‚Abfischfest‘ – Gevatter Tod ist immer dabei!

Nun ist sie also wieder angebrochen, die Zeit, wo überall im Land an den Karpfenweihern die sogenannten Abfischfeste begangen werden. Allesamt, vom nördlichen Waldviertel bis hinunter in den Tullner Raum, werden sie als traditionelle Veranstaltungen gefeiert; die durchwegs kleinen Ortschaften mit Teichwirtschaft erblühen dann für wenige Stunden im wahren Volksfestcharakter, nur um am späten Nachmittag des großen Tages wieder in die bedächtige Ruhe, den 364-Tage-Dornröschenschlaf, zurückzukehren.
Fast schon so traditionell wie das ‚Fest‘ selbst, ist dann mittlerweile auch schon das Auftreten dagegen inform eines unverwechselbaren RespekTiere-Protestes.
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Foto: die Mannschaft (Frauen konnten wir dabei keine entdecken) ist bereit für den großen Fang; aus Sicht der Karpfen: ‚Ich sterbe für Deine Tradition!‘
Früh morgens beginnt das bunte Treiben, die kleinen Seen werden abgelassen, und eine Dutzendschaft von Männern, zuerst mit Booten, dann mit Netzen, durchkämmt die langsam spärlicher werdenden Wasserflächen. Letztendlich bleibt nur noch eine Sumpflandschaft zurück, und Kinder mit Keschern versuchen auch noch die letzten nun vielfach schon nach Sauerstoff ringenden Lebewesen daraus einzufangen. Während hunderte Menschen die Wege zum Gewässer säumen, an den vielen extra für diesen Tag geöffneten Ständen sozialen Treffen nachhängen – vor allem dem guten Glas Wein oder Bier – werden in den Gasthäusern ringsum auch schon Fische angeboten; in Siezenberg-Reidling zum Beispiel kann man ganz vornehm auf einer Holzterrasse dinieren, während man den Fischern bei der Arbeit zusieht, wie sie Karpfen um Karpfen aus dem Gewässer ziehen und in die wartenden Plastikbottiche verladen – im selben Augenblick also, wo man das Fleisch der einen verzehrt, kämpfen andere noch einen verzweifelten, doch letztendlich immer erfolglosen Überlebenskampf. Ein solches Bühnenbild kann sich einer gewissen Ironie nicht erwehren; eine Ironie, eine zunehmende Schizophrenie, die ‚Mensch‘ mehr und mehr gefangen nimmt und uns langsam aber sicher ausschließt aus dem Kreis des Lebens – tatsächlich macht sie uns zum Despoten, zum grausamen Bestimmer, zu jemanden, der sich seines Platzes am gemeinsamen Lagerfeuer der Schöpfung mehr und mehr entledigt und für alle anderen Lebensformen zum gewissenlosen Tyrannen, zum Gehörnten unserer eigenen Mythologie, mutiert…
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Fotos: Abfisch’fest‘ ist tatsächlich ein Volksfest! Der Parkplatz (Foto unten, links), hier bereits am späten Nachmittag, präsentierte sich zu Beginn der Veranstaltung brechend voll. Kennzeichen aus allen Teilen Österreichs, kaum zu glauben: aus Wien, der Steiermarkt, aus dem Burgenland sogar aus Innsbruck… der Weg durch den Wald ist gepflastert mit Werbung lokaler Firmen, es gibt Schnapsbrände, ‚direkt vom Landwirt‘-Produkte, Essens- und Infostände, solche mit Schnitzerein- und anderne Dekorationsartikelverkauf; ‚Steckerlfisch‘ selbstverständlich…
Beim Eingang wurde der ‚3G-Nachweis‘ sehr professionell kontrolliert, dafür war ein extra Checkpoint erreichtet worden!
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Foto oben: Checkpoint Corona
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Auch die Kleinsten der Kleinen sind begeistert bei der Sache, angesteckt von der allgemeinen Aufregung; Eltern erzählen ihren Kindern zwar von der Symbiose zwischen Mensch und Tier, von gebührender Achtung vor der Natur – im selben Augenblick aber winden sich zuckende Fischleiber oftmals aus den Händen des Nachwuchses, fallen zu Boden und werden im Trubel der Masse vielleicht sogar in ihrer Notlage belassen; bestimmt nicht gewollt, aber auf Grund der Reizüberforderung des kindlichen Gemütes einfach nicht mehr gefunden oder in der Hektik zu schnell vergessen.
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Fotos: neue Lebensfreude; ob’s hier der richtige Ort dafür ist?
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Foto unten: die einen feiern, während die anderen förmlich nach Luft schreien!
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Wir befinden uns heute in Heidenreichstein, in Niederösterreichs Norden, hart an der Grenze zu Tschechien. Unten bei den Teichufern stehen verschiedenste Becken bereit – solche für die zahlreichen kleinen Hechte, für Zander und andere kleine Fische, und die ganz großen für die Karpfen; diese landen vorerst in für die ‚End-Mast‘ bereitgestellten Bottichen. Spätestens zur Weihnachtszeit werden sie sich wiederfinden, dann eingereiht in die Nahrungskette, als schwächstes Glied auf den Teller sogenannter FeinschmeckerInnen – stellen Karpfen doch ein traditionelles Weihnachtsessen dar; was die Menschen sehr gerne vergessen, ist, dass hinter dem Gericht, hinter der Mahlzeit, empfindsame und fühlende Wesen stecken, Wesen, die genau wie wir nur eines am allermeisten möchten: leben….
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Fotos: die Falle schnappt zu…
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Fotos oben und unten: ein paar Wenige schaffen das Unmögliche – unbemerkt zurück in den Teich!
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Fotos: Fischer-Alltag; übereinandergestapelte Leiber im Kübel, rechts oben: auch Hechte werden gefangen, unten: ein Schnappen nach Luft und Leben – Todesangst pur, wer mag es bezeifeln?
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Foto unten: extra ein zweites Mal aus dem Kübel gefangen, um den Armen den mit ihren Handys wartenden Mädels zu präsentieren… und beim Posieren fällt der Fisch auch noch zu Boden (Foto unten)…
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Es ist ein einziges Schnappen nach Luft, wenn die Fischer die großen Fische in Körben zur Sortieranlage schleppen, dort per Hand in andere Behältnisse umladen, zum Wiegen bringen, von wo sie direkt in die Todeszellen befördert werden, wo nun das Warten bis in die Vorweihnachtszeit beginnt. Oft greifen Hände nach en Fischen, jedermann/frau scheint’s möchte die Todgeweihten nochmals berühren; warum, entzieht sich viel zu oft der Logik, das dauernde Anfassen bedeutet jedoch für die Betroffenen selbst kaum vorstellbare Pein, gleicht einem wahren Spießrutenlauf. Besonders Kindern wird das oft barsche Zugreifen gestattet, Eltern sehen es gar mit einem Lächeln wie tollpatschige Hände das glitschige Schuppentier nicht festhalten können, dieses im letzten Augenblick vor dem möglichen Entkommen dann doch noch an der Schwanzflosse zu fassen kriegen und immer wieder versuchen das zappelnde Tier an sich zu ziehen. Ist es wirklich leerreich, sinnvoll, oder gar lustig, dieses Treiben zu tolerieren? Zeugt ein solches Verhalten von Achtung vor dem Mitgeschöpf, oder trägt es nicht vielmehr dazu bei, die – in Bezug auf jene mit dem erbärmlichen Wort ‚Nutztier‘ Gebrandmarkten – ohnehin nur sehr bedingt vorhandene Ethik zusätzlich zu verwässern, Empathie mit den Tieren im Keim zu ersticken? Wenn Kinder mit derartigen Impressionen aufwachsen, ihre Eltern mit solchem Beispiel vorangehen, wie sollen wir dann erwarten, dass die Menschheit eines Tages von diesem Weg des Zorns und der Gewalt abgeht und endlich, endlich Friede einkehren lässt zwischen sich und dem Rest der Schöpfung?
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Foto oben: der Großvater nötigt das Kind regelrecht: noch ein bisschen stillhalten, ein bisschen mehr lächeln, komm mal ein bisschen näher; all das, während der arme Fisch eins wird mit dem Verlangen nach Luft…
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Foto oben: früh übt sich! Das sind übrigens die an den Werbetafeln und im Netz angeführten ‚Beschäftigungsmöglichkeiten‘ für Kinder… fischen, wenn auch nur nach Holzfischen, oder das Betrachten von hoffnungslos gefangenen Tieren, welche ihr Leben in einer Hölle zu verbringen haben – man nennt es dann ‚für den Bildungszweck‘. Die Frage ist: was sollen wir daraus l
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Wahrlich, das Mitgefühl mit den armen Wesen welche die ganze Zeit über nur von dem einen und alleinigen Wunsch beseelt sind, nämlich ihren Häschern doch noch zu enteilen, ist nur ganz spärlich, offensichtlich meist sogar gar nicht vorhanden. Immer wieder fallen Fische den Kindern zu Boden, auf schmutzigem Kies versuchen sie mit langsam versiegender Kraft doch noch irgendwie die rettende Flüssigkeit zu erreichen, bevor im letzten Moment Fischer eingreifen und die armen Tiere zurück in die für sie vorgesehenen Becken werfen; oder in kleine Kübel zu den Füßen, wo oft Fisch auf Fisch übereinander liegt, eine einzige lebende Masse, nur durch den gemeinsamen Wunsch nach Flüssigkeit und Sauerstoff vereint?!
Besonders die kleinsten der kleinen Fische werden, zu hunderten in engmaschigen Netzen gefangen, von dort einfach in Kübel entleert. Dabei fallen naturgemäß dutzende, ja hunderte zu Boden; wo sie dann liegenbleiben, niemand kümmert sich mehr um sie. Ganz im Gegenteil, alsbald stapfen Fischer wie BesucherInnen gleichermaßen über den matschigen Boden, wo silberne Körper wie Diamanten in der herbstlichen Sonne glänzen und wohl immer vergeblich ums Überleben kämpfen. Sagte ich ‚Diamanten‘? Wären es tatsächlich solche, wie schnell wären sie alle aufgeklaubt; so aber ist es bloß Leben, noch dazu ein solches, welches nicht Schreien kann. So bleibt es unbeachtet, unbeweint.
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Foto oben rechts: beim genauen Schauen erkennt man die unzähligen Opfer, wie glitzendere Steine im Schlamm…
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Wir verurteilen zunehmend die Massentierhaltung, dem Himmel sei Dank; doch das hier mutet – trotz der tausendfachen anderwertigen Bekundung durch jenen Mann, der einsam und alleine auf einer Plattform steht und mittels Mikrophon zu den (meist imaginären) Menschen spricht – im Prinzip doch nicht wirklich besser an; völlig neben sächlich scheint auch noch, dass dann da sowieso niemand zuhört, meist wirklich kein/e Einzige/r auch nur einen Augenblick in Hörweite verweilt.
Es liegt eine unsichtbare Barriere über jeden Anflug von Nachdenken, irgendetwas, eine überholte romantische Vorstellung, ein im rosa Nebel der Idylle verhangenes Traditionsgelübte, ein Nicht-in-Frage-stellen-wollen einer über die Jahrhunderte hinweg gewachsenen Festtagskultur – eine ‚Kultur‘, welche zum Beispiel zugelassen hat, dass das höchste christliche Fest, Weihnachten, ein Fest der Nächstenliebe, einhergeht mit einem von Jahr zu Jahr sich steigernden, unvorstellbaren Massaker an der ‚Nutztier‘-Welt, so ganz nebenbei hochstilisiert wurde zur Todsünde der Völlerei…- wo man die bodenlose Tierausbeutung plötzlich nicht mehr als solche zu erkennen vermag!
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Foto oben: ein einsamer Mikro-Mann!
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Plötzlich erscheint ein sensenbewehrten Gevatter Tod, gekleidet in seiner blutigen Schürze; der Gute streckt ein auf sich deutendes Schild mit der Aufschrift ‚Fisherman’s friend‘ über seinen Kopf, bahnen sich den Weg durch die Menschenmenge. Es gibt da einige erboste Zurufe, ‚De Deppat’n san wieder do‘, oder dergleichen sind dabei die harmlosesten, aber, was viel wichtiger ist, es geht ein Raunen durch die Versammlung. Die wenigen bösen Meldungen, die nehmen wir gerne in Kauf – denn wie könnte es auch anders sein? Man muss auch reflektieren können, also, sind es nicht wir, die hier – berechtigt oder nicht möge jedermann/frau für sich selbst entscheiden – eine Feierlichkeit ‚stören‘, ein fein säuberliches Weltbild in Frage stellen, eine gedachte weiße Weste beflecken? Wie wohl würde die Tierrechtsbewegung reagieren, würden sich Menschen mit anderen Anschauungen in ‚unsere‘ Veganmanias mischen und dort für blutige Nahrung werben? Mit solchen Überlegungen konfrontiert, wird die Auseinandersetzung an jenem Weiher in ein weicheres Licht gerückt, Verständnis geweckt – denn eines ist sicher: nur wir alle zusammen können diese Welt zu einem besseren Ort für uns alle gestalten, nur zusammen können wir die Tiere der Knechtschaft – der von uns für sie kreierten Hölle auf Erden – entreißen! Und diese Menschen hier, sie gaben ein gutes Beispiel, wie ein solches ‚Zusammen‘ vielleicht eines hoffentlich nicht mehr sehr fernen Tages doch noch funktionieren könnte – wenn man auf einen Affront – welchen wir in der Situation einfach begehen mussten – so überlegt reagiert, dann muss es auch möglich sein, Barrieren einzureißen und zu neuen Ufern aufzubrechen…. Hey, Ihr Lieben landauf landab, lasst es uns versuchen, jetzt sofort und immerzu. Und ja, vielleicht scheitern wir an einer derartig überragenden Wunschvorstellung; aber selbst ein Scheitern wird allemal hundertfach besser sein, als von vornherein an einer derart wichtigen und immensen Aufgabe zu verzweifeln, das Handtuch kampflos zu werfen!!!!
Den obenstehenden Text haben wir übrigens teilweise aus einer früheren Aussendung adaptiert, an die jetzigen Begebenheiten angepasst; das, nur um zu zeigen, besonders wenn es um Traditionen geht, ist der Charakter einer solchen Veranstaltung nämlich ein besonders starrer, ein kaum Veränderungen unterworfener. Die Menschheit hat sich aber (zumindest theoretisch) in den letzten Perioden weiterentwickelt, und eine solche Entwicklung verläuft bestenfalls immer parallel mit der ethischen Einstellung. Ist das hier geschehen? Die Antwort ist eine einfache; und eine solche, die uns zu erkennen gibt: kein Ausruhen, wir sind gefordert, der ethische Tierschutz ist gefordert – allem Anschein nach sogar umso mehr!!! 
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