Nacht des Fuchses, Hof bei Salzburg

Gestern Abend fand in Hof bei Salzburg einmal mehr die unselige ‚Nacht des Fuchses’ statt. Natürlich gibt es für das mittelalterlich anmutende ‚Fest‘ – Männer und leider auch immer mehr Frauen ihrer Männlichkeit frönend (bezogen auf beiderlei Geschlecht), waffenstarr und in einig Harmonie, immerwährender Präsenz des Hochprozentigen, im Fackelmeer der knisternden Feuer und der Boden voller blutbefleckter Opfer ihrer abhanden gekommenen Menschlichkeit – eine mehr als glaubhafte Rechtfertigung:

Meister Reineke muss ‚reduziert’ werden, er ist einer der gefährlichsten Krankheitsüberträger, und zwar auch für den Menschen’, konnte man schon im Vorfeld aus vielen gut geölten Kehlen vernehmen.

Und es stimmt wohl tatsächlich: wer von uns kennt nicht jemanden, der übelst an von ganzen Fuchsarmeen ausgesandten Krankheitserregern zu Grunde gegangen ist????? Wer weiß nicht von den verheerenden Gefahren welche dem unbedachten Schwammerlpflücker erwarten, wenn er des Rotrocks Revier betritt? Und wer hat nicht gehört von Großvätern, die sterbend am Totenbett liegend, mit letzter Kraft und mahnend hochgestrecktem Zeigefinger ihre Abschiedworte hauchten: ‚Hüte Dich vor dem tödlichsten aller Tiere: der Fuchs, ja der Fuchs…’…

Hof, 18 Uhr Abends. Wir erreichen die Städte der Leichen-Präsentation. 2 Beamte in Zivil erwarten uns bereits. Später kommen noch weitere PolizistInnen in Uniformen hinzu, welche sich ebenfalls der Kälte des Abends stellen müssen. Die Beamten agieren trotz dieser unwirtlich anmutenden Temperaturen überaus nett und hilfsbereit. Nach und nach stoßen nun auch weitere AktivistInnen zu uns, wieder findet sich schließlich ein gutes Dutzend TierschützerInnen bei hochwinterlichen Verhältnissen am Ort des Grauens ein. Der Schnee türmt sich zu unsren Füßen, die Quecksilbersäule ist weit unter dem Gefrierpunkt gefallen.

Die ‚Nacht des Fuchses’ findet hinter dem Haus statt, eine öffentliche Veranstaltung, überraschender Weise jedoch entzogen den Blicken der Öffentlichkeit. Gerne würden wir uns einen Überblick schaffen, aber leider: der Weg hinter das Gasthaus ist mit einem Absperrband gesichert, ein roter Kreis auf weißem Grund mit der Aufschrift ‚Zutritt nur für Jäger’ erklärt die Besitzverhältnisse.

‚Nur für Jäger?’, sind wir doch auch! Autogrammjäger, Schürzenjäger,… 

Also, kein Grund, nicht diesen Ort zu besuchen! Der warme Schein aus einem halben Dutzend glosender Baumfeuer empfängt uns, dazu eine Jägerschar, welche sich an bereitgestellten Getränken labt (bestimmt 0,0 %, man(n) ist ja mit großen Autos unterwegs, und muss irgend wie wieder heimkommen – obwohl, so denkt sich mancher: streckt man heißes Wasser mit Schnaps, ist’s noch immer hauptsächlich heißes Wasser, oder?).

Die ‚Nacht des Fuchses’ verbreitet eine gespenstische Atmosphäre; im Fackelschein der Baumfeuer starren die rücksichtslos Getöteten der letzten Tage mit leeren Augen in den dunklen Nachthimmel; ihre erfrorenen, blutbefleckten Körper, von giftigen kleinen Metallkugeln des Lebens beraubt, werfen bizarre Schatten in den sanften Schnee. Das unschuldige Weiß passt so gar nicht zum Anlass, hebt sich von den gepeinigten Wesen und dem dunklen Rot ihres austretenden Lebenssaftes für das Auge fast schmerzhaft ab. Wir machen ein paar Bilder, die Versammlung reagiert gelassen, ein Mann zeigt sich sogar gesprächsbereit. Deutlich wäre zu sehen, dass die Füchse wieder an der berüchtigten Fuchsräude litten, es sei schon unbedingt notwendig, deren Bestand zu lichten, hören wir. Und wirklich: ein Fuchs in der Reihe scheint dem Krankheitsbild zu entsprechen, einer von nun zumindest 10; na ja, vermutlich haben wir die anderen Leichname nicht gut genug betrachtet! Ob Angst bestehe, man töte einmal zu viele Füchse bei diesen alljährlichen Massakern, so viele, dass sich der Bestand nicht mehr erhole? Nein, denn es gibt in Österreich zwei Tierarten, die man nicht ausrotten kann – Fuchs und Wildschwein… Warum dies bei Bär und Luchs und Wolf und…. so gründlich gelang, beim Fuchs und beim Wildschwein aber nicht, wird ein Geheimnis bleiben – eine Jäger-Prophezeiung, die sich aber hoffentlich erfüllt auf alle Zeiten; wie Meister Reineke und das Borstentier diesem Exodus aber entweichen können, mutet bisweilen fast rätselhaft an – wirft man nämlich einen Blick auf die Jagdzeiten, welche beiden Spezies zugedacht worden sind, erfährt man folgendes: Jagdzeit auf Wildschwein: 01.01 – 31.12. (ausgenommen ‚Führende Bachen’ – ist sie nicht immer wieder auf’s Neue fast putzig, diese JägerspracheL – diese dürfen ‚nur’ vom 16.06 bis 31.01 gemordet werden; Jagdzeit Fuchs: 16.05. – 31.03.!!!! Oder anders ausgedrückt: ‚Schon’zeit für’s Wildschwein 0 von 365 Tagen, für Mister Reineke 45 von 365 Tagen…

Letztendlich werden wir aber doch vom Platz eskortiert – während wir unter Begleitschutz die verschneite Zufahrtsstraße hinauf marschieren, kommen uns nun haufenweise Grünberockte entgegen – mit den Opfern ihrer Leidenschaft in Händen. Schrieb ich tatsächlich Leidenschaft? Verharren wir einen Moment – wenn Töten zur Leidenschaft geraten würde, würde dieses Verhalten dann nicht umgehend ärztlicher Kontrolle zugeführt werden sollen, als Schutzmechanismus einer funktionierenden Gesellschaft eigentlich müssen????

Wie dem auch sei, darüber sollten (und werden eines Tages) Experten entscheiden. Die Kundgebung verlief dann sehr beschaulich. Transparente säumten den Weg rechts und links der Zufahrtsstraßen. ‚Schande, Schande, Mörderbande’, konnte gesehen werden, ‚Ehrfurcht vor dem Leben ist Abscheu vor dem Töten’, ‚Für Blattschuss und Trophäenruhm bringen wir uns auch mal gegenseitig um!’ schrie in großen Lettern dem stillen Betrachter entgegen.

AktivistInnen in Fuchs- und Hasenkostümen hielten Schilder wie ‚Ich habe Angst vor Jägern’ oder ‚Impotenz braucht Waffen’ vor sich, der Sensenmann wies mit ‚Welcome to my paradise’ den Grünröcken den Weg zur Totenschau.

Es ist immer schwierig, auch für die Polizei, die richtige Ausgewogenheit zu schaffen – natürlich standen wir den Jägern zu nahe des Tatortes, unseres Ermessens aber zu weit von eben diesen entfernt. So kam es auch zu einigen Diskussionen, bis letztendlich die Platzverhältnisse geklärt waren.

Wie viele Füchse und Marder an diesem Tag leichenstarr den tannenbezweigten Boden säumten, wurde uns nicht verraten; als wir zu Ende des Ereignisses nochmals das Leichenbett aufsuchten, waren die meisten der Tiere bereits wieder entfernt worden, nur mehr rote Flecken im Schnee bezeugten ihre einstige Anwesenheit. Doch noch immer lagen dort mindestens 10 Füchse und drei Marder, von der sich langsam auflösenden Menge ihrer Häscher vergessen scheinend.

Erneut haben wir versucht eine Zusammenkunft in neutralem Rahmen von JägerInnen und TierschützerInnen in die Wege zu leiten. Doch dürfte es grünrock-interne Diskussionen darüber geben, denn während sich die Einen recht angetan von der Idee zeigten, schien so etwas für die Anderen überhaupt nicht in Frage zu kommen. ‚Nicht, nach den letzten Artikeln in den Zeitungen’, bekamen wir zu hören; dass diese von Journalisten und nicht von TierschützerInnen verfasst worden sind, sollte kein Diskussionsanlass sein. Und es gibt wohl auch triftigen Grund dazu, denn ein schmerzender Stachel im Fleisch der Jägerseele dürfte die immer präsentere Einsicht sein, dass die Mär vom Heger und Pfleger von einer zunehmend bereiter Bevölkerungsschicht durchschaut worden ist…

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