Anzeigen, Anzeigen, Anzeigen – fürchterliche Kuhhaltung im Waldviertel

Wir waren dieser Tage ins niederösterreichische Waldviertel aufgebrochen, eine Region im Norden Österreichs, welche ihren guten Ruf weniger auf einen hochtechnisierten Fortschritt aufbaut – der diesen Teil des Landes dem Himmel sei Dank noch nicht in ausschlaggebendem Umfang erreicht hat – sondern seine Kraft vielmehr auf eine der Werbestrategie folgende, geradezu mystische Verbundenheit von Mensch und Natur aufbaut; ‚sanfter Tourismus‘ lautet das Zauberwort, und vor allem Ruhesuchende folgen den zahlreichen Versuchungen einer Entdeckungsreise in eine geheimnisvolle Welt gebildet aus dunklen Wäldern, sich schlängelden Wasserläufen, in sich ruhenden Hügeln und endlosen Feldern, die sich wie ein Lavastrom in eine Landschaft aus Granit und hoch fruchtbarer, mit goldenem Gras bewachsener, Erde ergießen. Dort, wo das Leben noch als ‚gesund‘ bezeichnet wird, wo die allumwälzende Globalisierung noch nicht wirklich Fuß gefasst hat, wollten wir feststellen, ob gängige Attribute auch auf die Haltung sogenannter ‚Nutztiere‘ Bezug nehmen. Alleine, es sei vorweg genommen, die Enttäuschung sollte eine riesige sein!

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Foto: auf dem Tor zum Stall prangt das Schild der Bauernschaft: ‚G’sunde Tiere. Da schau’n wir drauf. Sie auch?’… es setzt natürlich eine Anzeige!

Das Land ist ausgedörrt, die Hitzewellen der letzten Wochen haben selbst in dieser sehr rauen Umgebung, einem der Kältepole des Alpenlandes, deutliche Spuren hinterlassen. Mit einer Einwohnerzahl von weniger als 50 Menschen pro Quadratkilometer ist die Region noch nicht über die Maßen dicht besiedelt, in Fakt haben die in ihr beheimateten Gemeinden mit im Durchschnitt 2222 Personen die drittgeringste Einwohnerzahl aller Gemeinden Österreichs. Zwettl, eine der wichtigsten Städte neben Krems und Horn, hält mit -36,6 Grad Celsius den Temperaturrekord für die niedrigste Lufttemperatur an einem bewohnten Ort innerhalb ‚Tu felix Austria‘ (‚Du glückliches Österreich‘, wie Herzog Rudulf IV schon 1364 wusste). Die 4 600 Quadratkilometer umfassende Gegend wird ‚Waldviertel‘ genannt, und Wald hat es hier wahrlich genug gegeben – allerdings, der musste und muss in den letzten Dekaden zunehmend ausgedehnten Felder Platz machen, und tatsächlich ist der nordwestliche Teil Niederösterreichs nun das zweitgrößte Ackerbaugebiet der Republik.  

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Foto: links, eingekerkert in eine kalte Brüstung aus Beton, den Hals in schwere Ketten gelegt; stellt man sich so moderne Tierhaltung vor? rechts: angekettet in den Fäkalien – auch hier folgte eine Anzeige.

Der Kuhhaltung kommt das hiesige Klima naturgegeben besonders entgegen; sogar eine eigene, sehr robuste Rasse entstand in jenem Umfeld, ‚Waldviertler Blondvieh‘ genannt, welche aber ‚Dank‘ der allgemeinen Uniformierung von anderen, gewinnbringenderen Arten wie dem ‚Fleckvieh‘ mehr und mehr ins Abseits gedrängt wurde. Obwohl die Bestände langsam zunehmen, gilt das ‚Blondvieh‘ heute als ‚hoch gefährdet‘.

Man mag nun denken, erkundet man die verworrenen Hügel und windbewegten Tallandschaften, dort begegnet man wohl auf Schritt und Tritt prächtigen Rinderherden; das Land wie für sie gemacht, erfreuen doch weite Wiesenflächen voller blühender Wildblumen, Kräuter und Gräser das Auge, wohin immer man blickt. Dem ist aber nicht so, ganz im Gegenteil, wird der suchende Blick doch ganz schnell vom Gegenteil überzeugt. Frei weidende Kühe sieht man sogar sehr selten, vielmehr leben die Tiere in großer Anzahl in den überall achtlos platzierten, verstreut liegenden Stallungen. Die Bauern halten großteils kleine Populationen, nach sogenannten ‚Mega-Anlagen‘ sucht man hier vergebens.

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Foto: in Anbetracht der Bilder nichts als blanker Hohn…

Aber – und das ist die Erkenntnis aus vielen Jahren Erfahrung – die Anzahl der gehaltenen Tiere sagt nichts, wirklich so rein gar nichts darüber aus, wie gut es dem einzelnen Individuum  in ‚menschlicher Verwahrung‘ geht. Noch immer steckt der Irrtum in den Köpfen der Menschen, je mehr Tiere, desto schlimmer die Tierqual. Eine Formel, die bei weitem nicht per se der Realität entspricht, denn tatsächlich präsentiert sich die Situation sogar sehr oft entgegengesetzt. Die Anlagen der ‚Rinderbarone‘ sind zumeist modern, immer häufiger wenigstens Freilaufställe, mit Bewegungs- und Abwechslungsmöglichkeiten für die Tiere, unter dem hoffentlich wachsamen Auge eines Veterinärs oder der Behörde (keinesfalls soll diese Aussage jedoch dahingehend ableiten, dass größere Hallen unserer Meinung nach weniger Tierleid beinhalten, oder gar besser für die Tiere wären, denn leider gibt es natürlich auch  dort enormes Potential, ist das tierliche Leben vielleicht noch mehr zur reinen Produktionseinheit degradiert; fest steht jedoch, dass die Größe eines Betriebes nicht automatisch auf mehr oder weniger Tierqual hinweist, denn für das einzelne Individuum selbst ist es wahrscheinlich eher belanglos, ob 10, 20 oder 100 Wesen mit ihm oder ihr in himmelschreiendem Elend gefangen sind…). ‚Kleine‘ hingegen, die genießen beinahe Unantastbarkeit, und jede Kritik an ihnen gilt nahezu als Volksverrat – wie oft haben Sie es schon gehört, ‚unsere armen Bauern‘, den Rücken krumm geschuftet, so geplagt von den natürlichen Wetterkapriolen, ausgesetzt einer grausamen Wettbewerbskonstellation (wer von uns nicht???); sind sie nicht jene, die ‚ihre Tiere besonders lieben‘ – und sie dennoch, trotz all dem, unweigerlich und immer in einen gewaltsamen Tod führen… wie glaubwürdig ist ein solch mächtiger Begriff wie ‚Liebe‘ angesichts dieser Tatsache dann überhaupt?!

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Foto: links, ein Stall wie eine Folterkammer; wenig Licht, bröckelndes Mauerwerk, viel Schmutz, die Atmosphäre beherrscht von Klirren der Ketten! rechts: Verletzungsgefahr besteht überall, besonders wenn der Betonboden mit Gruben übersät und zudem vom Kot und Urin äußerst rutschig ist…

Apropos ‚Glaubwürdigkeit‘ – nachdem wir wieder einmal einige dieser angesprochenen Tierbehausungen mit eigenen Augen erkundet haben, nehmen Sie uns beim Wort, nicht viel bleibt von jener letztendlich noch zurück. ‚G’sunde Tiere‘. Da schau’n wir drauf. Du auch?‘; da bleibt nur die Antwort, ebenfalls im Bauernjargon: ‚Bei meiner Ehr‘, ja, das tun wir!‘ Und so kamen wir der Aufforderung postwendend nach, und was wir sahen, war mehr als ernüchternd…

…denn was sich hinter blumigen Vorgarten-Fassaden abspielt, ist viel zu oft einfach nur zum  Schämen…

Wir möchten an dieser Stelle niemanden unrecht tun, der/die mit großem Fleiß und gutem Herzen ein Auskommen sucht, aber die rosa Nebelschwaden einer wie auch immer gearteten Bauernhof-Idylle, die lichten sich zunehmend, werden von einer harschen Realität viel zu oft ins Reich der Legenden geblasen!

Wir müssen uns als Gesetz der Stunde von der Vorstellung einer ‚möglichen guten Tierhaltung‘ langsam lösen; die gibt es nur in den seltensten Fällen, sodass wir eine solche mit gutem Gewissen als vernachlässigbaren Faktor bezeichnen können. Und selbst wenn der Fall doch eintritt, IMMER erwartet die Tiere ein viel zu früher Tod an einem schrecklichen Ort! Fakt ist, solange Menschen profitieren, solange sind dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, solange werden Tiere auf das Schlimmste ausgebeutet werden. So bleibt nur ein Fazit: es gibt einen Ausweg aus dem Dilemma, und jede/r Einzelne kann ihn sofort begehen, kann in direktester Weise dazu beitrgen, der Misere ein Ende zu bereiten: noch dazu geht es ganz einfach, man braucht nur auf die riesige Auswahl an wohlschmeckenden pflanzlichen Alternativen zu den blut- und schmerzgetränkten Tierprodukten umzusteigen…

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Foto: auch dieser Hof wurde angezeigt; der Mist stapelt sich einen halben Meter hoch, die Rinder leben auch hier auf den eigenen Fäkalien! Die gezeigten Landwirtschaften bilden leider keine Ausnahmefälle, sondern, wie es scheint, sind sie ein Spiegel der traurigen Realität…

Wir wollen es kurz machen, die Bilder sprechen ohnehin eine klare Sprache – bis auf einen, und der war dann bezeichnenderweise der größte, zeigten sich alle von uns besuchten Stallungen (es waren ihrer sechs) in erschreckendem Zustand. Verliese, dunkle, feuchte Gemäuer, wo Lebewesen zu einem Dasein in beklemmender Enge gezwungen werden, zu einer lebenslangen Odyssee in Ketten verurteilt. Mit einer Bewegungsfreiheit ausgestattet – trotz Tierschutzgesetz, welches in seinen Sonderbestimmungen solch Unfassbares breitwillig zulässt –  die alleine nur bloßes Aufstehen und Niederlegen gewährleistet, und oft nicht einmal mehr das; wenn nämlich zusätzlich Eisenfesseln oder einschneidende Stricke über die Hörner gelegt werden, dann wird selbst das Rückwärtsdrehen des Kopf zur Unmöglichkeit…
Andere Höfe verfügen zwar über Buchten, Stiermasten, aber dort sind immer mehrere der männlichen Tiere in eine winzige Absperrung gezwängt, und immer liegen sie auf ihrem eigenen Kot und Urin gebettet auf kaltem Beton, bestenfalls mit viel zu wenig modrigem Stroh gepolstert (das, wie im Bild oben zu sehen, ganz offensichtlich immer wieder auf den Kuhmist einfach nur aufgeschüttet worden ist). Welchen Stress die Tiere dabei erleiden, wer mag es sich ausmalen?!

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Fotos: Das Bild stammt aus einem ‚G’sunde Tiere. Da schau’n wir drauf‘-Hof…

Wenn man dann jene klugen Sprüche hört, ‚bei meiner Ehr‘ und dergleichen, dann mag es einem empfindlichen Magen schnell kotzübel werden; bedenkt der geplagte Geist weiters, die Tierhalter leben oft in prächtigen Höfen, nächtigen in ihren weichen Betten und speisen genüsslich, während die ihnen so hilflos Ausgelieferten in einer völligen Triste vegetieren, so mischt sich zum Unwohlsein schnell auch noch bittere Wut…

Wären all die angesprochenen Punkte  der minimalsten Bewegungsfreiheit nicht schlimm genug, so waren in praktisch allen besuchten Ställen auch noch die hygienischen Bedingungen  gelinde gesagt eine Katastrophe. Rinderhufe, welche Trockenheit benötigen, festgehalten in einem Brei aus Fäkalien, ständig feucht, im Sommer dampfend ob der Hitze, im Winter nass-kalt…

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Und wenn dann eine von der Bauernschaft gestartete ‚Charme-Offensive‘ (von den ‚Niederösterreichischen Nachrichten‘ so bezeichnet) eine Art Gütesiegel ausspricht, Hof- und Feldtafeln mit der Ansage ‚G’sunde Tiere. Da schau’n wir drauf. Du auch?‘ aufstellt, und in derart ‚ausgezeichneten‘ Höfen sich die schlimmsten Zustände auftun, dann muss die Frage gestattet sein: wie lange läßt sich ‚KonsumentIn‘ derart infame Werbelügen noch gefallen?

Eine weitere ist wohl auch, wann reagiert der Gesetzgeber endlich, endlich, endlich? Sie sagen, hat er doch schon? Mit einigen überarbeiteten Stellen im Tierschutzgesetz, welche die Lage der – in unserem Falle – Rinder sogar nochmals verschlechtern, indem mittels endlosen Ausnahmeregelungen die dauernde Kettenhaft der Rinder prolongiert wird?!

Stellen Sie es sich vor, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr, festgehalten von schweren Ketten oder Metallständen, durch die Ihr Kopf gedrängt wird; liegen, schlafen, stehen, essen, urinieren, alles an ein und demselben Platz, der gerade so großflächig ist, dass Sie zwar Aufstehen, sich aber keinen Schritt zurückbewegen können, einen Fraß vorgesetzt bekommen, der bis vor kurzem noch die Leichenteile ihrer ArtgenossInnen beinhaltet hatte; Sie werden vergewaltigt (man nennt es in der Tierhaltung ‚künstlich befruchtet’…), dann ihrer Kinder sofort nach der Geburt beraubt, diese werden mit billigstem Milchaustauscher ernährt, jeder Kontakt zu Ihnen ist untersagt. Sobald Sie müde werden, Ihre ‚Milchleistung‘ abnimmt, erklärt man Sie – sprichwörtlich ausgelaugt – als ‚unrentabel‘; nun, nach einigen Jahren an der Kette, Ihre Beine sind kaum mehr belastbar und schmerzen furchtbar bei jedem Schritt, zerrt man Sie ins Freie, hinein in den Laderaum eines wartenden LKW’s, und wenn Sie nun dachten, der Horror Ihres Lebens ist jetzt endlich vorbei, dann werden Sie am eigenen Leib spüren, dass der wahre unfassbare Schrecken Ihnen erst bevorsteht – ist das alles, was wir den Mitlebewesen antun, das Glas Milch und den Bissen Fleisch wirklich wert???

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Stellen Sie sich bitte bildlich die Ketten um den Kopf (wie im Bild unten) vor; wie deren Gewicht und deren Enge jede Sekunde auf Ihr Hautgewebe drückt, wie alleine die dauernde Schwere Sie langsam in den Wahnsinn treibt – nicht anders, als wenn ein Wassertropfen ständig auf ein und dieselbe Stelle Ihres Körpers tropft… wie sich die Stricke langsam in Ihr Fleisch eingraben, wie Sie zermürbt von der Lethargie und der Triste, geplagt von schweren Schmerzen in den Fuß- und Handgelenken – hervorgerufen durch die unnatürliche Haltungsweise, das ständige Liegen und durch die mangelnden Bewegung – Ihren Tag zu stemmen versuchen, immer gebadet in den eigenen Fäkalien.

Sind wir dem Mittelalter wirklich entronnen? Nicht wenn es um die Haltung unserer Tiere geht, so viel wurde uns zumindest in diesem Teil der ‚heilen Welt‘ einmal mehr schmerzlichst bewusst…

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Mehrere Anzeigen – natürlich auch beim Hof im Bild oben, wo sich die Eisenkette bereits tief in die Haut eingegraben hat – sind beim zuständigen Veterinäramt eingetroffen!

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