Einsatz in Mauretanien – Teil 1!

Achtung, Achtung! Für heute Nachmittag, 17 Uhr, wurden wir in die Radiofabrik zu einem Interview für die Flaggschiffsendung ‚Magazin um 5‘ bezüglich ‚Esel in Mauretanien‘ geladen! Unbedingt einschalten, zu empfangen über 97,3 oder 107,7 oder über live-stream!

Morgen, Donnerstag, ab 18.30 Uhr, gibt es einen RespekTiere-Infostand bei der Podiumsdiskussion ‚Tier- und Menschenrechte im Diskurs‘ im Uni-Park in Salzburg! Veranstalter ist die ÖH Salzburg, zusammen mit dem Arbeitskreis MUT und LIFE! Nähere Infos zu dem so wichtigen Termin findet Ihr auch unter: https://www.facebook.com/events/299591870192872/


Mauretanien – der Einsatz; Teil 1!

Aus dem schmalen Fensterloch des Flugzeuges wirkt das Land unter uns beinahe noch unwirtlicher. Nachdem nämlich das europäische Festland überflogen ist, breitet sich urplötzlich eine riesige, sonnenverbrannte Ebene unter aus, baumlos, scheinbar leblos. Für Unwissende wirkt es fast  so als ob Gott diese Umgebung als Sinnbild zurück gelassen hatte, unverändert seit einer absoluten Ewigkeit, nur um sie zweifelnden Menschen als Muster dafür zu präsentieren, wie das Leben wohl ohne sein Zutun passiert wäre; wir, die wir die herrlichen Berge und kristallklaren Seen, saftig grüne Weiden und ausgedehnte Wälder so lieben, für unsere verwöhnten Augen ist das alles hier eine einzige Triste, ein abwechslungs- und seelenlose braune Masse. Ja, manche von uns würden es wohl sogar als Hölle bezeichnen, ungeachtet der unumstößlichen Tatsache, dass es für viele tausende Menschen seit jeher die Mitte ihrer Welt, Heimat, darstellt. Unserer ignoranten Betrachtungseise bleiben dabei allerdings viele Details verborgen, so zum Beispiel der Zauber der wandernden Sanddünen, ein sternenübersäter Nachthimmel, wo kein künstliches Licht eine unfassbare Zufriedenheit, eine nie gedachte innere Ruhe, stört.

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Fotos: welch ein Vergleich – während in Paris noch dicke Regenwolken über dem Land hingen, änderte sich dieser Zustand schnell…

Bereits zum dritten Male schon ist ‚unser‘ Tierarzt, Dr. Matthias Facharani aus Bayerisch Gmain (www.tierarztpraxis-facharani.de) mitgekommen auf die lange Reise nach Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens. Dr. Facharani, Sie erinnern sich bestimmt, ist sehr zum Vorteil des Projektes ‚Esel in Mauretanien‘ ausgebildeter Tropentierarzt und hatte vor seinen RespekTiere-Einsätzen schon wertvolle Erfahrungen mit ‚Arbeitseseln‘  bei seiner Mithilfe in einer mobilen Klinik in Ägypten gesammelt. Außerdem, eine in ihrem tatsächlichen Wert kaum hoch genug einzuschätzende Tatsache, er spricht nahezu perfekt Arabisch, was den Umgang mit den Eselhaltern auf eine ganz eigene Stufe stellt!

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Wir haben dieses Mal eine ungeheuere Menge an dringend benötigten Dingen mit uns mitgebracht; so zum Beispiel Medikamente im Wert von gut 600 Euro, Hufwerkzeug um mehr als 350 Euro, dazu jede Menge an anderem medizinischen Materials (Wundverbände, Nahtmaterial, Kanülen, Spritzen, etc.), einen Berg an Warnwesten für die Eselkarrenlenker (die Karren sind des Nachts sonst völlig unbeleuchtet; wir bedanken uns nochmals vom ganzen Herzen für Ihre so zahlreichen Spenden der lebensrettenden Kleidungsstücke, so hat uns etwa die Gewerkschaft Vida Salzburg (www.vida.at) gut 50 Stk zur Verfügung gestellt, ebenso Herr Andreas Lohninger über seine Firma, und dutzende Briefe von TierfreundInnen mit Westen im Kuvert kamen von Wien bis Hamburg bei uns an!), Sonnenbrillen für jene, welche ihre Esel offensichtlich besser behandeln, ebenso Sonnenhüte, hunderte Kappen (allein wieder ca. 100 von der Gewerkschaft Vida), Radios, etc., etc.! Auch auf die Kinder hatten wir nicht vergessen, und so konnten wir schließlich sogar das eine oder andere Kinderspielzeug verteilen!
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Foto: all diese Sachen hatten wir mitgebracht; mehr als 120 kg an Gütern!

Stunden überfliegen wir die Eintönigkeit, durchbrochen ab und dann von uralten, jedoch ebenso vegetationslosen Gebirgen, die sich gar mächtig zum Himmel strecken und dennoch von hier oben bloss spielzeughaft wirken. Der selbst zu Hause nicht wirklich stattgefundene Winter ist nun gänzlich vergessen, der Blick hinunter lässt erahnen was die Durchsage des Kapitäns noch untermauert: ‚Nouakchott, 34 Grad‘

Unter uns tobt ein Sandsturm, der das gesamte Land in eine in sich tobende Masse aus orangem Etwas verwandelt. Tatsächlich kann man beim Landeanflug erst sehr spät erste Häuser erkennen, und es zeugt von gehöriger Erfahrung, dass der Pilot die Maschine überhaupt zur Landung bringt. Die Mächte des Windes trotzen jedenfalls der ohnehin so lebensfeindlich anmutenden Umgebung nochmals etwas vom Begriff ‚Lebenswert’ ab; gepaart mit der heißen Luftböe, einer am Himmel wie festgezurrt stehenden Sonne, deren einziger Wille es scheint alles unter sich zu verbrennen, ergibt die Konstellation ein Szenarium welches sehr an späte Science Fiction Filme erinnert, wenn Mensch auf fremden Welten landet…
Mein Kopf dröhnt zum Bersten als wir der Maschine entsteigen; die plötzliche Umstellung hin zur gnadenlosen Gluthitze, der Luftdruck, gepaart mit dem heißen Wind, welcher uns hier entgegenweht, ergeben zusammen eine Mischung, welche dem Wohlbefinden schon sehr entgegenzuwirken imstande ist. Außerdem ist die Sichtweite auch noch extrem eingeschränkt, mit derart viel aufgewirbelten Sand in der Luft, der das Atmen zur Qual macht. Die ganze Stadt wirkt fast ausgestorben, wie von einem gnädigen Gott hinter einen Vorhang des Vergessens gereiht. Die Menschen haben diesen Flecken Erde der Wüste mühevoll entrissen, aber für welchen Preis? Der Kampf ist ein nicht endender, jede Sekunde streckte die Beraubte ihre Finger aus, dann in Form von Abermilliarden von kleinen Körnern, ihren unermüdlichen Soldaten, und eines vielleicht gar nicht so weit entfernten Tages wird unsere Rasse einsehen müssen, dass sie jene Auseinandersetzung mit den Kräften der Natur niemals wird für sich entscheiden können. Tatsächlich, es ist der Kampf des Don Quichotte gegen Windmühlen, und gäbe es vielleicht Schutz gegen fremde Aggressoren, dann aber nicht gegen diese schiere Anzahl von winzigen Kriegern, welche in jedem Moment der Unachtsamkeit allein auf Grund ihrer Anzahl alles was immer sich ihnen in den Weg stellt unter sich zu begraben wissen. Ihr Freund ist die Zeit, und Geduld ist ihr Bruder.
Wir sind nun schon mehr als 8 Jahre im Land, aber der erste Eindruck ist immer derselbe geblieben; eine Nation beherrscht von militärischen Befehlshabern, mit einem ‚sanften‘ Demokratieversprechen ausgestattet, welches aber doch immer nur eine Illusion zu bleiben scheint. Anders als in anderen arabischstämmigen Ländern aber sind die MauretanierInnen immer ein Volk der HändlerInnen und GastgeberInnen gewesen, und diese Tradition hat sich längst in ihrem ganzen Lebensstil vergegenwärtig. Die Diskussion, das Gespräch, ist der Weisheit letzter Schluss, und trotz nicht aufhörender Proteste gegen die Obrigkeit wird eine echte Eskalation vielleicht gerade deswegen verhindert. Aufstände wie in den Nachbarländern, solche wird es hier wahrscheinlich nicht geben, so etwas läge nicht in der Natur dieses Wüstenvolkes.
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Fotos: eine Welt aus Sonne und Sand…

So also entsteigen wir der vollen Maschine, nur um von einer großen Anzahl von Militärs mit meist sehr finsterer Miene empfangen zu werden. Der mehrere hundert Meter lange Gang über das Rollfeld hin zum Flughafen konfrontiert den/die BesucherIn im selben Augenblick mit der ganzen Härte des auf den Karten vielleicht gar nicht soooweit entfernten, aber in der Realität wie von einem anderen Planten wirkenden Landes, beherrscht von Sand und Wind und Sonne. Der Flughafen selbst wirkt wie eine aus einem ‚Indianer-Jones-Film‘ entrissene Kulisse; ein zerfallender Komplex, von den Elementen zernagt, dutzende Uralt-Ventilatoren an der Decke verstärken durch ihr eigentümliches Surren noch den Eindruck. Demensprechend passend dann die elendiglich langen Formalitäten, durch welche jede/r BesucherIn zu gehen hat bevor man das Gepäck bekommt – wo dann schon unzählige Menschen warten, welche anbieten dieses zum nächsten Transportmittel zu bringen – und sei es auch nur eine Umhängtasche; selbst das Verneinen dieses Wunsches gebietet selten Schutz vor dem allzu penetranten Hilfsangebot, lässt man die Koffer nur einen Augenblick ob deren Gewichtes zu Boden gleiten, so kann man sicher sein, dass dieser kurze Moment der Unachtsamkeit genützt wird, um das Gepäcksstück förmlich zu entreißen und nach Außen zu tragen – natürlich nur gegen Bares. Auch das obligate ‚I do not have Money right now, please put it down‘, bleibt ungehört, und blitzschnell sieht man sich mit einer Situation konfrontiert, die man so gar nicht mochte….
 
Früh am nächsten Vormittag, nach einer kurzen und nicht zuletzt ob der Mücken und der verglichen zum Tag kaum gesenkten Temperaturen ziemlich intensiven Nacht, finden wir uns wieder an der ersten Behandlungsstelle. Unser Team hier besteht aus dem Tierarzthelfer Moussa und dem Hufschmied Zappa, jenem Mann, welchen – treue RespekTiere-LeserInnen erinnern sich bestimmt – die so großartige Irmi Forsthuber aus Salzburg in den Berufsstand eingeführt hat – und mit welchem Erfolg! Zappa ist vielleicht der einzige Hufschmied des Landes, wir jedenfalls haben nach langer Suche keinen vor ihm gefunden (und so bot sich deshalb die einzige Alternative: einen gelernten Hufschmied, dann in Form der Irmi Forsthuber, mitzubringen und einige Anwärter anzulernen), und er hat trotz der relativ kurzen Einschulung ein derart profundes Handwerkswissen entwickelt, dass das bloße Zuschauen seiner Arbeit zur wahren Freude wird. Tatsächlich ist er geschickt wie kaum jemand anderer, jeder Griff sitzt, und selbst die nervösesten Esel halten bei seiner Behandlung mehr oder weniger ruhig!
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Foto: Zappa, Mauretanien’s erster Hufschmied?!

Schon hier auf der ersten ‚unserer‘ Wasserstellen (den hauptsächlichen Behandlungsorten; es gibt deren hunderte in der Stadt. Das Wasser stammt aus unterirdischen Rohrleitungen und wird von dort aus mit den Eselkarren zu jeweils 400 Liter in die Haushalte gebracht; Wasserleitungen gibt es bisher erst in wenigen Prozent der Haushalte, und dann nur in den ‚Edelbezirken‘, dort, wo zum Beispiel die Botschaften angesiedelt sind) sieht man aber bereits wieder die alles anderem übergeordnete Dringlichkeit unserer Arbeit in Mauretanien. Allein die vielen abgeheilten Wunden zeigen wie notwendig jeder Einsatz ist, aber auch, wie weit wir bereits gegangen sind. Stolz prangt die blaue RespekTiere-Tafel über der Wasserstelle, und jeder Eselhalter wird unermüdlich darauf hingewiesen seinen Esel nicht mehr zu schlagen. Tatsächlich gibt es dann auch schon, eine stete Entwicklung, immer mehr Tiere welche sich fast komplett wundfrei präsentieren, und wo deren Halter uns zulächeln und betonen, sie würden ihren Esel gut behandeln. Die Saat ist also längst gesät und erste Pflanzen beginnen zu sprießen! 🙂
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Fotos: Mauretanien ist jedes Mal auf ein Neues ein unfassbar intensiver Arbeitseinsatz; für die allgegenwärtigen Verletzungen der Tiere haben wir Medikamente im Wert von über 600 Euro mitgebracht – natürlich nur solche, welche in Mauretanien nicht oder nur sehr schwer zu bekommen sind!

Überall in der Stadt offenbart sich auch das Hundeproblem, welches einer Lösung harrt; wir sehen einen wunderschönen jungen Rüden, dessen Vorderbein beinahe abgetrennt ist; er schleppt sich mit letzter Kraft irgendwo in eine Seitenstraße, nur um sich dort im selben Augenblick in der Anonymität zu verlieren. Wohl auch auf Grund des explodierenden Verkehrs – und das bei Spritpreisen von rund 1 Euro – finden sich fast an jeder Ecke schwer verletzte Hunde, humpelnd, blutend, vom Leben betrogen.
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Foto: Hunde haben in einem muslimischen Land generell eine schlechte Karte gezogen… sind sie dann auch noch krank, wird die Situation schnell unerträglich!

Natürlich besuchen wir auch wieder den Eselmarkt, jenen Ort, der gefangen in Monotonie und Triste so unwirklich scheint, als dass man ihn sofort nach jeder Konfrontation aus dem Kopf zu verdrängen versucht, nur um selbst in den hintersten Winkeln des Gehirns nur ja keine bleibenden Eindrücke festsetzen zu lassen. Zu schmerzhaft nämlich ist das Gesehene, jedes Mal auf ein Neues, zu intensiv wäre die Herausforderung, Erinnerungen bewusst abzuspeichern.
Viel haben wir über den Markt geschrieben, und doch mag kein noch so langer Aufsatz auch nur ansatzweise die Grauenhaftigkeit zu beschreiben, welche dort Einzug gehalten, in Fakt einen heimatlichen Hafen gefunden hat. Sie wissen, hier werden Esel verkauft, oft entführt aus den Dörfern, und obwohl auch dort Sand das alles beherrschende Element darstellt, muss jeder Ort im Vergleich zum Hier und Jetzt einfach nur Paradies sein. Heute allerdings finden sich nicht so viele tote Tiere um das Gelände, jene, welche von ihren ehemaligen Haltern einfach ausgesetzt wurden, nachdem diese neue Esel erstanden hatten; immer in der irrigen Hoffnung, dass die Zurückgelassenen vielleicht doch überleben könnten, nun von der Last der Arbeit befreit, aber oft derart krank, dass sie sich nur mehr mit großer Mühe auf den Beinen halten können. In Fakt sind solche Ausgestoßenen allesamt hoffnungslos zum Tode verurteilt; tatsächlich, dreht man sich schnell um, vermeint man, man könne sogar für einen Wimpernschlag dessen Gestalt auf den sandigen Hügeln sitzen sehen, regungslos und geduldig; seines ist das Wissen, dass niemand hier seinen knochigen Fingern wird entkommen können, und so ist Eile nicht sein Begleiter.
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Dass heute weniger tote Tiere zu finden sind als sonst bedeutet aber leider nicht, das große Sterben ist eingedämmt; vielmehr dürfte der ganze Platz erst vor Kurzem seiner Opfer beraubt worden sein. Die Vermutung liegt nahe, weil auch der ansonsten allgegenwärtige Müll im Moment im halbwegs erträglichen Ausmaß das Land verunstaltet – ein eindeutiges Zeichen, dass wohl nur wenige Tage zuvor eine Planierraupe das immerwährende Grauen für wenigstens eine kurze Periode unter sich begraben, mit frischer Erde zugedeckt hat. Wie ein organisches Leichentuch, eine Kaschierung, für welche der geplagte Geist dennoch unendlich dankbar ist…
Wieder beginnt unser Team Hufe zu schneiden, zu behandeln, unermüdlich; so als ob es den Kreislauf durchbrechen könnten – und das wird es auch tun, vielleicht nicht heute, und wahrscheinlich auch noch nicht morgen, aber es wird mit der Zeit geschehen und das ist ein heiliges Versprechen: die mobile Klinik wird so lange ihren Dienst tun, bis solche Perioden des Schreckens in Vergessenheit geraten sind, selbst im fernen Mauretanien eine neue Ära angebrochen ist; eine Ära, deren Geburtsstunde wir erleben werden, und sei es das letzte, was wir als Tierrechtsverein erreichen!     
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Ein Esel findet sich mit einer nicht zu glaubenden Wunde – er hat tatsächlich ein riesiges Loch durch die Stirnplatte, eine 10 cm große, fliegenbehangene Öffnung, durch die man direkt auf den Gaumen sehen kann. Furchtbar. Die Wunde ist allerdings längst abgeheilt, und so bleibt dem Esel nur der Stellenwert eines vielbestaunten Kuriosums – was ihn aber nicht davor schützt, weiterhin als Schwerstarbeitstier verwendet zu werden…
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Unfassbar; ein Esel wird verkauft, der neue ‚Besitzer‘ fährt mit seinem PKW vor – was nun passiert, ist so unglaublich, dass allein die Erinnerung daran an den eigenen Verstand zweifeln lässt – ist es wirklich so geschehen, oder unterlag der Geist ob der penetranten Hitze einer bloßen Täuschung? Wie auch immer,  fünf Männer packen plötzlich das arme Tier, fesseln seine Beine, werfen den entsetzen Körper mit brutaler Gewalt zu Boden; jemand öffnet den Kofferraumdeckel, und ungeachtet der vielen abstehenden Eisenteile wird der Esel in das finstere Loch hineingezerrt, seine Gliedmaßen dabei abenteuerlich verbogen, sein Kopf verdreht, seine Ohren geknickt. Dann schließt sich der Deckel, und wer jetzt denkt, der Fahrer wird nun den Wagen ob der unbarmherzigen Hitze sofort starten, der irrt gewaltig; es bleibt Zeit für einen langen Abschied, für endlose Minuten eines Gespräches, während das arme Tier im Kofferraum ganz sicher neben der sengenden Hitze auch noch die ganz sicher quälende Unwissenheit zu ertragen hat, was denn da tatsächlich mit ihm passiert – man mag sich gar nicht die Fahrt selbst, durch aberhunderte Schlaglöcher und täglichen Stau, sowie die unweigerlich folgende Szenerie des Ausladens vorstellen…
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Ein Esel hat eine klaffende Wunde kurz oberhalb des Hufes; wie sie zustande gekommen ist wissen wir nicht, aber wahrscheinlich hat sich das arme Tier an einem der unzähligen spitzen und scharfkantigen Gegenstände, die überall achtlos weggeworfen herumliegen, geschnitten. Moussa reinigt den Schnitt, desifinziert ihn. Die Wunde wird vernäht, ein Druckverband angelegt.
Ein anderer Esel steht etwas abseits am weitläufigen Gelände – immer ein besonders schlechtes Zeichen… Wir gehen zu ihm hinüber, und sofort wird jegliche Hoffnung auf ein ‚vielleicht haben wir uns dieses eine Mal geirrt‘ brutal ins Absurde geführt. Tatsächlich offenbart sich das Schreckliche in reinster Form: eines seiner Vorderhofe hat sich komplett abgelöst, anstelle dessen ist ein infizierter Klumpen übrig geblieben.  Die Überlebenschance? Gleich null. Einen Gnadentod? Können wir hier nicht offiziell geben, denn das würde die Menschen völlig gegen uns aufbringen und wir würden in Folge wohl keinen einzigen Esel mehr behandeln dürfen. So belassen wir es für den Moment mit der Gabe von Schmerzstillern; die einzige Erleichterung: es wird für alles weitere der richtige Moment kommen.
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Foto unten: bitte beachten Sie das rechte Vorderhuf des hinteren Esels…

Wie stellt sich die Mehrheit von uns wohl die Hölle vor? Oft doch als einen Ort, wo immense Hitze herrscht, wo düstere Rauchschwaden von hunderten kleinen Feuern in einen lodernden Himmel brennen, wo furchtbarer Gestank das Atmen zur Qual macht; ein Ort, bevölkert von emotionslosen Menschen, welche wie aus einer Reflektion, einer gedanklichen Notwendigkeit heraus ständig mit dem Durchsuchen des sumpfigen, öldurchtränkten und vom tonnenschweren Abfall erstickten Bodens beschäftigt sind; darunter einige Tiere, von Wunden übersät, die mit letzter Kraft mit Müll überladene Wagen nach sich ziehen. Wo Kinder in zerrissenen Kleidern nach Hoffnung suchen, doch genau diese hat sich längst mit den Nebelschwaden vereinigt und entflieht im selben Augenblick in die Unendlichkeit. Es ist ein Ort der Lethargie, der Triste, gefangen im immerwährenden Leid.

Wir stehen am Rande des Eselmarktes, vor uns eine Mülldeponie der Stadt. So, denken wir im selbigen Moment, so muss die Hölle sein…. (allerdings muss ich mich im nächsten Augenblick revidieren, denn ich habe die tatsächliche Hölle längst gesehen; ihr Standort ist nicht weit von hier, und es ist jener Platz den die Menschen, sich der Schrecklichkeit der Vorgänge bewusst, als ‚Schlachthof‘ bezeichnen. Es sind einige Jahre vergangen seit wir das letzte und einzige Mal dort waren, aber immer noch passiert es mir, dass ich des Nachts plötzlich aufwache, aufgeschreckt vom Geräusch das sich ergibt wenn Holz- und Metallstangen auf lebende Tiere einschlagen, nur um diese zu Fall zu bringen; warum? Weil man so besser an die Halsschlagadern kommt. Dann kann ich auch den Geruch des Todes erneut erspüren, so als ob es gestern gewesen wäre, all das Blut und die Eingeweide, der Boden zentimeterdick benetzt. Menschen zerren an Rindern und Kamelen, während diese im Albtraum gefangen zuschauen müssen wie ihre ArtgenossInnen, FreundInnen, vor ihnen hingerichtet werden. Die Kleidung der Arbeiter steht vor geronnenem Blut, ihre Augen irr und leer, rohe, in den Lebenssaft getauchte Hände sind mit großen Messer bewehrt; manche zerren drei, vier Rinderköpfe hinter sich her, andere tragen Hälse von Kamelen, deren Köpfe noch nicht abgehakt wurden. Und überall sitzen welche, die auf Fleisch einschlagen, mit teils stumpfen Schneiden versuchen Teile aus den toten Körpern zu schneiden. Ohne Unterlass, Todesangst, ein Poltern, Schlagen, Schreien, Stöhnen, Kämpfen und Verlieren; ein Verlieren ist es nämlich auf allen Seiten, denn für das Leben der Tiere, um an deren Fleisch zu kommen, gibt ‚Mensch‘ all das auf was ihn ausmachen könnte – seine Menschlichkeit…)
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Es ist Depression pur, was wir hier sehen; man will es verhindern, aber im selben Moment des Nachdenkens darüber bahnt sich der bloße Anblick unaufhaltbar und blitzschnell seinen Weg über den Augennerv hinein in den entlegensten Teil des Gedächtnisses. Dort setzt er sich fest, unsichtbar, man glaubt ihn beinahe verdrängt. Allerdings verpuppt er sich dort nur, transformiert sich zum Motor kommender Ängste, und eines Tages gibt er seine zerstörerische Kraft wieder frei.

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Eines der Hauptanliegen der diesmaligen Reise liegt im Gespräch mit unserem Ärzteteam
; neue Strategien gilt es zu entwickeln, eventuelle Unzufriedenheit auszumerzen, besondere Vorfälle zu diskutieren. Auch neue Wege aufzuzeigen in der Entwicklung des Projektes ist ein Programmpunkt, der viele Stunden Diskussion benötigt.

Die Wasserstellen der nächsten Tage sind jene, wo wir seit vielen Monaten behandeln; dementsprechend erfreulich zeigt sich dann auch der Zustand der meisten Tiere, natürlich aber gibt es immer wieder Einzelfälle, Tiere geplagt von schweren Verletzungen, und manchmal von so schrecklichem Ausmaß, dass die Haare zu Berge stehen…
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Foto: Dr. Facharani, Moussa und Zappa betachten einen schwer verletzten Esel; auch hier hat sich der Huf völlig abgelöst, zurück bleibt eine eitrige, fiebernde Wunde…

Wir entwurmen, geben Schmerzmittel, Antibiotika, Vitamine, versorgen die Wunden mit desinfizierendem Blauspray und schneiden unermüdlich Hufe; Dr. Dieng entfernt sogar einen riesigen Tumor aus einem Eselgesicht, unter örtlicher Betäubung zwar, aber dennoch in reinster Feldarbeit; in einem anderen Falle näht er ein Ohr, welches nur mehr an einigen Zentimetern Fleisch hängt, wieder an – der Esel hatte Streit mit einem anderen, worauf dieser zubiss…

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Aber es gibt auch andere Plätze, wo der allgemeine Zustand der Esel von ‚Erfreulich‘ so weit entfernt ist wie der Weihnachtsmann vom Palmenstrand; sobald auf einer unserer Behandlungsstellen über mehrere Wochen hinweg bemerkbar wird dass sich der Zustand der Esel stark verbessert, beginnen wir uns nach Orten umzusehen, wo unsere Hilfe dringender benötigt wird. Sind wir fündig geworden, wechseln wir schließlich und operieren dann an den ‚aufgegebenen‘ Ploätzen nur mehr gelegentlich – oft genug jedoch um den erzielten Standard aufrecht zu erhalten. Der Kreislauf beginnt nun von Neuem, unser Team wird ab dann an den ausgesuchten Stellen wöchentlich vor Ort sein. Nicht zuletzt deshalb sind wir ständig auf der Suche nach solchen neuen Behandlungsorten, welche dann unsere Kriterien erfüllen müssen – zum einen stark frequentiert, zum anderen sollten sich dann im Umfeld auch noch möglichst viele andere Wasserstellen befinden, sodass die Eselhalter am Behandlungstag aus verschiedensten Richtungen kommend Zugang haben. Dieses Mal suchten wir eine solche in einem etwas entlegenen Stadtrandteil aus, umgeben von einem Markt und mit zwei weiteren Wasserstellen in unmittelbarer Umgebung. Nie noch wurde den Eseln dort geholfen, dementsprechend vorsichtig sind dann auch die Halter zu Beginn der Behandlungen. Diese aber werden dringendst benötigt, wie gesagt hat wohl kaum noch ein Tierarzt Hand an die betroffenen Tiere gelegt, und so finden sich mannigfaltige Wunden und Verletzungen. Vor allem die Hufe der Esel sind in oft fürchterlichem Zustand, und Zappa benötigt sein ganzes Geschick um entsetzlich verwachsene in die richtige Form zu bringen.

Letztendlich fassen die Menschen Vertrauen, zeigen sich an den Behandlungen schnell sehr interessiert, und im ‚Wissen, dass wir nun regelmäßig hierher kommen werden, schütteln sie schließlich dankbar unsere Hände.
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Wir haben es bereits in einem Newsletter erwähnt – leider kam es auch bei diesem Einsatz wieder zu Problemen auf Grund von religiös motivierten Ausschreitungen; Mauretanien gilt ohnehin nicht gerade als das sicherste Reiseland, in Fakt raten so ziemlich alle europäische Botschaften von einem Besuch ab, weil sich immer wieder ein Funke entzündet, der dann die ohnehin labile Sicherheitssituation zusätzlich belastet. Dieses Mal traf uns das Unvorhergesehene in Form eines Attentäters, der spätabends – sich der Konsequenzen seines Tuns wohl ganz sicher bewusst – einen Koran in einer Moschee zerriss und das Heilige Buch in einer Toilette ‚parkte‘. Grund für diese Wahnsinnstat kann wohl nur das Schüren von Hass auf westlich geprägte Kulturen sein, doch diese Motivationsgrundlage wird selten hinterfragt. Schnell ist also der Schuldige ausgemacht, es ist, wie könnte es anders sein, der immaginäre ‚Westen‘, in all seinen Erscheinungsformen. Ein Aufschrei tönt durch die Stadt und blitzschnell finden sich tausende empörte Menschen auf der Straße wieder. Sie sehen es als ihre heilige Pflicht den Frevel zu rächen, und Feindbilder gibt es genug: die westlichen Botschaften, westliche Einrichtungen, Entwicklungshilfe-Zentren; sie alle werden nun uniform verdächtigt, zumindest Anreger solcher Taten zu sein.
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Jedenfalls wurde uns dringend angeraten das Haus nicht mehr zu verlassen – was wir aber dennoch taten, hatten wir doch unsere Pläne längst gemacht, durften nicht ins Hintertreffen geraten. Die Proteste beschränken sich meist auf das Stadtzentrum, von dort hört man den ganzen Tag über Gewehrschüsse, dieses Mal ununterbrochen, über Stunden hinweg. Die Ausschreitungen begannen in der Nacht, dauerten den ganzen Tag über, und selbst am folgenden war noch immer nicht Ruhe eingekehrt. Rauchschwaden lagen in der Luft, überall brannten Autoreifen. Nicht nur im Zentrum, dieses Mal zog der Protest weitere Kreise. Polizeieinheiten riegelten bestimmte Gebiete ab, in schwerer schwarzer ‚Riot-Gear‘-Kleidung unterwegs, mit Schlagstock und Schutzschild bewaffnet. Ganze Straßenzüge wurden gesperrt, eine spürbare Aggression lag in der Luft. Letztendlich beruhigte sich die Lage wieder, dem Himmel sei Dank,  aber es scheint nur eine Frage der Zeit bis derartige Proteste einmal völlig entgleisen.
Nicht viel von solchen Gegebenheiten dringt nach Außen, und selbst die Opferzahl bleibt unbekannt. Zwei Tote sind bestätigt, manche sprechen von mehreren. Die wirkliche Anzahl der Opfer scheint aber sowieso irgendwie unbedeutend, in einem Land wo dem einzelnen Leben – egal ob menschlichen oder tierlichen – scheinbar wenig Bedeutung zukommt, welches sich viel mehr von der Masse nährt…
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Eine der Hauptaufgaben des RespekTiere-Teams in Mauretaniens ist die Sensibilisierung der Menschen. Die Problematik ist eine noch viel schwierigere als sie auf den ersten Blick scheint – wir würden wohl noch hunderte Jahre mit der mobilen Klinik weiter machen können, ohne letztendlich wirklich Entscheidendes bewirkt, eine echte Veränderung herbei geführt zu haben. Würden wir das Projekt ’nur‘ als mdeizinisches Hilfsprojekt führen und irgend wann aufgeben müssen, innerhalb kürzester Zeit wären die Verhältnisse wieder so wie Jahre zuvor, darüber braucht man keine Illusionen aufzubauen. Nur durch das veränderte Verhalten, die Abkehr ursprünglicher Mentalität, der Eselhalter selbst kann der Ist-Zustand bereinigt werden, können Fortschritte im ethischen Denken wirksam greifen. Glauben Sie uns, es ist unfassbar viel leichter Wunden zu versorgen, als die Grundursache der Wunden auszumerzen. Jahrhunderte lang war der Esel nur als ‚das Tier, das man schlägt‘ bekannt, warum soll das nun plötzlich anders sein? Die Antwort auf diese Frage, die müssen wir bieten, und dann so glaubhaft vermitteln, dass sie in die Selbstverständlichkeit übergeht!
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Vergessen wir nicht, wir agieren hier in einem der ärmsten Länder der Welt, und dann noch als Draufgabe mit einer ethischen Gruppierung, die selbst in diesem darbenden Umfeld noch als eine Steigerung der herzzerreißenden Situation betrachtet werden kann: Eselhalter sind nämlich fast zu 100 % der Haratine zugehörig, einem Volk, welches sich aus Abkömmlingen ehemaliger Sklaven zusammen setzt. Und so in einem ohnehin darniederliegendem Land die abgeschlagenste Positionierung in der immens komplizierten Gesellschaftsordnung einnimmt. Sie werden sagen, ‚OK, das ist ja alles traurig, aber Armut kann keine Rechtfertigung für Tierquälerei sein‘, und da haben sie natürlich völlig recht. Nur, wie erklären Sie das Menschen, deren Hoffnung nicht in der Zukunft, nicht einmal im Morgen, sondern bloss im nächsten Bissen Essen liegt?

Unser Team lässt keine Behandlung vergehen ohne die Eselhalter über die Folgen des Schlagens aufzuklären; und nicht nur über die negative Auswirkung auf das Tier selbst, sondern auch über jene auf den Besitzers, der mit einem Ausfall seines Esels jegliche Existenzgrundlage verliert. Unsere Radio’werbungen‘, wo wir Anleihen aus Koran-Suren genommen haben, wo Allah selbst den schlechten Umgang mit Tieren verbietet, haben den Bemühungen einen in dieser Dimmension nicht zu hoffen gewagten Kick beschert; tatsächlich hört man nun an fast allen Behandlungsorten immer wieder von Vorfällen, wo Eselhalter, welche ihre Tiere schlugen, von anderen gemaßregelt wurden, unter Zuhilfenahme ebendieser heiligen Zeilen! Ein Beweis, der solche Erzählungen untermauert: die von uns nun schon zu tausenden aufgeklebten Sticker, wo in arabischer Sprache ‚Allah wird an jenen Gnade üben, die Gnade am Tier übten‘ gedruckt steht, untermalt von diesbezüglichen Eselfotos, erweckt immer noch enormes Aufsehen. Kaum kleben wir einen Sticker an eine bestimmte Stelle, versammeln sich sofort einige Menschen und beginnen aufgeregt zu diskutieren!

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Fotos: unser Plakat leistet einen nicht hoch genug einzuschätzenden Beitrag zur Verbesserung der Situation; Eselhalter, welche ihre Esel offenkundig gut behandeln, werden von uns immer wieder belohnt. Warnwesten wie hier im Bild verteilen wir dann großflächig, einfach weil sie die Sicherheit für Tier und Mensch drastisch erhöhen können!
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Nicht zu unterschätzen ist dann wohl auch die Vorbildwirkung; das zärtliche Streicheln eines Esels, das Reichen einer Karotte, das Kraulen eines Hunde, all das wird mit Nachahmen belohnt! Ganz wichtig: es passiert kaum eine Behandlung, wo dann nicht eine Kinderschar zusieht; genau in diesen liegt dann die gesamte Zukunft von ‚Esel in Mauretanien‘. Sie werden es sein, welche eines Tages das Projekt ‚Esel in Mauretanien‘ adeln könnten, indem sie uns vorleben dass die mobile Klinik nun nicht mehr notwendig ist. Weil Tierquälerei einen fernen Tatbestand, von welchen man aus Büchern weiß, darstellt, dann nur mehr als Relikt der grauen Vergangenheit weiterbesteht…

Fotos: Zappa zeigt unsere Bildbroschüre; Reihe 2: immer sehen Kinder bei der Arbeit zu – ihnen zu zeigen dass Tiere den selben Respekt verdienen wie wir ihn auch Menchen entgegenbringen, ist ein erklärtes Ziel!

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