Salzburgs größte Molkerei verspürt Gegenwind – und der riecht doch nach Skandal!

In ein paar Tagen treffen wir uns erneut mit VertreterInnen der Salzburg Milch in deren Zentrale in Salzburg Itzling. Sehr positiv haben wir das Engagement der größten Molkerei Salzburgs, die drittgrößte Österreichs (nach der Bergland Milch bzw. der NÖM und knapp vor der Gmundner Milch), bisher bewertet. Salzburg Milch, viele werden sich an unsere diesbezüglichen Berichte erinnern, hat eine ‚Tierwohl‘-Initiative gestartet, welche zumindest einmal am Papier ihresgleichen sucht. Die dazu passende Print- und Fernsehwerbung zeigt uns dann auch noch Bilder einer perfekten Idylle auf der Alm, verspricht Naturbelassenheit in allen Bereichen und ein artgerechtes Leben für die Tiere. Es ist eine Win-Win-Situation wie aus dem Bilderbuch, in der eine tierliebende Bauernschaft schließlich Produkte präsentiert, die regionaler und fairer gar nicht sein könnten. Fairer zum Landwirten und fairer zum Tier. All diese Komponenten, gepaart mit genauer Kontrolle und regelmäßigen Kuh-Gesundheitschecks – als einzige Molkerei zählt die SalzburgMilch eine eigene Tierärztin zu ihren Angestellten, was doch sehr lobenswert ist –  suggerieren größtmögliche Sicherheit für die KundInnen. Das Tierschutz-Öko-Wunderland Österreich in Reinkultur, wo hübsche Menschen in Lederhose und Dirndl einen Kübel Milch in eine Blockhütte schleppen und von dort mit einem Laib vollmundigsten Käse wieder herauskommen.
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Der einzige Unsicherheitsfaktor dabei: Fernsehkameras genau wie Papier sind geduldig, das weiß man. Wir wären deshalb nicht wir, würden wir uns nicht immer wieder selbst von der Einhaltung der Versprechungen überzeugen.
Fakt ist, bei über 2600 VertragspartnerInnen wenig überraschend, nicht immer lässt sich der Wunschgedanke des Handelskonzerns in die engen Grenzen der Realität pressen. Fakt ist aber auch, SalzburgMilch hat alle unsere diesbezüglichen Hinweise bisher sehr ernst genommen und betroffene Höfe ohne Verzögerung aufgesucht. Was man dem Konzern zugutehalten muss, eine Tatsache, welche ein gutes Gefühl bereitet. Allerdings, es gibt da ein kleines Problem und dieses – meint man eine Konversation von Seiten der Firmenverantwortlichen tatsächlich ernst – muss ebenfalls angesprochen werden dürfen.
Nämlich, dass am Ende der Fahnenstange – aus bisheriger Erfahrung ziemlich egal wie der Fall dann auch immer gelagert ist – der Landwirt in eine faktisch Unschuldsposition gehievt wird. Bilder, die dann bloße ‚Momentaufnahmen‘ sind, ein Hof, der ‚im Prinzip‘ ein Vorzeigehof ist, Bedingungen, welche gerade im ungünstigsten Moment so vorgefunden wurden und dergleichen. Beispiel? Stier mit Nasenring. 30 Stunden nach unserem Hinweis gibt SM grünes Licht, die Haltung wäre in Ordnung.
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Als ‚Beweis‘ ein Foto vom nun sauberen Stall, mitsamt der fleißigen Bäuerin. Die streichelt den Stier – der immer noch am Nasenring hängt.
Oder: der Vorwurf, ein Stier in einer körpergroßen Bucht. Antwort – der Hof als gesamter ist ein mustergültiger Betrieb, das Bild eine – Originalzitat – ‚Momentaufnahme‘. Er war zum Schlachten ausgesucht, deshalb dorthin verfrachtet worden. Für ein paar Tage, oder höchstens Wochen…
Auslauf; Nachbarn bestätigen, noch nie waren an bestimmten Höfen Kühe im Freien. In einem Falle haben wir ein Foto entlang der Stallwand gemacht, ein Platz, der sich am Tag der Recherche vollgeräumt mit Gerümpel präsentierte. Der Hofbetreuer schaut bereits 24 Stunden später nach dem Rechten – und macht dann Bilder, wo sich Kühe plötzlich im Freien aufhalten… auf besagter Fläche, leergefegt und mit einem schnell aufgebauten, provisorischen Drahtgeflecht umgeben.
Konsequenzen gab es – und wir entschuldigen uns im vornherein, sollten wir jetzt falsch liegen (werden dies in einem solchen Fall natürlich auch öffentlich nachholen) – unseres Wissens nach für keinen der Landwirte.
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Fotos unten: der Vergleich – links, die Fläche am Tag der Recherche; rechts, 24 Stunden später am Tag der Überprüfung (Bild, Quelle: SM) gibt es plötzlich ein (provisorisches) Auslaufgatter, samt Rückenkratzer-Bürste
Allerdings, wenigstens wurde in angeführten Fällen reagiert. Sofort reagiert. Man versteckte sich als Konzern – im Gegensatz zu den betroffenen LandwirtInnen – keine Sekunde in einer Opferrolle, ging sofort in die Offensive. Es folgten Veränderungen, es gab Gespräche auf verschiedenen Fronten, Ställe würden gesäubert. Alles gut.
Der nächste Fall ist anders; was da passiert, ist nahezu frech, noch direkter gesagt, eigentlich ein Schlag ins Gesicht. Nicht nur in unseres, auch in das der SalzburgMilch. Ein SM-Bauer entlang einer Landstraße hält seine Kühe dem Vernehmen nach seit Jahrzehnten an der Kette. Nie, so sagten uns Menschen, die tagtäglich ein- oder sogar mehrmals am Hof vorbeifahren (und das sind so einige, liegt die Landwirtschaft doch an der direkten Verbindungstraße zwischen Salzburg und Hallein), konnte man Kühe an den unmittelbar am Hof angrenzenden, weitläufigen Wiesen sehen. Noch nie, in all den Jahren nicht. Um aber die SM-Vorgaben zu erfüllen und damit den Werbebotschaften zumindest oberflächig gerecht zu werden, wurde wenigstens ein Auslauf errichtet. Ein erbärmlicher zwar, ein paar Quadratmeter purer Beton, aber Größenangeben dieser ‚Freiflächen‘ sind Teil des Tierwohlprogrammes nicht. Ein riesiges Werbeschild der ‚Premium Milchmacher‘ darauf montiert, und alles ist in bester Ordnung, Molkerei-Bosse und (zumindest die) leichtgläubigen KundInnen sind beruhigt. Nur, eine Kuh konnte in dem winzigen Verschlag dennoch nie entdeckt werden.
Mehrmals schauten wir deshalb nach; immer war der Auslauf leer, nie gab es darin auch nur eine Kuhflade, welche darauf hingewiesen hätte, das Stück Beton würde wenigstens doch ab und auch benutzt. Gras wuchs innen, welches bald den Asphalt zu sprengen drohte. Ein sicheres Indiz, hier sind nie Wiederkäuer am Werk. Sonst hätten die Pflanzen an jenem Platz wohl keine Chance zum gedeien. TierschützerInnen läuten beim Bauern, fragen nach einem Gespräch. Dort erfahren sie, die umgebenden Wiesen wären für die Weidehaltung zu feucht. Da würden sich die Kühe im Matsch die Füße brechen. Nebenbei, der Landwirt würde ohnehin bald in Pension gehen, Nachfolger hätte er keinen. ‚Die paar Jahre noch, da werde ich nicht mehr umstellen.‘ Ob er das den SalzburgMilch-Managern auch so gesagt hat?
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Fotos: oben, 2019, unbenutzter Auslauf; unten, 2019, Kühe im Stall angekettet…
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Jedenfalls, es kommt noch schlimmer. Wie zum Hohn ist nun selbst das Alibi-Gatter, die Umzäunung, wieder abgebaut; lehnt jetzt an der Stallwand, die ‚Premium Milchmacher‘ noch immer zur Werbung auf die Straße hingewandt. Ungläubiges Staunen; ist das eine Botschaft? An den Tierschutz, wo ja seit dem 1. Jänner die dauernde Anbindehaltung verboten ist, an uns selbst, oder gar an die SalzburgMilch? Seht her, ich tu was ich will und pfeif auf Eure Vorgaben. Kette 365 Tage im Jahr, so wie wir es immer getan haben. Und was früher gut war, ist es heute auch noch.
Als sich ‚unser‘ Tom persönlich von den Gegebenheiten überzeugt, trifft er den besagten Landwirt vor Ort an. ‚Verschwinde, Du Arschloch‘, sind die ersten Worte, die dieser an ihn richtet. Kein Innehalten, kein Überlegen; keine Reue. Nur ansatzlose Täter-Opfer-Umkehr. Schuldig sind die, die so etwas aufzeigen, nicht die, die das Gesetz brechen, jenes des Staates und jenes des Abnehmers noch dazu. Dem er damit ganz nebenbei die mühsam erkämpfte Glaubwürdigkeit Stück für Stück wegnimmt. Der Millionen in eine Imagekampagne schüttete, eine Kampagne, die, so scheint es, bereits vom erstbesten kleinen ‚ich hab das immer schon so gemacht‘-Bauern wieder ins Absurde geführt werden kann.  Darüber sollten die ‚Premium-Milchmacher‘ auch nachdenken, bevor sie uns zum wiederholten Male sagen: ‚Am Hof ist alles in Ordnung.‘ Und weiters, ja, natürlich würden die Kühe rausgelassen – nicht auf die einsehbare Wiese, aber in den Innenhof. Tatsächlich? Diese Feststellung verwundert uns dann doch, denn sie kann nur wenig glaubhaft sein. Denn dort sind Blumenbeete, Jausentisch und Kinderschaukel. Eine Versicherung also, zumindest genauso plausibel wie die geweckte Illusion, die meisten der Milch-Kühe wären die meisten Zeit des Jahres sowieso auf der Alm.
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Fotos, oben: 2020, angettet; Auslauf 2020 abgebaut…
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So, und nun hat die SM plötzlich noch ein weiteres Problem. Darauf werden wir später genauer eingehen, für den Moment aber so viel: besagtes ist wohl ein riesiges. Denn es scheint erwiesen, dass ein Kalb eines Vorstandsmitgliedes (!!!) des Konzerns über Spanien in einen Schlachthof eines arabischen Landes, in diesem Falle in den Libanon, gebracht worden war; dass es dort die Hölle auf Erden erwartete, liegt ohne jede Frage selbst entgegen des ursprünglichen Wissens des letztendlichen Zielortes in der vollen Mitverantwortung des Verkäufers. Verstehen Sie uns nicht falsch, selbstredend darf der Landwirt laut Gesetz seine Kälber an spanische Mäster verkaufen. Leider. Innerhalb der EU sind solche Geschäfte einem österreichischen Bauern/einer österreichischen Bäuerin erlaubt. Es ist sein/ihr Recht. Von Recht zu sprechen bringt uns dann aber zur Verantwortung – und eine solche endet keinesfalls nach dem Beladen des Kälbertransporters. Nein, sie bleibt im selben Maße über das bestehen, was dort in weiterer Folge mit ’seinen‘ oder ‚ihren‘ Tieren passiert. ‚Ich hab das nicht gewusst‘, entbindet ihn/sie die traurige Feststellung einer Schuldigkeit? Wohl keinen Millimeter.
Apropos ‚Recht‘ – das hier so grauenhaft in den Schmutz getretene Substantiv bringt uns im nächsten Moment bereits wieder zur Glaubwürdigkeit. Und die ist ein für alle Mal verspielt, wenn man im ‚anderen Leben‘ seine Firma als ‚Tierwohl-Initiatoren‘ zu platzieren versucht, im Wunsch, sich mit derartigen Schlagwörtern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mit-Anbietern zu verschaffen. Auch von Regionalität wird gesprochen – spätestens jetzt ist die Phrase als Werbegag entlarvt, blutbesudelt; Blut, welches im Wüstensand tausende Kilometer fern der Alm-Idylle in einem Meer aus Angst und Leid versickert…

Es wird ein spannendes Treffen mit der SalzburgMilch, soviel steht fest!
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Foto: wir haben das unvorstellbare Grauen in einem Schlachthof in Mauretanien mit eigenen Augen gesehen; Kühe und Schafe sterben den vorstellbar schrecklichsten Tod! Wenn nun sogar Schafe oder Kühe aus Österreich auf eine solche Reise gesendet werden, dann ist dies gelinde gesagt ein Skandal. Ein bodenloser. Eine Bankrotterklärung des Tierschutzgesetzes. Und nicht nur dessen, sondern eine sämtlicher diesbezüglicher Bestimmungen. 
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