Esel in Mauretanien – ein Zwischenbericht

Es war ein bis auf wenige wetterbedingte Turbulenzen ruhiger Flug gewesen, der mich einmal mehr dem Winter entführen und in eine gänzlich andere Welt bringen sollte.
An meiner Seite, wir hatten ihn über das Internet zuvor kennen gelernt und ich ihn nun in Paris getroffen, saß Habib, ein Mauretanier, der in Lübeck studiert. Habib, er spricht wunderschönes Deutsch, ist äußerst Tierlieb und begeistert vom Projekt in Nouakchott. Er wird uns künftig mit Rat und Tat zur Seite stehen, um die Eselhilfe im Wüstenland am Atlantik in neue Höhen zu führen. In den letzten Wochen war es leider ein bisschen ruhig geworden um unsere Lebensaufgabe, ein Faktum, welches durch eine sich verhärtende Problematik mit ‚unserem‘ Tierarzt vor Ort zu Stande gekommen war. Doch nun haben sich völlig neue Chancen ergeben und die Zukunft wird unsere Entscheidung zu diesem neuen Schritt hoffentlich belohnen!

Die Air-France-Machine landet am Flughafen in Nouakchott. Es ist nun 9 Uhr Abends, eine leichte Brise macht das Atmen in der sich tagsüber auf nahezu unfassbare 40 Grad aufgehitzten Luft – jetzt, mitten im mauretanischen ‚Winter‘ – beinahe erträglich. Noch immer hält das Thermometer aber an der 27 Grad-Marke mit eisernen Griffen fest, die Quecksilbersäule scheint wie festgeklebt.

Nun bin ich also wieder hier angekommen, am Boden der Wirklichkeit, und dieser zieht den meinen fast ansatzlos unter mir weg. Nachdem der Stress der letzten Wochen rund um die verschiedensten Tierschutz-Themen zu Hause und nicht zuletzt ein durch den drohenden Prozess der ‚Mitgliedschaft in der kriminellen Organisation‘ verursachter Mauretaniens Problematik ein bisschen in die Ferne gerückt hat, ist der Aufprall hier in der Realität ein umso schmerzhafterer.
Eine hohe Polizei- und Militärpräsenz am Flughafen verrät die politische Stimmung im Land, macht die latente Angst vor Anschlägen augenscheinlich. Die Sicherheit im Wüstenland hat in den letzten Jahren schwere Einbußen hinnehmen müssen, Mauretanien, ein bisher gemäßigtes islamisiertes Land, sieht sich der Herausforderung eines Feldzuges durch religiöse Fanatiker gegenüber. Die MauretanierInnen selbst sind herzensgute Menschen, viel mehr der Diskussion als der Gewalt zugetan, doch durch undichte, nicht zu überwachende Grenzen sickern mehr und mehr ausländische Randgruppen herein, ein Nährboden für Al Quaida und Konsorten. Es wird nun empfohlen die Hauptstadt nicht zu verlassen, das Landesinnere zu meiden. Wir hören sogar davon, dass es Angestellten der Botschaften, in erster Linie der der deutschen und amerikanischen, angeraten, ja sogar untersagt ist, sich hin zum Strand zu bewegen oder außerhalb Nouakchotts zu reisen. Auch solle man das Haus nur mehr in Begleitung verlassen, und möglichst zu verschiedenen Zeiten zurück kehren, keinen Regelmäßigkeiten Untertan zu sein. Man solle sich bei Spaziergängen vergewisssern wer einem folgt und die Umgebung aufmerksam beobachten – Empfehlungen, die noch vor relativ kurzer Zeit unnötig gewesen wären.

Der Warteraum im Flughafen ist bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt mit Menschen, die Dutzenden Ventilatoren an der Decke der Halle erwecken einen gerade zu nostalgischen Eindruck. Trotzdem, man sollte sich nicht vom Schein trügen lassen, funktioniert die Einreise problemlos und wir machen uns auf zum nahen Parkplatz, wo bereits Habib’s Familie auf ihn wartet – auch mein ‚Empfangskomitee‘ ist ebenfalls schon da – Natalie, ihrerseits eine Angestellte der deutschen Hilfsorganisation GTZ, begrüßt mich freudenstrahlend und gibt mir auf Anhieb ein wunderschönes Willkommens-Gefühl!
Um uns scharen sich bettelarme Menschen, viele davon mit schwersten Behinderungen, alle im Versuch ein paar Münzen für ihr Überleben in einer tristen Umwelt zu ergattern. Das ist die wahre Seite von Mauretanien, eine stolze Nation, deren BürgerInnen zu den ärmsten Menschen auf dieser Welt zählen.

Zusammen mit Nathalie und ihrem Fahrer machen wir uns sogleich auf den Weg zu meinem einwöchigen Domizil, ein wunderschönes Haus, welches uns von unseren Bekannten aus derselben Organisation für die Dauer des Aufenthaltes zur Verfügung gestellt worden ist – wir möchten uns für diese wunderbare Geste – ein elementarer Eckpfeiler unseres dieswöchigen Vorhabens in Nouakchott – allerherzlichst bei der Familie Geppert bedanken!!!!

Früh am nächsten Morgen holt mich Habib auch schon wieder von dort und wir fahren zu Dr. Dieng, seines Zeichens einst der Helfer von Dr. Ba, unserem früheren Arzt hier in Nouakchott. Dr. Dieng hat also schon eine Menge Erfahrung gesammelt und wird wenn alles klappt zukünftig das Projekt vor Ort leiten, er hat die letzten Wochen schon mit Einarbeiten verbracht und dabei bereits mehrere hundert Esel an den Wasserstellen behandelt. Dr. Dieng erwarb auf einer sehr angesehen Universität in Tunesien seinen Doktortitel, er ist Arzt mit Leib und Seele. Der beim Warten am Straßenrand bereits umgehängter, lässig an seinem Hals baumelnder Mundschutz und die übergezogenen Latex-Handschuhe beweisen seine professionelle Einstellung, ganz so, als ob er den Einsatzbeginn kaum erwarten könnte!

Noch bevor wir uns dem Geschäftlichen widmen, fahren wir sogleich zu einer Wasserstelle, um eine erste Vor-Ort-InterventioniHilfeHHHHH mitzuerleben. Für all jene aus der RespekTiere-Familie, die erst seit Kurzem unsere Aussendungen lesen, möchten wir kurz erklären: gut die Hälfte der in Nouakchott eingesetzten Esel arbeiten an den Wasserstellen, dass sind jene Plätze – weil es ja im gesamten Stadtgebiet kaum Wasserleitungen gibt – wo Wasser aus tiefen Brunnen oder Resavoirs mit der Hand geschöpft, in alte Ölfässer gefüllt und auf die Karren der Tiere geladen wird, um daraufhin zu den EndabnehmerInnen, sprich den Haushalten gebracht zu werden. Das Gewicht, welches die Esel nun ziehen müssen, ist ein immenses – der Karren aus massivem Eisen, so schwer, dass er kaum zu bewegen ist, nun werden 2 der Fässer zu je 200 Liter geladen, und dann sitzt auch noch der Fahrer darauf. So zieht der vierteltonnenschwere Esel mehr als eine halbe Tonne an Gewicht hinter sich her, wohlgemerkt bei Temperaturen, die im Sommer an die 45 Grad-Marke kratzen, im Winter um die 30 Grad liegen und dass dann auch noch auf völlig unebenen Wegen, meist durch Sand…
Gepaart mit der oft ausufernden Gewalt mit welcher sie vorangetrieben werden, einer Arbeitszeit von bis zu 12 Stunden und aus Ketten, Stofffetzen und Stricken zusammengeflickten Zaumzeug ergibt das Ganze eine für die Tiere gar tödliche Mischung, die ihre Lebenserwartung vom ‚normalen‘ bis zu 50 Jahren auf wenige Jahre reduziert…

Das allerwichtigste vornweg: die Situation für die Esel scheint sich aber seit Beginn unserer Initiative endlich tatsächlich gebessert zu haben!!!! Nicht mehr zwangsläufig jeder Esel ist mit Wunden übersät, und manche sind sogar gut genährt.
Wie das andere Menschen sehen? Wir unterhalten uns im Laufe dieser Tage mit sehr, sehr vielen Personen, und die allerwenigsten hätten einen Grund uns die Unwahrheit zu sagen – ja, es stimmt, das Schlagen sei ein bisschen weniger geworden, die Wunden nicht immer ganz so schrecklich und manche der Eseltreiben schauen nun besser auf ihre Tiere, hören wir immer wieder! Christine, unsere deutsche große Hilfe vor Ort – schon so viele wertvollste und unentbehrlichste Tipps entstammen aus diesem Kontakt – weiß sogar warum das denn so ist: ‚Eure Radiowerbung hat zumindest ganz viel dazu beigetragen, Euer Engagement hier hat in kurzer Zeit so einiges verändert. Tatsächlich ist es heute keine Seltenheit mehr, dass Eseltreiber, welche ihre Tiere schlagen, auf der Straße von anderen Menschen öffentlich gerügt werden.‘
Und wir sehen es ja mit eigenen Augen – es gibt weniger Esel mit schweren Verwundungen, auf beinahe jeder Wasserstelle kommt irgend jemand und sagt, dass das Schlagen der Esel endlich aufhören muss und dass sich das auch langsam bessert! Die Menschen trauen sich erstmals öffentlich ihre Beziehung und ihr Mitgefühl zu diesen so fantastischen Tieren einzugestehen – noch vor 2 Jahren wagten niemand für die Grauohren Stellung zu beziehen, aus Angst, dem allgemeinen Gelächter ausgesetzt zu sein! Dieser Fortschritt ist von unermesslicher Bedeutung, bezeugt er doch von der Abkehr der Norm, welche viele, viele Generationen vorgegeben haben!!!!
Ist das nicht wunderbar? Wir, Sie, haben dazu beigetragen, dass das Eselprojekt Mauretanien nach nur relativ kurzer Zeit schon solche Früchte trägt!!!! Wir könnten die Welt umarmen!!!!



 
 
Umso bemerkenswerter erscheint diese Tatsache in Anbetracht der neuen Gewalt, die auf Mensch und Tier gleichermaßen hereinzubrechen droht – sind die Sicherheitsbestimmungen für westliche Ausländer drastisch erhöht worden, nun hat jeder Botschaftsangestellte rund um sein von seinem Land angemietetes Haus gar mindestens 2 Mann Wachpersonal, um eine 24-Stunden-Überwachung zu gewährleisten, so muss ich mit eigenen Augen auch Rage gegenüber den Wehrlostesten, den Straßentieren, bezeugen; ein Umstand, der mich völlig erstarren lässt, weil uns früher derartiges nie aufgefallen wäre; so zum Beispiel beobachten wir Kinder, die mit Steinschleudern Jagd auf Streunerhunde – welche es hier zu Aberhunderten gibt – machen. Die Hunde sind auch unglaublich scheu, weichen sofort zurück wenn man sich ihnen nähert. Ein sicheres Indiz, dass sie schlechte Erfahrungen mit Menschen machen müssen! Nicht zuletzt aus diesem Grunde sehen wir auch viele verletzte Straßenhunde und die Regierung setzt ihnen zusätzlich mit jährlichen Vernichtungsfeldzügen durch das Auslegen von strichninverseuchten Fleisch zu.

 




Ich beobachte einen Mann der eine schwer verletzte Ziege am Rande der Straße zu treiben versucht; das arme Tier dürfte gebrochene Beine haben, oder noch schlimmer, gelähmt zu sein; jedenfalls versucht er es aufzuheben und zum Voranschreiten zu bewegen;
Die Ziege kann aber nicht gehen, so tritt er mit den Füßen auf sie ein, hebt sie nochmals hoch, lässt sie fallen, holt mit dem Fuß weit aus und tritt ihr mit voller Wucht wutentbrannt gegen den Kopf. Diese so schreckliche Szene passiert im zusammenbrechenden Verkehr, und noch ehe wir reagieren können, verschwindet der Mann samt der Ziege in die Anonymität einer Seitenstraße…

Es gibt aber auch ob der Esel schlechte Nachrichten: natürlich sehen wir wieder furchtbarste Wunden ebenso und die einzige Frage, welche ein ob des Anblicks gemartertes Gehirn beschäftigt, ist folgende: wie können manche dieser Wesen mit derartigen Verletzungen überhaupt noch einen Schritt tun?


Zurück an der Wasserstelle: sofort umringt uns eine Menschenmenge, die Eselbesitzer können Dr. Diengs Arbeit kaum erwarten, jeder möchte sein Tier behandelt wissen. Neben der üblichen Wundversorgung widmet sich der Veterinär auch sofort schwierigeren Aufgaben – ein Esel leidet an einem wulstigen Geschwür, eine klaffende Wunde sondert ein eitriges Sekret ab. Ohne zu zögern nimmt sich der Arzt der Herausforderung an, während drei Männer den Esel still zu halten versuchen. Dr. Dieng öffnet die Schwellung an zwei Seiten, sofort spritzt eine übel riechende Flüssigkeit, ein Gemisch aus Blut, Schleim und Eiter, in hohem Bogen aus dem Tier. Der Eingriff dauert eine schmerzliche halbe Stunde, während deren sich der Esel in Leid windet.
Ein Eselbesitzer bemerkt, was für wunderbare Tiere diese Pferdeartigen doch sind – sie ertragen mehr Schmerz, mehr Druck und mehr Kummer als jedes andere Wesen auf diesem Planeten…

An einer anderen Wasserstelle sind wir erstmals mit einer seit einigen Jahren in den ‚Wintermonaten‘ wiederkehrenden schrecklichen Seuche konfrontiert; eine um sich greifende bakterielle Erkrankung plagt die Esel seit einigen Wochen und sehr viele Tiere sind bereits dran gestorben; sie beginnt harmlos, leichter Husten mimt den Anfang, gefolgt von Atemproblemen; später beginnt die Nase zu tropfen, die Betroffenen verweigern die Nahrungsaufnahme, wollen nicht einmal mehr trinken. 50 % der Erkrankten sterben daran, unweigerlich. Dr. Dieng berichtet, dass eine einfache Kur die allermeisten Leben retten könnte – Medikamente an zwei aneinanderfolgenden Tagen verabreicht, im Wert von rund 2 Euro! 2 Euro! So wenig Geld und ob der Umstände gleichzeitig ein viel zu hoher Betrag könnte Überleben bedeuten – tatsächlich beziffert der Arzt die Überlebenschance nach Verabreichung der Kur auf über 80 %!!!! Sofort geben wir den Auftrag solche Medikamente zu beschaffen.


Nouakchott ist eine pulsierende Stadt geworden, mit Anleihen zur Modernen. Allerdings ist der Teufel im Detail versteckt, denn während überall gebaut wird, erstickt das Individuum nach wie vor im Elend, versteckt hinter westlich geprägtem Fortschrittswahn. Während es nun sogar Modeboutiquen nach italienischen Vorbild gibt, Leuchtreklamen von jeder Ecke den Besucher erwarten, Mobiltelfon-Geschäfte sowie Internet-Plattformen wie die Pilze ein nach Weltanschluss dürstendes Volk in Beschlag nehmen, drehen Rollstuhlfahrer, kleine Kinder gehüllt in zerrissener Kleidung und Mütter mit hungrigen Babys am Arm bis spät Abends ihre einsamen Runden zwischen explodierendem Verkehr, um wenigstens einige Cents von den wenigen leicht besser Gestellten zu ergattern.
Es gibt nun aber auch eine Müllentsorgungsfirma und überraschend schnell hat diese Initiative gegriffen – während noch vor einem Jahr die gesamte Stadt in einem Meer aus Müll zu versinken drohte, zeigt Nouakchott heute ein saubereres, ein schöneres Gesicht. Entfernt man sich jedoch vom Stadtzentrum, vernarbt dieses Antlitz mit jedem Meter an Distanz, bis an den Stadträndern wieder ein Inferno aus Plastikteilen, Metallresten, organischem Abfall und verwesenden Körpern die Seele bis in den tiefsten Winkel schmerzt.

Mitten in der Stadt erstrahlt der Präsidentenpalast in neuen Glanz, nur übertroffen von den riesigen Moscheen, die arabische Nachbarn in der Hoffnung auf regem Zuwachs erbauen ließen. Das Anwesen des Staatsoberhaupt ist wahrlich ein gewaltiges, in Anbetracht der schier unglaublichen Armut ringsum eine Beleidigung an die Existenz schlechthin; hektarweite gärtnergepflegte Baumflächen in trotz der alles verzehrenden Sonne üppigsten Grün reihen sich aneinander (die Bevölkerung wird dieser Tage aufgerufen keine Wäsche zu waschen weil das Wasser ob des viel zu heißen ‚Winters‘ bereits knapp wird – können Sie sich vorstellen, wie viel Wasser es braucht, um einen englischen Rasen in der Wüste am Leben zu erhalten, und dann gleich fußballfelder große Stücke…) , imperiale Bauwerke mit jeglich erdenklichem Komfort, umgeben von einer hohen Mauer aus wunderschönen Zäunen; nur die undurchdringlichen Rollen von Natodraht obendrauf lassen erahnen, dass selbst der kurze Blick der leidenden Bevölkerung dorthin ein unerwünschter ist. Striktes Fotografierverbot und die geradezu lächerlich wirkende Überpräsenz von schwer bewaffneten Soldaten machen nur all zu deutlich, dass hier jemand residiert, der seinen Reichtum zwar darstellen, ihn aber nicht in der Welt verbreitet haben möchten.
Wie so oft wiederholt sich auch hier das typische Beispiel einer Dritt-Welt-Regierung; während die Mächtigen in immensen Reichtum auf dem Rücken der Armut ihre Grimassen ziehen, zerfällt das Land ringsum buchstäblich zu Staub.
Wie Klimaforscher seit Gezeiten den Wandel voraussagen, mit katastrophalen Folgen für die Menschheit – nein, für alles Leben – lässt deren Gebaren ebenso den Schluss auf eine Desaster wohl unvorstellbaren Ausmaßes zu – den Verlust der Menschlichkeit nämlich, lässt sich an deren Vorgabe doch erahnen, welche Bestie noch immer in uns Tribut fordert, nicht zur Ruhe kommt; hier erleben wir live, im schattenlosen Dasein in hundertausenden Pappkarton- und Welllblechhütten, was Macht und Gier in uns anrichtet; diese beiden Komponenten wüten schlimmer in der menschliche Seele, als es andere Attribute je getan haben – sie werden letztendlich unseren Abschied von der Bühne dieses Planenten einleiten, einen von jeglich anderer Kreatur wohl gefeierten Untergang…

Die (wenigen) größeren Lebensmittelgeschäfte quellen über mit westlich geprägter Ware; alles ist zu kaufen, angefangen von der alpenländischen Butter bis hin zum französichen Edelmineralwasser. Dass sich der durchschnittliche mauretanische Staatsbürger diesen Luxus niemals wird leisten können, tut der Sache wenig Abbruch – es gibt wie überall auch in dieser im wahrsten Sinne auf Sand gebauten Hauptstadt sehr reiche Menschen, und vor allem die Angestellten der ausländischen Botschaften und Hilfswerke lassen den Ouguiya (die mauretansiche Währung) rollen.

Wie beinahe überall in den Entwicklungsländern schöpft der Westen die wenigen Ressourcen eines geschundenen Landes ab, gesundet die erste Welt zusehend am Niedergang der dritten – die Zeiten der Kolonialisierung schienen noch lange nicht vorbei, und unsere modernen Staatsgefüge betreiben weiterhin Raubbau an der afrikanischen Seele in gar entwürdigender Art und Weise. Ein Beispiel: während die einheimischen Fischer, Mauretanien verfügt mit seiner Atlantikküste über eines der fischreichsten Gewässer des Planeten, sich ihrer Lebensgrundlage beraubt sehen, fischen ausländische Kutter im großen Stil die Gewässer leer. Auch Europa ist Mitschuld an dieser Misere, fährt doch die Europäische Union mit ihrer ansonst völlig unausgelasteten Flotte vor; hunderte riesige Schiffe, unter portugisischer, französischer oder welcher Flagge auch immer, entreißen dem Meer sein Leben, zertrümmern dessen Regenerationsfähigkeit. Ja, es werden zwar Lizenzgebühren bezahlt, selbstverständlich, aber wohin diese Gelder fließen weiß niemand so genau. Auch Japan und vor allem China betreiben Raubbau in ungeahntem Maße und langsam aber sicher stirbt die See; die
Welt sieht zu, unternimmt nichts, so lange auch nur noch ein Fisch zu fangen und mit Profit zu verkaufen ist…
Die einheimischen Fischer finden in Küstennähe praktisch keine Beute mehr, weiter hinaus können sie sich nicht wagen weil ein Zusammenstoß mit den riesigen Schiffen zu gefährlich wäre…
Noch ein Beispiel? Die Europäische Union unterstützt den Abbau unserer Butterberge und Milchseen, unserer gnadenlosen Agrar-Überproduktion, mit hohen Exportförderungen; das Ausmaß dieses Wahnsinns gelangt so auch nach Afrika, wo die Produkte auf Grund der staatlichen Unterstützung zu weit niedrigeren Preisen verkauft werden können, als selbiges die jahrhunderte alte Nomadenwirtschaft im Stande wäre zu erzeugen. So verdrängt der reiche Westen die bettelarmen Bauern vom Markt, zerstört deren Existenz in beängstigend schnellen Schritten.


Die Lebensumstände für die Esel sind nach wie vor verheerende; kopfschüttelnd bemerkt ein Eselbesitzer, dass er nicht verstehen kann, wie schlecht die Tiere hier behandelt werden; sie, die einst Propheten und Gottes Sohne getragen haben, verenden qualvollst zu Abertausenden im Wüstensand; nach einem Leben geprägt von unfassbarer Entbehrung und Gewalt.
Wir besuchen den Eselmarkt, ein Platz, welchen wir schon oft des Öfteren beschrieben haben; und dieser Ort hat nichts von seinem Wahnsinn verloren, im Gegenteil – auf Grund der tödlichen Seuche ist das Feld ringsum nun noch mehr übersät mit Eselleichen, bestialischer Gestank macht das Atmen zur Qual. Einige halbverendete Tiere versuchen sich ob unserer Ankunft zu erheben, es gelingt ihnen nicht. Sie sind zum Sterben verurteilt, ungeliebt und noch mehr unbeweint. Ihr Abschied ist ein lautloser, zu sehr sind die Menschen ringsum mit ihren eigenen Problemen beschäftigt; Mitleid? Wer selbst fast jeden Tag mit leeren Magen stumm vor dem Eingang seiner aus Müll und Resten zusammengeflickten Behausung sitzt und seine Kinder täglich beim Sterben beobachten muss, seine Familie nicht ernähren kann, wohl wissend, den Kreis von Krankheit und Armut wohl niemals durchbrechen zu können, der kann sich diese Regung oft nur schwer leisten.

Dr. Dieng behandelt einen Esel mit einem riesigen Geschwür am Hals; mehrere Männer müssen den Armen niederhalten, dann beginnt der blutige Eingriff. Der Esel wimmert leise, seine Geduldigkeit und seine Würde sind dem menschlichen Verstand unbegreifbar.

Es gibt nach Schätzungen rund 100 000 Arbeitsesel in Nouakchott, heute hören wir sogar die wahrscheinlich etwas übertriebene Zahl von 200 000 Tieren. Sie verrichten jede Arbeit, selbst der Präsidentenpalast wurde großteils buchstäblich auf den Rücken der Grauohren gebaut. Sie befördern rund 80 % der Last, angefangen vom Zement, über Wasser (rund 40 000 Esel schuften an den vielen, vielen Wasserstellen; es gibt nach wie vor fast keine Wasserleitungen, diese existieren nur im Regierungsviertel mit den vielen Botschaften und in den reicheren Gegenden), Stahl, Rohre, Lacke, Fleisch, Gemüse bis hin zum Lack und zum Teppich; auch für die Beförderung vom Menschen werden sie genutzt, 40 % davon entfällt auf die Vierbeiner.
Ihr Lohn besteht aus Prügel und zerkleinerten Pappkarton als Nahrung (!!!), ihre Haut ist ‚verziert‘ mit Narben, welche nicht nur auf Grund der Schläge entstehen, sondern vielmehr auch durch die ‚Kennzeichnung‘ durch ihre Besitzer – die Esel werden des Nachts freigelassen, wo sie dann im Abfall nach Essbarem suchen; um Diebstahl oder Verwechslung zuvorzukommen, werden ihnen Muster in die Haut geschnitten, die Ohren be- oder gänzlich abgeschnitten, gespalten und sonst wie verunstaltet – natürlich sämtliche Eingriffe ohne jeglicher Betäubung oder Schmerzstiller. Weil sich deren Besitzer niemals einen Tierarzt leisten können – diese wollen nach westlichen Maßstäben bezahlt werden, eine Unmöglichkeit für Eselbesitzer, die nicht mehr als ein paar Euro täglich verdienen – werden die Wunden entweder gar nicht oder mit ‚bewährten‘ Hausmittel behandelt, z. B. Altöl aus den Autos…
So ziehen die Tiere Gewichte von bis zu einer Tonne durch den Wüstensand (bei einem Eigengewicht von ca. 250 kg!!!!), von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, tagein, tagaus, ein kurzes Leben lang.
Die Besitzer holen das Letzte aus ihnen heraus, und sind sie erst verletzt, wird der nun schleppende Arbeitserfolg mit noch mehr Prügel bestraft – ja, sie sind ‚die Tiere, die man schlägt‘, denn manche der Dialekte verfügen noch nicht einmal über eine Wort für ‚Esel’…

Aber zurück zu Positivem: erinnern Sie sich noch? Wir ließen Halfter produzieren, für ca. 3 Euro das Stück, welche gar entscheidende Vorteile versprachen – nun, da der Esel nicht mehr mit dem Stock sondern mittel Zügel gelenkt werden kann, ist auch keine Hand mehr frei für den Schlagstock! Und begeistert nehmen die Menschen diese Geschenke an – wir verteilen mehrere Dutzend in wenigen Minuten an jeder Wasserstelle! Herzlichsten Dank an alle, die dafür gespendet haben!!! Die in Handarbeit hergestellten Halfter, nebenbei konnten so zwei Arbeitsplätze geschaffen werden, sind stabil, reißfest – und zudem auch noch elegant und schön!
Wir werden die Produktion mit ihrer Hilfe noch verstärken, so viel Hoffnung liegt in dieser neuen Art des Lenkens.



Fazit dieses Zwischenberichtes: es gibt Grund zur Freude in Mauretanien, ganz gewaltigen!!!
Trotzdem, wir dürfen nun keine Sekunde nachlassen, ganz im Gegenteil – nun gilt es die Ansätze zu etablieren, und diese Aufgabe wird wohl die Schwerste sein!
Dr. Dieng wird nun vorerst täglich seine Runden drehen, wir werden vom neuen Plan des Projektes alsbald genaue Details berichten – und darüber wie Sie helfen können!!!!

Sie sehen, selbst dort, wo jede Gefühlsregung längst in salzigen Tränen ertrunken zu sein scheint, wo diese Tränen längst nur mehr eine Erinnerung an sich selbst darstellen, vor Epochen ausgetrocknet von der sengender Sonne der Verzweiflung, selbst an solchem Ort ist es möglich Dinge zu ändern.
Natürlich, vergessen wir nicht eine jahrhunderte alte Tradition, eine Mentalität, welche der Europäer nie verstanden hat; ein in sich gewachsener Kreislauf lässt sich nicht von Heute auf Morgen durchbrechen, gewiss nicht. Aber mit Geduld, Verständnis, Hingabe und Engagement, gebaut auf diese vier Eckpfeiler, können wir wo auch immer wir unsere Ideen von den Rechten der Tiere verwirklichen wollen Zeichen setzen!
Es ist keine hohle Phrase, es liegt in uns, diese Welt zu einem besseren Platz zu gestalten, zu verändern; ‚Mensch‘ muss nicht länger das Monster der Evolution sein, besinnen wir uns und tun wir das, was unserer Bestimmung am besten zugehört: Bewahren wir das Leben, alles Leben. Stoppen wir das Töten, helfen wir, wo immer wir helfen können!

Am Beispiel ‚Esel in Mauretanien‘: niemanden sonst auf diesem ganzen weiten Welt kümmert das Schicksal dieser wunderbaren Tiere; sie starren mit leeren Augen in eine Welt, die sie seit hunderten von Jahren um ihr Leben betrogen hat; geprügelt, geschlagen, mit irrwitzigen Gewichten beladen, in sengender Sonne ohne jeglichen Schatten, mit Pappkarton als Nahrung, sichern sie ‚Mensch‘ das Überleben … und sterben dabei auf tragischste Art und Weise für diesen Dienst!
Wir sind gefordert, und es liegt an uns diese Verantwortung umzusetzen – helfen wir diesen Tieren, und die beste und einzige Möglichkeit hierfür ist die Einstellung der Menschen zu ihnen zu verändern. Sie werden sehen, schaffen wir diesen Schritt, dann kehrt auch der Stolz in die Herzen zurück – und genau dieser Stolz wird es verbieten, Tiere so zu behandeln wie bisher!

Bitte unterstützen Sie unser Projekt in Mauretanien! Dringender denn je benötigen wir Ihre Hilfe um den Eseln beizustehen!
Wir sind noch bis zum Sonntag hier in Nouakchott, dann geht es wieder heim, vollgepackt mit neuen Herausforderungen und Impulsen.
Wir werden Sie nächste Woche über all die Ergebnisse der Reise eingehenst informieren und dann auch viele Bilder bereit stellen!
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