Wärme bringen – Slowakei-Hilfsfahrt!

Es ist ein trauriger Tag. Sogar der Himmel weint bittere Tränen, immer wieder und oft über Stunden hinweg ohne Unterlass. Dazu ist das Land in tiefe Melancholie getaucht, in fließende Nebelschwaden getüncht. Der Atem einer Gottheit, welche die Wunden an der Landschaft gnädig unter einem Tuch des Schweigens verbirgt. Wenigstens für kurze Zeitspannen. Dichte Wolkenmeere treibt ein kühner Wind vor sich her, wutschnaubend. Selbst die stählernen Riesen entlang des Weges, aberhunderte, ihre Fangarme sind längst im Hamsterrad der Ewigkeit gefangen; von der leisesten Luftströmung zur Bewegung getrieben, jede auch noch so kleinste Brise untertan gemacht, auch sie verschwinden hinter grauer Watte. Nur deren pure Umrisse sind erkennbar, und selbst die wohl allein für solche, welche von ihrer Existenz aufgrund früherer Erfahrungen wissen.

Bus beladen2
Bus beladen

Fotos: Einmal mehr voll beladen zeigt sich das RespekTiere-Mobil! rechts: das viele Katzenfutter ist besonders wichtig – geht es doch zur ‚Katzenmutter‘ Frau Havranovra! unten: dichte Nebenschwaden verhüllen selbst die stählernen Riesen!

Windraeder im Nebel

Es war bereits eine lange Fahrt, hierher zu Grenze, die Präsenz Gevatter Todes in den bleiernen Gedanken. Erst kürzlich hat der Knochige Frau Oprea zu sich geholt, dann Franziska, eine so unfassbar großartige Tierschützerin aus der Grazer Umgebung – und jetzt noch Karol, der die letzten sechs, sieben Jahre über das zerfallende Asyl der Frau Havranovra zu einem Ort des Lebens gemacht, ihm seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt hatte; der Arme ist einfach umgefallen, inmitten seiner Herberge, von einem Moment zum nächsten dem irdischen Dasein entschlüpft.  

on the road again - Hilfsfahrt Slowakei

Foto: Karol, der Unvergessene!

Trotz der inzwischen bereits üblichen Panikmache rund um den Übertritt in ein anderes Land der Union während der Pandemiezeiten halten uns Grenzformalitäten nicht lange auf; das RespekTiere-Mobil, vollgeladen wie immer – von der Tiernahrung bis hin zur Kleidung für bedürftige Menschen – bahnt den Weg zielsicher vorbei an den Grenzsoldaten, entert slowakischen Boden. Auf TomTom im Wageninneren ist Verlass, die Navigation steuert unbeeindruckt von den schwierigen Witterungs- und Fahrbahnverhältnisse mit künstlichem Genie Frau Havranovra’s bedrohtem Paradies entgegen.

Die Gute empfängt uns schließlich mit Tränen in den Augen; ja, sie ist eine Leidgeprüfte, von schweren Schicksalsschlägen gezeichnet. Und nochmals ja, jeder unserer Besuche ist begleitet von dem Gedanken, wie lange noch ihr Körper – mehr noch die Seele – den Strapazen des Alltags standhalten kann. Viele von euch wissen es, der inzwischen fast schon jahrzehntelange Streit mit der Stadt bezüglich des Standortes – Bratislava möchte Frau Havranovra nur zu gerne loswerden, denn das Asyl steht auf gemeindeeigenem Grund, der inzwischen hunderttausende Euros wert ist – diverse Krankheiten, der Überfall in der Herberge, der sie schwerst verletzt zurückließ, die Krankheit ihrer Mutter, ihre eigene so angeschlagene Gesundheit, dazu eine kürzlich überstandene Corona-Erkrankung, welche sie für 7 Wochen ans Bett fesselte, und jetzt der Tod von Karol – als das verlangt Tribut.
Tribut, der sich in ihren von Leid und Kummer geröteten Augen wiederspiegelt.

Grenze Aut Sk

Foto: Übertritt in die Slowakei – trotz aller Unkenrufe kein großes Problem für uns als ausgewiesenen Hilfstransport!

Doch noch immer steht sie da vor uns, und trotz den Widrigkeiten, trotz der Tränen, lebt auch ein gewisser Glanz fortwährend in ihr; es ist der Glanz der Siegenden, der Glanz der Hoffnung. Der Glanz, der von Ehre und Stärke spricht. Noch ist dieser Funke nicht erloschen. Er lodert in ihr und schreit aus dem Inneren: ‚Ja, ich bin angeschlagen, ja, ich bin am Boden, aber gebt mir nur ein bisschen Zeit und so wahr mir Gott helfen, ich komme wieder hoch!‘ Daran besteht kein Zweifel: immer ist sie zurückgekehrt, und gibt ihr das Leben einen Schlag in die Magengrube, dann hustet sie kurz, spuckt einmal, zweimal, atmet nochmals durch, richtet sich auf und streckt der Herausforderung den berühmten mittleren Finger entgegen. Mit einer schier unerschöpflichen Kraft, die wahrscheinlich nur Frauen innewohnt.

Improvisation ist ein Talent. Tatsächlich hat die Tierschützerin auch schon wieder Hilfe gefunden; ein junger Mann namens Marek – er versorgt in seinem eigentlichen Heim selbst ein Dutzend Katzen – hat die letzte Woche über bereits wieder viele Reparaturen bewerkstelligt, die Fenster abgedichtet, Holz zum Heizen besorgt; nur Kohle fehlt, meint er, damit das Feuer, die Wärme, ein bisschen anhalten würde…

bei Frau Havranovra

Fotos: es gilt ernste Gespräche über die Zukunft zu führen! unten: noch macht der alte Ofen seine Arbeit – besonders freut er sich jetzt einmal über die Kohle, die die hält die Wärme länger fest als Holz es tut…

Ofenkatze

Zusammen entladen wir dann auch schon das Mitgebrachte; Katzenfutter in großer Menge ist geladen, dazu Decken, Handtücher, Katzenkörbe, Katzenschlafgelegenheiten, Polster und diverse andere Tierheimartikel. Alles muss dieses Mal in der kleinen Küche untergebracht werden, denn ‚a lot of biiig mouses‘ (Ratten meint sie wohl) hätten inzwischen sämtliche andere Räume der Unterkunft in Besitz genommen… Selbstredend, ob dieser Ansage, wir werden im Frühjahr wieder einen ‚Do-It-Yourself‘-Tag am Asyl einlegen müssen, keine Frage. Errinntert Ihr Euch, einmal schon gab es dasselbe Problem, wo wir dann mit der erfolgreichen Boden-Betonierung des befallenen Raumes dagegenhielten.

Ein schneller Kaffee noch, es gibt jede Menge zu tun an diesem Tag; höchste Eile ist trotz der zu verarbeitenden Traurigkeit geboten; unsere Zeit, eine solche, welche dem Anschein nach selbst nur eine kurze Trauerphase kaum mehr zulässt; bis zum bitteren Ende! Frau Havraonvra versinkt ein letztes Mal in Gedanken; Karol, unser Held, er war in die Küche gegangen, hatte dort ein Kästchen geöffnet. Ist, so meinten es die Ärzte später, zusammengebrochen an gleicher Stelle und war wohl im nächsten Moment tot. Ein gnädiges Sterben, wenigstens das; wenigstens für ihn. Aber viel zu jung. 61 ist er geworden, er, der nichts für sich aber so viel für andere getan hatte. So gebraucht wäre er. So unersetzlich war sein Dasein.

Busentladung bei Frau Havranovra

Foto: Marek, Bildmitte, hilft gleich mal ordentlich mit! Hoffentlich ist er auch in Zukunft für das kleine Asyl da – es wäre so immens wichtig!!!

Nicht einmal Karol’s Grabstelle kennen wir; Frau Havranovra meint, sie, die den Armen, nachdem sie ihn an jenem schicksalshaften Tag nicht am Handy erreichen konnte, frühmorgens zum Asyl gekommen war und ihn dort am Boden liegend vorfand, die Polizei hätte noch am Ort des Geschehens seine Schwester angerufen; die ‚Katzenmama‘ hätte die Kosten der Beerdigung nie und nimmer begleichen können, so war dies Familiensache. Wo sie in Folge aber nichts von den weiteren Schritten erfuhr, nichts davon, was denn nach der Abholung des leblosen Körpers passierte, wohin dieser gebracht und wo er bestattet worden war…

On the road again Hilfsfahrt Slowakei

Foto: Rest in Peace, dear friend! Auch Bona, die herzallerliebste Hündin, ist 2021 von usn gegangen…

Ein weiterer Gedanken neben dem Andenken an Karol lässt uns nicht los – das ‚Schwarze Gold‘ wäre so wichtig! Trotz der Zeitnot, kurz geschluckt, ein Versprechen: Frau Havranovra, wir bringen jetzt die anderen Sachen, gut 400 kg an Hundefutter und jede Menge Bekleidung, Hygieneartikel, Dinge des täglichen Bedarfs für bedürftige TierhalterInnen, zu unserem Partnerverein ‚Sloboda Szvierat‘, ‚Freiheit für Tiere‘, und dann werden wir das so dringend benötigte Heizmaterial im Baumarkt besorgen und nochmals ins Katzenasyl zurückkehren… die Freude in den Augen, das Glitzern im selben Moment, es ist unbezahlbar!

prekaere Strassen in SK

Foto: die Zufahrt zum Asyl ist von den Elementen gezeichnet; unten: Sloboda Szvierat’s Tierheim ist ein wunderbarer Platz!

RespekTIere Mobil im Asyl
Infopfad im Asyl in Bratislava

Der Regen ist inzwischen wirklich heftig geworden; im Tierheim angekommen, über fast unpassierbare Straßenwege hinweg, der Asphalt längst von den Elementen zerfressen, verlieren die Tränen des Himmels aber plötzlich an Kraft, hören schließlich ganz auf zu fließen. Der Ort ist übrigens ein wundervoller, ein ganz großartiger. Viele Menschen sind – und nicht nur heute, immer ist das so – am Gelände unterwegs, holen Vierbeiner zum Gassi gehen, zum Austausch in den vereinseigenen Abenteuerspielplätzen für Mensch und Tier; überall gibt es zu diversesten Tierrechtsthematiken Schautafeln, Hinweise, Tipps in dieser Begegnungsstätte. Eine, so wie sie sein sollte. Eine, die ganz vielen selbst im ‚goldenen Westen‘ ein ganz großes Vorbild sein muss…

viel Bewegung im Asyl

Zwei nette Helfer stehen bereit; Paula, die Vorsitzende von ‚Freiheit für Tiere‘, ist heute extrem im Stress, aber dennoch nimmt sie sich für die Gäste Zeit. Zeit, die wir jedoch letztendlich nicht beanspruchen wollen, denn für uns alle ist der Plan an diesem Tage ein besonders enger!

Schnell entladen wir das orange Monster; soooo viele Spielsachen für Kinder sind dabei, herzlichsten Dank Ihr Lieben für diese erneute einfach nur großartige Sachspendenunterstützung, deren wir einmal mehr Zeuge werden durften (weil es sich mir beim Schreiben der Zeilen geradezu aufdrängt: apropos Kindersachen, stellvertretend für so viele:  drei große Kartons mit Kuscheltieren, fabriksneu, zur Verfügung gestellt von der Moni aus Salzburg, sowie von der Jasmin aus Oberndorf, welche mehrere riesige Schachteln voller Süßigkeiten sowie brandneue Geschenke wunderhübsch verpackt extra für Kinder auf die Reise mitgegeben hatte, überreichen wir zur Weitergabe – es sei euch allen von ganzem Herzen gedankt)!

Slowakei-Hilfsfahrt
wir entladen den Bus in Asyl
entladung bei Sloboda
im Lager bei Sloboda

Fotos oben: Ausladen des ‚brettlebenvollen‘ (österreichischer Ausdruck 🙂 ) Vans!

unten: selbst im besten Tierheim ist die Einsamkeit mancher Insassen spürbar…

einsamkeit trotz wundervollem Asyl
Katzenbehausungen bei SZ
IMG 6681
Tierheim in Bratnsilava

Die Nacht bricht bereits über Bratislava herein, als wir uns verabschieden; kaum verschwinden die Tore des so hervorragenden Asyls im Rückspiegel, setzt auch schon der Regen wieder ein. Als ob er extra für uns eine Pause gemacht hätte! Hätte? Hat er! 🙂

Die Szenerie wirkt beinahe gruselig; da steht Gevatter Tod mit seiner Sense an einem stark befahrenen Straßenstück, neben sich mit dicken Lettern beschrieben ein Transparent: ‚Stop Killing Stray Dogs!‘ Daneben eine Aktivistin im Hundekostüm, (kunst-)blutüberströmt. Zusammen mit den Nebelschwaden, dem fahlen Licht aus den Straßenlaternen, dem unaufhörlichen Verkehrsstrom und dem Prasseln des Regens auf nassem Beton ergibt sich ein gar eindrucksvolles Bild!

Knapp vor ‚Sperrstunde‘ entern wir tatsächlich im letzten Moment vor dem Zusperren den Baumarkt; etwas missmutig nimmt die Verkäuferin zu so später Stunde die Bestellung entgegen, eine Bestellung, die uns durchatmen lässt: geschafft, wir können tatsächlich noch heute Wärme bringen! 🙂

Durch den Wirrwarr der Straßen schlängeln wir uns den Weg zurück ins Asyl. 2 Stunden hatten wir für unsere Rückkehr eingeplant, jetzt sind schon vier draus geworden; ob Frau Havranovra so lange auf das RespekTiere-Mobil gewartet hat? In der Tat ist es im Asyl bereits stockdunkel. Das Tor ist mit einer schweren Eisenkette und einem Outdoor-Schloss fest versperrt. Grrr…. Was tun? 50 schwere Pakete mit Kohle über die gut 2 Meter hohe Einfriedung hieven? Die nach einem Einbruch noch dazu mit einer Reihe von Stacheldraht abgesichert ist?

Weil es laengst Tradition ist Protest

Fotos: aufsehenerregender Protest in gruseliger Umgebung – Stoppt das Töten von Straßentieren!!!

Protest fuer Strassenhunde in Bratislava
Gevatter Tod in Bratislava

Nein, das Schicksal hat längst einen anderen Plan für uns entworfen! Der Tag hatte schon so viel Gutes mit sich gebracht, und er tut es einmal mehr: plötzlich erscheint Frau Havranovra nämlich aus dem Nichts, noch dazu zusammen mit einer Freundin!

Der Wärmespender ist nun schnell verladen. Ein letztes Mal noch ‚sich in die Arme fallen‘, dann hat uns die Straße wieder! Von den Strapazen des Tages beinah ausgenockt, gibt es dann zwar noch einmal ein bisschen Drama an der Grenze, weil mein Handy inzwischen den Geist ausgegeben hat und ich das Kabel zwecks Akkuladung nicht mehr finde – am Gerät ist aber der einzige PCR-Test-Nachweis gespeichert, der dann für die Ein- und Ausreise unbedingt benötigt wird. Allerdings, Snjezana hat den ihren, und so zeigen sich die BeamtInnen schließlich großzügig – noch dazu mit dem deutschen Auto unterwegs, erlauben sie letztendlich die Weiterfahrt ohne Quarantäne-Androhung!

Slowakei-Hilfsfahrt - Wärme bringen

Kohelabbau
verladung von Kohle

Fotos: in letzter Minute doch ncoh geschafft – bevor der Baumarkt zusperrt, beladen wir den RespekTiere-Bus nochmals ordendlich, dieses Mal mit ’schwarzem Gold‘!

kohle im Respektiere Mobil
Waerme bringen

Still ist es geworden im RespekTiere-Mobil, spätestens, als wir Wien passieren. Das Jahr ist vorüber und wir beginnen ein neues  – genau wie wir es immer tun – mit einer Hilfsfahrt!

Für morgen stehen neue Herausforderungen an – tatsächlich müssen, nein, dürfen, wir dann bereits wieder Sammelgüter von besten FreundInnen abholen!!! Aber für das Heute, da ist es genug.  Der Gedanke an Schlaf, nichts als Schlaf, beflügelt die letzten Meter Fahrt. Endlich Ruhe für den Körper, endlich Ruhe für den Geist. 2022 wird anstrengend, soviel steht fest.

Reklame in Bratislava

Foto oben: Bratislava ist eine moderne Stadt geworden – und sie wächst in schnellem Tempo! Unten: Ausreise, nicht ganz so unkompliziert wie die Einreise!

VVGI4716

Foto unten: Wien bei Nacht, strömender Regen begleitet uns!

heimnfahrt aus SK

Für Karol. Wir werden Dich nie vergessen. Rest in Peace!

Bye bye lieber Karol 1
Lieber Karol Rest In Peace

Wärme bringen - noch ein paar Impressionen!

Ich will raus
Stray-Dog-Demo Bratis
Sloboda Szvierat
IMG 6724
IMpression in Bratislava
Grafiti in Braitslava
Nach oben scrollen