Wenn Hundebabys wie Müll behandelt werden…

Unser Bulgarien-Einsatz neigt sich langsam seinem Ende entgegen. Heute möchten wir Euch noch eine kleine, aber umso aussagekräftigere Geschichte vom ganz normalen Wahnsinn im Balkanland erzählen!
Wir hatten irgendwo in Breznik einen Welpen aufgefunden; der Arme rannte mutterseelenalleine und offensichtlich orientierungslos durch die Straßen, unbeachtet von den Menschen ringsum. Zu oft wiederholt sich eine derartige Szenerie, zu alltäglich ist der Anblick, als dass jemand auf ein solches Schicksal überhaupt nur aufmerksam werden würde. Das Hundebaby ließ sich aber nicht einfach einfangen, nein, es bewies Lebensgeister, und nur durch einen Trick gelang es schließlich den Welpen festzuhalten und in die Transportbox im Auto zu bringen.
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Während wir nun wieder aufbrechen wollten, kam ein Mann, in schmutzige Kleidung gehüllt und auf Krücken gestützt, auf uns zu; er deutete an, er hätte ebenfalls Hunde im Garten, welche wir auch noch mitnehmen sollten. Also folgten wir ihm; hin zu einem zerberstenden Haus, einer Triste aus verwelktem Beton und verfaulendem Holz, von den Elementen übel zugerichtet, der verwachsene Garten vom Abfall übersäht. In einem Eck des Durcheinanders war altes Brot ausgelegt, vom Schimmel befallen – offensichtlich der Essensplatz für die Hunde. Anderes hatten sie wahrscheinlich nie bekommen. Mitten im Inferno – ein weißer Welpe im gottfürchterlichstem Zustand! Sein Körper ein Gerippe, jeder einzelne Knochen zeichnete sich durch die gespannte, pergamentene Haut ab. Seine stahlblauen Augen schienen um Hilfe zu bitten, seine Gestik aber wollte keinerlei Schwäche verraten. Was für einen unbändigen Mut der kleine Kerl besaß! Knurrend, zähneknirschend, huschte er im Augenblick davon, von mir verfolgt durch einen dunklen, mit Glasscherben und Plastikmüll verunstalteten Gang hinter dem Haus; beim WC, ein sogenanntes Plumps-Klo im Freien, ein Loch mit drei verfaulenden Holzwänden um sich, versteckte er sich hinter einer dicken Folie, welche im Garten vor sich hin verrottete. Vorsicht war geboten, der Süße offensichtlich krank, trotzdem aus tiefster Kehle knurrend – gebissen werden sollte man im Einsatz nie, in diesem Falle wohl ganz besonders nicht! Tollwood ist noch immer ein Thema in Bulgarien, andere Krankheiten sowieso. Letztendlich aber konnten wir ihn durch einen schnellen Griff in den Nacken festhalten; der Welpe nutzte nun die letzten Kräfte, wollte sich unbedingt befreien; warum, stellten wir uns die Frage, warum ergab er sich nicht einfach – schlechter konnte es für ihn ohnehin nicht werden, egal was immer auch passieren mag. Vielleicht wollte er nur seine Ruhe, in der Hoffnung alsbald zu sterben, seine Seele auf den Weg irgendwo hin über die Brücke gleiten zu lassen; dorthin, wo ‚Mensch‘ entweder der Zutritt gänzlich verboten oder er Gleicher unter Gleichen ist und reumütig vor Scham den Blick zu Boden gleiten lässt, wenn sein ‚bester Freund‘ vorbeikommt; im Wissen, er hat unfassbare Verbrechen an ihm begangen…
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Fotos: Müll und Dreck als Lebensraum, schimmeliges Brot als Nahrung…
Nun war auch der Junge des Mannes gekommen; 10, 12 Jahre alt, am Vormittag fern der Schule, mit Zigarette in der Hand. Er bemerkte trocken, ein zweiter Welpe wäre im Garten, auch den sollten wir suchen. Was wir aber vorher noch fanden, war ein im Gras liegender toter Welpe; entsorgt wie Müll, liegengeblieben, genau dort, wo er seine letzten Atemzüge getan hat. Unbeachtet, unbeweint. Ein Schicksal unter hunderttausenden…
Dann entdeckten wir den Gesuchten; auch er versuchte sich mit vor Panik geweiteten Augen zu verstecken, ins Gras einzugraben, hinter den Büschen zu verschwinden, im Müll unsichtbar zu werden. Als er sich aber entdeckt wiederfand, zeigte er ebenfalls die blanken Zähne, mutig wie ein stolzer Krieger, trotz der bodenlosen Unterlegenheit keine Spur von Aufgabe. Einmal noch entwischte der Arme, nun aber steckte er in der sprichwörtlichen Klemme – eine verrostete Eisenplatte schränkte seinen Fluchtweg auf eine einzige Alternative ein – direkt auf uns zuzulaufen. Dazu allerdings fehlte ihm bereits die Kraft. Ebenso dünn wie sein Geschwisterchen, noch dazu mit einer schwer verletzten Vorderpfote; wohl von einem schweren Gegenstand auf die doppelte Größe breitgewalzt…
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Fotos: das Herz eines Löwens… hoffnungslos gefangen, dramatisch unterernährt, mit zertrümmerter Pfote; trotzdem stellt sich die Süße allem entgegen, was auch immer kommen mag… unten: dieses Hundebaby war bereits tot; wir konnten nichts mehr tun. Was mit den anderen 6 passiert ist, werden wir wohl nie erfahren. Gutes aber sehr wahrscheinlich nicht…
Zurück im OP-Saal wurden natürlich sofort Parvovirose-Tests gemacht, alle Anzeichen würden der Krankheit entsprechen. Durchfall, der Gewichtsverlust, die Apathie; Gott sei Dank zeigte der Streifen aber fast überraschend ein negatives Ergebnis, ebenso beim 2. Verdachtsfall, der Staupe!
Dennoch mussten wir die Süßen erst mal von den anderen Hunden separieren; oft brechen die heimtückischen Krankheiten Tage später so richtig aus, und derartige Viren wären verheerend bei der Ansammlung von Hunden auf kleinem Raum.
Wärmeflaschen wurden mit heißem Wasser gefüllt, die Käfige mit warmen Decken ausgelegt; der weiße Liebling erhielt mehrere Infusionen, Medikamente wurden verabreicht; aber bis heute, fast eine Woche nach ihrer Entdeckung, kämpfen die beiden Tapferen um ihr Leben (dem erstgefangenen Welpen geht es dem Himmel sei Dank deutlich besser). Ob sie es schaffen werden? Man weiß es nicht. Jedenfalls sind sie in bester Obhut, unsere so fantastische Tierärztin hat sie nach dem Einsatz zu sich mitgenommen.
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Foto unten: Cosi, alex und ich haben die Welpen zum Zentrum gebracht – jetzt muss ein Parvo-Test zeigen, ob sie nicht an der höchst ansteckenden Seuche erkrankt sind…
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Wären wir nicht zufällig vor Ort gewesen, die drei wären gestorben wie sie gelebt hatten; völlig alleingelassen, die Mutter wahrscheinlich getötet, sie zurückgeblieben in einer Welt, die sie nicht liebt. Ihr Leben wäre zerronnen wie der Schnee an den Südhängen zu Beginn des Frühjahres. Niemanden wäre ihr Schicksal auch nur aufgefallen, zu oft passiert dieselbe Tragödie jeden Tag.
Es liegt an uns, was wir aus solchen Geschichten lernen; gewiss ist aber, nur Kastrationsprojekte verhindern derartiges Tierleid. Nur Kastrationen können den Lauf des Geschehens verändern, die Misere vielleicht irgendwann besiegen. Der Umgang mit Straßentieren ist eine Schande der Menschheit, vielleicht ihre größte überhaupt. Tragen wir alle dazu bei, wenigstens einen Bruchteil dessen, was wir ihnen angetan haben, wiedergutzumachen!
In diesem Sinne: bitte kaufen Sie keine Hunde vom Züchter, zumindest solange nicht, wie sich solche Tragöden fast direkt vor unserer Haustüre abspielen. Jeder adoptierte Hund ist ein gerettetes Leben, jeder extra gezüchtete nimmt einem, der nichts dringender als ein zu Hause brauchen würde, seinen Platz weg. Bitte denken sie darüber nach!
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Foto rechts unten: die letzten Sonnenstrahlen einfangend – an der Leiter ist die Infusionslösung aufgehängt, der kleine Weiße benötigt die Flüssigkeit dringendst!
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