zwei kleine Jungs kommen mit ihrem Esel; sie haben eine Strecke von gut 10 Kilometern zurückgelegt, was ebenfalls sehr für unsere mobile Klink spricht – der Ruf eilt ihr voraus! Die Hufe des Esels sehen furchtbar aus – aber wir haben ja Zappa! Ein Mann kommt, ebenfalls von weit her, er sagt, sein Esel zu Hause könne nicht mehr gehen. So fahren wir nach getaner Arbeit zu jenem Ort, der inmitten eines Armenviertels liegt, wie man es sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Aus Plastik-, Metall- und Holzteilen zusammengekittete Hütten, umgeben von rostigem Eiseneinfriedungen – wie ein Bild aus einer anderer Welt – obwohl, diese brauchen wir nicht zu bemühen, es gibt unfassbar viele solcher Orte auf unserem eigenen Planeten, als anklagende Zeugen einer der ganz großen Schanden der Menschheit.

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Wir finden den Esel schließlich – wie, ohne jegliche Navigation, nur mit Ortskenntnis und den wagen Anweisungen des Eselhalters, können wir uns kaum vorstellen – Mohammed und Zappa aber schreiten sicheren Schrittes durch den inzwischen glühend heißen Sand; und da liegt das Häufchen Elend, direkt vor uns! Es riecht in der Umgebung bereits nach Verwesung, nach Tod und Verderben, und der Arme kann sich nicht mehr erheben. Wie denn auch, die unteren Exkremente an beiden rechten Beinen weisen furchtbare Wunden auf, stehen bis weit unter die Hufe unter Eiter, von rot, gelb, bis in schwärzliche Töne verfärbter Haut mühevoll zusammengehalten. Hautfetzen hängen herab, Blut und allfällige Körperabsonderungen verbinden sich zu einer zähen, faulig riechenden Masse. Jetzt kommen auch einige Leute, der Eselhalter selbst, er meint, das arme Tier wäre von jemand mit einem Messer derart zugerichtet worden – bereits vor 2 Wochen wäre das passiert!!!!! Man hat ihn hier einfach so liegen gelassen, unvorstellbar welche Schmerzen er spätestens nach der Infektion erlitten haben muss! Dr. Facharani schüttelt ungläubig den Kopf, allesamt sind wir tief ergriffen. Selbst Mohammed und Zappa, die schon so viel gesehen haben, bleibt beim Anblick die Luft weg, für Augenblicke fast erstarrt, und ungewohnt zögerlich beginnen sie langsam mit der Hilfe. Zuerst tragen wir den Esel in den Schatten, glätten zuvor den Boden. Er bekommt Antibiotika, Schmerzstiller, Vitamine, alles was wir im Programm haben. Dann beginnen wir mit der Wundreinigung, desinfizieren, verabreichen Wundsalben, Penicillin, darüber in Jod getränkter Verband. Die Prozedur wiederholt sich beim hinteren Fuß. Dann holen wir noch Wasser, der Esel trinkt in langsamen, aber gierigen Schlucken – wann hat er wohl zum letzten Mal Flüssiges bekommen? Jemand bringt auch Futter, Pellets, hier eigentlich ein riesiger Luxus – jetzt aber nehmen alle Anteil am Schicksal!
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Unser Team wird die nächsten 7 Tage jeden Tag hier sein, weiterbehandeln, immer wieder frische Verbände anlegen, Wundreinigung betreiben. Aber dennoch, ob der Esel überleben wird, wissen wir nicht. Was wir wissen, ist, alles dafür zu unternehmen!
 
Langsam neigt sich unser Einsatz dem Ende zu. Schweigsam packen wir am späten Abend des letzten Tages in Mauretanien unsere Sachen; zugegeben erleichtert, all das wieder ein bisschen verdrängen, verschieben, zu können, aber ganz, das kann und soll uns nicht gelingen. Gedanken lasten wie Blei – was wird sein, wenn wir weg sind, werden die Esel, um die es so schlecht stand, überleben? Wie viele derartige Fälle gibt es in der Stadt verstreut, wann werden die Menschen endlich begreifen, dass man Tiere so nicht behandeln darf? Wir vertrauen in die Fähigkeiten unserer Mannschaft, und dieser Gedanke bringt uns wenigstens ein wenig Frieden.

Im Flugzeug reden wir kaum, jeder für sich zu tief in eigener Gedankenwelt verloren. Wir werden bald wieder zurück in Mauretanien sein, so viel steht fest; die nächste Einsatzreise ist schon für den Februar vorgesehen, und wir bitten vom ganzen Herzen – unterstützen Sie dieses Projekt! Bitte helfen Sie uns helfen, den armen Eseln in Nouakchott; wenn wir nicht wären, niemand sonst würde ihnen beistehen! Lassen Sie uns diesen so überlebenswichtigen Kampf gemeinsam kämpfen! Sie werden sehen, nach dem nächsten Einsatz werden die Nachrichten noch besser sein, wir werden von neuen Erfolgen berichten können. Bis dahin versprechen wir, alles in unserer Macht stehende zu unternehmen, um jenen Fels in der Brandung auszubauen, welchen wir mittlerweile darstellen und welchen die armen Tiere in Mauretanien wirklich dringenst benötigen!
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 Foto: lassen Sie uns anpacken – die Esel brauchen uns und wir brauchen Sie!!!     
 

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