Gerne würden wir heute über eine Thema sprechen, welches uns schon lange und in besonderem Maße beschäftigt – die Kinderarbeit in Mauretanien! Eine herzzerreißende Problematik, mit welcher wir an den Wasserstellen, den Haupt-Einsatzorten von ‚Esel in Mauretanien‘, leider immer wieder konfrontiert werden.
Mauretanien ist eines der ärmsten Länder der Welt. Dennoch, die letzten Jahre waren halbwegs gut zu der ‚Demokratischen Republik‘, welche nach einem Militärputsch 2008 noch immer von einem Ex-General als nunmehrigen Präsidenten angeführt wird und der somit fortwährend der unverwechselbaren Mief einer Diktatur anhaftet. Ja, das gesellschaftliche Leben hat sich dennoch etwas gebessert, der Müll auf den Straßen – obwohl für ‚ErstbesucherInnen‘ immer noch in unvorstellbaren Mengen vorhanden – ist ein bisschen weniger geworden, die Umgebung ein klein wenig moderner. Wusste beispielsweise der alte Flughafen (mitten in der Stadt gelegen!!!) noch einen unverkennbaren Indiana-Jones-Charme aufzuweisen, versprüht der neue, von China gebaut und vor wenigen Jahren eröffnet, doch internationalen Standard (was dem entgegenspricht, ist der fortwährende korrupte Touch: zum Beispiel gilt wie an jedem Flughafen ein Rauchverbot; allerdings, kommt nun die Security zu jemanden, der trotzdem den Glimmstängel zündet, kann ein solcher ohne weitere Probleme einen ‚Freikauf‘ erwirken und sich dann unangetastet dem Laster widmen…)!
Fotos, oben: Herzzerreißend; der Kleine wartet auf seinen Bruder, welcher gerade mit uns spricht und selbst keine 10 Jahre alt ist… unten, links: Dr. Dieng behandelt ein Eselbaby in schlechtem Zustand; es ‚gehört‘ den beiden Jungs, und verkörpert ihre einzige Zukunftshoffnung….
‚Abwechslung‘ vom Wüstenalltag jedenfalls dürfen sich die wenigen TouristInnen, welche es nach Mauretanien verschlägt, nicht erwarten. Eine Unterhaltungs-Industrie hat sich bisher im Land kaum entwickeln können. So gibt es beispielsweise in der ganzen großen Nouakchott-Metropole mit weit mehr als 1 Million EinwohnerInnen nach wie vor kein einziges Kino…
Zu Bedenken ist auch: es besteht von der österreichischen Regierung eine Reisewarnung der höchsten Stufe 6 – was bedeutet, im ‚Bedarfsfalle‘ – vor Terrorzellen wie dem IS wird eindringlich gewarnt – gibt es für österreichische StaatsbürgerIn keine Botschaft im Land und null Aussicht auf Unterstützung durch die Alpenrepublik…
Fotos: anstatt in der Schule zu sein, müssen diese Kinder zum Haushaltseinkommen beitragen. Ihr Start ins Leben, der Fluch der Geburt, lässt ihnen praktisch keine Chance, je diesen Kreislauf zu durchbrechen!
Foto unten: Zappa erklärt diesem Jungen, wie er sich um den Esel kümmern muss, um ihn so gut als möglich gesund zu erhalten! Das Tier ist die einzige Aussicht auf ein (wenn auch sehr geringes) Einkommen…
Kinderarbeit hat in dem Moloch an der Westküste eine lange Tradition. Bei unvorstellbaren Wachstumsraten von bis zu 25 % jedes Jahr – nicht zu vergessen, in einer erst 1960 gebauten, für 15 000 EinwohnerInnen konzipierten Stadt – hielt die Infrastruktur in keinster Weise mit der Urbanisierung mit. So gibt es heute abgesehen vom Botschaftsviertel kaum fließendes Wasser oder auch nur einen Kanal. Die Säuglingssterblichkeit liegt irgendwo zwischen 5 und 10 Prozent (offiziell bei rund 6 %) die Kindersterblichkeit bei gut 8 %. Obwohl die Fertilitätsrate seit den 60ern stark gesunken ist (sie lag bei über 7 Kindern pro Frau), gebärt jede Frau statistisch gesehen noch immer 4,5 Kinder. Schulpflicht besteht theoretisch für alle 6 – 11jährigen, aber rund 25 % der Kinder werden überhaupt nie in ein Schulsystem eingeführt. Der durchschnittliche Schulbesuch 25-jähriger betrug zuletzt nur knapp 4 Jahre.
Foto: diese Kinder versuchen an den Wasserstellen ein bisschen Nahrung zu ergattern…
Trotz einer inzwischen leicht steigenden Anzahl von Kindern im Grundschulbesuch sind noch immer fast 50 % der Menschen Mauretaniens Analphabeten. Hoffnungsschimmer? Bei Bildungsausgaben von nur rund 3 % der ohnehin kleinen Wirtschaftsleistung wohl kaum…
Fotos: Viele Kinder in Mauretanien müssen früh lernen ohne jede Hilfe zurechtzukommen; die meisten dieser Jungs (Mädchen ist es aufgrund von gesellschaftlichen Zwängen praktisch unmöglich, mit Eseln zu arbeiten) sind Waisen. Im Bild unten links: der Esel hatte eine schwere Kopfwunde; ich kann mich noch erinnern, man konnte durch den gebrochenen Knochen hindurch tief in sein Inneres sehen…
Es tut im Herzen weh, Kinder mit Eseln arbeiten zu sehen. Besonders bedrückend wird die Situation dann, wenn wir eine bestimmte Wasserstelle entlang der Mauer zu einer Schule besuchen. Sobald die Kinder, meist solche begüteter Eltern, dann Pause haben, kommen sie raus aus dem Gebäude und beobachten das Team interessiert beim der Arbeit. Der Kontrast ist in solchen Momenten wahrlich unerträglich; die einen in Fetzen gehüllt, mit Schlagstöcken in den Händen und viel zu früh vom Ernst des Lebens überwältigt, die anderen mit Baseballkappen und in Gucci-Kleidung, mit absichtlich zerrissenen Jeans. Aus verschiedensten Welten, und dennoch direkte Nachbarn. Getrennt alleine vom Glück oder noch viel öfters vom Fluch der Geburt. Welcher hier offensichtlicher zu Tage tritt als sonstwo auf der Welt…
Foto: bei den einen sind die Kleider zerrissen von schwerer Arbeit, bei den anderen durch die Spaßgesellschaft (im Hintergrund die Jungs in den zerfetzten Jeans, leider durch die herabgesetzte Auflösung des Fotos nicht wirklich erkennbar)…
Fotos unten: unsere Broschüre in Bildsprache (als Tribut an den hohen Analphabetismus) begeistert besonders die Kinder – hier zeigt Zappa vor einer Schule den Kleinen, wie sie sich künftig um Tiere kümmern sollten!
Mauretaniens Müllkinder
Fotos: wie überall in der Dritten Welt sind auch Mauretaniens Müllkippen voller Kinder, welche in den Müllmassen nach Brauchbarem suchen…
Weitere nahezu unfassbare Daten? In Mauretanien gilt die Shari’a; ein Übertritt zu einer anderen Religion ist, obwohl seit langem keine solche Strafe mehr vollzogen wurde, selbst 2022 noch immer mit der Todesstrafe bedroht. Ebenso Homo- oder Bisexualität. Amnesty International wies in einem Bericht auf ‚unverhältnismäßige Gewalt und systematische Folter gegenüber Demonstrierenden, Häftlingen und die Zivilbevölkerung‘ hin. Willkürliche, harte ‚Maßnahmenregelungen‘ werden für geringste Vergehen verhängt, die Gefängnisse sind deshalb hoffnungslos überfüllt. Die Anzahl an von Genitalverstümmelungen betroffenen Frauen, obwohl gesetzlich verboten, wurde noch um 2000 mit über 70 % gemutmaßt. Heute, wo eine Fatwa (eine verbindliche ‚islamische Rechtsauskunft‘, Anm.) verhängt wurde, gibt es dazu keine Schätzungen mehr. Aber dass damit das Unfassbare ausgemerzt ist, ist wohl nur reiner Wunschgedanke. Auch die Sklaverei ist übrignes gesetzlich seit 2007 verboten. Allerdings geht die Anti-Sklaverei-Organisation SOS Esclaves von bis zu 600 000 Menschen aus, welche noch immer in Sklaverei oder in ’sklavenähnlichen Verhältnissen‘ leben. Damit wäre der Anteil von Sklaven an der Gesamtbevölkerung (rund 4 Millionen, er läge also bei 15 %) der höchste der Welt. Nirgendwo auf diesem Planeten gibt es demnach mehr geknechtete und rechtlose Menschen innerhalb einer Gesellschaft als im Wüstenstaat an der Westküste Afrikas…
P.S.: nach der coronabedingten Abstinenz von 2 Jahren, in welchen wir nicht in das Land durften, werden wir noch im November – Inshalla, so Gott will – endlich wieder selbst vor Ort sein! Unser Hauptaugenmerk wird dann sein: die endgültige Gründung eines fixen Platzes, wo wir besonders arme Tiere dauerhaft versorgen können!!!
