Slowakei-Aktion – 7. Auslandseinsatz binnen gerademal 6 Monaten!

Der Tag hat begonnen, wie der gestrige endete – mit strahlendem Sonnenschein, schon zu früher Stunde! Offensichtlich im Einklang mit sich, fast schnurrend, klingt der Motor des RespekTiere-Mobils, dem diese Bedingungen anscheinend sehr entgegenkommen. Jedenfalls tuckert das Fahrzeug mit seinen nun auch schon weit über 250 000 Kilometern am Tacho geradezu wie am ersten Tag vor sich hin, ungeachtet der Elemente, welche an der Karosserie langsam aber doch schon Spuren hinterlassen. Die Morgennebel haben sich längst verzogen und vorbei geht es jetzt an der Bundeshauptstadt, welche gerade eben die 2 Millionen-EinwohnerInnen-Grenze überschritten hat und somit zur – was vielleicht nicht jedermensch vermuten würde – zweitgrößten deutschsprachigen Stadt nach Berlin aufgestiegen ist.

Slowakei-Einsatz

Auf den pannonischen Ebenen ist alles beim Alten; der Windpark wächst ständig, hunderte der stählernen Riesen verunzieren bereits das Land. Doch aus irgendeinem Grunde dreht sich heute kaum eines der Schaufelräder. Vielleicht gibt es ein Problem, vielleicht aber auch nur sind alle Speicher gefüllt und es wäre somit unnötig, die Vogelwelt dennoch weiterhin einer derartigen Gefahr auszusetzen?!

Die Grenze zur Slowakei ist jetzt bald überschritten. Tatsächlich bewegt sich bemerkenswert wenig Verkehr zwischen den Ländern, es ist ein wirklich ruhiger Tag. Eine Erinnerung an die Pandemie wird wach, wo die Szenerie des Öfteren nahezu gespenstisch wirkte. Wo wir immer wieder meilenweit das allereinzigste Fahrzeug fuhren, welches sich in den Weiten der Ostautobahnen bewegte. Ganz nach unserem Geschmack!

Bratislava-Ansicht

Foto: Bratisalva ist eine aufstrebende Stadt; hier von der Autobahnperspektive gesehen!

Die erste Anlaufstelle soll nun das große Obdachlosenheim „Vincent DePaul“ in Bratislava sein; so viel an Kleidung haben wir geladen, und so dringend wird diese hier gebraucht! Später erfahren wir, alleine die Metropole beherbergt mehr als 5 000 obdachlose Menschen, im ganzen Land sollen es rund 60 000 sein – eine unglaubliche Anzahl, besonders, wenn man bedenkt, dass die Region Bratislava zu den reichsten und aufstrebensten in der gesamten EU gezählt wird!

Vincent DePaul-Obdachlosenheim

Foto: Vincent DePaul, eine völlig unverzichtbare Einrichtung!

Schon jetzt, knapp nach Mittag, warten einige hilfsbedürftige Personen vor dem Gebäude; Einlass ist offiziell aber erst gegen 19 Uhr, der Tag selbst muss nämlich für Reinigungsarbeiten und andere Vorbereitungen genutzt werden. Täglich werden dann schließlich rund 300 Personen aufgenommen und verköstigt! Nicht nur das, die Menschen erhalten bei Bedarf auch medizinische Behandlung, es gibt einen Fernsehraum, einen Leseraum mit entsprechenden Lesematerial und natürlich umfangreiche sanitäre Anlagen (weshalb wir auch immer Hygienematerial sammeln, wie beispielsweise Zahnbürsten, Zahnpasten Seifen, Duschgels, Waschmittel, …). Dazu kann man sich nebenbei – da kommen wir ins Spiel – eben mit Kleidung eindecken! So unverzichtbar und großartig, dass es solche Orte gibt! Und die Menschen, welche all diese Dinge überhaupt nur möglich machen – wie die RespekTiere-Familie, die alleine in den letzten Jahren viele, viele Tonnen an derartigen Gütern gesammelt und gespendet hat!!!

Vincent DePaul-Obdachlosenheim
Ausladen bei Vincent DePaul

Foto, oben: Die Kleiderkammer bei Vincent DePaul – mehr als 300 Menschen werden hier täglich versorgt!

Ausladen bei Vincent DePaul
Ausladen bei Vincent DePaul

Schnell finden wir eine Angestellte des Ordens; sie soll uns im Laufe einer ganz persönlichen „Führung“ viele interessante Dinge zu erzählen haben; beispielsweise, dass rund die Hälfte der „Klienten“ einer Arbeit nachgeht, sich aber keine Unterkunft leisten kann. Eigentlich unglaublich, im Schlafsaal für gut 100 Personen zu übernachten, sich an der Suppenküche anstellen, und dann um 8 Uhr morgens in der Firma erscheinen.

Ausladen bei Vincent DePaul
Ausladen bei Vincent DePaul

Krankheiten gäbe es viele, ja, besonders häufig solche an Lungen und im Brustbereich. Ein Tribut an das harte Leben auf der Straße. Und selbstredend umfangreiche soziale Probleme; ist „Vinzent DePaul“ doch nebenbei die größte Hilfseinrichtung Mitteleuropas, welche auch betrunkene oder unter Drogeneinfluss stehende Menschen für die Nachtruhe aufnimmt. Einziges Manko: Hunde dürfen die Leute nicht mitbringen. So war erst gestern ein junger Mann hier, der dann Decken und Polster hinaus in den Garten nahm, um dort mit seinem vierbeinigen Gefährten zu übernachten. Ein Punkt, den wir extrem schade finden. Wenigstens einen Raum sollte es doch geben, im weitläufigen Komplex des alten Fabrikgebäudes, wo Menschen mit ihren vierbeinigen BegleiterInnen übernachten könnten.

Bettenlager bei DePaul

Fotos: Ein Schlafsaal und unten ein Leseraum!

Leseraum bei DePaul

Mindestens 50 % der Bedürftigen wären Jugendliche und junge Erwachsene, welche einen Familienzwist durchlebt haben. Sie hätten keine andere Möglichkeit als hier unterzukommen, hören wir. Manche bleiben dann, kommen jeden Tag wieder, oft für 10 Jahre, 15. Aber es gibt auch positivere Beispiele; da ist ein Mann zu erwähnen, der mit 20 ins Gefängnis musste und dort in verschiedenen Etappen insgesamt 28 Jahre verbrachte! Nun, mit weit über 50, habe er die Geister der Vergangenheit endgültig abgelegt; einen Job gefunden, eine eigene Wohnung erstanden. Nach nur 4 Monaten Herberge. Fest im Glauben, es nun zu schaffen, den eigenen Weg zu gehen. Wir wünschen es ihm so sehr!

Einsatz in der Slowakei 15

Was uns auch beschäftigt – wie kann man eine derartige Einrichtung warm halten? Im alten Fabrikgebäude, wo die Höhe der Räumlichkeiten bestimmt weit über 6 oder 7 Meter liegt; dazu, es gibt keinerlei Isolierung, die Fensterreihen mit nur einer dünnen Scheibe verglast, keine zweite Schicht. Manche davon noch dazu zerbrochen. Die Energie kommt aus riesigen Deckenstrahlern, ihrerseits betrieben mit Gas. Geld für dringend notwendige Renovierungsarbeiten gibt es leider nicht.

Dann laden wir aus; unglaublich, einmal mehr, welche Menge da im Sprinter wieder Platz gefunden hat! Selbst erstaunt beobachten wir den Berg, der sich mit jedem weiteren Male Hineintragen aufhäuft!

Obdachlose vor dem Obdachlosenheim

Gut eineinhalb Stunden verbringen wir letztendlich in der Einrichtung. Zu interessant, was die junge Frau zu erzählen weiß. Auch, dass die Streetworker und sozialen Helfer nur rund 1200 Euro verdienen; jedenfalls in einem Land, welches eine noch wesentlich stärkere Teuerung durchgemacht hat, wie das unsere… Tatsächlich, wir werden später noch kurz in den Supermarkt gehen, sind die Preise inzwischen nicht nur angeglichen, sie haben das westliche Niveau längst überholt. Nun würden viele Menschen, welche ein Auto haben und die Möglichkeit, längst nach Österreich rüberfahren um einzukaufen. „Bei euch ist ja fast alles billiger“, meint die junge Frau.

Der Nachbar des Obdachlosenheims ist ein Fabriksbesitzer; dessen Ort ist allerdings ein dem Verfall preisgegebener, was dort genau gearbeitet wird, man weiß es nicht. Was man weiß, und zwar seit vielen Jahren, ist, dass einige der riesigen Hütehunde, auf gefährlich getrimmt, in Zwingern leben müssen. Immer wieder haben wir die Süßen gefüttert, bei jedem Besuch, und immer wieder sind wir dabei in Schwierigkeiten mit deren Halter geraten; der will das nämlich nicht, weil die sanften Riesen sonst „zahm“ werden, meint er; und sie sollen doch viel eher den Eindruck untermauern, dass es sich hier um einen Platz handelt, wo mit den Besitzern nicht so gut Kirschen essen ist…

Hunde in Zwingern in Bratislava

Wir füttern sie dennoch, und inzwischen kennen sie uns bereits nur zu gut; schon, wenn das orange Ungetüm in der Umgebung hält, beginnen sie aus tiefster Kehle zu bellen. Voller Freude, da ist nix aggressives in der Stimme. Tatsächlich können wir sie mittlerweile sogar streicheln, und die vierbeinigen Wächter genießen die Zuneigung – und gben sie zurück! Ursprünglich waren es ihrer fünf; zwei dürften bereits gestorben sein, ein dritter lebt in einem Zwinger im Zwinger; unerreichbar für die Fütterung, unerreichbar, um irgendeine Art der Nähe aufzubauen. So traurig. Warum er ein solches Dasein fristet, es ist ein Rätsel. Was gibt es zu bewachen? Rost und Verfall?

Hunde in Zwingern in Bratislava

Foto oben: Alle Hunde hier haben ein schlechts Los gezogen; aber dieser eine das wohl allerschlechteste…

Den beiden in den Frontzwingern reichen wir alsbald ein üppiges Mahl. Wie dankbar sie sind, wie traurig sich die Situation gestaltet – von Mal zu Mal zunehmend schwieriger. Irgendwann müssen wir wirklich Pläne schmieden…

Hunde in Zwingern in Bratislava
Hunde in Zwingern in Bratislava

Unser Zeitplan ist ein straffer; es geht nun zu Frau Havranova und ihren Katzen. Ihr wisst, seit mindestens 15 Jahren helfen wir an dem Ort, es mögen ihrer schon 20 sein. Durch alle Höhen und Tiefen sind wir in dem Fall bereits geschritten; besonders, weil die Stadt seit Jahren bedacht ist, das Asyl einfach auszuradieren. Das älteste Tierheim der Slowakei! Sogar vor dem Parlament hat man uns schon Redeminuten gewährt, und im slowakischen Fernsehen durften wir die Problematik erörtern. Dennoch, gerade jetzt hängt das Damoklesschwert wieder besonders niedrig. Das endgültige Aus droht, im Herbst ist der letzte Verhandlungstag angesetzt. Dann soll geräumt werden… bis dahin aber machen wir noch das Beste draus: Immerhin werden an jenem Ort rund 25 Katzen dauerversorgt, zudem kommen in etwa dieselbe Anzahl von Streunerkatzen hinzu, welche sich regelmäßig Futter abholt. Und solches haben wir wieder gebracht, natürlich ganz viel davon!

Märchengarten bei Frau Havranonva

Foto: Der Märchengarten von Frau Havranova’s Asyl!

Frau Havranova war zuletzt schwer krank; alleine drei Monate hat sie an einer Coronainfektion laboriert. Aber jetzt geht es endlich wieder bergauf. Auch mit dem Mut! Und dazu hat sie einen neuen Helfer gefunden – Marek, der selbst ein dutzend Katzen bei sich beherbergt.

Leider aber bliebt heute kaum Zeit; dennoch lauschen wir geduldig den Sorgen und Problemen der Katzenschützerin, versprechen, im angesicht des nahen Gerichtstermins wieder massiv zu helfen. Mit der Zusicherung, bald wiederzukehren, Frau Havraonvoa wie üblich mit Tränen in den Augen, verabschieden wir uns dann aber schließlich auch schon wieder!

Märchengarten bei Frau Havranonva

Fotos: Das absolut Positive: Frau Havranova hat einen neuen Helfer gefunden – Marek!

Abladen von Katzenfutter bei Frau Havranova
Abladen von Katzenfutter bei Frau Havranova
Abladen von Katzenfutter bei Frau Havranova
Abladen von Katzenfutter bei Frau Havranova

Es geht nun zu Sloboda Zvierat, „Freiheit für Tiere“; seit Jahren verbindet uns mit der slowakischen Vorzeigeorganisation eine tiefe Freundschaft. Was der Verein auf die Beine gestellt hat, es ist Legende. Wer je nach Bratislava kommt, bitte schaut Euch mal das Tierheim am Stadtrand an – so wunderschön, so wunderbar, wie man es kaum erwarten könnte. In Fakt, der Ort ist nicht nur im Osten, sondern wäre wohl in jedem Land der Welt ein Tierheim „Prädikat wertvoll“, ein Platz der Menschlichkeit. Paula, die Leiterin, hat uns schon oft geholfen, so zum Beispiel segeln wir stets unter deren Flagge in die Ukraine. Mit den besten Hilfspapieren ausgestattet, welche uns Tür und Tor öffnen.

Abladen bei Sloboda Svierat

Heute ist Paula leider nicht da; aber wir hätten auch nicht wirklich Zeit gehabt, denn der Tag schreitet unbarmherzig voran – und noch immer nicht haben wir die obligatorische RespekTiere-Demo, welche all unsere Ostfahrten begleitet – abgehalten.

Schnell ist das mitgebrachte Hundefutter ausgeladen; wo wäre es besser aufgehoben als hier? In zwei der großzügig bemessenen „Hundegehege“ sehen wir dann mehrere reinrassige Collies. Lassie in Reinkultur. Die Anhäufung dieser Art kann nur eines bedeuten: Wieder einmal ist es Sloboda Zvierat gelungen, einen größeren Züchter aufzudecken, der seine Tiere unter schlechtesten Bedingungen hält. Und die Organisation konnte die Armen in Folge so ganz offensichtlich befreien! Denn auch das ist einer der vielen Aufgaben. Zu thematisieren, aufzuzeigen, anzukreiden, aufzunehmen. Ohne jede Frage ist esder „Freiheit für Tiere“ dieserarts in den vergangenen Jahren eindrucksvoll gelungen, meinungsbildend aufzutreten und das Delikt „Tierleid“ zum gesellschaftlichen Konsens zu erheben.

Abladen bei Sloboda Svierat
Abladen bei Sloboda Svierat
Abladen bei Sloboda Svierat

Überall im Heim gibt es Hinweistafeln zu Problematiken rund um „Tier“, aber nicht „nur“ zum „Haus“tier, nein auch das sogenannte „Nutz“tier wird entsprechend thematisiert. Es ist wahre Pionierarbeit, was der Verein da leistet.

Hunde bei Sloboda Zvierat

Wir wandern durch die Reihe der Hundegehege; die sind meist recht weitläufig, mit Freiflächen und Bäumen, und es sind – bis auf jene Individuen, welche wegen beispielsweise Krankheiten oder auch Unverträglichkeiten keine anderen HeimbewohnerInnen neben sich dulden. Alles wirkt hier äußerst ordentlich und übersichtlich. Es ist sauber, die Näpfe gefüllt, überall holen Menschen Hunde ab, um mit diesen ein paar Runden in der Umgebung zu drehen. Ein Vorzeigetierheim, aber ich wiederhole mich.

Hunde bei Sloboda Zvierat

Schon hat uns die Straße wieder. Es gilt noch einen Protest zu veranstalten; dieses Mal wollen wir ausnahmsweise nicht das Hundeschicksal in den Vordergrund stellen, sondern das Tierleid nach Vorbild Sloboda Zvierat allgemein brandmarken. So können erstaunte PassantInnen alsbald Gevatter Tod sehen, der ein Transparent mit der Aufschrift „There is no excuse for animal abuse“ vor sich hält. Platziert hat sich der Knochenmann hierfür bei einem gut besuchten Dönerstand. Erstaunlicherweise bleiben auch sofort mehrere Menschen stehen; ein Mann klatscht schließlich laut, schreit „Bravo“, geht auf den Aktivisten zu und schüttelt voller Elan dessen Hände. Offensichtlich nur zu erfreut über den Protest. Ein weiterer Mann streckt seinen Daumen hoch. Wir freuen uns über derartige Reaktionen natürlich riesig.

Protest in Bratisalva

Ein schneller Blick auf die Uhr verrät aber nun, es ist Zeit nach Österreich zurückzukehren. Der Horizont zeigt sich bereits in den Farben der untergehenden Sonne, und wir haben letztendlich doch noch alle vorgenommenen Programmpunkte für uns erfüllt.

Protest in Bratisalva

So sitzen wir alsbald im nun leeren Van, der aufgrund des enormen Gewichtsverlustes nun deutlich leichter zu lenken ist. Etwas gedankenverloren vielleicht, ob der vielen, vielen Eindrücke, aber auch froh im Herzen – zumindest für einige Monate ist der Betrieb bei Frau Havranova weiter sichergestellt, und was der Herbst bringt – Inshalla, wir werden sehen! Heute ist jedenfalls nicht der Tag darüber nachzudenken. Morgen dann leider schon wieder…

Noch ein paar Slowakia-Impressionen?

Protest in Bratisalva
Einsatz in der Slowakei 23
Protest in Bratisalva
Protest in Bratisalva
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