Mauretanien – die Reise (Teil 1) RespekTiere heute in Pürten!!

Mauretanien ist eines der ärmsten Länder der Welt; die Not und das Elend sind unübersehbare Faktoren und spätestens in jenem Augenblick wo man das Flugzeug verlässt und zu Fuß die Landbahn in Richtung Flughafengebäude überquert, trifft den/die BesucherIn der Zusammenprall mit der Dritten Welt wie ein Hammerschlag. Und dazu muss nicht einmal die manchmal fast unglaubliche Hitze ihren Teil beitragen, ein gnadenloser Sonnenplanet, der wie festgezurrt am gleisenden Firmament steht, denn härter als jemals vermutet ist allein die mentale Kollision mit der sich vor dem/der BetrachterIn auftuenden Wirklichkeit.
Hier an der Westküste Afrikas, wo der Militärapparat stets eine überragende Rolle im politischen Gefüge eines Wüstenstaates eingenommen hat, bohrt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens den quälenden Weg in eine ob der Eindrücke immer überforderte Gedankenwelt – Überleben, heißt er hier, einfach und perfide!
Soldaten begrüßen die Reisenden am Flughafen, immer bereit, sich ein paar Extradollars mittels ‚Sonderdienste‘ wie z. B. das Mittragen des Passes zu verdienen; man darf sich dennoch nicht täuschen lassen, denn die (All-)Macht des Militärs und der Polizei ist trotz dieser fast beschämenden Optik eine unübersehbare. Der Flughafen selbst verharrt seit seiner Gründung in einem Zustand der Desolation, langsam zerfallendes Mauerwerk und noch kaputtere Toiletten (ganze zwei davon, eine für Herren und eine für Damen) tragen dann auch nicht dazu bei, diese ersten Impressionen zu revidieren. Einige vorsintflutliche Ventilatoren an der Decke verstärken mit monotonen Summen, wie im Wettkampf mit den Armaden von Stechmücken, diesen Eindruck zusätzlich. Fast wähnt man sich in einem Indianer-Jones-Film, irgendwo angesiedelt in den 30ern.
DSC 0004(1)Noch bevor der/die BesucherIn die Zollbeamten hinter sich lassen kann, durchstöbern diese schon eifrig Gepäckstücke; die Sonnenbrillen gefallen den Exekutiv-Beamten, Mitbringsel für brave Eseltreiber, und schon sind einige Stück weniger in der dafür vorgesehenen Box (Bild: all diese Sachen und noch mehr konnten wir im Reisegepäck mit nach Nouakchoptt bringen)…
Kaum draußen auf der Straße ist man dann auch schon in einer Welt gefangen, die man so kaum vermuten könnte; bettelnde Menschen, behinderte Frauen, Kinder und alte Männer, versuchen ein paar Münzen zu ergattern, die Lärmkulisse ist eine beachtliche, während schrottreife Autos ihre Abgase in die ohnehin stehend heiße Luft blasen. Sitzt man erst in einem dieser, dann wird schnell klar, wie wenig an einem Wagen funktionieren muss um ein Recht zu haben am höllischen Nouakchotter Verkehr teilzunehmen. Kaum ein Auto, wo die Spiegel ganz sind, ausgebeulte Blechteile, gebrochene Windschutzscheiben, fehlende Fahrzeugteile, aufgeschweißte dritte Achsen, die dann 30 und mehr Leute in einem 9-Personen-Bus befördern – alles kein Problem.
Und genau so unmittelbar wie mit der zunehmenden Verkehrsproblematik wird man mit einer anderen Katastrophe in diesem Land konfrontiert – die der leidenden Tiere, eine Tatsache, so alt ist wie das Leben selbst, welche aber anhand der menschlichen Tragödie niemand mehr wirklich registriert; nicht einmal – und das scheint besonders schmerzhaft und ärgerlich – die allgegenwärtigen MitarbeiterInnen westlicher Menschenhilfe-Organisationen. Den Tieren helfen? Seht Ihr nicht das Leid der Menschen? Das sind jene Sätze, mit welchen wir wohl den Rest der Tage leben müssen, denen wir uns aber mit immer breiter Brust täglich stellen. Denn eines sollte auch gesagt werden dürfen: wir beschäftigen hier zu 100 % einheimische Menschen, geben diesen und ihren Familien somit eine echte Zukunft, und wir brauchen keine Unsummen verschlingende Büros, hochbezahlte Wachorgane und Teuerungsausgleiche hierfür – unsere Hilfe versteht sich anders, ist eine direkte, und deshalb besonders effektive – und zwar für Mensch UND Tier!
Und ein weiterer Punkt ist so schade wie unverständlich; hier, am Puls des Geschehens, hier würden Vorbilder so dringend benötigt wie der Bissen Brot. Wegschauen oder ‚erst der Mensch (und dann ganz lange gar nichts…) hilft niemanden, sind verstaubte, ja herzlose Ideologien – denn was dabei nicht zuletzt sehr gerne vergessen wird: Tierschutz ist immer auch Menschenhilfe, das Eselprojekt ist das wohl beste Beispiel hierfür! Geht es dem Esel gut, wird er für seinen Halter sorgen, ist das arme Grauohr doch vielfach die einzige Einnahmequelle, so zu sage der Garant für ein Überleben!

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Aber dennoch; die Realität drückt die Menschen hier so fest zu Boden, dass sie den Faktor der Unmenschlichkeit nie bemerken, nicht bemerken können, und so der schwere Frevel gegen Gottes Schöpfung unbeweint verschallt. Dabei hat doch Allah selbst im Koran für alle Zeiten festgehalten: ‚Gleich sind sie alle, Völker wie Ihr’! Warum wurde dieser epochale, in seiner Tragweite so immense Auftrag, vergessen, stellt sich die Frage. Und die Antwort ist eine einfache, und gleichzeitig eine alles vernichtende – weil Mensch hier den Zenit des Erträglichen selbst tagtäglich überschreitet, gefangen ist in einer Welt der Vergänglichkeit, wo das Gestern, das Heute und das Morgen keinen Unterschied machen; gefangen in einer Hölle der Existenz, ausgeliefert den Mächten einer gnadenlosen Umwelt, die nichts, nicht den kleinsten Fehler, nicht die kleinste Schwäche verzeiht.

Um das Land und seine Menschen besser verstehen zu können, sollte man sich folgende Fakten vor Augen führen: wussten Sie zum Beispiel, dass Mauretanien nur über einen einzigen ständig wasserführenden Fluss verfügt? Und dass dieser, der mächtige Niger an der Grenze zu Senegal, stets Anlass für erbitterte Auseinandersetzungen mit den Nachbarn war – und bald wieder werden könnte, weil ehrgeizige Projekte beiderseits geplant oder längst umgesetzt werden und wurden? So zum Beispiel schöpft Nouakchott, die mauretanische Hauptstadt, ein Moloch mit über einer Million Einwohnern, nun, nach dem langsamen Versiegen unterirdischer Quellen, all sein Trinkwasser aus dem Fluss.
Wussten Sie, dass nur 27 % der Haushalte in Nouakchott mittels  Wasserleitungen versorgt werden, und dass sich selbst diese Leitungen – allesamt in den für Reichere und AusländerInnen, Botschaften, reservierten Stadtteilen – in denkbar desolatem Zustand befinden? Es wird übrigens noch mindestens 25, 30 Jahre dauern bis alle Hauhalte mit Wasserleitungen versorgt sind, besagt eine vorsichtige Schätzung.
Dass nach Umkehrschluss demnach 73 % der Haushalte mit Trink- und Brauchwasser anderswertig versorgt werden müssen, und das passiert zum einen für die die es sich leisten können über Tanklastwagen, zum großen Teil aber auf dem Rücken der Esel? Da das ‚Eselwasser’ oft stark verschmutzt ist, auf Grund mangelnder Hygiene an den Wasserstellen, werden jetzt alle Wasserfässer aus Metall – alte Ölfässer – nun langsam ausgetauscht, gegen leichtere, aus einem besonderen Werkstoff, einer Alumischung, die nicht rostet und keine Stoffe ins Nass abgibt (finanziert aus den Fonds verschiedener Hilfsprojekte).
Dass es in ganz Nouakchott, so sagte man uns, nur rund 4 km Abwasserleitungen für sanitäre Anlagen gibt, und diese Kanäle furchtbar kaputt sind?
Wussten Sie, dass Schätzungen zufolge rund 80 % aller zu befördernder Güter auf dem Rücken von Eseln transportiert werden? Und dass es deren zigtausende, manche sprechen von 100 000, in der mauretanischen Hauptstadt gibt? Dass diese dann eine Last von oft bis zu einer Tonne hinter sich herziehen, durch Wüstensand, von Schlägen getrieben, mit schlechtester Nahrung versorgt, die alltäglichen Wunden unbehandelt? Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, an 365 Tagen im Jahr bei glühender Hitze, ohne Rast und Ruh? Bei einem Eigengewicht von kaum mehr als 250 Kilogramm?!

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Esel erhalten Wasser am Eselmarkt; zu essen bekommen sie Pappkarton oder wie hier für den menschlichen Verzehr unbrauchbares, da längst abgelaufenes und steinhartes, Milchpulver                              

DSC 0001(3)Wir erfahren, dass sich der Bürgermeister angeblich von unseren Versuchen zum Start einer Hundekampagne nicht begeistert zeigte; er mag viel lieber was für die Menschen tun, so hören wir – auch das Argument, das Projekt würde dann ja auch viel mehr den Menschen selbst entgegen kommen, Schlagwort Bissgefahr oder Tollwut – lässt er nicht gelten; es ist zu vermuten, mit derartigen Programmen lassen sich wohl keine Wählerstimmen gewinnen…

Aber wir ergattern einen Termin bei einer Stadtteil-Bürgermeisterin, einer sehr einflussreichen Frau. Dort, nach langem Warten, dürfen wir unsere Anliegen schließlich auch positionieren; im selben Atemzug übergeben wir die knapp 5 000 Unterschriften aus der Petition ‚Stoppt das Massaker an den Hunden in Mauretanien’. Die Frau zeigt sich angetan, verspricht uns ihre Unterstützung bei der Verwirklichung einer Kampagne, aber dazu muss nun erst einmal ein seit längerer Zeit entschiedener Plan verwirklicht, in die Tat umgesetzt werden: die Gründung eines mauretanische RespekTiere-Ablegers!
 
Wir berufen eine Sitzung mit unserem Dr. Dieng ein, überlegen wie eine derartige Kampagne für die ca. 3 000 Straßenhunde funktionieren könnte; jedenfalls wird es wohl nicht so einfach wie vielleicht gedacht, und bis zu tatsächlichen Kastrationen ist es leider noch ein weiter Weg; starten könnten wir folgendermaßen: wir werden versuchen eine kleine Praxis, ein sowieso lang gehegter Traum, zu eröffnen, im einem Bezirk, wo es viele Tiere gibt (die Möglichkeiten hierfür sind breit gestreut); dann werden wir mit einem Auto samt Megaphon durch die Stadt fahren und Gratis-Impfungen gegen Tollwut anbieten. Tollwut, so sagte uns die Bürgermeisterin, ist der eigentliche Grund für die Tötungskampagnen der Stadt, nicht die viel eher vermuteten angeblichen Bissverletzungen. Tatsächlich verriet uns der oberste Veterinär beim letzten Besuch eine kaum zu glaubende Zahl: 40 Menschen sollen sich allein im vergangnen Jahr mit dem tödlichen Erreger infiziert haben…
 
Es sind neue Stadtteile entstanden, weil die Stadtregierung den Menschen, die früher in der Stadt in Zelten gehaust haben, Raum angeboten hat; das passierte selbstverständlich nicht selbstlos, viel mehr, so drängt sich die Vermutung auf, wollte man die Nomaden aus dem Stadtbild verdrängt wissen. Dort, in der Peripherie, gibt es natürlich überhaupt keine sanitären Vorrichtungen, keine Straßen, keine Infrastruktur; gebaut im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand. Weil die Infrastruktur so völlig fehlt, sind dann aber im Gegenzug auch viele Esel unterwegs, denen die Aufgabe der Angliederung, des Brückenschlages, zum Leben ‚außerhalb’ obliegt. In Fakt hat die Stadt somit gut 50 % an Fläche zugenommen, die Prozentzahl mag riesig erscheinen, aber Raum, ja das ist das einzige was man hier im Überfluss hat. Und nicht zu vergessen: die Wüste, sie vergibt nicht, lässt sich nicht besiegen – wo man an einem Ende nimmt, holt sie verlorenes Terrain am anderen langsam und stetig wieder zurück.
 
Sehr interessant und fast skurril mutet auch der Ausklang einer neuen Studie an, im ehrwürdigen ‚Spiegel’ der Welt präsentiert – überall in der Stadt entstehen nun Wasserpfützen, eigentlich halbe Seen, und diese weiten sich ständig aus. Salziges Meerwasser, vom Boden an die Oberfläche gedrückt, weil dort alles Süßwasser abgepumpt worden war – und man geht davon aus, dass in kaum mehr als 30 Jahren große Teile Nouakchotts dadurch unbewohnbar werden könnten – der Turmbau zu Babel, wo ‚Mensch’ in die bestehende Ordnung eingreift, da geraten die Dinge durcheinander!
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Wir sind mitten im Ramadan. Unvorstellbar, besonders zu den Wochenendtagen, die da sind Freitag und Samstag, sind die Straßen tagsüber fast menschenleer, überall schlafen Müde wie leblose Geister im Schatten von Bäumen. Niemand isst und trinkt, darf rauchen, schon gar keinen Alkohol trinken, sexuellen Verkehr haben; Fasten und verzichten heißt die Devise. Man kann gar nicht ersinnen, welcher volkswirtschaftliche Schaden dadurch entstehen mag, das gesamte Leben einen Monat lang in Zeitlupe, aber andererseits: stellen Sie sich diese eiserne Disziplin, diese wunderschöne Religiosität vor: eine ganze Nation im kollektiven Fasten, im Besinnen auf das Göttliche in uns, um dann am Abend mit dem Fastenbrech-Fest die Tortour zu beenden; wo dann das Land in gemeinschaftliche Feierlaune verfällt, wo Familien bis früh morgens zusammen sitzen, lachen, essen, tanzen und beten. Apropos beten, am Freitag, zum Freitagsgebet am frühen Nachmittag, ist dann alles geschlossen und die Luft erfüllt von irrsinnig lauten Stimmen über Lautsprecher, wo dutzenden Vorbeter in den Moscheen der ganzen Stadt ihre Liebe und ihren Glauben zu Allah in die Welt schreien.
 
Wir fahren zum Eselmarkt. Am Weg dorthin überall Schafe an den Straßen, in gleisender Sonne, ohne Schatten, ohne Wasser; an einer Ecke wird gerade eines dieser Armen mittels Kehlschnitt ohne jegliche Betäubung getötet, ein grausames Schicksal, welches ihnen allen droht; keine fünf Minuten später hängt es bereits gehäutet an einer dafür vorgesehenen Vorrichtung. Männer zerren weitere Tiere an den Hinterbeinen zum Auto, stopfen sie in den Kofferraum, obwohl dort ohnehin schon drei andere angsterfüllt kauern. Ein Drive-In sozusagen, mitgenommen zum zu Hause schlachten. Ein entsetzliches Blutbad, jeden Tag; im Namen Gottes – und selbst hier gibt es eine Steigerung: dann, wenn das größte Fest der Muslime gefeiert wird, wenn nach vorsichtigen Schätzungen 700 Millionen (700 000 000!!!!!) Tiere an einem einzigen Tag ohne jegliche vorangegangene Betäubung im Staub der Straßen durch einen Schnitt quer über die Kehle elendiglich verenden, dann, wenn alles Leben in einem Moment in Blut zu waten scheint.
 
Wir hätten eigentlich geplant auch bei diesem Besuch erneut eine Schächtung zu filmen, doch schon am vierten Tag der Reise verwerfen wir den Gedanken – im Wissen wie uns bis zum heutigen Tag, Jahre nach den ersten Aufnahmen, diese Bilder immer noch quälen, beschließen wir uns auf die eigentliche Aufgabe, die der Eselhilfe, zu konzentrieren..
 
Rund um den Eselmarkt; es liegen auffällig viele tote Tiere am Straßenrand, Schafe, Ziegen, Esel.
Saleck, unsere rechte Hand in Nouakchott, mahnt zur Vorsicht beim Fotografieren, die Leute sind zu dieser Zeit, am späteren Nachmittag, wegen des Flüssigkeitsmangels meist wesentlich aggressiver als es sonst deren Gemüt ist – so auch heute; selbst beim Fotografieren von Esel am Mittelstreifen der Straße beschweren sich einige. Vor uns steht ein Grauohr mit gebrochenem Hinterbein; der Esel schaut so gottverdammt elend aus, gebrochen vom Leben, abgemagert, von Wunden gezeichnet; dann noch einer, mit derselben Verletzung, ausgesetzt zum Sterben.
Unweit davon entdecken wir einen mit kaputtem Huf, fast die ganze Schicht dessen hat sich aufgelöst, er humpelt auf drei Beinen. Zudem plagt das arme Tier ein riesiger Tumor am Unterbauch.
Bitte lesen Sie die ganze Geschichte vom Eselmarkt im eigenen Newsletter!

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DSC 0219Insgesamt sind wir an drei Tagen an jenem oft so furchtbaren Ort, zwei mal davon mit neuen Tierärzten, um deren Fähigkeiten im Feld zu testen. Ob sie denn für uns in Frage kämen, als RespekTiere-Doktoren künftig mindestens einmal die Woche an ausgesuchten präsent zu sein? Der erste dieser Kandidaten ist Dr. Boubarka Gey, hat eine kleine Praxis in der Stadt, ist Jahrgang 1963, spricht perfekt Französisch und ein bisschen Englisch, zudem auch perfekt Hassania, was sehr wichtig ist, ist es doch die Sprache der Eselhalter.
Er ist seit 1992 praktizierender Tierarzt, arbeitet auch immer wieder an Impfkampagnen für die Regierung, kennt sich, entgegen der Befähigung vieler Veterinäre hier, auch mit Hunden und Katzen aus – was für uns in Anbetracht wartender Aufgaben natürlich sehr wichtig wäre. Für eine Katzenkastration benötigt er ca. 1 Stunde, verrät der Arzt – natürlich viel zu lange im Vergleich zu unseren SpezialistInnen, aber dennoch. Bei Eseln selbst scheint er dann aber umso perfekter. Unsere sonstig ersten Anweisung , wir würden auch gerne haben, dass er bei den Behandlungen immer das Schlagen anspricht und verurteilt, können wir uns sparen, denn Dr. Gey scheint das automatisch zu machend machen – und nicht nur hier; er erzählt, alle Eselhalter, die bei ihm in seiner kleinen Ordination zur Behandlung ihrer Tiere vorbeikommen, ermahnt er seit Jahren dazu.
Er hat in Marokko studiert, dann in Libyen das Studium beendet, was für uns interessant ist, weil er deswegen auch etwas Englisch spricht.
Am Testtag zeigt sich Dr. Gey in bester Stimmung; wie wichtig sein Einsatz hier wäre, zeigt die Liste an schweren Verletzungen, welche er in zwei Stunden kurieren möchte. Mit sicherem Blick bemerkt der Veterinär auch dass die Esel allesamt in schlechtem Zustand sind, langfristig Hilfe benötigen. Über seinen Einsatz lesen Sie bitte ebenfalls im spezifischen Newsletter!
 
DSC 0097(2)Noch immer wird am neuen Zoo gebaut, er entsteht 50 Kilometer außerhalb der Stadt. Wir beten zu Allah, zu Gott, zu allen höheren Wesen, bitte lasst diesen Ort mit keinerlei Ähnlichkeit zum bisherigen tierlichen Gefangenenhaus  von Nouakchott aufwarten.
Wir besuchen das Krokodil, den letzten Überlebenden des alten ‚Zoos‘. Sie erinnern sich, wir hatten dafür gesorgt, dass endlich Wasser in seinem Becken ist und haben zudem die Fütterung übernommen. Seine Geschichte ist aber dennoch eine dermaßen traurige, und leider wurde ihr eine neuerliche schreckliche Episode hinzugefügt, als Kinder über einen geborsteten Zaun gekletter und das Reptil mit Steinen beworfen hatten. In den nächsten Tagen werden wir auch hierzu einen eigenen detaillierten Newsletter senden! 
 
Ein neuer Flughafen wird ebenfalls gebaut, da der alte sich doch inmitten des Stadtgebietes befindet. Der Port wird von China errichtet, im Gegenzug für freien Zugang zu den Erzlagern wird gemunkelt. Wegen der gestiegenen Eisenpreise kam es zuletzt zum Streit, so ruhte das Projekt, welches heuer abgeschlossen hätte werden sollen, zwischenzeitlich über mehr als 2 Jahre hinweg.
Derartige wirtschaftliche Verflechtungen erinnern an die Kolonialzeit – selten fährt das Geberland damit gut, siehe Fischfang! Mauretanien, obwohl gesegnet mit einer der fischreichsten Küsten der Erde, hat die Lizenzen zum Abfischen vergeben, an Dutzende Handelspartner; Schiffe aus der Europäischen Union, aus den USA, aus Japan, Korea, China, von überall her, fischen die Bestände ab, für die hunderten einheimischen Fischer in den traditionellen kleinen, farbenfrohen Fischerbooten bleibt oft nichts mehr übrig. China hat übrigens auch den neuen Hafen gebaut; auch dieser liegt, wie große Teile der Stadt, unter dem Meeresspiegel, läuft in Gefahr überschwemmt zu werden – wenn das passiert, dann bleibt nichts – außer einem erfolgten Raubbau am Meer, hat sich der Rote Drache doch den Bau durch unbeschränkte mehrjährige Freifischfänge – so erzählt man sich hier – teuer bezahlen lassen…

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Ein neues Problem in Nouakchott ist die steigende Gewaltbereitschaft; von Einbrüchen hört man nun immer öfters! Meist aber werden diese dann von Ausländern durchgeführt, welche traditionell ein ganz starkes Kontingent in Nouakchott stellen, kommen sie doch von überall her, aus Mali, dem Senegal, Marokko, Schwarzafrika – Mauretanien war immer ein Handelsland, offen für Menschen aller Religionen (obwohl selbst fast zu 100 % islamisiert) und Staatenzugehörigkeiten.
Ein Grund für die steigende Gewalt ist ein weltweit beobachteter: die Grundnahrungsmittel sind derart teuer geworden, dass bei vielen Menschen das Geld einfach nicht mehr ausreicht; besonders die ärmeren Länder leiden unter diesem Faktum, nicht anders ist es in Europa. Gibt es dort aber die Möglichkeit, nach dem Schengener Abkommen, barrierefrei in reichere Länder auszuweichen, fehlt jene Chance in Afrika mangels Alternativen.
Ein weiterer ist der Fakt, dass der August ein Urlaubsmonat ist, in welchem sehr viele der hier arbeitenden Westeuropäer nach Hause fahren, deren Häuser dann oft über Wochen leer stehen – bis auf den Wächter vor dem Haus, den es hier praktisch an jedem Eingangstor gibt und der an 24 Stunden des Tages auf das Eigentum aufpassen soll; nur wie effektiv dieses System wirklich ist, sei dahin gestellt; in Wahrheit ist das teuer zu bezahlende Wachorgan – wir haben gehört die Sicherheitsfirmen kassieren für ihre Mitarbeiter 1 000 bis 1 500 Euro im Monat, der Wächter selbst bekommt davon allerdings nur um die 100, und seine Motivation ist dann oft eine dementsprechende – viel mehr eine Prestigesache, eine erste Abschreckung, ein Personal, welches der Herrschaft die Türen öffnet wenn man nach Hause kommt, dessen Anwesenheit der Umgebung verrät‚ hier wohnt jemand, der es sich leisten kann Personal zu haben.
Wählt ein Einbrecher aber den rückwertigen Eingang über eine Mauer, er kann ungestört im Haus tun was immer er möchte.
Und nicht zuletzt kommt zu dieser ohnehin prekären Ausgangslage dann auch noch der Ramadan hinzu; ein Fest, welches den Familien alle Ressourcen abverlangt, ungeheuer teuer ist, denn jede/r sollte gut gekleidet sein, lädt Freunde und Familie ein, zeigt sich in Geberlaune. Prophet Mohamed sah dann auch noch im Beschenken Ärmerer wahre Menschlichkeit, und so wechselt Bargeld oft und schnell seine BesitzerInnen. Nicht selten verlangt der Fastenmonat vielen Menschen deshalb die letzten finanziellen Ressourcen ab.
 
 
Jeden Tag begleiten wir Dr. Dieng jeden Tag auf seinen Runden zu den Wasserstellen. Wir koordinieren einige davon um, verbringen zwei volle Tage mit der Suche nach neuen, da wir unser Hilfsangebot ausdehnen möchten.
Was sofort ins Auge sticht: an jenen Wasserstellen, wo Dr. Dieng nun schon seit einem Jahr durchgehend behandelt, ausgezeichnet mit großen ‚Freie Behandlungs-Schilder’ für den jeweiligen Tag, ist die Situation um vieles besser geworden! Dort sieht man dann auch kaum einen Esel, der nicht ‚unser’ Halfter trägt, was wir als durchschlagenden Erfolg feiern!
Manche der Halfter sitzen jedoch nicht ganz richtig und so arbeiten wir gleich an einem ersten Punkt: wir besprechen die Problematik und probieren das Anlegen vor Ort aus. Es zeigt sich wie wichtig die Herstellung verschiedener Halftergrößen ist und aus diesem Faktum ergibt sich sogleich eine Idee – Saleck macht einen Termin mit der Halfterproduktion – dazu später – und wir bestellen 500 neue, davon die Hälfte in Medium, ein Viertel in Small, ein Viertel in Large. Die eine Größe, S, wird ganz weiß sein, die andere, L, ganz schwarz und die wieder andere, M, schwarz mit weißen Bänder; bei einer späteren Verteilung können dann die Eselhalter bei Bedarf sofort aufschreien und eine andere Größe bekommen ohne das man lange probieren muss!
 
Dr. Dieng zeigt sich indessen ganz begeistert; er hatte uns bei einem seiner letzten wöchentlichen Berichte vor der Reise Fotos eines Esels gesendet, welcher an einer Tetanus-Infektion litt, vom Hals abwärts ganz starr war – dem Armen geht es nach der Behandlung nun erstaunlicherweise halbwegs gut, das Dilemma aber: er muss bereits wieder arbeiten. Trotzdem, auch der Halter zeigt sich ganz stolz über die so schnelle Regeneration und streichelt den Esel sanft, beinahe zärtlichJ
Es ist keine Übertreibung wenn wir an dieser Stelle behaupten: an ‚unseren’ Wasserstellen herrschen wirklich gute Sitten, Dr. Dieng’s Appelle scheinen endlich wirklich flächendeckend gegriffen zu haben! Wir beobachten einen alten Mann, er nimmt einen Teller, platziert darauf geschnittene Melonenstückchen und reicht diese seinem Esel, ein weiterer folgt dem Beispiel. Dr. Dieng stellt uns den Tierhalter später vor, der Esel hat bis auf die allgegenwärtigen vernarbte Kennzeichnungen keinerlei Wunden, präsentiert sich noch dazu fast rundlich!
Die andauernden Predigten, das Schlagen zu unterlassen und gut zu den Tieren zu sein, haben also tatsächlich erheblichen Einfluss auf die Eselhalter genommen. Das Knacknuss liegt aber genau dort, wo sie ‚unsere’ Leute immer erkannt haben, und wo sie umso schwerer zu bekämpfen wird sein – Brutalität ist demnach vielmehr ein Problem der Jugend, die Alten sind sanfter, weiser und dementsprechend besser zu den Tieren.
Jede Wunde die Dr. Dieng begutachtet bespricht er mit dem Halter (er kennt hier übrigens fast alle beim Namen), und wirklich immer nimmt er Bezug auf den Zusammenhang zwischen dem Schlagstock und dem Wohlergehen der Tiere.

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perfekter RespekTiere-Halfter:), der Mann gibt Streicheleinheiten               Melonenstücke für den Esel – ein Triumph!!!

 
Es tut so gut zu sehen dass es an dieser Wasserstelle kaum verletzte Esel gibt; dennoch, die berühmte Ausnahme bestätigt die Regel, und die Ausnahme personifiziert sich hier (wie leider durchwegs) in einem Mann aus Mali – dessen Esel schaut schlimm aus, hat viele Wunden, zudem einen Abszess am Rücken, eine dicke Beule. Dr. Dieng schimpft ihn sofort, denn diese Verletzungen sind ganz offensichtlich nur durch permanentes Schlagen auf immer dieselben Stellen entstanden; dann verliert der Veterinär aber keine Zeit mehr und beginnt mit der Behandlung, welche letztendlich gut eine halbe Stunde dauert; er schabt hierfür das Fell ab, macht einen Schnitt, lässt eine dicke, blutende, eitrige Flüssigkeit ab; dann macht er oberhalb einen zweiten Schnitt, und immer wieder stopft er Mullbinden in den so entstandenen Kanal, um die schleimige Masse aufzusaugen . Dazwischen reinigt er seine Geräte,  aus Mangel an Möglichkeiten leider nur mit Wasser und ein paar Spritzern Desinfektionsmittel, und arbeitet dann weiter, buchstäblich im Schweiße seines Angesichts. Eine Eselhalter stehen parat, helfen wo immer sie können.
Bitte vergessen Sie nicht, es ist inzwischen gegen Mittag, brennend heiß, und niemand hier hat auch nur einen Tropfen Wasser zu sich genommen, geschweige denn einen Bissen gegessen! Angesichts der kritischen Paarung ‚klimatischer Verhältnisse’ und ‚religiöser Bestimmung’ ist es eine echte Tortur einen Arbeitstag im Freien durchzustehen…

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Wir besprechen das nun immer öfters auftretende Hufproblem; Dr. Dieng sagt, die auffällige Häufung an der Erkrankung stammt daher, weil es in letzter Zeit öfters Regen gab, und es nicht zuletzt deshalb sehr leicht zu Infektionen der Hufe kommt – denn die Tiere stehen einfach zu lange im Matsch, gemischt mit Fäkalien und allerlei Krankheitskeimen.
Wir besprechen die Möglichkeiten entsprechender Hufpflege; Dr. Dieng meint, er macht das auch schon jetzt, aber oft scheitert der Versuch daran dass die Eselhalter für diesen zusätzlichen Service leider wenig Zeit investieren möchten und immer in Eile sind – sie werden ja nach der Transportmenge bezahlt, nach der Anzahl der Transporte, müssen mit dem Einkommen ein Überleben für ihre Familien sichern. Hufe auskratzen dauert, wo dann die Eselhalter ob der verlorenen Minuten sehr schnell nervös werden. Wir versprechen ihm speziellen Hufauskratzer zu besorgen, welche die Arbeit schnellstmöglich von statten gehen lassen!
 
Detail am Rand – Dank Ihrer Hilfe konnten wir auch wieder viele Sachen aus Österreich mitbringen! Dr. Dieng kann sich über Spritzen, Skalpelle, Nahtzeugs, Masken, usw. freuen! Und natürlich haben wir auch für die Eselhalter viel dabei: bald schon prämieren wir die ‚schönsten’, was heißt wundfreiesten, Esel, deren Halter bekommen Sonnenschutzkappen, Sonnenbrillen, auch Zahnbürsten und Zahnpasten, sowie jede Menge an Reflektoren für die Karren, welche ja in der Nacht völlig unbeleuchtet sind (eine ganz feste Umarmung geht hierfür an Sie alle, in diesem speziellen Falle besonders an den Blitzkauf-Markt in Eugendorf, an die immer im Tierschutzeinsatz befindliche www.protected-group.com, sowie an die Frau Karin Guggi und den unermüdlichen Autobahngesellschaft-Mitarbeiter für die vielen, vielen Reflektoren!!!!)
 
Unsere neuen Wasserstellen befinden sich in den Arbeiterbezirken, Sixem und Senkim.
Die Einsatzpunkte sind gut gewählt, denn was sich dort abspielt spottet jeder Beschreibung – abertausende Menschen, ebenso viele Autos, unzählige Esel, andere Tiere, Tonnen und Tonnen von Müll; Straßen gibt es nicht, anstellen deren breite Pisten zwischen den Häusern mit Schlaglöchern so tief wie Mondkrater – Wahnsinn.
Und so viele Esel! Überall schuften sie, von früh bis spät, ohne Stillstand. Hier ist ohne Zweifel ein guter Ort um zu helfen. Es gibt einen Markt, ein riesiger, völlig unübersichtlicher, wie einem afrikanischen Bilderbuch entsprungen – und es wird gearbeitet, ständig ist alles in Bewegung, es herrscht Tumult, Chaos, der/die EuropäerIn oder AmerikanerIn würde absolute Strukturlosigkeit bescheinigen – aber dann auch nur, weil wir von festen Regeln abhängig geworden sind, denn in all dem scheinbaren Chaos gibt es einen festen Kodex; jeder Handgriff sitzt, jede Verhaltensregel seit Generationen inhaliert – bei uns würde dieses Gedränge wohl sehr schnell in Panik ausarten, in Streit zwischen den einzelnen StandbetreiberInnen. Hier läuft alles ruhig ab, mit stoischer Gelassenheit, die Freiheit des Einzelnen wahrend, als eine Mischung zwischen ehrlichem Kommunismus und gelebter Anarchie, freilich öfters untersetzt von Schmiergeldflüssen an eifrige Beamte.
Ob sich die Eseltreiber hier Zeit nehmen für Behandlungen, stellt sich die Frage?! Tatsächlich gibt es kein Warten, nur Bewegung, dazwischen immer wieder die Gebetsaufrufe aus den omipräsenten Moscheen ringsum. Fast angsteinflößend, zumindest für an bloße Ordnung gewohnte ‚Westeners’. Ami-Propaganda sein Dank, welche eine regelrechte Hysterie gegen Menschen mit langen Bärten, dunklerer Haut und wallenden Tüchern um Köpfen und Schultern entfacht hat, völlig gegenstandslos deren eigentlicher Intuitionen…
 
Wir brüten an einer Idee: was wäre, hier einen kleinen Geschäftsraum, wie es hunderte deren gibt, zu mieten, eine Art fixer Klinik? Mit großem Schild davor, als RespekTiere-Hilfsprojekt ausgewiesen?
 
DSC 0179(1)Wir fahren zurück zu unserer Herberge, langsam verliert der Tag gegen die einbrechende Nacht, und eine beruhigende Finsternis legt sich über die Stadt. Fast sanft verschwindet die Sonne als Feuerball, ohne jede Eile am fernen Horizont, welchen sie im Untergehen in wunderschöne rote Farbe taucht; die Hitze vergangner Stunden ist bald nur noch Erinnerung, und fast spielerisch beginnt ein kühlender Meerwind die ob der Hitze des Tages malträtierte Haut zu umspielen. Straßenhunde tauchen vor uns auf, direkt neben dem Verkehrsweg; es kommt ein dritter – der geht auf drei Beinen, hat am Hinterfuß eine riesige Wunde! Es ist schrecklich, schlimm wenn man derart machtlos ist (das Foto wurde übrigens ohne jeglichen zusätzlichen Filter aufgenommen; die Farben präsentieren sich zur Abendstunde tatsächlich so!)
 
 
Wir treffen unseren Dr. Dieng auf der Montagswasserstelle. Sofort zeigt er uns einen schwer verletzten Esel. Es ist wahrlich fürchterlich, im Zuge dieser Reise mussten wir so viele verwundete Tiere sehen, deren bloßer Anblick jegliches Herz einfach brechen muss; im gegebenen Fall hat der Esel einen Zusammenstoß mit einem Auto zwar überlebt, aber sein Fuß weist eine entsetzliche Fraktur auf, das kaputte Bein dreht und windet sich in mehrere Richtungen, dazu quälen blutige Hautabschürfungen das arme Tier; Dr. Dieng hatte letzte Woche Spana, jene englische Organisation vor Ort, gerufen, aber auch die, trotz deren Hospitals, konnten nicht helfen – es gibt nun keine Hoffnung mehr, zu spät, man könne nun nicht mehr operieren, sagten die Spana-Leute…
Seither steht der Esel an der Wasserstelle, er findet hier zwar zu Essen und zu trinken, wird aber bestimmt von furchtbaren Schmerzen geplagt. Ich frage Dr. Dieng was denn nun passieren werde; der Veterinär gibt sich keiner Illusion hin und macht sich auch nicht die Mühe uns in eine solche zu entführen – er sagt, der Esel wird herumirren bis er stirbt; er trinkt an der Wasserstelle, findet ein bisschen Nahrung, mehr könne man nicht tun. Die Diagnose tut dem Arzt offensichtlich leid, aber das Leben ist, und gerade hier, ein hartes und ungerechtes, es bleibt keine Zeit für Bedauern; das Dasein, allein auf Überleben fixiert, schon schwer zu bewerkstelligen ist man gesund, ist man das nicht, dann tickt die Lebensuhr hörbar – die einzige Gerechtigkeit besteht darin, dass sie dies für Mensch und Tier gleichermaßen tut.
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Dr. Dient beim Unterricht – hört auf zu schlagen, ist die Botschaft               Dr. Dieng bei der Arbeit

Dann sehen wir einen Esel mit einer blutigen Wunde; offensichtlich leidet der Arme an einem dicken Geschwulst, welche der Dr. bereits vor unserer Ankunft geöffnet hat und sich im Moment auf einen weiteren Eingriff vorbereitete. Drei junge Männer kommen hinzu und halten den Esel, Dr. Dieng bohrt tief in der Wunde, bis eine schleimige, blutende Masse heraus quillt und das Geschwür vollends in sich zusammenfällt; der Tatbestand scheint dem Esel eine gewisse Erleichterung zu verschaffen, obwohl nun aber in Herzrhythmusabständen eine Blutfontäne aus der Wunde schießt, derart pulsierend, dass in ungeübten BetrachterInnen der Eindruck erweckt werden könnte, der Esel würde bald an Blutverlust sterben. Dr. Dieng setzt nach und stoppt schließlich die Blutung; er sagt, als er heute morgens kam, lag der Esel in einer Lacke aus Blut. Mali-People, betonte er; das Problem mit diesen, ich glaube wir haben es bereits öfters erwähnt, ist folgendes: es sind Gastarbeiter, die für die Dauer von ca. 6 Monaten nach Mauretanien zum arbeiten kommen, dafür keinen Esel kaufen, sondern einen mieten – und hier beginnt der verhängnisvolle Kreislauf. Sie werden nun über ein halbes Jahr hinweg alles daran setzen um so viel als möglich zu verdienen, also den Esel zu unglaublichen Leistungen, weit über dessen Schmerzgrenze hinaus, zwingen. Die Auswirkungen auf das Tier sind dabei gegenstandslos, der Gedanken gilt allein den zu Hause zurück gebliebenen, der Chance, für diese in der Ferne ein Auskommen zu sichern…
 
Dr. Dieng – und heute möchten wir einmal mehr eine Lanze für ihn brechen – macht seine Arbeit fantastisch, souverän, ist sehr nett zu den Eseltreibern, er kennt jetzt fast alle beim Namen, macht wie immer viele Scherze, ist aber dennoch sehr konzentriert. In einem derart harten und gnadenlosen Umfeld so eine enorme Anzahl von Tieren mit derart einfachen Mitteln zu helfen – unser größer Respekt möge ihn begleiten!
 
DSC 0444Am nächsten Tag sind wir an unserer gefürchtetsten Wasserstelle, einem Platz, wo fast nur Eselhalter aus Mali tätig sind – und da ist die Situation aus oben genannten Gründen ausnahmslos besonders schlimm. Dr. Dieng ist erstmals wütend, zeigt auf einen Esel, sagt: always strike, strike, strike – mit richtiger Glut und Wut in den Augen. Er meint, er kann es so oft sagen wie er will, diese Menschen hier wollen es einfach nicht verstehen.
Ein Hund liegt am Gelände, er sieht aus als hätte er heute Nacht einen großen Kampf gehabt. Ein Auge ist offensichtlich blind, das andere blutunterlaufen, die Schnauze zerbissen und noch immer blutig. Leider lässt er sich nicht anfassen, humpelt bei jedem diesbezüglichen Versuch einfach davon.
 
Dr. Dieng behandelt an einem zweiten Platz in unmittelbarer Nähe. Am Weg dorthin halten uns immer wieder Menschen auf, fragenden Blickes, ob der Veterinär nicht auch kurz nach deren Tieren schauen könnte – was Dr. Dieng dann selbstverständlich auch macht. Plötzlich gibt es ein Geschrei, 2 Jungs versuchen einen entlaufenen Esel einzufangen, sie schlagen dabei fortwährend auf das arme Tier ein – der Dr. reagiert sofort, stoppt die Jagd und belehrt die Kinder; ein älterer Eseltreiber, mit weißen Bart und Turban, fällt in die Anklage mit ein und sagt, die Jungen müssten endlich Respekt vor Tieren zeigen!
DSC 0474Dann erreichen wir besagten Ort – es ist keine Wasserstelle, sondern ein Kohleberg, der mitten in den Straßen ausgebreitet auf die Verteilung wartet; er scheint aus dem Nichts einem schmutzigen Schoße entsprungen, völlig unpassend, fast ein Störfaktor Um das schwarze Gold herum wurde eine kleine Zeltstadt errichtet, mindestens 10 Esel sind ständig anwesend, wird uns gesagt. Und mitten darunter einige Eselbabys, wohl zu den ZeltbewohnerInnen gehörend! Eines verliert Fell, Kalziummange, diagnostiziert Dr. Dieng (selbiges Problem wird später auch von Dr. Gey am Eselmarkt angesprochen). Die Esel werden allesamt mit Müll gefüttert, eine stinkende, blutige Masse, ‚angereichert’ mit Papier und Karton (gestern konnten wir wieder Leute beim Karton zerkleinern sehen und fotografieren, so entsteht mundgerechte Eselnahrung)…
Die Esel selbst sind von der Kohle schwarz, weil auch Autos nebenbei repariert werden zudem vom Altöl verschmiert.
Die Kinder laufen immer wieder los und jagen Esel, ob aus Übermut, Langeweile oder geglaubter Notwendigkeit finden wir nicht wirklich heraus und es ist auch denkbar nebensächlich. Jedenfalls schlagen sie dabei die Tiere, es ist schrecklich anzusehen. Aber den Älteren gefällt das so wie uns überhaupt nicht, ein Grund zur Hoffnung, und so bekommt einer der Kinder schließlich sogar einen Schlag auf den Kopf deswegen – Tränen fließen, was dann aber die Szenerie noch tristern und depressiver wirken lässt…
Was wir an dieser Stelle festgehalten wissen möchten: Gewalt gegen andere Menschen, das gibt es hier so was von selten, der Tatbestand ist dann eigentlich nicht der Rede wert – weil das ‚normale’ Untereinander fast schon an paradiesische Zustände grenzt. Auch Diebstahl an sich, außer jener konzentriert auf die Häuser reicher Europäer (und auch solche Dinge finden eher selten statt, und wenn, sind sie meist nicht ein ‚mauretanisches’ Problem…), ist ein Delikt, welches in seiner Tragweite einen nahezu unbekannten Stellenwert einnimmt; wie oft haben wir die Kameras einfach ‚im Feld’ liegen gelassen, weil wir einen Esel festhalten halfen, weil wir von Dr. Dieng gerufen wurden, usw.; und noch nie war etwas verschwunden, nun in insgesamt 6 Jahren und bei bestimmt schon an die 10 Reisen hierher. In Fakt, auch das Haus, in dem ich während meines Aufenthaltes wohnen darf – es gehört der GTZ-Mitarbeiterin Johanna (GTZ ist eine staatliche deutsche Entwicklungshilfe-Organisation), nebenbei ihres Zeichens RespekTiere-Mauretanien-Vertretung, die es mir zur Verfügung gestellt hat, weil sie gerade ihren Urlaub in der Heimat verbringt – dickes Bussi nochmals hierfür von unserer Seite 🙂 – es ist neu bezogen, noch unrepariert, so hat es keine verschließbaren Schlösser und ich verlasse es jeden Tag für viele Stunden und bin auch oft bis spät Nachts weg – und denk mir überhaupt nichts dabei! Viel weniger Vertrauen könnte ein Schelm dann schon in die offiziellen Stellen, in den Militärapparat haben…

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Wir fahren zu einem weiteren Tierarzt, den wir testen wollen; dort, vor seiner Praxis, sitzen eine Menge Leute, in stoischer Ruhe, zusammen mit ihren zum Teil gefesselten Tieren; eine Frau sagt, sie wartet seit 8 Uhr morgens; entweder ist der Arzt so gut dass er sich das erlauben kann, oder die Frau so genügsam – meine Begleiter glauben allerdings eine dritte Lösung zu kennen – 8 Uhr kann auch bedeuten 10, oder gar 11; vielleicht ist sie überhaupt erst seit einer halben Stunde hier, es kommt ihr aber so lange vor wie seit 8. Zeit ist ein wohltuend dehnbarer Begriff in den Augen eines Nomadenvolkes. Saleck ruft den Arzt, er kommt in 15 Minuten – so lange können wir heute nicht warten (apropos ‚dehnbarer Begriff’…), wir werden morgen wieder kommen.
 
DSC 0583Heute besuchen wir die Zaumherstellerinnen – und das wird einer der großen Momente unserer Arbeit, einer jener, der sich auf so wunderbare Weise entfaltet und bemerken lässt, vor Augen führt, dass wir doch sehr viel Gutes tun, und nicht ‚nur’ für die Tiere, sondern auch für Menschen. Zu den Halftern selbst, und das ist ein kleines Projekt im Projekt geworden: erzeugt werden diese nämlich von Hausfrauen, welche sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben, und nehmen, rund 20 Mitarbeiterinnen, bestimmte Arbeiten in Auftrag, z. B. knüpfen sie Teppiche, usw.; die so netten Damen können damit das Haushaltsbudget aufbessern, arbeiten so zu sagen als eigenverantwortliche Kommune! Auf diesem Wege profitieren 20 Familien ganz direkt von der Herstellung, einen besseren Zugang zur Armutsbekämpfung gibt es gar nicht! Für uns der beste Beweis: Tierschutz ist immer auch direkte Menschenhilfe, und besonders dann, wenn ‚respekTIERE IN NOT’ draufsteht 🙂
 
Wir fahren durch berstende Armenviertel, Baracken aus Holz und Metallteilen errichtet, mit PVC-Fetzen mühevoll von den Elementen zu beschützen versucht, dazwischen verwitterte gemauerte Gebäude; alles von Menschenhand geschaffene hat hier keinen Bestand, zerfällt langsam wieder zu Sand. Und dort ein einem rechteckigen Raum treffen wir die Frauen, eine Gemeinschaft jeden Alters, alle sind sie so schön und farbenprächtig gekleidet, mit arabischer Schüchternheit und der landestypischen Zurückhaltung ausgestattet, und dazu ausgesprochen nett. Eine ältere Dame ist so was wie Wortführerin, sie zeigt den Fortschritt des neuen Auftrages: weiße kleine Halfter, weiß-schwarze mittlere, und schwarze große – super!!!!! Die Frauen sitzen hier, nähen, in völliger Ruhe und ungetrieben, lachen, erzählen Geschichten und – verdienen Geld! Es ist einfach nur großartig, super! Saleck übersetzt, sagt, sie arbeiten immer in einem anderen Raum, die Gastgeberin wechselt mit jedem Arbeitstag. Ich darf sogar Fotos machen, ein Umstand, der von großem Vertrauen kündet, bedenkt man die ansonst so auffällige Reserviertheit des weiblichen Geschlechtes gegenüber F(f)remden (Männern). Direktere Hilfe geht nicht, hier kommt jeder Euro den Menschen und Tieren zugute, ohne jeglichen Umweg!
Stolz zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht!
 
Es gab übrigens auch in Nouakchott, wie im gesamten arabisch-afrikanischen Raum, eine Demo gegen den Präsidenten, an die 800 Leuten waren auf die Straße gegangen; dabei hatte ‚unser’ Saleck Streit mit einem Polizisten, der hob das Gewehr und – schoss! Knapp am Kopf vorbei, Laurant, ein Franzose tätig für die Reuters Nachrichtenagentur, war als Kameramann im Hintergrund, aber im Anblick der Bedrohung eines Freundes versagten seine Nerven und er mischte sich schützend in die Szenerie anstatt zu filmen; worauf der Polizist nochmals schoss, knapp an den Beiden vorbei!
Warum der Ausbruch, eine Revolution, dann doch nicht so heftig kommen wird wie bei den Nachbarn? Weil es hier im Gegensatz zu den umliegenden Ländern, so seltsam wie es klingt, keine nicht-formierten Gruppen gibt, die gegen schlechte Verhältnisse, Repression usw. zu Werke gehen; hier haben sich von Anfang an Führer herausgebildet, nicht eine Masse, die gemeinsam für alle bessere Verhältnisse, mehr Freiheit, fordert – schnell bemerkte man dass diese Führer eigenen Interessen vertraten und so verlor sich rasch der nötige Rückhalt einer homogenen Menschenmenge…
Nicht zu vergessen: Mauretanien war immer ein Land des Handels, wo sich Personen aller Völker trafen um miteinander in geschäftliche Beziehungen zu treten; man ist es gewohnt Kompromisse zu machen, aufeinander zuzugehen – und nicht zu Felde zu ziehen, was eine Mentalität der Krieger ist, nicht der Händler…

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Nächster Tag; zeitig in der Früh fahren wir zum Bürgermeisteramt – heute steht das breits erwähnte und herbeigesehnte Treffen mit der Bürgermeisterin am Programm, für halb 10 anberaumt.
Die Politikerin allein kommt und kommt nicht; eine Stunde später ruft Saleck bei ihr an, sie ist aufgehalten worden, eine dringende Sache, aber sie würde nun gleich erschienen – bitte warten! Es vergehen noch 45 Minuten bis sie endlich eintrifft…
Dann hat sie offensichtlichen Stress, wird sofort von vielen Leuten umlagert; wir dürfen in ihr Büro, sie nimmt Platz, Regentin wie sie ist bietet sie uns zwei Sessel vor dem Schreibtisch an; im Hintergrund und links von ihr warten einige andere Menschen mit deren Problemen – die gute Frau hat einen schwierigen Job, so viel steht fest.
Dennoch hört sie aufmerksam unseren Anliegen zu, betont, es wäre im Moment keine weitere Tötungskampagne gegen Hunde geplant weil – und nebenbei, wie teuer solche eigentlich sind. Dann lasst es doch bleiben, möchten wir hinausschreien!
 
Was wir von ihr möchten ist zusammengefasst folgendes:
Einen Ort für eine Klinik, eine Genehmigung zur Führung deren; Hilfe bei der Logistik bei einem Kastrationsprojekt; das Versprechen, behandelte und markierte3 Hunde nicht mehr zu töten; die Beteiligung der Stadt an der Kampagne in Form von Aufrufen Hunde zum Impfen zu bringen, etc.; und natürlich die Genehmigung zu den Kastrationen.
 
Was wir im Gegenzug bieten würden:
Zur Verfügung stellen des Medizinisches Material; TierärztInnen, ausländische und/oder einheimische für die Dauer des Projektes; die erforderlichen Medikamente; das
Möglichst flächendeckende Impfen gegen Tollwut; Einsatz 1 mal jährlich für ca. 2 Wochen
 
Sie hört sehr interessiert zu, sagt dann aber, für alles weitere müssen wir ein vollständiges Programm aufstellen und das Ganze als Dosier einreichen, dann kann sie den Part der Stadt entscheiden.
Sie ist ja nur BGM eines Stadtteiles (aber irgendwo muss halt ein Anfang gemacht werden, Anm.), und Hunde respektieren ja keine Grenzen, also kann sie nicht für andere Stadtteile sprechen, was dann dort mit bereits behandelten Hunden passieren würde, ob man sich dort an das Tötungsverbot halten würde.
Das um und auf kristallisiert sich schnell heraus: wir müssen vor Ort eine NGO gründen, einen ResepkTiere-Ableger – nur dann lassen sich alle Papiere bereitstellen, alle weiteren Schritte einleiten.
Zum Abschluss übergeben wir fast 5000 Unterschriften der Petition, mit dem Zusatz, diese Personen haben mich gebeten ihr Grüße auszurichten mit der Bitte, etwas für die armen Hunde zu tun…
Dann tauschen wir noch Visitenkarten aus und schon hat uns Nouakchott wieder verschluckt.
 
Wir fahren zur deutschen Botschaft, treffen dort die Konsulin; wir besprechen die Eselproblematik und dürfen unsere mitgebrachten Eselflyer für die Angestellten auslegen!

Achtung, Achtung, Achtung: am heutigen Samstag sind wir zusammen mit dem Sternenhof beim Tierheim Pürten in der Nähe des bayerischen Waldkraiburg zum diesjährigen Sommerfest geladen und dürfen dort die BesucherInnen mit großen Foto- und Infoständen begrüßen!
Tierheim Pürten, Beginn 12 Uhr, bis ca. 18 Uhr!!!

 
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