Wie schlecht doch waren die Vorzeichen für diese Reise; unmöglich, wurde uns da gesagt, von den verschiedensten Stellen. Andererseits, was hatten sich da Berge an Hilfsgütern angesammelt, von vielen, vielen herzensguten Menschen gespendet, welche so gerne anderen eine Freude machen wollten; und es hatte uns jedes Mal beinahe das Herz gebrochen, all die Güter einsam vor sich hin stehen zu sehen; im Moment unbewegte, ungebrauchte Platzfüller. Im Wissen, anderswo wären sie vielleicht so heiß erseht, dringend benötigt. All die Säcke mit Kleidung, mit Werkzeugen, mit Hygieneartikeln. Und Spielsachen, Stofftiere, Tretroller, neue Puppen, Spiele selbst, wie würden diese Dinge Kinderaugen gerade zu dieser Zeit des Jahres zum Leuchten bringen! |
Fotos oben: vom Hundefutter bis hin zum Spielzeug, oft nagelneu gekauft; unzählige Päckchen und Kartons werden uns immer wieder geschickt oder sogar gebracht Andrea Pohl aus Deutschland beispielsweise, die herzensgute, sie sendet in regelmäßigen Intervallen dutzende solche! Foto unten: genau darum MÜSSEN wir fahren – die Hunde leiden, Corona hin oder her… |
Und dann noch die Hunde bei Frau Oprea; Sie wissen, jene 85 Jahre alte Frau, welche rund 100 der Süßen – zuvor chancenlos auf den Straßen der Stadt umhergeirrt, immer in der drohenden Gefahr von einem Hundefänger, staatlichen Schergen, eingefangen und einem todsicheren Schicksal zugeführt zu werden – bei sich am Rande der Stadt, irgendwo im Nirgendwo aufgenommen und in Sicherheit gebracht hatte. Jetzt, wo sämtliche Nahrungsressourcen aufgrund der Menschenkrankheit weggefallen waren (kaum ein Hilfstransport riskierte den weiten Weg, und die Restaurants, von wo stets überlebenswichtige Essensreste gekommen waren, sind seit Wochen zugesperrt). Nein, ob all dieser Überlegungen, wir mussten es einfach wagen. Durchziehen, wie man so schön sagt, ohne Rücksicht auf Verluste, einfach den Motor starten und sehen was passiert. Selbst feststellen, was möglich wäre und was nicht. Da hilft kein Zaudern, kein Abwarten. JETZT werden wir gebraucht, nicht erst im Jänner, Februar oder gar März! Ja, vielleicht wäre schon an der österreichischen Grenze zu Ungarn Ende der Fahrt, aber dann hätten wir uns nichts vorzuwerfen, wir hätten es wenigstens versucht. Anstatt zu lamentieren zu handeln, das ist doch stets die Devise gewesen und sie wird es auch bleiben. Solange wir atmen. Das RespekTiere-Virus in uns lässt anderes nicht zu. |
Fotos: back to the roots – dahin, wo wir zu Hause sind: auf den Straßen Ost-Europas! |
Letztendlich war die Entscheidung also keine wirklich schwere; ran an die Arbeit, eine Arbeit mit unsicherem Ausgang freilich. Der Van bis unters Dach prall befüllt – unfassbar, welcher große Menge an Gütern der Laderaum bei geschickter Frachtverteilung fasst – fanden wir uns nun tatsächlich bald auf der Ostautobahn wieder. Der anfangs zwar bitter kalte, aber dennoch sonnige Tag sollte nun beim Vorüberziehen der niederösterreichischen Agrarflächen alsbald ein trüber werden, ein von Nebelschleiern geplagter; jene tragen dann allerdings in Macht in sich, die Wunden einer der Natürlichkeit entrissenen Landschaft gnadenvoll zu verdecken. Nun die hunderten Windräder im Pannonischen Becken, nimmermüde Giganten, stumme Zeugen einer Gemeinschaft, welche selbst die letzten Flecken Natur längst zum Industriepark umgewandelt hat. Auch wenn sie diesen in all ihrer Präpotenz grün anzufärben versucht. Schwingende Rotorblätter, die mit surrendem Geräusch ihren Unmut in die Welt flüstern; selbst der Wind längst ein Gefangener, zur immerwährenden Arbeit verpflichtet. Sein Lied ist ein dementsprechend trauriges, das Umfeld, besonders bei diesem Wetter, ein in dumpfe Melancholie getauchtes. Je näher wir der Grenze kommen, desto beschwerter werden die Gedanken; im Wissen, dass die Fahrt nun bald enden könnte, gerade jetzt, wo wir bereits seit Stunden unterwegs waren – nein, jetzt sollte, dürfte, es kein Zurück mehr geben. Aber die Wege sind unergründlich; wir im Fahrzeug, wir sind jetzt nicht mehr die Player, nicht die, die die Zukunft entscheiden. Die Karten liegen am Tisch, es ist wie im Spiel, rien ne marche plus, nix geht mehr. Die Würfel gefallen, das Schicksal, besser der Zufall, entscheidet. Dann taucht die zwischennationale Zone auch schon vor uns auf; kaum Verkehr, die österreichischen Behörden kontrollieren gegenüber streng die Einreise – wie werden wir, falls das Unternehmen nun überhaupt eine Fortsetzung erfährt, die wohl bewältigen? Keine Zeit darüber nachzudenken, wenn es soweit ist, wenn die rot-weiß-roten Grenzbalken auf der eventuellen Retourfahrt vor uns auftauchen, dann werden wir uns dem Problem eingehend widmen. Ein Versprechen des Moments. Und dann volle Konzentration auf die rot-weiß-grünen Behörden, welchen es nun abliegt, über Weiterkommen oder vorzeitigen Stopp zu entscheiden |
Foto: erstmals würden wir uns darauf wirklich freuen – rumänische Fahrverhältnisse! 🙂 |
Auf der Ausreisereise der Alpenrepublik ist niemand zu sehen; warum auch, aus den Augen, aus dem Sinn. Allerdings müssen wir nun die ungarische Zöllnergarde passieren; die steht aufgereiht parat, mit strengen Blicken und maskenbehangen erwartet man uns. Tatsächlich, sämtliche Fahrzeuge werden angehalten. So auch das RespekTiere-Mobil; Henriette, die nun auch schon mehrere Male bei solchen Einsätzen dabei war, spricht aber – als großer, allerdings auch einziger Trumpf in des Hilfsbeabsichtigten Hand – perfekt ungarisch. Sofort erzählt sie den Beamten von der Notwendigkeit der Fahrt; unterstrichen wir diese – ach ja, es gibt da sogar noch eine weitere Ass-Karte – von Papieren, welche die rumänische Caritas dankenswerterweise im Vorfeld übermittelte. Womit sie den Transport offiziell als ‚Hilfstransport‘ auswies. Ein paar bange Augenblicke folgen; aber dann nickt das Trio in Uniform freundlich, überreicht uns eine Transitplakette und wünscht gute Fahrt! Wow, die Erleichterung ist eine wahrhaft große; denn nun ist zumindest eines gewiss: die Sachen werden so oder so ihr Ziel erreichen. Wir hatten nämlich, von Vorahnung geplagt, bei der so wunderbaren Frau Doina – eifrige RespekTiere-Newsletter-LeserInnen wissen längst über den letzten Engel Gottes in Menschengestalt Bescheid – angefragt, ob es denn nicht die Möglichkeit gäbe, dass, wenn wir wie befürchtet, ja, sogar vermutet, den rumänischen Boden nicht betreten dürfen, ob denn nicht eventuell jemand zur Grenze kommen könnte, nur, um die Sachen entgegenzunehmen und sie weiter zu transportieren. Als Sicherstellung sozusagen, damit letztendlich in jedem Fall der Zweck erfüllt wird, die lange Reise keine umsonst getätigte gewesen wäre… gemeinsam würden wir bei einem Verbot des Übertritts dann im ‚Niemandsland‘ zwischen den Balken umzuladen, ein bisschen tratschen, Zwischenmenschliches austauschen und den Weg später in die jeweils entgegengesetzte Richtung fortsetzen: tatsächlich, so wartete Tiberus, der immer bereite Tier- und Menschenfreund und Schweigersohn Frau Doinas, bereits auf unseren Anruf, um mit seinem übergroßen VW-Bus loszustarten; und ebenso ein Fahrer der Caritas selbst, der sich bereit erklärt hatte, die doch rund einstündige Fahrt von Temeswar auf sich zu nehmen. Sodass wir die Riesenladung dann auf zwei kleinere Busse aufteilen könnten… |
Fotos: überall an den Grenzen endlose LKW-Staus… in jede Richtung! |
Durch Ungarn verläuft die Reise ziemlich geruhsam; die Wettersituation zwar nebelig, aber ruhig, der Verkehr beherrscht von LKW’s zu tausenden, die privaten PKW-LenkerInnen fehlten größtenteils. Es gibt strenge Covid-Regeln im Nachbarland, das öffentliche Leben ist komplett heruntergefahren. So kommen wir denkbar gut voran, eilen in Riesenschritten dem begehrten Ziel entgegen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit steigt aber die Nervosität; die Ausreise aus Ungarn gestaltet sich noch planmäßig – was kümmert es die Magyaren auch, wir hatten ihr Land bloß für den Transit benutzt – die Zoobeamtin freut sich zudem sehr, als sie vom Zwecke der Fahrt erfährt. Ein stilles ‚Thank you‘, entweicht aus ihrem Mund, es klingt wie eine Auszeichnung für uns… Wir tauchen im nächsten Augenblick ins Niemandsland zwischen den beiden Nationen ein, ein leeres Feld als Überbleibsel aus dem Ostblock. Dann läutet das Telefon: Raluka ist am Apparat, die Tochter von Frau Doina und Ehefrau von Tiberus; sie, eine der wunderbarsten Tierschützerin welche wir auf all den Fahrten bisher kennenlernen durften, ist ebenfalls mit dem Guten mitgekommen, sie verhandelt gerade keine 100 Meter entfernt mit den Zöllnern über die Möglichkeit unserer Einreise! Allerdings, es gibt ein Veto, und zwar ein deutliches. Nein, unmöglich sei der Aufenthalt im Land. Nur mit einer in-Hand-gehenden Quarantäne im Karpatenland überhaupt nur denkbar. Kurz macht sich Enttäuschung breit, doch es bleibt keine Zeit für Trübsal. Raluka gibt nämlich nicht auf, setzt nach, Nadelstiche. Wieder und wieder ermahnt sie die Wichtigkeit, die Beamten sollen wissen, dass sie es wohl mit zu verantworten hätten, wenn besonders Kindern und Tieren mit der Vorschrift viel Freude genommen werden wird. Letztendlich gibt der Zöllner die Verantwortung ab; Raluka soll mit unseren Pässen zu einer Vorgesetzten gehen; allerdings, ja nicht zum Arzt, ermahnt der griesgrämige, doch im Innersten unglaublich nette Uniformierte sie noch, ‚gehen Sie geradewegs zu der Amtsleiterin, ohne Umwege‘! Ein wohl gutgemeinter Rat. Denn der Doktor würde unweigerlich Quarantänevorschriften walten lassen. Und ja, in der Tat, um das bei der Zollstation errichtete Versorgungszelt sammeln sich bereits viele Menschen. Allesamt murren sie; sämtliche der in einer mittlerweile langen Schlange Angestellten bekommen nämlich Karten einer vorangegangenen Registrierung, welche bei der Ausreise wieder abzugeben sind; inklusive der Zuweisung zur ‚Zwangsverwahrung‘… Schließlich kommt die gute Frau zu uns, direkt ans Autofenster; sie wiederholt monoton, die Einreise wäre im Prinzip unmöglich. Nur zum Dinge ausladen, das wäre so fein, würde so vieles erleichtern, hört sie jetzt von Raluka. |
Wir bemerken ein Zögern im Tun, ein Überlegen. Und letztendlich siegt die Menschlichkeit, auch in diesen schweren Zeiten; ok, aber, kein Aufenthalt, rein ins Land, erledigen Sie die Arbeit und raus aus dem Land. Wie lange dürften wir bleiben, drei, vier Stunden, fragen wir noch. ‚Wie ich sagte‘, antwortet sie, allerdings mit einem sanften Augenzwinkern: ‚rein ins Land, Arbeit verrichten, raus aus dem Land‘. Für uns ist die zweideutige Erklärung eindeutig; ok, wir erledigen den ersten Teil der Arbeit heute noch, werden das unentbehrliche Behindertenheim von Marius anfahren, dort all die Schachteln und Säcke auslanden, ein bisschen Hundefutter für den vierbeinigen Wächter zurücklassen, dann ein paar Stunden schlafen. Und, den zweiten Teil der Arbeit, der kann ja nur im Hellen funktionieren – ist die Zufahrt zu Frau Opreas Asyl doch selbst bei Tag fast nicht zu packen, bei Nacht unmöglich zu bewerkstelligen! Somit, als persönliches Fazit, sind dennoch irgendwie alle zufriedengestellt, zumindest reden wir uns das ein – bis die Arbeit erledigt ist, sagte die Amtsleiterin, also, genau so lange werden wir in Rumänien bleiben! 🙂 |
Foto oben: Herzklopfen an der Grenze; unten: Erleichterung pur: die rumänische Autobahn!!! |
Es passiert dann auch derarts; zuerst zu Frau Doina, auf eine herrliche Gemüsesuppe und ein noch herrlicheres ‚Herzlich Willkommen‘; sooo nette Gespräche, denn ein bisschen Zeit bleibt jetzt sogar bei all dem Stress, weil Marius aus dem Behindertenheim noch zu tun hat, uns erst nach der Fertigstellung seiner jetzigen Arbeit abholen und zum Heim geleiten wird. Gegen 7 ist er schließlich vor dem Tor; und schon sitzen wir wieder im RespekTiere-Van! In stockdunkler Nacht geht es vorbei am angehaltenen Leben, kaum Menschen auf den Straßen, wenn, dann allesamt mit Masken vor dem Gesicht. Es nötigt uns nun eine gute halbe Stunde ab, bis wir das angepeilte Ziel erreichen! Ohne Umschweife beginnt jetzt die Ausladung… unfassbar, was sich da bald alles im Hof stapelt!!! Soo schön, wir bedanken uns von ganzem Herzen für all Ihre so unglaubliche Hilfe!!! Nach getaner Arbeit führt uns der Gute nochmals durch die Stätte der Nächstenliebe. Was hier geleistet wird, es ist müßig zu beschreiben. Plätze wie diese, sie sind es, die die Hoffnung am ansonsten so oft völlig fehlgeschlagenen ‚Experiment Mensch‘ nähren… Als wir, mit der einen oder anderen Träne in den Augen – natürlich noch nach dem Streicheln und mit Leckereien bedenken des vierbeinigen Wächters der Station – uns im Van wiederfinden, zeigt die Uhr bereits weit nach acht. Damit ist die Entscheidung wohl endgültig gefallen: wir werden die Nacht bei Frau Doina verbringen! Eine kurze Fahrt durch Temeswar, die Schöne, noch, dann geht es zurück zur ‚Basis‘… Es ist dann wieder knapp nach 12, bis wir hochzufrieden und wirklich glücklich mit dem Tag in die warmen Betten fallen… |
Fotos oben und unten: im so unfassbar wichtigen Behindertenheim; derart viele Dinge haben wir gebracht, sodass sich der Eingangsbereich mit Schateln und Säcken beschlichtet überfordert zeigt… unten: der Herr des Hauses, der vierbeinige Wächter! 🙂 |
Foto oben: liebevoll für Weihnachten geschmückt, so präsentiert sich das Heim; unten: der so süße Wächter, vor dem niemand Angst zu haben braucht… |
Viel zu früh schrillt aber der Wecker; nützt nichts, raus aus den Lacken, wir haben heute viel vor! So sind wir schon knapp nach 6 wieder auf den Beinen; in Fakt war es uns ja aufgetragen, das Land möglichst schnell wieder zu verlassen! Eine Formulierung, welche wir jetzt schon mehr als ausgereizt haben – noch bevor wir überhaupt nur den mit am wichtigsten Programmpunkt der Fahrt abhaken konnten: die Futterlieferung zu Frau Oprea’s Asyl steht bevor! Zuerst noch kümmern wir uns aber um das neue respekTIERE IN NOT-Projekt, die Unterstützung von Raluka‘s, Anna‘s und Tiberus‘ Tierhilfe. Seit der letzten Reise haben wir die Familienbemühung in unsere Agenden mitaufgenommen, werden hier doch Straßenhunde genau wie Streunerkatzen sowie alle anderen hilfsbedürftigen Wesen seit vielen Jahren versorgt. Nun ist ein neuer Schützling in den Verband integriert worden – ‚Ziggy‘, eine wunderschöne weiße Ziege, welche zuvor unter schrecklichsten Umständen gehalten worden war. Am Ende ihrer Kräfte, bis auf die Knochen abgemagert, ist die Liebe freigekauft worden und sie lebt jetzt im hauseigenen Garten, zusammen mit den Hühnern! Ein kurzer Besuch bei ihr geht sich aus: tatsächlich, sie folgt uns auf Schritt und Tritt, beinahe wie Maya, die Dackelhündin, Lisa das Boxermädchen oder Struppi, die Hütehündin, welche wir einst aus dem großen, heute legendären Kastrationsprojekt bei Frau Oprea zu Frau Doina bringen durften; warum gerade Struppi, einer aus 140 Möglichkeiten damals? Die Antwort ist eine einfache: weil die Süße viel zu sensibel war für das riesige Hunderudel! Jetzt werden noch die Katzen gefüttert, welche sich rund um das Haus angesiedelt haben; wir bringen die zu spendende Tiernahrung aus dem Van und freuen uns über respekTIERE IN NOT in Reinkultur! Dann noch ein kurzes, gemütliches Beisammensitzen mit herrlich duftendem Kaffee, dazu hausgemachte Marmelade am Gebäck; Herz, was begehrst Du mehr? Und ein paar Weihnachtsgeschenke haben wir auch mitgebrach! Schließlich aber ist soweit – es bleibt nur mehr die Verabschiedung. Schweren Herzens drücken wir die Lieben ein letztes Mal für den Tag; ich habe es oft gesagt und kann es nur wieder und wieder wiederholen: jede Zusammenkunft an diesem so liebgewonnenen Platz gleicht einem echten Familientreffen… |
Fotos oben und unten; die so wunderbare Frau Doina und der stetig wachsende kleine Gnadenhof von Anna (foto unten links) und Familie |
Letztendlich hat uns der Highway wieder; es geht an den Stadtrand, hin zu Frau Oprea’s Asyl. Dort wird uns der Helfer, Walli, am Zufahrtsweg unter der riesigen Brücke treffen, an jener Stelle, wo der Zivilisationsmüll längst die gesamte Umgebung in unfassbare Triste getaucht hat. Besonders nun, da der hängende Nebel den Himmel verdeckt, jeglich gütiges Licht aussperrt und eine Atmosphäre der absoluten Monotonie schafft… Sie wissen es bestimmt noch, die letzten gut 200 Meter hin zur Herberge geht es jetzt über Stock und Stein. Obwohl, diese Formulierung ist mehr als schmeichelhaft; in Wahrheit ist die Zufahrt nervenaufreibend, fast unpassierbar. Regnet es, oder fällt Schnee, wird das ‚fast‘ ganz schnell zum ‚völlig‘… und so soll es heute auch beinahe sein, nachdem die letzten Tage über doch eine Menge an Wasser vom Himmel gefallen war! Walli wird deshalb mit dem Rad vorfahren, uns die besten Passagen zeigen; alleine, ohne ‚Führung‘, würden wir den Weg an diesem Tag kaum bewältigt haben können. Der Gute entfernt davor noch einige besonders große Müllanhäufungen direkt am Weg, und schon sind wir mittendrinnen in der Hölle! Wer bremst verliert, nirgends auf dieser Welt hat das Sprichwort mehr Gültigkeit. Knietiefe Spurrinnen, unbekannte Wattiefen, glitschige Schlammpassagen, all dies muss um- oder mit beständigem Gaspedal-Treten durchfahren werden. Mehr als einmal ist die Situation eine kritische, Walli der Fährtensucher am Fahrrad mit Mördertempo vor uns, umgeben von einer Hundeschar, welche die Erkundungsfahrt als besondere Möglichkeit des ‚Gassigehens‘ zu nutzen wusste und ihn begleitete. |
Nach bangen Minuten eine letzte Anhöhe; mit Schwung geht es hoch, 129 PS treiben den Motor trotz schlammbedeckter Reifen, welche aufgrund der Ablagerungen ab nun keinerlei Profil mehr aufweisen, den Steilhang hinauf – geschafft! Ein Konzert aus dutzenden Hundekehlen ertönt im selben Moment des Ankommens. Nicht zuletzt aufgrund des beständigen Nebels wirkt die Umgebung an diesem Tag ganz besonders unwirklich. Die Schwaden umgarnen eine Welt aus Schmutz und Abfall, aus Gittern und Brettern, aus Mulden und abgestandenen, kontaminierten Pfützen. Dazu die Hunde, überall; manche davon getaucht in Matsch, andere wiederum trotz der Umstände ziemlich sauber, bellend oder ängstlich zurückweichend, knurrend oder freudig schwanzwedelnd. Ja, ein schöner Anblick ist das Asyl nicht, zugegeben; so ganz und gar nicht. Ein aus Unordnung und Weggeworfenem gebildetes Chaos, das ist es, was man Walli vorwerfen möchte; andererseits, den Hunden geht es augenscheinlich gut, sie sehen noch immer prächtig aus, verglichen mit der Zeit ‚bevor‘. Beim ersten Erscheinen, da waren viele der ihren abgemagert, von blutigen Spuren gezeichnet, die meisten ob der grassierenden Räude ohne Fell. Den Tatbestand haben wir gemeinsam schnell in den Griff bekommen, ob uns das mit dem Müllproblem auch gelingt? Die ZEIT wird es weisen, aber heute ist nicht der Moment, um darüber nachzudenken; wir sind erstmal froh, überhaupt hier sein zu dürfen, nach all den Schwierigkeiten, mit all der Problematik eines fordernden 2020… |
Der Van ist relativ schnell entladen, gut 650 kg an Hundefutter wird die Meute für die nächste Zeit versorgen. Unendliche Erleichterung – es ist tatsächlich geschafft, was gestern noch in weiter Ferne schien, ist heute passiert: wir hier, vor den Toren der Herberge, persönlich bei der Entladung der Lieferung. Sooo cool, ein anderes Wort fällt mir hierfür nicht ein… Walli bringt uns nach getaner Arbeit ins Haus, wo Frau Oprea und Wallis Mutter, ebenfalls weit über 80, sehnsüchtig auf den Besuch warten; trotz der Pandemie setzt es in Folge eine heftige Umarmung, anders wollen es die Damen nicht! Und was soll schon passieren, wir getest und sie völligst isoliert auf dieser Insel im Nirgendwo! Und dann Gespräche, wo wir alle Neuigkeiten komprimiert in einer halben Stunde erfahren – allerdings auf Rumänisch, und wir verstehen wie immer kaum ein Wort. Macht nichts, das tut der Sache keinen Abbruch, und ein Austausch ist es irgendwie allemal – wenn auch ein ziemlich einseitiger! 🙂 |
Foto: eine ganze Tüte voller selbstgestrickter Socken – ein Handemade-Geschenk von der so herzlichen Lieselotte aus Etsdorf bei Krems!!! |
Fotos: den Hunden wird’s Gott sei Dank egal sein – aber das Müllproblem am Grundstück, das muss jetzt angepackt werden… |
Walli zeigt uns später noch das neue Grundstück für das Asyl, eine direkt anschließende Fläche von fast einem Hektar Größe. Sie ist freigeworden, weil der vormalige Besitzer einfach abgehaut ist und nie wiederkehren wird. Hier, wenn die Witterung es zulässt, werden neue Schlafmöglichkeiten für die Vierbeiner entstehen – mit unserer Hilfe, irgendwann im Frühjahr! Einem der Hunde geht es offensichtlich schlecht; er kann sich kaum erheben, und so rufen wir unsere lokalen MitstreiterInnen; die so großartige Tierärztin Noemi, den Newsletter-LeserInnen ein Begriff, wird sich alsbald um den Armen kümmern. Dann ist es aber auch schon wieder Zeit aufzubrechen; die Uhr zeigt bald Mittag, und wir sollten eigentlich längst über der Grenze sein. So bleibt nur noch eine Verabschiedung, gepaart mit einem beinahe melancholischen an-sich-drücken. Bis zum nächsten Jahr, Ihr Lieben, und dann kriegen wir das ganze Chaos hier in den Griff – gemeinsam, wie wir es immer getan haben! |
Ergriffen beobachten wir die Landschaft, welche nur Augenblicke später schon wieder an uns vorbeizieht; wir sprechen wenig, sind in Gedanken versunken. Frau Oprea, der Fels in der Brandung, wie lange noch wird sie ihre schützende Hand über das so liebgewonnene Rudel halten können? Und was passiert, wenn nicht mehr? Sie, deren wettergegerbtes Gesicht trotz der vielen Lebensjahre noch immer so viel Kraft und Mut versprüht, den/die BeobachterIn sofort in den Bann zieht; möge ihre Lebensuhr noch lange, lange weiterlaufen… Es dauert jetzt gut eineinhalb Stunden, bis wir wieder die Grenze erreichen; vergessene, besser verdrängte, Empfindungen tauchen langsam erneut auf; jedenfalls, das mulmige Gefühl in der Magengegend wird nun erneut deutlich stärker. Verlangt man Papiere von uns, lässt man uns ziehen? Ausgang völlig offen. Die Frage allerdings stellt sich gar nicht, nicht im Moment, denn der Verkehr bricht plötzlich und abrupt in sich zusammen; gut ein Kilometer ist es noch bis hin zu den trennenden Balken. Stillstand. Nichts geht mehr. Über gut eineinhalb Stunden hinweg gibt es keinerlei Bewegung. Warum nur? Die Menschen verlassen ihre Wagen, unterhalten sich am ‚Wirtshaustisch Straße‘, rauchen, essen, erzählen Geschichten. Maskenpflicht aufgehoben. Plötzlich klopft ein junger Mann an unsere Scheibe; wir öffnen diese, er deutet auf die RespekTiere-Beschriftung. ‚Tierschutz?‘, fragt er. Seine Freundin, die würde ihr ganzes Leben damit verbringen, den Hunden zu helfen. All ihr Geld gibt sie für die Straßentiere, jeden Tag geht sie sie füttern. Es liegt aber keine Verbitterung in seiner Stimme, vielmehr ist es Freude und Stolz über den Einsatz seiner Liebsten. Am Handy zeigt er dazu eindrucksvolle Bilder, auch die eigenen Hunde lernen wir virtuell kennen. Drei davon hat der junge Mann, und ganz begeistert zeigt er dutzende Fotos der Lieblinge in allen Posen. Schön! Nach Deutschland würde seine Reise gehen, jede Woche einmal. An verschiedenste Plätze; Dinge bringen, Menschen holen (Pflegepersonal), Waren einkaufen, Waren in Rumänien wieder verkaufen. Man muss in schweren Zeiten ein Auskommen schaffen, Vater Staat hilft nicht, also muss man selbst Initiative ergreifen. Sonst bleibt man über. Wie recht er doch hat! Schließlich geben wir unsere Adress-Daten; seine Freundin solle sich doch mal melden, wir könnten ihr in Zukunft ganz bestimmt helfen. Futterlieferungen vorbeibringen zum Beispiel. Wo, wenn nicht hier, wäre das respekTIERE IN NOT-Motto besser erfüllt? In der mittelgroßen Stadt Lugoj wären sie zu Hause, welch ein Zufall nämlich; dort fahren wir sowieso ständig vorbei, dann, wenn wir Rudi und sein Caritas-Zentrum besuchen! Ihr wisst, auf dem Weg in die ‚Sackgasse des Lebens‘, in jene sterbende Stadt namens Nadrac am Fuße der Karpaten! |
Foto: an der Grenze zu Ungarn bricht der Verkehr völlig zusammen… |
Jetzt erfahren wir auch, warum der Verkehr so gänzlich kollabierte; der Scan-Apparat der ungarischen Behörden, jene Maschine, welche die Pässe durchleuchtet, hätte ein Problem. Somit sei die Einreise bis zur Behebung ausgesetzt, niemand dürfte über die Grenze. Dem Himmel sei Dank lässt sich die Problematik irgendwann doch reparieren. Nach mehr als 90 Minuten Verzögerung geht es endlich weiter. Und wir haben das Glück des Tüchtigen; denn, wohl nicht zuletzt deshalb, weil der Stau indessen dramatische Ausmaße angenommen hatte, winken die Behörden erstmal durch. Auch uns, ohne jede Kontrolle. Niemand fragt, wo wir waren, oder wie lange. Einfach super, back in Hungary, ohne jedes Problem. So gesehen, wer weiß was andersrum, wenn die Zöllner genügend Zeit gehabt hätten, passiert wäre. Glück im Unglück; oder, wie ich es lieber nenne: den Mutigen gehört die Welt! 🙂 |
Foto: in Richtung Osten Mega-Stau der LKW’s; in Richtung Ungarn: freie Fahrt! |
Die Fahrt durch das Magyarenland ist unspektakulär. Ideales Reisewetter. Frisch, aber nicht kalt. Gedämpft, aber nicht nebelig. Wolkenverhangen, aber nicht regnerisch. So sind wir alsbald in Budapest, über Tatabanya geht es stetig in Richtung ‚good old Austria‘. Es wird nun bereits dunkel. Gegen 17.30 erreichen wir die Grenze. Letzte Hürde. Aber die alles Entscheidende. Ein Stau vor dem rot-weiß-roten Grenzbalken. Der nötigt uns erneut gut 45 Minuten ab. Wir lassen jetzt ein bisschen Abstand zum Fahrzeug vor uns; die BeamtInnen sollen nämlich das Kennzeichen sehen; BGL RI4, Berchtesgadenerland, Bayern. Nix Österreich. Transit naheliegend. Tatsächlich hebt der Bundesheerbedienstete kurz den Kopf, beugt ihn, betrachtet das germanische Nummerntaferl – und winkt weiter! Ohne Kontrolle! Wir sind zurück zu Hause, haben es tatsächlich geschafft. Noch ein paar Stunden Fahrt, inklusive des schon traditionellen Stopps im Burgenland, wo uns die so großartigen lokalen TierschützerInnen um Doris und Moni wieder einige Säcke für die nächste Hilfsfahrt zuladen (sooo schön, die beiden Tapferen wieder zu sehen…) und dann, nach den Megaanstregungen eines wilden, über gut 1500 Kilometer führenden Ritts komprimiert auf nicht mehr als 40 Stunden, vollgepackt mit allen Emotionen und Empfindungen dieser Welt, eine Hochschaubahn der Gefühle, Tristesse, Depression, himmelhoch juchzend, Glück und Verdammnis, Niedergeschlagenheit und gleichzeitiger jetzt-erst-recht-Philosophie, fallen wir endlich in die eigenen Betten. Im Wissen, verdammt, wir haben es tatsächlich getan. Wunderschön. Und wir werden es noch viel öfters tun; 2021, das wird ein Jahr, ein unvergessliches. Wo alles möglich sein muss. Karten neu gemischt. Und das Trumpf Ass in unserer Hand: die unerschütterliche Hoffnung! Hoffnung auf die Befreiung der Tiere, zumindest auf einen gewaltigen Schritt in diese Richtung. Den wir, wenn Sie möchten, gemeinsam gehen. Was wäre uns das für eine Ehre! |
Foto: Grenze zu Österreich… ein letztes Bangen! |
Foto oben: lasst uns den Tieren helfen, wo immer sie Hilfe brauchen – gemeinsam! |
Genießen sie die Festtage. Tierleidfrei, wo immer möglich. Wir sind es ihnen schuldig, den Mitgeschöpfen. Und unseren Seelen auch. Bleiben Sie gesund! |