‚Tradition‘? Nein, ‚Tierquälerei‘! Ponykarussell als Relikt des Mittelalters…

Eine Tierfreundin hatte sich letzte Woche aufgeregt bei uns gemeldet; sie berichtete von einem Kirtag in Oberösterreich, genauer in Adlwang Nähe Bad Hall, wo unter anderem auch ein Ponykarussell aufgebaut worden war.
Sie wissen, seit vielen Jahren versucht RespekTiere ein Verbot für diese Art der unbestrittenen Tierquälerei zu erreichen. Genau wie bei den Wachteln, beim Schächten oder bei der Hornanbindung von Rindern greift in jener Thematik das Gesetz leider nicht tief genug, und so gibt es die mittelalterlich anmutende ‚Tradition‘ noch immer; vor allem bei Volksfesten und Adventmärkten geht das stille Leiden unverändert weiter.
Um unsere Meinung dazu kundzutun, machten wir uns am vergangenen Sonntag deshalb auf den langen Weg nach Adlwang; es sei vorweg genommen, eine ganze Ortschaft im Ausnahmezustand fanden wir dort vor. Die Straßen gesperrt, gesäumt von Jahrmarktständen, der Duft von gebratenen Mandeln und Zuckerwatte in der Luft, im Ortszentrum dann der Vergnügungspark. Tosender Lärm, Hektik bei den Fahrgeschäften. Nicht zuletzt ob des goldenen Herbstwetters ein ungebrochener BesucherInnen-Ansturm, der die Kassen der Gewerbebetreibenden wohl gut füllen und deren Gesichter mit einem Lächeln zurücklassen wird.
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Fotos: Kirtag – und das ganze Dorf ist auf den Beinen! Es gibt viele kunterbunte Dinge zu kaufen, leider auch Kuriositäten aus dem Leichenschauhaus: Murmeltier-Öl oder Dachs-Balsam, präsentiert in direktester Art und Weise…
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Soweit, so gut. Etwas am Rand des Hauptgeschehens entdeckten wir nun alsbald das kleine gelb-rote Zelt. Auch davor hatten sich eine Menschenreihe gebildet, unbedachte Eltern mit ihren Kindern, um eine Karte für die nächste Runde zu erwerben – wo dann Ponys ihre winzigen Runden im nur wenige-Meter-Durchmesse-Karussell drehen werden! Stellen Sie sich die Belastung für die armen Wesen vor; immer nur im kleinsten Kreise, ohne Unterlass. Dazu der Kirtagslärm und die schwere Arbeit, die Kinder auf dem Rücken, sehr wahrscheinlich kaum eines davon reit-erfahren; was bedeutet: die Kleinen nehmen als zusätzlich enorme Belastung wohl nur seltenst eine für die Pferdchen halbwegs erträgliche Position auf deren Rücken ein. Quälerei pur – erzählen Sie uns von Unternehmen, von Gewinnen, von Arbeitsplatzsicherung, von Kleingewerben (wir sollten es an diesem Tag des Öfteren hören, dass wir Arbeitsplätze gefährden) – aber nennen Sie einen Tathergang wie diesen dabei auch beim Namen. Verstecken Sie ihn nicht hinter hohlen Hülsen wie ‚Tradition‘ oder dergleichen, es ist, was es ist: TIERQUÄLEREI! Wer anderes behauptet, der/die lügt oder dessen/deren emphatisches Empfinden ist irgendwo in der Welt der Dollars und Euros verloren gegangen.
Wir fotografieren die armen Tiere, aber schon macht es den Anschein – die Betreiber wissen sofort, warum wir hier sind! Nun gibt es kein Zögern mehr – hinter einem Schausteller-Wagon streifen wir die Kostüme über, ein blutiges und eines des Sträflings. Dazu Pferdemasken und ein Transparent: ‚Ponykarussell-Verbot: JETZT!!!‘ und schon finden wir uns in direkter Linie zum Schauplatz wieder!
Im nächsten Moment bilden sich erneut Menschentrauben, dieses Mal vor uns; eine breite Zustimmung zur Aktion schlägt den AktivistInnen entgegen. Die Standbetreiberin, ja eine Frau, bliebt bemerkenswert ruhig. Der Veranstalter erscheint, will Ausweise kontrollieren, ein Begehren, welches wir verneinen. Dazu fehle wohl die Befugnis; er bittet uns nun, ein bisschen auszuweichen, nicht direkt vor dem Zelt der Pferdchen zu stehen. Dem kommen wir gerne nach, finden zwei Meter entfernt einen ohnehin besseren Standort: am Zugang zur Sackgasse, wo sich das Karussell befindet. Besser, weil dort der ganze Menschenstrom vorbeizieht und so die Botschaft noch mehr Menschen zu sehen bekommen.
 
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Später konfrontiert uns auch die Standbetreiberin; sie erklärt, warum sie dieses Geschäft betreibt, aber auch, dass sie beispielsweise immer wieder Pferdchen vom Schlachter rettet, dies aber nur tun kann, wenn sie über entsprechende Einnahmen verfügt. Auch ein Eselchen, ausgestellt im kleinen Frei’gehege‘, käme von einem Bauern, der es ansonsten ‚erschlagen‘ hätte. Diese Rettungsaktionen sind natürlich äußerst begrüßenswert und ganz fantastisch, aber warum man deshalb ein Ponykarussell betreibt, diese Frage bleibt dennoch offen. Nachvollziehbar ist es nicht, denn sonst müsste es im Rückschluss ja auch verständlich sein, wenn jeder unserer wunderbaren Gnadenhöfe ein solches betreibt… wir leben in einer verrückten Welt, aber so verrückt ist sie nun wieder auch nicht…
Die Pferdehalterin bietet uns aber auch ein Gespräch an, bei ihr zuhause, wo wir uns von der ‚guten Haltung‘ der Tiere überzeugen könnten; da ‚durchs Reden die Leut‘ z’samkommen‘, werden wir das Angebot natürlich auch annehmen. Was aber selbstredend keinen Unterschied zur Beanstandung des Karussells machen kann – Tierquälerei bleibt eben immer nur Tierquälerei, egal der Rahmenbedingungen.
 
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Fotos: das Interesse an der Aktion war ein großes; und das Bestreben, ein Karussellverbot zu erwirken, fand durchwegs reine Zustimmung!
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Nach vielen sehr guten und einigen leider auch schlechten Gesprächen verlassen wir schließlich am späteren Nachmittag den Standort; auch nächstes Wochenende wird das Ponykarussell wieder vor Ort sein, das steht fest – dann, wenn wir in Bulgarien unser Kastrationsprojekt betreiben.
Wir bitten Sie, schreiben Sie dem Veranstalter. Vielleicht könnte er, wird er freundlich auf den Tatbestand hingewiesen, zumindest im nächsten Jahr davon absehen, eine Genehmigung für einen solchen Stand zu erteilen. Die Adresse jedenfalls lautet pramhas@adlwang.ooe.gv.at, Herr Pramhas Alfred, Gemeindeamt!

Und wir, wir werden unseren Feldzug weiterführen; es könnte in absehbarer Zeit tatsächlich ein neues Tierschutz-Volksbegehren geben, und all unsere Kämpfe der letzten Jahre, sie würden sich einen Eintrag in dessen Statuten mehr als verdienen: Nein zum Ponykarussell! Nein zur Hornanbindung von Kühen! Nein zur derzeitigen Wachtel(nicht)regelung! Ja zu einem ausnahmslosen Schächtverbot!
Ob sich der Initiator, der hoch engagierte Sebastian Bohrn Mena, zu einer Nennung dieser Punkte durchringen kann? Wenn die Sache eine stimmige werden soll, dann müsste er es zumindest überlegen!
 
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Foto: die Schuld an der Misere alleine bei den StandbetreiberInnen zu suchen, wäre nicht gerecht; denn warum, im Angesicht der Triste und selbst ungeachtet eines Protestes, unterstützen so viele Eltern eine so offensichtliche Tragödie?
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