Wir würden heute gerne ein paar Worte zu einer ‚Tradition‘ in Bezug auf die landwirtschaftliche Kälberhaltung verlieren, die, obwohl in aller Öffentlichkeit praktiziert, doch eher eine versteckte, auf den ersten Blick vielleicht nicht sofort als Leidensverursachende erkennbar ist. Es handelt sich hierbei um die ‚Kälber-Iglus‘, welche man überall im Land verstreut findet. Verstehen Sie uns nicht falsch, natürlich wissen wir, besagte Vorgehensweise ist dann auch gesetzlich gedeckt. Ja, sie ist von einer Bestimmung zum Recht erhoben, von Gewinnmaximierung durchtränkt und somit sogar zum gültigen Standard erkoren. Und nicht nur das, wird sie nebenbei noch von jenen Menschen, die als Auslöser, als Nutznießer, fungieren, vielmehr sogar als ein Non-Plus-Ultra der modernen Tierzucht angepriesen.
Foto: adäquate ‚Kinderstube‘? Entscheiden Sie! Kälberhaltung Februar 2022…
Die Quälerei dahinter erscheint tatsächlich unbeachtet, überrollt von der Lawine an Tiertragödien, welche so offensichtlich jeden Tag auf’s Neue losgetreten fast unbesiegbar, unaufhaltbar erscheint. Doch ist eine Tragödie nur deshalb weniger tragisch, wenn ein Gesetz – gemacht zur sigulären Zweckmäßigkeit für eine überlegenen Rasse, unter Ausschluss jeglichen ethischen Gesichtspunktes – alleine vom Nutznießer zur Rechtmäßigkeit erkoren wird? Selbst wenn eine solche völlig zu Ungunsten einer anderen, einer wehr- und schutzlosen, ausgelegt wird?
Fotos: Und selbst wenn daneben andere Tierkinder eingesperrt sind, die individuelle Einsamkeit muss eine extrem belastende sein… Kälber im Salzburger Land, Februar 2022.
Wir möchten uns hier an die Worte des so großartigen tschechischen Mitstreiters, Michal Kolesar (www.realita.tv) erinnern, der einst sagte: ‚Wenn das Gesetz gegen das Leben geht, was ist wichtiger, das Leben oder das Gesetz?’
RespekTiere startete deshalb einmal mehr eine Recherchetour, um Näheres über die Lebensumstände der ‘Iglu-Kälber‘ zu erfahren. Das Ergebnis der Untersuchungen war ein (durchaus erwartetes) herzzerreißendes, ein neuerlicher Besuch in die Abgründe des kapitalistisch-schwangeren menschlichen Geistes: abertausende Kälber, unmittelbar nach der Geburt einer weinenden Mutter entrissen, fristen ihr meist erschütternd kurzes Dasein in jenen unscheinbaren, aus der Ferne sogar niedlich anmutenden, Kälberhütten, kurz Iglus genannt.
Kleinen Wesen, dem wärmenden, schützenden Bauch soeben entglitten, kaum trocken und schon jeder mütterlichen Zuneigung entwendet, eingepfercht in kaltes Plastik. Sie sind tatsächlich bloß das ‚Beiprodukt’ einer ungezügelten Milchindustrie, jenes weiße Körpersaftes, nach dem die Menschheit geradezu giert. Milch, eine Flüssigkeit, die noch immer den Nimbus als gesundes Nahrungsmittel halten kann, obwohl wissenschaftliche Untersuchungen ihr längst nicht mehr all jene wohlwollenden Eigenschaften zusprechen, welche dem Eutersekret seit hunderten von Jahren angedichtet worden waren. Längst wüsste man, Pflanzenmilch wäre dem menschlichen Verdauungssystem wesentlich angenehmer, wäre für uns um so vieles gesünder – trotzdem hält sich die Mär vom ‚Über’-Lebensmittel Milch in den Köpfen einer längst degenerierten Gesellschaft.
Fotos: Saugreflex; bei der Mutter trinken haben sie nie gedurft…
Einer Gesellschaft, die das Leid einer anderen Spezies nicht mehr als solches erkennen kann, längst abgehoben, entfernt von der Bruderschaft des Lebens, zunehmend einsam und verkümmert dahinsiecht – und in ihrem Endkampf alles andere Leben auf diesem Planeten bedroht, mit sich in den gähnenden Abgrund reißen wird! Mensch, der sich selbst als höchste Stufe der Schöpfung erachtet, verloren in der Gedankenwelt Luzifers.
Foto: Kalb mit herausgerissener Ohrmarke…
Wie anders ist zu erklären, dass wir so wenig Mitgefühl zeigen mit den Mitgeschöpfen? Mit jenen Kälbchen beispielsweise, wie ist zu erklären, dass unsere Gesetze diesen Umgang mit ihnen gutheißen? Überlegen Sie: die Kleinen werden geboren, ihre Mutter hatte sie rund 280 Tage in sich getragen, hatte mit selber Liebe wie menschliche Mütter die Niederkunft, die Geburt ihres Kind, erwartet; nur um im selben Augenblick, noch im Schmerz gefangen (mehr als 85 % aller Kühe werden heute ‚künstlich besamt’, eine Wortwendung, die doch wesentlich angenehmer über die Lippen kommt als ‚vergewaltigt’ – wo ihnen Sperma hochleistungsgezüchteter Stiere eingepflanzt wird, um damit vielleicht die spätere Milchleistung des Nachwuchses zu erhöhen – ungeachtet der Tatsache, dass die Kälber bei der Geburt deshalb, als Nachkommen von ‚Champions’, oftmals viel zu groß sind und so der Mutter im wahrsten Sinne des Wortes ’schwer zusetzen’… )!
Fotos: gerade enthornte Kälber; ein Eingriff, der wohl wesentlich schwerere Folge auf die Psyche des Kalbes hat, als es die Milchindustrie je zugeben wird…
Natürlich hoffen die Landwirte in erster Linie auf weiblichen Nachwuchs, um diesen dann erneut in die Kette von Ausbeutung eingliedern zu können. Die Forschung arbeitet heute längst an Möglichkeiten der Spermientrennung, um in einigen Jahren vielleicht diesen gruseligen Wunsch einer stets gnadenlosen Agrarindustrie erfüllen zu können. Werden männliche Tiere geboren, wandern sie entweder nach wenigen Wochen in grausame Mastanstalten oder sehr schnell in den Schlachthof (selbstredend aber auch ein Großteil der weiblichen Kälber, denn kein Betrieb kann es sich auch nur anssatzweise leisten, sich alljährlich nahezu zu verdoppeln). Gerüchte wollen nicht verstummen, wonach sie an so manchen Höfen einfach ‚vergessen‘ werden… (so gesehen könnte Frankenstein’s Spermientrennung dann wenigstens von diesem Gesichtspunkt aus sogar als ein Segen angesehen werden…). Erinnern wir uns: noch vor gar nicht allzu langer Zeit wurde ihr sofortiger Tod sogar mittels der sogenannten ‚Herodes-Prämie’ staatlich gefördert…
Foto links: das Kalb hat wenigstens Stroh als Unterlage, und ein Mäntelchen gegen die Kälte; darüber schreibt ein Hersteller übrigens: ‚Die Unterstützung des Immunsystems in den ersten Tagen … beugt Durchfallprobleme und andere Gesundheitsstörungen vor. Die Kälberdecken mit Isolierung bieten Schutz bei überraschendem Wetterwechsel und helfen Kältestress bei neugeborenen Kälbern zu vermeiden, denn bei Temperaturen unter +10 °C steigt das Risiko einer Erkrankung! (Quelle: www.wahl-agrar.at)‘ Alleine die Wörter ‚Kältestress‘ und ‚Neugeborenes‘ in einem Satz verwendet tut im Herzen weh…
Rechts: dieses Kalb – man kann es im Bild nicht so deutlich erkennen – ist viel zu mager, das Fell struppig, die Bewegung abgehackt; kurz: es ist offensichtlich krank.
Wie auch immer, bereits 3 Monate nach der Geburt wird die Mutterkuh erneut ‚künstlich besamt’, will heißen vergewaltigt. Während sie also theoretisch noch Milch für ihr Kalb produziert – Milch, welche das Kleine nie erhalten hat, nicht ein Tropfen davon war ihm gegönnt – wächst in der Kuh bereits die nächste Generation heran! Wie in einem Science Fiction- Film, nur hier mit realen Darstellerinnen. Planet Erde – der kriechende Werdegang vom Paradies zur Hölle…
Doch zurück zu den Kälbern: Wie müssen sie sich fühlen, diese Alleingelassenen? Kaum hatten sie das Licht der Welt erblickt, der ganze Leib vor Sehnsucht nach mütterlicher Liebe und Geborgenheit gebannt, werden sie von unsanften Händen gepackt und weggetragen; die flehenden Rufe der Mutter, welche sie nie mehr wiedersehen, in den Ohren; ihre Nabelschnur hängt noch an den kleinen Körpern, sie wird in den nächsten 2 Wochen abfallen. Ganz alleine finden sich die Tierbabys wieder, es ist Winter, die Temperaturen liegen weit unter dem Gefrierpunkt, und oft nur ein Hauch von Stroh macht den kalten Beton, auf welchen sie nun liegen, ein bisschen wärmer und weicher. Im Inneren des Iglus steigt das Thermometer nur um 2 oder drei Grad an, es wird kein Temperaturpolster aufgebaut. Nicht isoliert, zu offen, um den kleinen Raum mit Körperwärme aufzuheizen; dafür aber steigen die Temperaturen im Sommer darin umso schneller, gerne mal auf 45 Grad und mehr, und die Kälbchen haben dann die Qual der Wahl: im Backofen zu liegen oder das Iglu zu verlassen und die pralle Sonne zu ‚genießen’…
Foto: Selbst bei Eiseskälte müssen die Armen im Freien ausharren…
Die Landwirte werden diese Behausungen weiterhin anpreisen, wie gut die frische Luft den Kälbchen doch tut, selbst eisige Kälte – manche sprechen von minus 10, andere gar von bis zu minus 35 Grad – stärke höchstens das Immunsystem; die Umgebung sei allenfalls besser als das Klima im Stall, wo Bakterien den Kleinen zusetzen würden. Auch manche wissenschaftliche Untersuchungen (der Schelm würde meinen, von der Milchindustrie in Auftrag gegebene…) bestätigen diese Expertise und lassen so den fragenden Geist mittellos zurück.
Sicher ist nur folgendes: ein ethischer Standpunkt wird dabei nicht beachtet, nicht berücksichtigt. Kälber, die nie auch nur einen Schluck ‚echte’ Milch bekommen, weil diese uns Menschen vorbehalten ist und deshalb viel zu wertvoll für das kleine Leben wäre – übrigens, eine unumstößliche Tatsache: der Mensch ist das einzige Säugetier, welches die Muttermilch anderer Tiere trinkt. Alleine aufgrund dieses Faktums, glauben Sie noch immer, Milchtrinken sei eine ganz und gar ‚natürliche’ Angelegenheit?
Foto: Landwirte verteidigen das Iglu, indem sie sagen, im Stall wäre das Klima für die Kleinen nicht gut, draußen wäre es für die Kinder daher viel besser; der hier dürfte von dieser These noch nicht allzuviel gehört haben. Warum, die nächste Frage, bei so viel Platz, müssen die armen Kälber denn alle in Einzelboxen gehalten werden???
‚Versorgt’ mit einem Milchaustauschgebräu vegetieren die Tierbabys nun in ihren Hütten, oftmals abgeschottet vom übrigen Stallbetrieb, allein und verlassen. Sie können nun zwei Schritte nach vor und zwei Schritte nach rückwärts tun. Die Umgebung jedenfalls, sie kann deren kindlichen Geist niemals gerecht werden; so gerne würden sie toben, springen, laufen…nur ein paar Meter…
Haben wir dazu wirklich Recht? Und wenn mit ‚ja‘ beantwortet, ist dieses Recht – von der Ausbeutungsindustrie ohne der Akzeptanz von Gegenstimmen ins Leben gerufen – dann deshalb nicht bloß Tyrannei?
Kälber im Iglu - kein Fortschritt seit Jahrzehnten!
Den vorliegenden Text haben wir übrigens im Großen und Ganzen vor einigen Jahren schon so oder ähnlich geschrieben, aus damals ebenso aktuellem Anlass. Ganz viel hat sich inzwischen verändert, so viel ist passiert, so vieles an Fortschritt (und wir meinen hier weniger einen technischen, wirtschaftlichen, als einen bezüglich der ethischen Grundhaltung) hat es gegeben. In nahezu sämtlichen Bereichen. Sagten wir sämtlichen? Nicht ganz. Die ‚Nutz‘-Tierhaltung taumelt noch immer hinter jeglichen Ansprüchen schwer hinterher… So auch bezüglich der Kälber in den Iglu’s. Jetzt, nach einer neuerlichen diesbezüglichen Recherche, müssen wir nämlich erkennen – es gab auch in jenem Themenbereich keinerlei Weiterentwicklung. Eins zu eines kann das ehemals Geschriebene deshalb übernommen werden, 2005 genauso top aktuell wie 2022. Und diese Tatsache gereicht zur Schande.
Alles ist beim Alten geblieben, und wenn es wir nicht sind, die hier nicht aufhören aufzuzeigen, dann wird dies auch in hundert Jahren kaum anders sein. Ganz gewiss nämlich hat die Agrarindustrie, die Bauernschaft und die Molkereien, kein Interesse daran, den Status Quo zu verändern. Die Politik? Wir alle wissen es, sie sitzt am Futtertrog der mächtigen Agrarbosse, und so schaut sie lieber einfach weg. Nicht zuletzt deshalb liegt es wohl wieder einmal an tierschutzaffinen Menschen ganz alleine, ob wir eine solche Art von Tierquälerei, die vielen Problematiken rund um das Thema ‚Kalb‘, in unserer Mitte weiterhin dulden so wie bisher oder nicht.
Das Gute an der traurigen Geschichte – jedermann/frau kann ganz einfach und SOFORT dazu beitragen, diese Grausamkeiten ein- für allemal auszumerzen! Wie? Lassen wir denen die Milch, für die sie bestimmt ist! Wir haben genug Möglichkeiten, inzwischen unfassbar viele, und uns stehen wohlschmeckenste Alternativen zur Verfügung. Ganz ohne Tierleid! Ob nun Soja-, Reis-, Kokos-, Hafer-, Lupinen-, Mandel- oder Erbsenmilch, allesamt gibt es besagte auch noch in den verschiedensten Geschmacksrichtungen.
Apropos ‚Pflanzenmilch‘; Sie haben recht, das darf man doch gar nicht mehr sagen! Die Milchindustrie hat’s von oberster Stelle verbieten lassen. Weil sonst für die KundInnen Verwechslungsgefahr besteht… Oh, wie nett, dass sich die Damen und Herren um uns kümmern – nein, im ernst, für wie dämlich hält man denn eigentlich mündige KundInnen (selbige Bemühungen laufen ja auch andauernd bezüglich der Fleischersatzprodukte; da will man schon seit Jahren Bezeichnungen wie ‚Vegane Wurst‘ oder ‚Vegetarisches Schnitzel‘ aus gleichem Grund – Stichwort ‚Verwechslungsgefahr‘ – ebenfalls untersagen)?
Wie definiert eigentlich das Internet-Lexikon Wikipedia die Thematik? ‚Der Begriff Milch hat in der Europäischen Union einen Bezeichnungsschutz und darf nur Produkte bezeichnen, die durch Melken aus einem Euter gewonnen worden sind (zum Beispiel Kuhmilch, Schafmilch, Ziegenmilch).‘ So gesehen, bitte ganz schnell auch die ‚Scheuermilch‘ verbieten, oder die ‚Sonnenmilch‘; nicht auszudenken, würden die – Sie wissen es, wegen der Verwechslungsgefahr – im nächsten Müsli landen…
Kälber, Teil 2, folgt in Kürze!