Nun sollte es also soweit sein; das RespekTiere-Mobil parkt voll beladen vor der Haustür, dieses Mal mit einer nicht so großen Menge an Tiernahrung – müssen wir im Zuge der anstehenden Reise doch mehrere Grenzen der Ex-Jugoslawienstaaten queren – dafür aber mit umso mehr Tierheimbedarf sowie Kleidung und Dingen für das tägliche Leben von bedürftigen Menschen. Alles ist eigentlich so wie es immer ist; ein riesiger Stress bei der Beladung, ein Check der wichtigsten Autofunktionen, eine praxisorientierte Konzentration darauf, ob denn wirklich alles Wichtige eingepackt wäre, Papiere an ihrem Ort, das Ladegut sicher verstaut, ein letztes Gebet gen Himmel gesendet mit der Bitte um einen erfolgreichen Einsatz und eine gesunde Rückkehr; dann dreht sich der Startschlüssel im Schloss, ein herzlicher Blick auf die Lieben daheim und schon streckt der orange Transporter seine Schnauze in Richtung Südosten, so wie er es für die nächsten mindestens 1300 Kilometer tun wird. Dennoch gibt es einen Unterschied zu allen Reisen der Vergangenheit – dieses Mal nämlich werden wir wieder einmal seit längerem ‚unbekanntes‘ Terrain betreten, wird uns der Weg ins ferne Albanien führen! Auch ein Besuch im Kosovo steht an, ebenfalls eines der wenigen europäischen Länder, wohin wir unseren respekTIERE IN NOT-Fuß noch nie gesetzt hatten! Am Weg werden wir dann auch in Montenegro, dem Land der ‚Schwarzen Berge‘, einen Zwischenstopp einlegen; dort allerdings, ganz besonders eifrige RespekTiere-Newsletter-LeserInnen werden sich vielleicht noch erinnern, waren wir schon vor vielen Jahren im Einsatz, hatten im Tierheim der Hauptstadt Podgorica zu helfen versucht und dabei die wahrscheinlich erste Tierrechtskundgebung des Landes veranstaltet! 🙂 Also durchaus historischer RespekTiere-Boden, welchen wir dort erneut betreten werden!
Jedenfalls sitzen wir mit einem doch etwas mulmigeren Gefühl als sonst im geheizten Auto; der Hauptgedanke gilt nun der Bosnien- bzw. Montenegro-Grenze, ob die Beamten dort uns wohl mit all dem Ladegut ins Land lassen werden? Wenn nicht, es würden aus der dann gegebenen Situation bestimmt so einige Probleme entstehen – aber andererseits, wenn wir eines im Laufe der Jahre gelernt und perfektioniert haben, dann ist das ein gewisses Improvisationstalent: schließt sich die eine Tür, wird irgendwo und irgendwie eine andere aufgehen; und ist nicht genau das die Würze in unseren Leben, das Unvorhergesehene, das nicht völlig Berechenbare? Wäre es nicht ohnehin viel langweiliger, wenn sich alle Dinge immer genauso wie geplant entwickeln würden? Alles wird gut, wispere ich mehr als es zu sagen, Inshalla, so Gott will! 🙂
Zur letzten Sicherheit hatten wir aber zusätzlich im Vorfeld noch Kontakt zu den großartigen ‚Animal Friends of Croatia‘ (http://www.prijatelji-zivotinja.hr/index.en.php) aufgenommen; sollte der Grenzübertritt tatsächlich ein unmöglicher werden, so haben wir für einen ‚Joker‘ gesorgt: FreundInnen der Organisation nahe der unsichtbaren Linie zwischen den Staaten würden die Ladung übernehmen und dann in der eigenen Umgebung verteilen; was zwar für unsere ‚Mission’ schade wäre, aber dann würden wenigstens ebenfalls Bedürftige, ob Mensch oder Tier, die Güter erhalten!
Neben mir hat Klaus Platz genommen, er, ein Urgestein der Salzburger Tierrechtsszene, und es ist mir eine besondere Ehre, endlich einmal mit ihm gemeinsam einen solchen Einsatz durchführen zu dürfen! Leider sollte sich das Wetter zum Start in das große Abenteuer nicht von seiner allerbesten Seite zeigen. Während es die letzten Wochen viel zu warm gewesen war – für unser geplantes Vorhaben hätte es sich aber andererseits die angenehmen Reisetemperaturen gehandelt – hatte erst vorgestern der Wind umgeschlagen und uns ein Tief mit Kaltluftzufuhr aus dem Norden besorgt. Große Mengen an Schnee, jungfräuliches Weiß, waren in den letzten Stunden in weiten Teilen des Landes gefallen; die Stadt Salzburg zum Beispiel präsentiert sich endlich wieder als ein in Watte gehülltes Wunderland, dort, wo der bisherige Winter völlig kraftlos geblieben war. Ja, die Myriaden von Flocken aus Frau Holles Bettkissen hatten die Landschaft in zartem Weiß nahezu ertrinken lassen. An einigen Stellen, besonders im Süden der Alpenrepublik, waren so selbst im Flachland mehr als 25 Zentimeter Neuschnee zusammengekommen, hatten ein ernsthaftes Verkehrschaos ausgelöst. Nicht die besten Voraussetzungen für eine so lange Fahrt, gepaart mit dem Fakt, das genau an diesem Wochenende dann auch noch die Schulferien in Ostösterreich beginnen würden, gesellten sich jede Menge an Fahrzeugen zu uns auf die eigentlich erhofft relativ leeren Autobahnen. Fotos: das ist es, was uns erwartet: wunderschöne Landschaftsimpressionen, aber auch völlig kaputte Straßen, die wir des Nachts zu bewältigen haben werden… Während wir bei den allermeisten in den Osten führenden Einsätzen über Wien und das Burgenland erst einmal die pannonische Tiefebene durchqueren, schlagen wir heute einen anderen Weg ein; von der Bundeshauptstadt geht es in Richtung Graz, von dort direkt nach Slowenien; das kleine Land mit seiner bäuerlichen Substanz zeigt sich ebenfalls durchwegs schneebedeckt, die Temperatur doch deutlich unter dem Gefrierpunkt. Wir wollen die Reise natürlich so kostengünstig wie möglich gestalten, so entscheiden wir, die sehr kostenintensive slowenische Autobahnvignette zu sparen und wählen deshalb den Weg über die einsamen Bundestraßen und durch die verstreuten kleinen Ortschaften, in ihrer Einfachheit manchmal an Relikte längst vergangene Jahrhunderte erinnernd. Eine Entscheidung, welches sich letztendlich als sehr zeitraubend auswirken sollten, und so ist es bereits tiefe Nacht, als wir den kroatischen Grenzposten passieren. Ohne Probleme, unter Vorzeigen des Papieres, welches uns als Hilfstransport ausweist, verlieren wir dort dem Himmel sei Dank aber deutlich weniger Zeit als vielleicht befürchtet und bald queren wir die breiten, wunderschön ausgebauten Highways der stolzen rot-weiß-blauen Nation. Schnell gelangen wir über Zagreb in die majestätische Bergwelt, wo die eisige Kälte der beginnenden Nacht noch durch den sternenklaren Himmel verstärkt wird. Welch ein Unterschied zu früheren Fahrten, wo wir diese Strecke durchwegs unter Tags und im heißen kroatischen Sommer bewältigt hatten – ich muss zugeben, es wäre mir nie im Traum eingefallen, dass diese Bergpässe zu irgendeiner Zeit tief verschneit sein könnten… Nach weiteren zweieinhalb Stunden führt uns der Weg durch den letzten längeren Tunnel, ab hier verliert sich die Steigung, geht die Straße langsam in ein Gefälle in Richtung Meeresspiegel über. Minus 6,5 Grad zeigt das Thermometer, doch als wir kaum 30 Minuten später die ersten Ausläufe der Adria schemenhaft links neben uns erkennen können, wird es endlich etwas milder. Minus Zwei lesen wir an der Anzeige, doch die Freude währt nur kurz – als wir die Autobahn verlassen, um die letzten 40 Kilometer zum Ziel der heutigen Etappe über Bundesstraßen zurücklegen, bleibt die Temperatur konstant, legt nicht wie erwartet weiter zu. Gegen 23 Uhr erreichen wir das kleine uns von meinem Schatz für die Nachtruhe zur Verfügung gestellte Apartment auf der Insel Vir; seit den Sommermonaten war dieses nun unbewohnt, entsprechend ausgekühlt sind die dünnen und ob der ‚normalen‘ klimatischen Verhältnisse völlig ungedämmten Wände der 27 Quadratmeter-Wohnung, im ansonsten völlig verlassenen Vier-Wohneinheiten-Haus, nur unweit von der Meeresküste entfernt. Wie wunderschön der Himmel doch ist; sternenübersät lässt er die Unendlichkeit des Universums ansatzweise erkennen… Schnell schalten wir nun den Strom ein; benötigen würden wir die Elektrizität nicht, aber die kleine Klimaanlage, die eigentlich für den gegenteiligen Zweck bestimmt ist, zieht uns im Moment magisch an – ansonsten muss sie nur kühlen, heute freuen wir uns auf ein bisschen Wärme aus der Steckdose… Duschen fällt leider aus, die Wasserzufuhr ist selbstredend über die kalte Jahreszeit hinweg unterbrochen, aber das macht nun sowieso wenig Unterschied; eigentlich wäre es in der Tat zu kalt dafür im Wohninneren und vielleicht auch sind wir ohnehin zu müde dafür – was dann zwar mehr der Wahrheit entspricht, aber uns weniger zur Ehre gereicht. Ein heißer Tee noch, ein paar Züge aus einer eilig zusammengeklebten Zigarette, dann freuen wir uns auf ein paar Stunden Schlaf. Morgen wird ein schwerer Tag, vor allem die auf uns wartenden Grenzübergänge nach Bosnien und dann nach Montenegro bereiten uns weiterhin ein bisschen Kopfzerbrechen. Mal sehen also, was dieser 5. Februar bringen wird… Die Temperatur sinkt des Nachts beträchtlich; das kleine Klimagerät schafft die Herausforderung nicht, so strecken wir uns frühmorgens starr und über Minuten nahezu bewegungsunfähig auf dem harten Sofa. Draußen lacht aber bereits die Sonne, und in diesen Breitengraden hat sich schon Kraft genug, um den Tag mit der Hoffnung auf kommende Wärme zu beginnen. Wie wunderschön es auf der Insel doch ist! Jetzt, wo keine Urlauber die Umgebung mit Lärm verpesten, wo all die kleinen (und inzwischen, seit der Urbanmachung der ehemaligen Wunderwelt aus hohem Gras, Steinen und in der Sommersonne duftenden Kieferbäumen, leider auch größeren) Ferienhäuser verlassen sind, die gesamte Gegend sich nahezu menschenleer präsentiert, erkennt man erst wirklich die heilende Wirkung einer derart bezaubernden Landschaft. Eine Runde runter zum Meer, wo nun der Feuerplanet auf der Haut bereits für wohliges Kribbeln sorgt, durch die verlassenen Apartmentzeilen und durch die herrlichen Wäldchen hindurch, dort, wo sonst immer Heerscharen von Zikaden für ein phantastisches Konzert sorgen, dann müssen wir auch schon los. Was wir allerdings, nur 15 Kilometer entfernt, nicht missen möchten, ist ein schneller ‚Besuch‘ im Interspar Zadar, dort, wo wir im letzten Jahr bereits den unseligen Lebendhummerverkauf des österreichischen Konzerns angeprangert haben. Viel Hoffnung haben wir zwar nicht auf ein zwischenzeitliches Einsehen der Geschäftsführung, und tatsächlich hat sich absolut nichts an der Situation geändert. Für ungefähr 80 Euro kann man die Meerestiere erstehen, jedermann/frau – ohne jegliche Erfahrung oder Geschicklichkeit – kann die Armen kaufen und dann dem schrecklichen Tod durch Lebendkochen zuführen. Unfassbar, besonders, wenn man bedenkt, dass diese Praxis in Österreich (durch unsere unentwegten Initiativen) bereits so stark in die Kritik geraten ist, dass sie als ausgesetzt gelten darf. 3 der Tiere sind im völlig strukturlosen Becken untergebracht, warten unter ständigem Stress und mit zusammengebunden Scheren auf das Unvermeidliche. Im fernen Kroatien aber, da legt der österreichische Handelsriese anscheinend keinen Wert auf die heimische Gesetzgebung, noch schlimmer, auf seine Alpenland-Werbeschwüre, die sich um ‚Natur Pur‘ und Tierwohl drehen – alles eine Farce? Wird darauf vergessen, sofort, wenn sich die erstbeste Gelegenheit dazu ergibt? Nimmt man es mit ethischen Gesichtspunkten doch nicht allzu genau, dann, wenn der Gesetzgeber wegsieht? Beurteilen sie selbst! Auch der Fakt, dass in der Fleischvitrine ganze Schweineköpfe präsentiert werden, wirkt für mitteleuropäische Augen zumindest sehr sonderbar, meist ganz sicher sogar zutiefst abstoßend. Jetzt haben wir viel Zeit verloren, im Wissen, für die ausstehende Strecke von rund 600 Kilometern müssen wir wohl mindestens 10 Fahrtstunden einberechnen, wird uns der Weg doch Großteils über schmale Landesstraßen und einsame Bergpfade führen. Bis Split allerdings können wir auf der Autobahn nochmals so richtig Tempo machen; dann beginnt sich die immer enger werdende Straße an der wunderschönen Küste entlangzuschlängeln. Ein Fakt, der zwar für herrliche Ausblicke sorgt, den Fahrer aber doch zu erhöhter Aufmerksamkeit zwingt, den ohnehin stressgeplagten Körper zusätzlich schwer ermüdet. Bald erreichen wir nun den schmalen Korridor um die Stadt Neum, den engen Meerzugang, welchen man Bosnien nach dem Jugoslawienkrieg gelassen hatte (die Formulierung stimmt nicht ganz, denn tatsächlich handelt es sich bei dem Landstrich seit Jahrhunderten um einen Teil von Bosnien/Herzegowina). Wir sprechen hierbei zwar nur von einem Streifen von nicht mehr als 10 Kilometern Breite, was uns aber Sorgen macht, sind die bekannt übergenauen Grenzkontrollen bzw. die vielen Verbote, Waren in Bosnien einzuführen – und sei es auch nur für einen Weg von gerademal 15 Minuten. Der Korridor stellt übrigens die gesamte EU vor vielen Problematiken, wird doch der Transit genau an dieser Stelle massiv unterbrochen, muss das links und rechts neben der nicht einmal 5000 EinwohnerInnen-zählenden Stadt doch als echte EU-Außengrenze behandelt werden; auch für Kroatien ergibt sich aus der schwierigen Konstellation eine einzigartige Herausforderung; Dubrovnik zum Beispiel, jene weltberühmte Meeresstadt, und mit ihr der südlichste Teil des Landes wird durch Neum’s Staatenzugehörigkeit vom restlichen Kroatien getrennt, und dass, obwohl Neum selbst zu ca. 90 % von Kroaten bewohnt wird. Überraschenderweise aber zeigen sich die Zöllner bei guter Laune, und ziemlich problemlos passieren wir den Grenzposten. Die Küstenstadt, wie gesagt Bosniens einziger Meereszugang, ist eine grell geschminkte Feriendestination, hat man sie durchquert, folgen ein paar Kilometer Straße entlang des Meeres, und schon sind wir wieder in Kroatien. Dort allerdings ist der Zollbeamte etwas ungehaltener, schließlich aber überzeugen ihn die selbstgebastelten Hilfstransportpapiere, welche uns als ‚Hilfstransport‘ ausweisen; und schon hat uns der Fahrweg wieder. Vorbei geht es nun am einzigartigen Dubrovnik, immer in Richtung der ‚Schwarzen Berge‘, bis uns die Grenzkontrollen in Montenegro zum Stillstand zwingen. Foto: das wunderschöne Dubrovnik von oben… Aber auch hier sind die Papiere der Schlüssel zum Eintritt, und kurz darauf erstarren wir bereits in Ehrfurcht vor der majestätischen Bergwelt des kleinen Balkanstaates. Wir halten an einer Meerzunge für eine kurze Rast, sitzen am Ufer auf von der untergehenden Sonne noch immer erwärmten Steinen und saugen den fantastischen Augenblick förmlich in uns auf. Die zum Greifen nah erscheinenden Gipfel sind schneebedeckt, die Berge machen nun im Winter Glauben, sie wären frei von Vegetation – was natürlich nicht so ist, aber die vorherrschenden Farben Braun und Grau kaschieren die blattleeren Bäume, perfekte Camouflage, so wie es nur Mutter Erde schafft. Die erhabenen Gebirge wirken von hier aus wie riesige, zusammengerollt schlafende Reptilien, ihre Haut mit Pergament überzogen, die einsamen Bergrücken die zerfurchten Wirbelsäulen der überdimensionalen Kriechtiere. Fotos: kurze Rast an der Küste Kotors Montenegros Küstenstädte wie Kotor, Budva oder Bar brauchen den Vergleich mit den weltberühmten Flaniermeilen a la Nizza oder anderen prestigeträchtigen Hotspots der Schönen und Reichen nicht zu scheuen; dazu weisen sie eine unfassbare Steigerungsrate in Punkto Fremdenverkehr auf – besonders die milliardenschweren Besucher aus Russland garantieren den nicht enden wollenden Geldsegen, aber selbst der kann nicht über die Probleme des übrigen Landes hinwegtäuschen. Führt man den Weg nämlich fort in das Hinterland, und jenes beginnt bereits unmittelbar nach dem jeweiligen Stadtende, präsentiert sich die Szenerie denkbar anders; Armut beherrscht das Bild, bitterste noch dazu! Ob und warum der an der Küste erzielte Wohlstand nicht weitergegeben wird an die übrige Bevölkerung, wir wissen es nicht; dass eine solche Umverteilung aber gelinde gesagt bloßes Wunschdenken ist, zeigt sich ganz offensichtlich. Über kaputteste Straßen klettern wir an den Berghängen entlang, vorbei an zahllosen wilden Mülldeponien und Legenden von streunenden ‚Haustieren‘, durch von den Elementen zernagten Dörfer gelangen wir näher der Grenze zu Albanien. Mühsam nur meistert der orange Sprinter die Herausforderung, und beim Einbruch der Dunkelheit wird die Fahrt endgültig zum Hochrisikospiel. Die Straßen praktisch unbeleuchtet, selbst kleinste Reflektoren fehlen, führt der Weg durch stockfinstere Tunnels, immer höher rauf, bis nur noch ganz vereinzelte Bauernhöfe irgendwo im Nirgendwo zu erkennen sind. Eine raue Wildnis, durchbrochen nur von den unsäglichen Mülldeponien, die wie Krebsgeschwüre an der Natur nagen, breitet sich vor uns aus, fast bedrohlich wirkt sie auf uns, nun, im Angesicht der langsam endlose Ausmaße annehmenden Fahrt und der ob der großen Anstrengung immer mehr spürbaren Müdigkeit. Foto oben: die kleine, nur 1,4 Hektar umfassende Insel Sveti Stefan, weltbekannt geworden auch durch den James-Bond-Film ‚Casino Royal‘ Endlich erreichen wir den inzwischen sehr herbeigesehnten Grenzübergang namens Muriqan; nur noch der montenegrinische Posten vor uns, dann sind wir in Albanien, wo uns dann nicht mehr als 15 Kilometer von unserem Ziel trennen! Leider kommt alles anders; der Beamte wagt einen kurzen Blick in die Pässe, nur um dann zu bemerken, jener Übergang wäre alleine Touristen vorbehalten. Wir mit dem großen Lieferwagen, wir müssten die Grenze im fernen Podgorica nehmen, zwar nur 80 Kilometer entfernt, aber in Anbetracht der Zustände der Straßen und der tributfordernden Ermattung doch gleichzeitig eine halbe Ewigkeit. Protestieren hilft nichts; wir ziehen jetzt ein letztes Ass aus dem Ärmel, nämlich die Tatsache, dass unsere albanischen Gastgeber, die großartige Erza Cermjani und ihr Mann, Karl Steiner – ein Grazer – uns angeboten haben zu uns zu stoßen, falls wir in Schwierigkeiten gelangen sollten. Erza besitzt nämlich einen ‚besonderen‘ Reisepass, ein Dokument, welches mit ähnlichen Vorzügen ausgestattet ist wie jene, welche ansonsten den Diplomaten vorbehalten sind; sollte es also zu Unvorhergesehenem kommen, vielleicht birgt das Papier den Freifahrtschein für uns in sich. So parken wir den Sprinter jenseits des Grenzbalkens, verbringen die nächste halbe Stunde im Warten auf unsere Freunde. In direkter Sichtweite sind einige Zwinger, welche Polizeihunde, offensichtlich solche, welche zur Drogensuche eingesetzt werden, ‚beheimaten‘. Für ihre unschätzbaren Dienste werden die Armen mit winzigen Gitterkäfigen belohnt, und wie um ihren Kummer und ihre Enttäuschung kundzutun, beantworten sie jeden ‚Annäherungsversuch‘ mit grimmigen Bellen. Wir nutzen die Zeit des Wartens, um über das nachzudenken, was bald auf uns zukommen wird; der Versuch der Unterstützung für die TierschützerInnen der mittelgroßen nordalbanischen Stadt Shkodar, die Einschätzung der Lage im Südlichen Balkanland, all das wird bestimmt eine Herausforderung werden. Zuerst werden wir nun aber erst einmal Erza und Karl treffen. Die beiden sind ein Ehepaar, Erza war vor rund 40 Jahren in Albanien geboren worden, schaffte es allerdings, einen Studienplatz in Graz zu ergattern. Nach dem erfolgreichen Universitätsabschluss beschäftigte sich die nunmehrige Sprachwissenschaftlerin, nun in Österreich verwurzelt und mit österreichischer Identität ausgestattet, immer mehr mit den Problemen in ihrem Heimatland, und da vorwiegend mit jenen der Straßenhunde. Schließlich gründete sie mit ihrem Karl, den Verein ‚Pro Qen Albania‘ (Qen ist das albanische Wort für ‚Hund‘, www.proqenalbania.org) und das Paar begann die lokale Organisation ‚ANIMALS NEED ME‘ (www.facebook.com/animalsneedme; https://discoveringalbania.com/2017/11/27/animals-need-me/) zu unterstützen. Wundervolle Sponsoren konnten gefunden werden, wie zum Beispiel die Schweizer Stiftung ‚Straycoco‘ (www.straycoco.com), welche alleine 2017 die Kastration von 200 Straßenhunden finanzierte, oder die Liechtensteiner ‚Stumme Brüder Stiftung‘, die für 2018 erneut 100 und mehr Kastrationen zugesagt hat!
Leider aber helfen alle Vermittlungsversuche der Vier nichts. Die Uniformierten bleiben hartnäckig, und schließlich müssen wir uns schweren Herzens geschlagen geben. Während also Klaus zu Karl ins Auto steigt, weit vor mir Albanien betritt, nimmt Erza im orangen Van Platz. Sie kennt den (Um-)Weg, und schon hat uns die Landstraße wieder. Und wie! Um es kurz zu machen: hatten wir zuvor schon geglaubt, die Straßen wären in praktisch unbrauchbarem Zustand, wir es jetzt erst richtig haarig… manche der Verkehrswege führen einfach ins Nirgendwo, enden urplötzlich und ohne Vorwarnung aufgrund von Belagsarbeiten oder dergleichen; andere sind so schmal, dass es nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist entgegenkommenden Fahrzeugen auszuweichen. Auch menschliches Versagen spielt schließlich eine Rolle, als wir mehrmals den richtigen Weg verlieren und uns dann mühsam nach der korrekten Richtung erkunden müssen – sehr auffallend, zumindest für mich, ist dann die doch eher unerwartete Tatsache, dass fast sämtliche der Befragten Montenegriner durchwegs gutes Englisch sprechen – versuchen Sie selbiges mal im österreichischen Hinterland, wo Sie froh sein werden, wenn überhaupt Hochdeutsch verstanden wird… Endlich, endlich erreichen wir schließlich doch noch den nicht mehr auffindbar geglaubten ‚richtigen‘ Grenzübergang. Wer denkt, selbst einmal diese Reise antreten zu wollen, fahrt bitte gleich hierher nach Hani I Hotit bei Podgorica, die kürzere Strecke Muriqan ist wie gesagt rein dem Tourismus, also den PKW’s und bestenfalls den Campern vorbehalten! Die Uhr zeigt bereits nach Mitternacht, als wir nach der kurzen Vorfreude schnell wieder auf den Boden der Realität zurückgeworfen werden – jetzt plötzlich stellen sich die albanischen Zöllner quer, sie wollen uns – warum auch immer – nicht mit der mitgebrachten Ware ins Land lassen! In Fakt, wir wären eigentlich schon auf albanischer Seite gewesen, nachdem uns ein Kontrollierender weitergewinkt hatte, wollten gerade Gas geben, als uns plötzlich ein schwarzer BMW überholt und die Weiterfahrt unmissverständlich blockiert. Mehrere Beamte laufen nun auf uns zu, fordern uns auf Aussteigen; wir öffnen die Wagentüren, nur um dann zu erfahren, wir müssten zurück, in eine extra für diese Zwecke errichtete Garage, wo wir über einer Grube zum Parken aufgefordert werden. Dann beginnt eine teilweise Entladung; Erzas wütende Proteste fruchten zuerst nicht, als dann aber die von der anderen Seite zu Hilfe geeilten Izabela und Dr. Piranaj erscheinen, entspannt sich die Situation langsam. Wie gut, dass das Paar den weiten Weg auf sich genommen hat, nur um uns ‚Geleitschutz‘ zu geben! Schließlich dürfen wir das Fahrzeug wieder einräumen, die angekündigten ‚Big Problems‘ waren plötzlich doch irgendwie zu ganz kleine geworden… Wie auch immer, nun, der Uhrzeiger klebt auf der Ein-Uhr-Marke, geht es endlich nach Shkoder, mit seinen rund 150 000 EinwohnerInnen die fünftgrößte Ansiedlung Albaniens, die Stadt, wo ANM wirkt. Schon bei der Stadteinfahrt, gut 25 Minuten später, wird klar: hier gibt es wirklich jede Menge Straßenhunde! Überall im Scheinwerferlicht erkennt man deren Silhouetten, schattengleich bevölkern sie die Verkehrsinseln und scheinbar jede Lücke, welche ihnen im Wirrwarr der Metropole ein kleines bisschen Schutz verspricht, wird genützt. Wir halten kurz, füttern einige der Armen, welche, und darüber – als großes Versprechen für die Zukunft – freuen wir uns besonders, allesamt die Marke aus einem der vielen Kastrationsprojekte der lokalen TierschützerInnen tragen! Nun gilt es sich von Izabela und dem Tierarzt zu verabschieden; Erza und Karl, der mit Klaus jetzt wieder zu uns gestoßen ist, zeigen uns noch das Hostel, wo wir beide die nächsten Nächte verbringen werden – jeder für sich alleine in einem Stockbettenzimmer, welches im Normalen, während der Saison, für jeweils vier Menschen gedacht ist! Die Kälter der Nacht zwingt uns, wohl auch ein Tribut an die Übermüdung und die vergangene Kraftanstrengung (schließlich waren wir von unserem Apartment in Vir bis hierher doch ungeahnte mehr als 16 Stunden unterwegs gewesen), die extra zur Verfügung gestellten kleinen elektrischen Heizstrahler zu nutzen. Am nächsten Morgen, nach einer durchwachsenen Nachtruhe, holt uns auch schon wieder Karl ab; zuallererst führt er uns, die Morgenstunde begonnen mit strahlendem Sonnenschein, in ein kleines, nettes Kaffeehaus, wo bald auch Erza zu uns stößt. Nun wird erst mal der Plan für die kommenden Tage besprochen – die erste Aufgabe: gegen Mittag schon brechen wir zum Caritas-Zentrum etwas außerhalb der Stadt auf! Und schon sind wir am Weg, vorbei geht es an abfallübersäten Straßengräben, an vor Armut berstenden Romasiedlungen, von Wind und Wetter gegerbten Landschaften, bis die wirklich wunderschöne Kirche vor uns erscheint. Eine sehr lebensechte Statue der Patronin Mutter Teresa (die Friedensnobelpreisträgerin albanischer Abstammung, geboren in heutigen Mazedonien, ist als ‚Mutter von Kalkutta‘ der Welt bekannt und am 4. September 2016 vom Vatikan heiliggesprochen geworden) sticht sofort ins Auge, sowie ein im allgemeinen Chaos fast abstrakt sauber wirkender Parkbereich mit schönen Bäumen und gewissenhaft angelegten Gehwegen.
Foto: Erca Bald begrüßt uns der Zuständige der Mission; wir entladen die mitgebrachten Güter, vor allem Kleidung, Decken und andere Dinge des täglichen Gebrauchs, und dann sitzen wir auch schon im Büro des Koordinators. Bei einer kleinen Tasse Kaffee erklärt er uns nun die albanische Seele und vor allem die Gründe, warum die Zukunft keine besonders gute für die meisten hier beheimateten Menschen sein wird; zu groß ist die Korruption der Politik, zu groß die Macht der mannigfaltigen Mafiakartelle, die alles und jedes zu lenken scheinen. Der Mann ist sehr bestrebt, sehr ehrlich wirkend, sehr überzeugend; eine Aussage stört aber ein bisschen den ansonsten durchwegs positiven Eindruck: als er erfährt, wir wären in erster Linie für den Tierschutz unterwegs, meint er, dafür müssen erst einmal die Grundrechte der Menschen gefestigt und manifestiert werden. Die alte Leier, welche den Menschen nichts bringt und für die Tiere eine vernichtende Ausgangslage schafft, ist eine, die wir wirklich nicht mehr hören können und möchten… Bald verabschieden wir uns; im Hoffen, mit den gebrachten Waren doch einige Menschen glücklich machen zu können, steigen wir mit einem doch guten Gefühl in den Van. Endlich fahren wir jetzt zum Asyl; rund 60 Hunde sind dort untergebracht, allesamt solche, welche nach der Kastration aufgrund von Verletzungen und dergleichen nicht mehr auf die Straße zurückgebracht werden konnten, auf einem Gelände, welches bemerkenswerter Weise ein Industrieller, ein Straßenbauer, auf seiner Liegenschaft duldet; nicht nur duldet, nein, er kommt auch für den benötigten Strom und das Wasser auf, und hat nebenbei noch eine dauerhafte Umzäunung aus eigenen Mitteln finanziert. Auch solche Menschen gibt es also in Albanien! Apropos: einmal mehr gilt es zu betonen – es ist, verzeihen Sie die Wiederholung, mehr als außerordentlich, was die TierschützerInnen hier und in so vielen anderen Ost- und Südosteuropas leisten! Neben ihren normalen Tätigkeiten gehen sie für die Tiere nicht nur bis, sondern oft weit über die Grenzen der persönlichen Belastbarkeit, opfern Zeit, Geld und oft genug den Seelenfrieden für die Mitgeschöpfe. Einmal mehr, wir können es wirklich nicht oft genug erwähnen, verneigen wir uns in Ehrfurcht… Beispiel Izabela (die heute leider krank das Bett hüten muss): sie arbeitet tagsüber, bis 14 Uhr, als Lehrerin; dann kommt sie ins Asyl, füttert und umsorgt ihre Lieblinge, um 16 Uhr beginnt ihr Job im Call-Center, wo sie bis 21 Uhr bleibt; dann umsorgt sie die verletzten Tiere, welche intensive Pflege benötigen und bei Dr. Piranaj untergebracht werden können, nimmt, wie dieser Tage, im Müll gefundene Welpen zu sich nach Hause, um sie zu wärmen und mit der Flasche zu füttern. Erza bürdet sich ähnliche Mühen auf, und auch Karl, der von Graz aus den beschwerlichen Weg ca. viermal im Jahr beschreitet, um hier bei seiner Frau zu sein, den Wagen immer voller dringenst benötigter Gebrauchsgüter verschiedenster Art. Am Nachhauseweg, er bleibt dann immer ca. 4 Wochen, nimmt er glückliche Hunde mit sich, welche in Österreich oder Deutschland ein Paradies vorfinden werden, bei liebenden Familien. Dr. Piranaj spendet seine tierärztliche Kompetenz, seinen Einsatz, er nimmt verletzte Straßenhunde zu sich, pflegt sie gesund, finanziert Teile des Projektes – was bleibt zu sagen? Ein Dream-Team, vergelt’s Gott!!!! Das Asyl ist einfach aufgebaut, die wenigen Mittel optimal genützt; mit Karl als perfekten Handwerker nimmt das Ganze immer mehr Form an – sein letztes Werk: eine wunderbar effiziente, gut ausgebaute Hütte, welche nun als Rückzugsraum – im Augenblick beherbergt und schützt sie einen uralten Hund, der unter den freilaufenden kaum mehr fähig wäre seine Futterrationen zu behaupten – dient, oder aufgrund der dort eingebauten Boxen auch als ‚Auffanglager‘, zur Erstunterbringung, für soeben kastrierte Hunde genutzt werden kann. So viele armen Seelen auf einen Ort, es tut im Herzen weh! Wie sie sich nach ein bisschen Aufmerksamkeit und ein wenig Zuneigung freuen – welches Monster ist Mensch geworden, dass er diesen Tieren überall in der Welt so Schreckliches anzutun in der Lage ist????? Fotos: ganz besonders gebraucht werden Mittel, welche die Leishmaniose übertragenden Sandmücken abhalten (Foto links oben); auch Herzwurmerkrankungen sind ein Problem. Ein zu Hause suchen wir für die kleine blinde Maus (links unten) – wer einen Platz wüsste: bitte melden!!! rechts unten: die Lage des Tierasyls ist eine gute, der eventuelle Lärm stört dort niemanden; allerdings ist die Umgebung dann auch keine besonders einladende, sie ist gezeichnet von ‚wilden‘ Müllablagerungsstätten! Wir beginnen mit der Essensgabe, Erza als Leitfigur erledigt diese wirklich schwere Aufgabe – versuchen Sie einmal so viele hungrige Hunde möglichst gleichzeitig zu füttern und nebenbei zu sorgen, dass es zu keinen Streitereien kommt – einfach nur bravourös! Foto: nach getaner Arbeit gibt es noch ein ‚Reste schlecken‘ 🙂 Dort angekommen ist die Überraschung groß: das Restaurant ist eines der gehobenen Klasse, wunderschön, edel, mit fein säuberlich in gleichförmigen Uniformen gekleideten Personal, welches bemüht ist, die Gäste freundlichst zu umgarnen. Zur Ablenkung bestellen wir ein Getränk, wollen draußen auf dem großzügigen und weitläufigen Balkon Platz nehmen – ganz in der Nähe der Käfige, zwischen uns und diesen nur DIE SPIELANLAGE FÜR KINDER!!!! Ja, diese sollen ihren Spaß nicht nur an den Geräten, sondern auch an den Tieren haben, welche für so viele Menschen hier nichts anderes sind als die seelenlosen Anschauungsobjekte… Die Käfige zu beschreiben ist einfach: Sie werden es erahnen, sie sind nichts anderes als bloß furchtbar; darin gefangen werden Vögel wie Uhus oder Kraniche, ein Eichkätzchen, welches sterbend am Gitterboden in Krämpfen gefangen liegt, ein Äffchen, ein Luchs, eine Wildkatze, allesamt in strukturlosen Gitter- und Betonverliesen gesperrt. Die zwei Bären verfügen über vielleicht 30 Quadratmeter, nichts, aber auch gar nichts – außer vielleicht einem kleinen Wasserbecken gefüllt mit einem Zentimeter schmutziger Brühe, bietet ein klein wenig Abwechslung von der entsetzlichen Triste ihres Daseins. Ein Schild am Käfig verrät: die Bären wurden 2006 ‚aus der Wildnis entnommen‘ und hier untergebracht – seit 12 Jahren eingesperrt, entrechtet, entwürdigt, ihres Lebens beraubt. Unfassbar: es gab bis vor kurzem auch noch einen Adler in einem körpergroßen Käfig; Kinder allerdings hatten den hilflos Gefangenen malträtiert, ihn mit einem Kugelschreiber (!!!) die Augen ausgestochen, wissen die lokalen Tierschützer zu berichten… Eines sei an dieser Stelle noch erwähnt: das Eichkätzchen, mehr tot als lebendig, von Krämpfen durchrüttelt, unfähig den Kopf zu heben, wurde nach Erzas Beschwerde aus dem schrecklichen Gefängnis entfernt, mit dem Versprechen, ihm Wärme und Hilfe zukommen zu lassen. Wie sich diese beiden Bemühungen aber letztendlich ausgewirkt haben, wie und ob dem armen Eichkätzchen tatkräftig geholfen wurde, wir werden es wohl niemals erfahren… Stiller nun setzen wir den Weg fort; wir besuchen noch ein kleines Geschäft mit Hundezubehör und Hundefutter, welches der Tierarzt in der Stadt eröffnet hat, um damit einen Teil der Futterkosten für das Asyl finanzieren zu können; nicht nur das, einige Straßenhunde haben hier einen Platz zum Unterkommen erhalten, kuscheln sich in Decken zwischen den Futtersäcken; wir sehen nun auch die Welpen, welche im Müll entsorgt wurden und welche Izabela nach ihrem Dienstschluss wieder zu sich nach Hause holen wird! Letztendlich noch steuern wir eine Lagermöglichkeit für die mitgebrachten Güter sowie die gut 250 Kilo an Hundefutter an; wir bedanken uns an dieser Stelle einmal mehr ganz herzlichst bei einer der größten Tierschützerinnen unserer Zeit, Michaela Schaller aus Graz, welche schon im Vorfeld gut 300 kg für uns gesammelt und Karl übergeben hatte, der ja eine Woche zuvor in Richtung Albanien gestartet war (gerne hätten wir noch mehr gebracht, aber die Tatsache, dass es unmöglich ist, die vielen Grenzen mit einer großen Menge solcher Nahrungsmittel zu überqueren, hat leider verhindert, den Wunsch in die Realität umzusetzen. Fotos: im Lager von Dr. Piranaj entladen wir die mitgebrachten Güter – rechts: selbst im Geschäft des Veterinärs finden Straßenhunde einen sicheren und ruhigen Unterschlupf! Viel zu spät kommen wir in das inzwischen wieder erkaltete Zimmer zurück, wo aber alsbald der elektrische Heizstrahler zumindest im Umkreis von 1 Meter doch einigermaßen wohlige Wärme verbreitet. Nun gilt es noch Arbeit zu erledigen, der Computer verarbeitet die Erinnerungen der vergangenen Stunde und speichert sie in seinem immensen elektronischen Gehirn. Der nächste Morgen beginnt trüb. Dichte Wollen lassen den Stand der Sonne höchstens erahnen, bald stürzen sogar wahre Sturzbäche vom Himmel; das Wetter, es sei vorweggenommen, sollte sich den ganzen Tag lang nicht bessern, im Gegenteil: am Nachmittag gibt es sogar Donnergrollen und Blitze… Wir treffen uns mit Izabela und Dr. Piranaj, die begnadete Tierschützerin und der Veterinär ein Paar, und gemeinsam fahren wir zu einer Kuhfarm, unweit der Stadt. Der Weg führt uns durch armutgeplagte Siedlungen, die Straßen von tiefen Schlaglöchern durchsiebt verlangen vorsichtiges Fahren. Selbstredend, bloß, weil der Tierarzt diese Leute kennt, erhalten wir dort Zutritt. Der Stall selbst ist wenig überraschend sehr verschmutzt, rund 40 Kühe fristen darin ein doch klägliches Dasein; aber, um bei der ungeschminkten Wahrheit zu bleiben, so ganz unterscheidet sich die Haltung nicht von jener in tiefbäuerlichen Gegenden der Heimat. Allesamt leben die Tiere an Ketten, manche an schweren, andere an dünneren oder auch nur an Stricken gefesselt. Es gibt einen Melkautomat, der zwar zu den Kühen gebracht wird, aber dann die Arbeit nach dem Anstecken der vorgesehenen Saugapparaturen selbstständig übernimmt. Der Bewegungsspielraum für die einzelnen Tiere ist ein geringer; später erfahren wir, es waren bis vor kurzem ‚nur‘ 20 Rinder im Stall, wo dann das Verhältnis eher gepasst hat. Aber für albanische Bauern, die keinerlei Subventionen von Vater Staat zu erwarten haben, wird der Überlebenskampf ebenfalls ein immer engerer, so musste auch hier aufgerüstet werden – wie bei uns wird der Gewinn maximiert, ein Vorgang der hüben wie drüben immer auf Kosten der Tiere geschieht. Einige der Milchkühe sind an den Hörner angebunden, was ‚bei uns‘ verboten wäre; ich sagte wäre, denn vielleicht erinnern Sie sich noch an unsere Recherche vor wenigen Monaten, wo wir Anzeigen gegen Waldviertler Bauern machen musste, welche die Tiere ebenfalls wie selbstverständlich derart fixiert gehalten hatten. Wie unterschiedlich die Charaktere der Gefangenen sind; während manche mit großen Augen den Kopf furchterfüllt abwenden, sobald man ihnen etwas zu nahekommt, gibt es auch andere, welche die Begegnung fast herbeizusehen scheinen; direkt verspielt wirken sie, genussvoll erlauben die Gefleckten die streichelnden Hände an den Wangen und um den Ohrenbereich. Tatsächlich stampft eine Wunderschöne sogar immer wieder mit den Hufen, sobald die Berührung nachlässt! Schlimmer noch als den Kühen geht es am Hof allerdings den Hunden; zwei der ihren sind vor dem Stall angekettet, als einzige Unterkunft dient liebloses Wellblech, in Giebelform aufgestellt. Darunter findet sich ein halber Quadratmeter Platz, ein Ort, der kaum vor der Sonne und schon gar nicht vor Nässe schützen kann… Die Bäuerin ist nun ebenfalls gekommen; etwas unsicher betrachtet sie uns – wer soll es ihr verübeln? Mehrmals entschuldigt sie sich ob des Schmutzes, sie beginnt dann auch den Kot hinter den Tieren zu entfernen: aber nur solange, wie wir im Inneren der Anlage verweilen. Schon beim Herausgehen stoppt sie die nun nicht einmal halbfertige Arbeit und schließt das Tor hinter sich. Das Interesse für die Hunde kann sie dann wohl gar nicht nachvollziehen, in ihrer Gedankenwelt sind die beiden doch nur organische Alarmanlagen… Bald verabschieden wir uns; sichtlich entspannter tauscht die gute Frau letzte Freundlichkeiten aus, dann hat uns die Straße auch schon wieder. Zu Mittag sind wir Gast im Haus von Erza und Karl, genießen heißen Tee und unterhalten uns lebhaft. Viel erfahren wir über die albanische Mentalität, über die Formen der Tierhaltung im Land, und noch mehr über die Ausbeutung der Rechtlosen. Tatsächlich ist ‚Tier‘ dieser Stellenwert zugebilligt, obwohl es im Gegensatz dazu doch anderslautende Gesetze gäbe, welche aber nicht vollzogen werden. Am Nachmittag will uns Erza von PRO QEN ALBANIA eine weitere dieser schrecklichsten Bärenhaltungen zeigen. Im strömenden Regen brechen wir in ein Ausflugsressort auf, welches völlig unfassbarer Weise, von der Internetplattform ‚Trip Advisor‘ als Top-Ausflugsziel ausgewiesen ist. Ja, es mag stimmen, die Anlage um das Restaurant DEA (‚Kompleksi Dea‘) in Spathar ist eine wirklich schöne, mit vielen liebevoll angelegten Wasserbecken, in Kleinarbeit fein säuberlich gestaltet; sie verfügt über aus Stein gefertigten überlebensgroßen Tierfiguren, eine flügelschlagende Taube als Brunnen, dazu ein großes, den Bewertungen nach sogar hervorragendes Restaurant, und Spielplätze für die Kinder gibt es ebenfalls – ein Platz für nette Stunden im Kreise der Familie, möge man meinen. Warum auch immer hat der Besitzer, ein bestimmt sehr reicher Mann, dann aber auch einige düstere Käfigreihen in den Park integriert, verbaut mit grauem Beton, der da wohl Steinwände vortäuschen soll. Manche der Käfige sind zum Glück leer und verlassen, man mag sich gar nicht vorstellen, welche Leidensgeschichten in den feuchten Verliesen passierten. Wir hören von vielen Tieren, welche nach langen Jahren der unentwegten Qual verstorben sind; dann gibt es aber auch noch Überlebende dieses Horrorszenariums, 2 Uhus zum Beispiel, welche in einem nicht mehr als 1,5 Quadratmeter großem Kerker einsitzen, sodass die beiden ihr Leben in einer unvorstellbaren Triste ohne jede Abwechslung verbringen. Nachtvögel noch dazu, schutzlos ausgeliefert den nicht immer netten BesucherInnen, bliebt ihnen weder die Möglichkeit kurz aufzufliegen, noch überhaupt die Flügel kräftig zu schlagen – dazu ist der Käfig viel zu niedrig, er weist eine Höhe von nicht einmal einen dreiviertel Meter auf – geschweige denn der Eventualität, sich irgendwo zurückziehen zu können… Die Bären, zwei an der Zahl, haben es genauso übel erwischt; ihr Gefängnis ist höchsten 20 Quadratmeter groß, wahrscheinlich viel kleiner noch, es findet sich darin absolut gar nichts, was sie vielleicht, wenn auch nur ansatzweise, aus der tiefen Resignation führen könnte. Die Folge ist ein stereotypes Verhalten, einige Schritte auf und ab, eine immer gleiche Drehung des Kopfes, gefolgt von einem Schluck aus dem schmutzigen Wasserbecken, dann beginnt der so traurige Kreislauf von neuem. Immer und immer wieder. Die ‚Badewanne‘, gefüllt mit einem Zentimeter tiefen, übelriechenden Brachwasser, das ist alles, was ihnen gegönnt wurde. Ansonsten ist ihre Welt beherrscht von Gitterstäben, kein Hoffnungsschimmer weit und breit, sie verbringen ihr trostloses Dasein in einer feuchten Hölle auf Erden. Un- un- unfassbar; jetzt im strömenden Regen gibt es nicht einmal einen Unterstand, keinen Flecken trockener Fläche, einfach nichts. Man stelle sich vor, es gäbe tatsächlich einen Anbau, zwar nur winzig, aber dennoch groß genug, um beiden Unterschlupf vor der Witterung zu bieten, ein Dach über dem Kopf, aber dieser ist mit einem Gitter verschlossen, sodass sie ihn nicht nutzen können. Warum? Es gibt nur eine Theorie: in diesen Bereich wird man die Bären wohl drängen, wenn das Verlies geputzt werden muss; um zu verhindern, dass auch dahin Kot gelangt und man dann zusätzliche Arbeit (im Ausmaß von ein paar Minuten…) hat, verschließt man das Tor einfach, völlig gegenstandslos, dass die beiden damit jeder Witterung – im Sommer der sengenden Sonne, im Winter dem prasselnde Regen – völlig schutzlos ausgeliefert sind. Jahrein, Jahraus, ein bloßes Vegetieren auf kaltem und nassem Beton, Gift für die Knochen, Gift für die gebrochene Seele…
Bitte schreiben Sie an den Trip Advisor bitterböse Briefe, denn es ist eine furchtbare Schande, dass die Verantwortlichen die unverblühmte Frechheit besitzen, solche Plätze auch noch auszeichnen, für einen Besuch Werbung machen. Wir werden mit diesem Schritt die so furchtbaren Bärenhaltungen in Albanien nicht stoppen können, aber es muss ein erster Wink in die richtige Richtung sein! Solange es noch derartige Tierquälereien gibt, können wir im Tierschutz nicht von ‚Fortschritt‘ sprechen, solange können wir nicht durchatmen oder uns an anderen Bereichen erfreuen – die ‚Könige der Wälder‘ derarts menschlichem Wahnsinn auszuliefern, dass darf keine Sekunde länger toleriert oder geduldet werden. Tun wir es dennoch, werden wir unser Verhalten als bloßes Versagen in Erinnerung behalten; raubt nicht alleine der Gedanke an die Armen, die da völlig durchnässt keinen besseren Tag erwarten können, jeden Schlaf? Sie erreichen den ‚Trip Advisor‘ unter folgendem Link; geben Sie Ihre Meinung ab, nur so kann ein Umdenken passieren: https://www.tripadvisor.com/Restaurant_Review-g303166-d7813961-Reviews-Dea_Kompleksi_Turistik-Shkoder_Shkoder_County.html
Am späteren Nachmittag treffen wir nochmals Izabela und Dr. Piranaj zu einem umfassenden Gespräch. Das Reden über andere Problematiken lenkt wenigstens ein bisschen von der furchtbaren Realität der geschätzten rund 50 Käfigbären Albaniens ab, und Gutes soll daraus auch entstehen – vielleicht schaffen wir es, ‚ANIMALS NEED ME‘ etwas unter die Arme greifen zu können, denn was diese Menschen in einer solch tristen Umgebung zuwege bringen, sollte Ansporn für uns alle sein! Es zeigt eindrucksvoll, was denn alles möglich wären, mit viel gutem Willen und der Ausweitung der eigenen Grenzen hin zur Bereitschaft, alles zu unternehmen, um Tieren in Not beizustehen! Noch sind die auferlegten Aufgaben des Tages nicht erfüllt; der Abend wird genutzt, um in einem Spaziergang durch den Stadtteil ein bisschen etwas von der täglichen Mühe der lokalen TierschützerInnen mitzubekommen, sowie die Situation der Streunerhunde besser einschätzen zu können. Und es gibt, ich wiederhole mich, sehr viele davon. Allerdings, und das Faktum trägt doch riesige Hoffnung in sich, haben die angetroffenen Hunde zum überwiegenden Teil Ohrmarken, heißt, sie wurden im früheren Kampagnen eingefangen und kastriert. Nebenbei scheinen sie ihren einstigen Fängern nicht nur verziehen zu haben, nein, sie lieben sie regelrecht! Fast alle der Hunde sind namentlich bekannt, und sie reagieren mit Kuscheln und Schwanzwendeln auf unsere Zurufe, durch die Bank; welche Freude manche ausstrahlen, als sie ihre BeschützerInnen wieder treffen! Im Umfeld einer riesigen Moschee fahnden wir ebenfalls nach der ansässigen Population; diese hat leider begonnen den Platz zu verteidigen, was die Arbeit des Tierschutzes nicht einfacher macht – denn es häufen sich nun die Meldungen, wonach Menschen angebellt und im schlimmsten Falle zu verjagen versucht worden sind; besonders dann, wenn sich die Zweibeiner angstvoll verhalten und dann mit bösen Worten oder gar Gegenständen wie Regenschirmen drohen… Jetzt, da es in Shkoder geschafft wurde, die Behörden von der absoluten Inhumanität der früheren Tötungskampagnen zu überzeugen, wo seit einiger Zeit kein Hund mehr getötet wird, kann so etwas sehr schnell dazu beitragen, den Befürwortern – und solche gibt es genug – der Vernichtungsmaschinerie Wasser auf die eigentlich versiegenden Mühlen zu gießen… Heute sind fremde Hunde in der Gruppe; ein kleines sehr scheues Mädchen und ein größerer Junge, welche allerdings schwer gezeichnet ist. Einige Wunde sind am geplagten Körper ersichtlich, besonders ein tiefer Schnitt am Vorderfuß fällt ins Auge – was ihm passiert ist, wir werden es nie erfahren, aber ganz sicher ist er Opfer eines Gewaltaktes geworden. Izabela verliert keine Zeit; sie lockt den Scheuen heran, schafft es tatsächlich ihm sehr rasch ein Halsband umzulegen. Schnell ist die Leine daran befestigt und dann wird, trotz der bereits nächtlichen Stunde, ein junger Mann aus der Gruppe gerufen, der den Armen ohne Scheu hochhebt und in sein Auto verfrachtet. Er wird nun umgehend zu Dr. Piranaj gebracht, gesundgepflegt und kastriert! Sehr effektive Arbeit, daran gibt es nichts zu rütteln, und ein weiterer augenscheinlicher Beweis von der absolut unverzichtbaren Arbeit von ANIMALS NEED ME. Foto: das Team von ANM arbeitet schnell und effizient; der Verletzte ist eingefangen und wird zum Tierarzt gebracht! Der Tag beginnt erneut regenverhangen. In Fakt schüttet es einmal mehr, allerdings ist für unser heutiges Ziel weiter im Süden bessere Witterung angesagt. Erza hatte uns von einem besonders schlimmen Tiergarten erzählt, landesweit bekannt für seine erbärmliche Tierhaltung. Der kleine Zoo ist in privaten Händen, einmal mehr gekoppelt mit einem kleinen Restaurant; viele der dort beherbergten Tiere sind in den letzten Jahren ob der schrecklichen Bedingungen gestorben, aber immer noch soll es Löwen und Bären geben, welche in furchtbaren Verhältnissen vegetieren. Derartige Zeugnisse des menschlichen Irrweges, wir sehen es als unsere Pflicht, müssen dokumentiert, einer breiteren Masse bekannt gemacht werden; nur auf diesem Wege, mit den entsprechenden Protesten, können solche bedrückenden Zeitdokumente weithin bekannt und für alle Zukunft gebrandmarkt, letztendlich irgendwann einmal ausgelöscht sein. Fotos oben und unten: Impressionen aus Albanien
Foto: die Straßenverhältnisse in Albanien sind… oft mal ziemlich abenteuerlich! Sofort ist erkennbar: es wird eine psychologische Herausforderung, die uns nun erwartet. Tatsächlich sind viele der Käfige leer, zwei Bären zum Beispiel sind im letzten Winter – nach Aussage des Besitzers aufgrund der ungewöhnlichen Kälte – verstorben. Das Wolfsgehege, ein kaum 15 Quadratmeter großer Gitterwürfel mit einer betonierten Bodenplatte, ist ebenfalls leer – allerdings nicht wegen eines Todesfalles, die Insassen wären irgendwohin ‚zum Kreuzen‘, also zur speziellen Hybriden-Züchtung aus Wolf und Hund, gebracht worden. Derartige Mischlinge werden meist von der überall wirkenden Mafia zu illegalen Hundekämpfen missbraucht, höchst grausame Gewaltverbrechen an der tierlichen Natur… Es gibt einen Bären, gut 6 Jahre ist er alt; der Arme lebt in einem dreckigen Verlies, auf kaltem, nassen Beton, in einer Welt beherrscht von Schmerz und Leid. Es fehlt ihm ein Teil des Fußes, warum, erfragen wir; er wäre aus dem Wald gefangen worden, mit einer Schlagfalle, die Verletzung hätte die Verkrüppelung verursacht, kommt als ehrliche Antwort – kein Funke von schlechtem Gewissen ob dieser brutalen und herzzerreißenden Realität… Fotos: rechts unten: die linke Vorderpfote hat der Arme durch den Fallenfang verloren… Füttern dürfen wir nicht, wird uns jedenfalls so gesagt; dennoch hat Erza Karotten und Äpfel mitgebracht, und es stört den die ganze Zeit neben uns verweilenden Tierhalter dann nicht, als wir die Köstlichkeiten dem Bären reichen. Wie glücklich er sich über die hochwillkommene Abwechslung zeigt… Sein Wassernapf ist gähnend leer, obwohl der Wasserschlauch gleich neben seinem Gehege liegt. Wir füllen ihn natürlich auf, es ist leider das Einzige neben den Obst- und Gemüsegaben, was wir für den nach Erlösung flehenden Bären tun können… Sein ‚Gehege‘ ist völlig leer, nur verrostetes Eisen in Form einer Stiege, welche er ob seiner Behinderung ohnehin nicht steigen wird können, ist lieblos in den Wahnsinn platziert. Es gibt Nichts, woran sich der Blick festhalten könnte, nur gähnende Leere; gefangen in einer Stille, die bis in die Seele schmerzt. Zu essen hätte er genug, meint der Halter, es findet sich allerdings nur altes, zum Teil verschimmeltes Brot im Wahnsinn, der des Bären zu Hause ist. Zwei Äffchen stürzen sich ebenfalls vor Freude gurrend auf die mitgebrachten Leckerbissen. Es gibt in dem Gefängnis Ponys auf Betonboden in vollvergitterten Verschlägen, ebenso eine vor Leid ständig klagende Katze (!!!), einsam und alleine, nach Berührung flehend; und mehrere Hunde, nur die großen, ‚gefährlichen‘, wie Sarplaninac oder Kangals (Herdenschutzhunde), welche ebenso wie die Großtiere in Käfigen gehalten und einer gaffenden Menge ausgestellt sind. Einer zeigt Aggressionen, welche vom ‚Chef‘ mit Schlägen gegen das Gitter beantwortet werden. Rehwild, ein einzelnes Zebra, eine Antilope, in völlig amorphen Gehegen, meist fehlt sogar das Wasser. Keine Einstreu, keine Abwechslungsmöglichkeit, einfach nichts als bedrückende Leere, tödliche Langeweile, Existenzen gefangen auf feuchtnassen Betonböden. Und dann die Löwen; es sind drei an der Zahl, alle einzeln in gleichartigen Verliesen gesperrt. Nichts, aber auch gar nichts wird ihnen geboten, außer den bekannten Gittern und dem dreckigen Beton zu ihren Füßen. Vater und Sohn nebeneinander, der Jüngere mit entglittenen Gesichtszügen, wie ein Mensch nach einem schweren Schlaganfall. Was denn passiert wäre? ‚Den hab ich geschlagen‘, bekennt der Berserker ohne jegliches Anzeichen von Schuldbewusstsein. Ganz im Gegenteil ein überlegenes Lächeln umspielt nun sein unmenschliches Angesicht, ein Gesichtsausdruck, der jenen von Trophäenjägern gleicht, wenn sie über den leblosen Körpern ihrer Opfer knien. So also reagiert zu wenig Gehirn auf die Herausforderung, Herr über Leben und Tod spielen zu dürfen… Nur das bloße Heben der Hand des Peinigers verursacht ein entsetzliches Pfauchen und Knurren, als der auch noch eine Eisenstange, ähnlich einer solchen, die man als ‚Elefantendorn‘ bezeichnet, anfasst, schreckt das gebrochene Tier erneut sichtlich zusammen. Es scheint dem Mann Spaß zu machen den metallenen Stock zu benutzen, immer wieder greift er danach, nur um immer wieder dieselbe Reaktion, eine Mischung aus abgrundtiefen Hass und purem Entsetzen, beim Eingesperrten zu verursachen. Der geistig Minderbemittelte verspürt offenbar ein wahres Hochgefühl, wenn sich die Tiere ihm gegenüber als ängstlich, gar panisch erweisen. Wie oft muss er die Armen wohl geprügelt haben, von Kindesbeinen an, dass sie nun eine derartige Furcht vor ihm zu Tage legen. Doch, es gibt eine Gerechtigkeit, vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann wird auch ihn die Vergangenheit einholen – und die Barmherzigkeit, welche er den Gepeinigten stets vorenthalten hat, wird spätestens dann eine an ihm ebenfalls nicht angewandte sein… Im folgenden Youtube-Video von 2011, von den Betreibern selbst ins Netz gestellt, lässt sich die unfassbare Brutalität der Verantwortlichen ansatzweise erkennen; im zweiten Teil der Aufnahmen schlägt ein Mann immer wieder gegen den Löwenkäfig, um den ‚König der Tiere‘ wütend zu machen und ihn zu veranlassen, gegen die Käfigtür zu springen – dass diesem Verhalten System zugrunde liegt, wird klar, wenn man bedenkt, dass sich der Tierhalter bei unserem Besuch den Löwen gegenüber – voller Stolz – genau gleich verhalten hat! https://www.youtube.com/watch?v=DSPyfYObmfM
Tief betroffen und sichtlich geschockt verlassen wir die Stätte der Gewalt; ob wir etwas für die Eingekerkerten tun können? Wir werden sehen, an der Bemühung soll es nicht scheitern. Ein kurzes Durchatmen noch, dann geht es schnell nach Tirana; es ist mittlerweile bereits wieder 15 Uhr, so gilt es sich zu beeilen; um es kurz zu machen, im ‚zoologischen Garten‘, ein Ort, der diese Bezeichnung keinesfalls und auch nicht in seiner bloß geringst möglichen Form verdient, wiederholt sich derselbe Wahnsinn, den wir schon die letzten Tage über mehrmals bezeugen mussten. Wölfe in kahlen Zwingern, groß genug, um nicht mehr als drei schnelle Schritte vor und zurück machen zu können; es gibt eine einfache Metall-Palette ohne jegliche weiche Unterlage zum Liegen, sonst wurde auf alles vergessen, was das Leben für die Tiere vielleicht wenigstens ein bisschen angenehmer hätten machen können. Keine Versteckmöglichkeit, kein Rückzugsgebiet, keine Beschäftigungsmöglichkeit. Lebende Tote, so bewegen sich die wunderschönen Tiere in stereotypen Verhaltensweisen vom Gitteranfang zum Gitterende, hin und zurück, ohne Unterlass. Zeit ist ihr größter Feind geworden, denn jede Sekunde in diesem Gefängnis muss längst zur Tortur geworden sein, viel schlimmer noch als der Tod; stellen Sie sich vor, seit 18 Jahren ‚lebt‘ der größere Wolf hier, 18 Jahre, drei Schritte vor, drei zurück. Ablenkung bietet nur das kurzfristige Hinlegen, für wenige Sekunden, dann beginnt der immer gleiche Bewegungsablauf auf von neuem…
Zwei kleine Bären sind im nächsten Gehege; selbiges Bild, die beiden fast noch Babys, der Mutter viel zu früh entrissen (diese wurde sehr wahrscheinlich erschossen und steht jetzt als starre Trophäe im Haus ihres Mörders); die Tierkindern saugen an unseren Händen, schlecken mit der Zunge über menschliche Haut, stundenlang könnten sie das tun… ihre Zukunft – ja, sie haben eine solche – sieht allerdings, genau wie jene der Bärin im folgenden Abteil, etwas besser aus, ist mit einen Hoffnungsschimmer versehen; alle drei wurden nämlich aus ‚schlechten‘ Haltungen (also noch schlechteren wie jene hier…) beschlagnahmt, sie warten auf ihre Papiere und dürfen dann irgendwohin ins Ausland, vielleicht sogar in Bärenparks. Zwei weitere Bären, Alttiere, sind in einem Gehege am Ende des seltsamen Tiergartens; der Weg führt an künstlich angelegten Seen vorbei, die mit allerlei Wasservögel versehen wurden; zerfallende (dem Himmel sei Dank), furchtbare Zwinger stehen an den Seiten, vom Rost zerfressen; endlich, endlich leer. Hoffentlich werden die nie restauriert und wiederbesetzt, das ist das Einzige, was uns im Augenblick beschäftigt. Dort an der Seite liegt ein Stierbulle (Bild oben rechts); der erlangte vor gar nicht allzu langer Zeit – vielleicht haben sie darüber gelesen – gar traurige Berühmtheit, weil er trotz der Warnung vieler tierlieber Menschen mit einem Pferd zusammengesperrt worden war. Ob der so tristen Gefangenschaft zermürbt, aggressiv, hatte er die Stute schließlich angegriffen, dabei schwerst verletzt. Die Gedärme hingen aus der fürchterlichen Wunde zu Boden, und die Bitten einiger Menschen, welche die Tragödie bezeugt hatten, vielen nicht auf fruchtbaren Boden. Tatsächlich wurde auf das sterbende Tier vergessen, es wurde in seinem Schmerz völlig alleine gelassen – einen ganzen Tag lang, so hören wir, wurde rein gar nichts unternommen, kam nicht einmal ein Tierarzt hinzu. Am Morgen lag das Pferd tot in der Box und wurde wie Müll entfernt. Artgerecht???? Die beiden alten Bären in der hintersten Ecke sind jetzt bereits in den Gefängnissen innerhalb ihres Gefängnisses eingesperrt; das passiert jeden Tag um 16 Uhr, erzählt der Wärter. Wie diese ‚Schlafkojen‘ aussehen, wir dürfen sie nicht sehen. Das Gehege für den Tag ist aber wenigstens größer bemessen wie jene in der Front des entsetzlichen Ortes – der Zoo von Tirana ist in einer Liste ‚der schlechtesten Zoos der Welt‘ in einem Youtube-Video auf Nummer 5 gereiht – eine kleine künstliche Berglandschaft enthält wenigstens so etwas wie Höhlen, dazu gibt es ein nicht ganz kleines Wasserbecken – welches dann aber, fast erwartungsgemäß, mit bereits grünem Wasser (einige Zentimeter hoch) gefüllt ist…
Wir sitzen nach der Rückkehr nach Shkodar noch eine Stunde zusammen, um gegen Mitternacht müde und gedankenverloren in unsere Betten zu fallen. Fotos: post-kommunistischer Charme oder einfach nur Vergänglichkeit? Schnell sind wir raus aus der Stadt; dann durchqueren wir das Inland, wunderschön, doch leider trübt der allgegenwärtige Abfall sowie der noch überall spürbare Niedergang der kommunistischen Ära doch sehr den Eindruck. Besser wird es, als die Straße anzusteigen beginnt; bald sind wir gefangen in einer wunderbaren Berglandschaft, der Sonnenschein und die gute Luft tun ihr übriges, um die trüben Gedanken schnell in die Vergessenheit zu drängen. Unvorhergesehen wird die Straße nun immer schmaler, die Serpentinen in und um die Berge bieten einen spektakulären, nahezu schwindelerregenden Ausblick in die unterhalb liegenden Landschaften. Tatsächlich sind wir zu diesem frühen Zeitpunkt schon sehr froh, uns im Vorfeld entschieden zu haben, die Rundfahrt über die Bergstrecke zu beginnen und die spätere Rückfahrt auf der gemächlicheren, ausgebauten Route anzugehen. Denn in der Dämmerung oder gar des Nachts wäre es gewiss eine ganz andere Sache, diesen Weg überhaupt zu bewältigen. Bei Gegenverkehr, und dem Himmel sei Dank gibt es diesen fast nicht, muss man oft gefährlich knapp an den Rand des gebrochenen Asphaltbandes ausweichen, dort, wo das Bankett weich und bröckelig ist und wo Dutzende Grabsteine zur besonderen Vorsicht mahnen.
Endlos ziehen sich die Serpentinen, und kaum glaubt man, das Schlimmste wäre nun geschafft, tut sich ein neuer Bergweg auf, immer und immer wieder. Urplötzlich liegt dann auch mal ein riesiger Steinbrocken auf der Fahrbahn, manches Mal ist eine Spur sogar völlig vom Geröll zugeschüttet, ein anderes Mal ist die Straße aufgerissen, und man setzt den Weg die folgenden hunderte Meter auf matschiger, schlaglochüberfüllter Schlammpiste fort. All die Stunden, die wir nun verbringen, sehen wir kaum Häuser, nur ganz wenige Ortschaften sind angesiedelt. Wenn eine auftaucht, dann ist sie gezeichnet vom Verfall; genau wie die alten Bunker, Albanien ist dafür weithin bekannt, rosten von den Elementen zerrissene Fabriken vor sich hin, die wenigen noch bewohnten Häuser wirken wie aus vergangenen Jahrhunderten übriggeblieben. Eine größere Ansiedlung durchqueren wir, legen einen kurzen Zwischenstopp ein; hier dürfte ein Knotenpunkt liegen, jedenfalls sind am Dorfplatz mehrere größere und kleinere Busse geparkt, die die Menschen wohl zu Arbeitsstätten oder zu weit entfernten Punkten bringen werden. Eine kleine Kuhherde kreuzt unseren Weg; die Tiere sehen großartig aus, ursprünglich und vor Kraft und Würde strotzend. Es kostet uns nahezu fünf Stunden, bis wir endlich auf eine größere und breitere Straße treffen; noch immer ist das Land wunderschön, allerdings künden die Flussränder von naher Zivilisation – unfassbare Menge an Abfall sind angespült, Plastikreste bleiben in den Büschen hängen, selbst die höheren Bäume sind bis zur Hälfte, wohl als Tribut an vergangenes Hochwasser, zugemüllt. Endlich erreichen wir die Grenze zum Kosovo; auch dort werden wir sehr freundlich empfangen, die Zollbeamten sprechen Großteils Deutsch! So unterhalten wir uns eine Weile, müssen 15 Euro für eine extra Versicherung bezahlen und dürfen dann ins Land. Schnell wird klar, hier gibt es ebenfalls große Probleme mit Armut, nicht anders hätten wir es vermutet. Auch die Mengen an Müll werden nicht weniger, ganz im Gegenteil. Und, kaum einige hunderte Meter sind wir im Landesinneren, als wir schon die ersten Straßenhunde sehen – eine Hundemamma mit vier Welpen, welche neben dem Verkehrsweg wohl auf von Autofahrern weggeworfene Nahrungsreste hofft. Wir parken unser Mobil, haben wir doch noch einige Säcke Futter im Wagen! Unfassbar süß sind sowohl Mutter als auch die Babys, eines davon ein bisschen frecher, die anderen drei sehr scheu. So legen wir das Begehrte an mehreren Stellen aus, und schon erscheinen noch weitere Hunde aus dem Nichts… Endlich erreichen wir eine mittelgroße Stadt; dort parken wir den Van und erkunden die Gegend zu Fuß. Augenfällig ist die Tatsache, dass es sehr viele Metzgereien gibt; es scheint, als ob jede fünfte Auslage mit Tierkörpern versehen wäre, leblose Fleischklumpen an dicken Haken. Auch Hunde finden sich viele, sehr viele, allerdings sind etliche davon kastriert, was die Ohrmarken beweisen! Später sollen wir erfahren, im Kosova wurde ein Gesetz verabschiedet, dass einen entscheidenden Schritt gegen die Straßentier-Problematik setzen wird! Wir werden später nochmals darüber berichten. Ein kleiner Fluss quert das Stadtinnere; auch seine Ränder sehen höchst erbärmlich aus; mehrere Roma-Männer durchwühlen den Abfall nach verwertbaren Stoffen wie Metallbüchsen oder Plastik, für welche Recycling-Firmen ein paar Cent zahlen werden.
Leider, gefangen in den mannigfaltigen Impressionen, müssen wir uns nun aber langsam zum Auto zurückbewegen, haben wir doch noch die weite Strecke zurück nach Albanien vor uns; tatsächlich haben wir die Fahrtdauer aufgrund der eigentlich überschaubaren Straßenkilometern unterschätzt, die tatsächliche Dauer nicht wirklich gut bemessen. Beim Springer angekommen, scheint uns eine allerliebste Hündin geradewegs zu erwarten. Sofort bekommt sie Futter, dann schmiegt sie sich hingebungsvoll an uns – wenn man doch alle mitnehmen könnte… Fotos: neben spektakulären Landschaften springen den BesucherInnen leider auch die großen Mengen an wild entsorgtem Müll im Land sofort ins Auge; links unten: direkt neben der Autobahn hat jemand einen Abfallberg angezündet, ungeachtet der Tatsache, dass der gesamte Hochgeschwindigkeitsverkehrsweg damit über Stunden in Rauch gehüllt ist… Die Landeswährung im Kosovo, Sie werden es aber bestimmt wissen, ist der Euro; so tanken wir den Wagen schnell voll, der Sprit wesentlich günstiger als in Albanien, und dann hat uns die Straße wieder! Kurzum: es war ein spannender Tag, trotz der ungewohnten Situationen wie beispielsweise der an vielen Stellen fast zu spektakulären Bergstraße, hat sich die Fahrt dennoch vollends gelohnt; wir haben Neues entdeckt und Erfahrungen gesammelt, konnten einen ersten Eindruck von der Straßentiersituation in einem bis dahin uns unbekannten Land erhalten und nebenbei einigen Hunden einen vollen Magen verschaffen… Der Weg zurück führt, angesichts des so ärmlichen Zustand des Landes etwas überraschend, über eine wohl ziemlich neue, fast schlaglochfreie Autobahn, die uns schnell und ohne Probleme zuerst durch den Zoll und dann wieder hinein nach Albanien bringt. Foto: Tiertransport… Was bei unseren Reisen nie fehlen darf: ein Protest gegen das Töten von Straßentieren – in Albanien zwar gesetzlich verboten, aber dennoch, so hören wir immer wieder, passiert das Unvorstellbare ständig; so macht Gevatter Tod erneut an einer stark befahrenen Bundesstraße viele Menschen auf die Problematik aufmerksam… Es sollte gegen 9 Uhr abends sein, als wir Shkodar erreichen; wie schön, Erza und Karl laden uns noch auf ein Abendessen bei sich zu Hause ein, und weil danach noch viel Arbeit übrig ist, wird es wieder weit nach Mitternacht, bis wir übermüdet in die Betten fallen! Heute ist der Abreisetag zur ersten Etappe. Die Nacht war eine recht kurze gewesen, und frühmorgens läutet uns der Wecker unsanft aus den Betten; bisher hatten wir alleine aus Zeitnot immer auf das Frühstück verzichtet, im Preis von 7,50 Euro pro Nacht inbegriffen, aber nun, in Anbetracht der langen Fahrt, möchten wir doch noch eine kleine Kräftigung zu uns nehmen. Alleine, die ‚veganen‘ Frühstücksbäckerei, sie ist dann doch nicht vegan, und so starten wir wieder wie sonst immer in den Tag – leicht hungrig und gleich mit Arbeit! Erza ist nämlich schon da, wir hatten ausgemacht, morgens noch ein Radiointerview für unser Radio RespekTiere aufzunehmen; davor ist schnell ein Newsletter geschrieben und dann gehören die nächsten 30 Minuten alleine der Hundeproblematik Albaniens! In der Zwischenzeit ist auch der so nette Karl zum Goodbye-Sagen gekommen, gemeinsam begeben wir uns ins nahe Kaffeehaus, wo uns Izabela und Dr. Piranaj bereits erwarten. Aus der geplanten Stunde werden selbstredend zwei, doch dann gilt es endgültig Abschied nehmen – wir drücken uns schnell, versprechen ein Wiedersehen und schon sitzen wir im orangen Sprinter. Im Rückspiegel sehen wir die Liebgewonnen nachwinken, es sind wahrhaft großartige Menschen hier… Foto: v.l.n.r.; Klausi, Karl, Tom, Erza, Izabela, Mia, Dr. Piranaj Ach ja, und den verletzten Straßenhund, welchen wir die Tage zuvor aufgelesen hatten, der ist bereits operiert und seine Verletzungen sind bestens versorgt; zudem, die kleine Hündin, welche bei ihm war, sie ist inzwischen ebenfalls von Izabelas Team eingefangen und in die Klinik gebracht worden – sehr effizient, was das Team schafft, einfach super! Am Weg aus der Stadt wird uns ein letztes Mal die Misere des Landes so richtig bewusst; es geht vorbei an Romasiedlungen, ein angeschirrtes Pferd steht einsam am Straßenrand, es sieht furchtbar aus. Völlig abgemagert, jeder Knochen sichtbar, reagiert es kaum auf die netten Worte. Der Wagen ist bereits festgezurrt, bald wird sein unfassbar schwerer Arbeitstag beginnen. Auf das tierliche Befinden, auf seine Schmerzen, auf seine körperliche Verfassung, niemand wird darauf Rücksicht nehmen. Heute nicht, morgen nicht, und übermorgen nicht – bis zu seinem Ableben wird es wenig Güte erfahren, und das Wort ‚Gnade‘ in keinster Weise erfassen – was ‚Menschlichkeit‘ bedeutet, eine blosse Worthülse, mit der es so gar keine Assoziationen verbinden wird können; nur ‚Schande‘, die muss ihm ein Begriff sein, denn ‚Schande‘, das ist bestimmt die Bezeichnung für das Menschsein unter den Vierbeinigen…
Zur Grenze nach Bosnien wird der Ausblick nochmals abenteuerlicher. Atemberaubend, das ist das richtige Wort! Tatsächlich bin ich verführt in wahren Superlativen von dem zu berichten, was sich vor unseren Augen auftut! Immer höher rauf geht es ins Gebirgen, die Straßenränder zeigen Spuren von Schnee, das Thermometer bewegt sich stetig nach unten. Die Bora, der eisige Wind, der die sibirische Kälte mit sich bringt, bläst so stark, dass wir das Transparent für die noch anstehende kleine Kundgebung kaum halten können. Vorbeifahrende AutofahrerInnen hupen, ob zur Zustimmung, wir hoffen es – natürlich könnte der Grund aber auch ganz ein anderer sein. Bevor man den Übertritt nach Bosnien erreicht, bewegt man sich in schwindelerregender Höhe; nun tut sich ein hochalpines Panorama auf, von seiner feinsten Seite. Tatsächlich erinnert der Ausblick an das majestätische Himalayagebirge, schroffe Steilwände, felsige Berge, schneebedeckte Gipfel; irgendwo, ganz unten am Tal, schlängelt sich ein Fluss wie eine silberblaue Schlange durch Schluchten und Landeinschnitte – die deutsche Sprache, oder besser mein rhetorisches Talent, reichen nicht uns, um die unfassbare Schönheit der Gegend auch nur halbwegs treffend zu beschreiben. Das Jetzt und Hier, und ich habe lange Reisen in meinem Leben unternommen welche mich an die verschiedensten Plätze geführt hatten, ist wohl einer der imposantesten, erhabensten und mächtigsten Orte der Welt, verzaubernd, horizonterweiternd; wer an jenem Punkt steht und den Blick schweifen lässt, der oder die fühlt die Unendlichkeit, erhält einen Einblick in das Paradies… Noch ist die Straße gut, relativ breit, und wir kommen zügig vorwärts; das ändert sich aber schnell, bald führt die Abzweigung nach links, und dann finden wir uns einmal mehr im Albtraum jedes Autofahrers wieder! Ein schmaler Weg, es Straße zu nennen wäre wohl zu viel des Guten, führt durch einsame Dörfer, völlig abgelegen vom Strom der Zeit. Dem Verfall preisgegeben, stemmen sich die Steinmauern dennoch tapfer gegen das Unvermeidliche. Wieder geht es hoch hinauf. Keine Absperrung, keine Begrenzung zur Seite hin, direkt neben den nach Halt suchenden Rädern geht es steil hinunter. So steil, dass erneut mehrere Grabsteine mahnen, sehr, sehr vorsichtig zu sein! Irgendwo im Tal ist ein breites Gewässer sichtbar; obwohl der Boden völlig unbewohnt ist – sehr untypisch für ein derart breites Tal, das doch beste Voraussetzungen für Bebauung bieten müsste (sollte man meinen) – ist der Fluss eingekerkert in Beton, über dutzende Kilometer hinweg künstlich geführt. Letztendlich ergießt er sich in einen See, ebenfalls mit grauem Steinwerk beufert. Schrecklich ist der Anblick, der Natur die Seele beraubt. Wir befinden uns nun übrigens in der Republika Srpska, der ‚Serbischen Republik‘ Bosniens. Das Land mit den schwierigen politischen Verhältnissen ist ja ein geteiltes, aber während die andere Entität, die Föderation Bosnien/Herzegowina, den Zusammenhalt lebt, präsentiert sich die Situation hier gänzlich anders. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Verfassung, wie zum Hohn ist das Land Rot-blau-weiß gefärbt, in den Farben Serbiens getaucht, wohl eine echte Provukation. Überall wehen dessen Fahnen im Wind, jede längere Steinmauern ist derart bestrichen. Keine einzige Flagge Bosniens ist sichtbar, selbst wenn sie jemand hissen würde wollen, ich meine, er oder sie würde es nicht wagen, nicht wagen können. Repressionen wären die unweigerliche Folge, Gewaltausbrüche. Ich möchte an dieser Stelle keinesfalls politisch werden, das ist nicht unsere Sache und für solche Einschätzungen gibt es wahrlich klügere Köpfe – nebenbei haben wir genug zu tun im Tierrecht, ist unsere Meinung hierfür wohl entbehrlich – aber die Situation lässt die Unüberbrückbarkeit der ethnischen Trennung erahnen; stellen Sie sich vor, die Burschenschaften in Österreich hätten ihre eigenen mehr oder weniger autonomen Gebiete, könnten dort ihre Neigungen ausleben, ihre Affinität zur Deutschtümelei öffentlich zur Schau stellen. Stellen Sie sich vor, sie würden also inmitten der Republik ihre eigenen Fahnen hochziehen, wie selbstverständlich, und dabei ständig polternd am Zusammenhalt der Nation rütteln – ich würde sie, als rot-weiß-roter Patriot, der ich nun mal bin, dafür wohl zutiefst verachten. Zieht man solch persönliche Gefühlsregungen ins Kalkül, man mag verstehen, wie sich die Spannungen aufbauen und nach einem Ventil suchen… Endlich, endlich, endlich, nach mehrstündiger Fahrt im wirklichen Nirgendwo, dort, wo kaum jemand Landesfremder wohl noch einen Schritt gesetzt hat, mündet der Weg in eine etwas breitete Straße, geht schließlich in eine, welche die derartige Bezeichnung ansatzweise verdient, über… Nun ist es nicht mehr weit zur kroatischen Grenze, die passieren wir auch schnell, aber zu früh gefreut: bereits nach wenigen Kilometern stehen wir erneut vor dem Grenzbalken und wieder geht es hinein nach Bosnien… dieses Mal allerdings nur kurz, dann flattert auch schon wieder der kroatischen Banner an den Gebäuden. Nun ist auch die Autobahn nicht mehr weit, und als wir die erreicht haben, gilt es durchzuatmen! Allerdings weht nun heftiger Wind, so heftig, dass selbst unser mehr als 2 Tonnen-Wagen durchgerüttelt wird und schwer in der Spur zu halten ist. Eine Erschwernis, welche uns die folgenden 300 Kilometer begleitet…. Foto: eine von den Elementen gezeichnete Tierfabrik im Nirgendwo; gleich dahinter sind aber leider bereits wieder neue Hallen aufgebaut… Dann haben wir unser Nachtziel erreicht, um ca. 22 Uhr – die Insel Vir, wo wir erneut in Snjezanas kleinem Apartment nächtigen werden. Die Kälte hat selbst das sonnenverwöhnte Vir fest im Griff; wieder ist der Himmel sternenklar, die Temperatur fällt auf unter null Grad. Ob der Feuchte, welche das nahe Meer verbreitet, fühlt sich diese allerdings bedeutend kälter an, und so schmiegen wir uns in ein halbes Dutzend Decken, die Klimaanlage hat längst w/o gegeben…und so frieren wir trotz der vielen Stoffschichten! Der nächste Morgen beginnt mit Sonnenschein; dennoch erwärmen wir uns nur schwer, und fast mühevoll entern wir den Sprinter zum finalen Teil der langen Hilfsfahrt. Es geht nun tatsächlich heimwärts! Gut 40 Kilometer haben wir nun auf Landesstraßen zurückzulegen; ein toter Dachs, von einem Auto erfasst, liegt blutend neben dem Verkehrsweg. Ich erinnere mich, an fast genau derselben Stelle hatten wir schon einmal den Tod eines dieser wunderschönen Tiere bedauern müssen. Dann geht es endlich auf die Autobahn; rund 600 Kilometer trennen uns von der Heimat, 600 Kilometer, die wir nun im Eiltempo zurücklegen möchten. Allerdings, die Bora, der sibirische Wind, bläst nun einmal mehr mit aller Kraft; Überkopf-Displays auf der Autobahn verlangen eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h, nach der man sich dann auch gerne und tunlichst hält. Die Serpentinen hinauf auf den Pass bringen wir dennoch schnell hinter uns, aber die Überraschung folgt auf den Fuß – jener lange Tunnel, wo der überliegende Berg wohl eine Wetterscheide darstellt, bringt uns wieder in den echten Winter zurück, denn als wir sein Portal verlassen, ist die Landschaft urplötzlich in tiefes Weiß getaucht! Fast schmerzt der Anblick in den Augen, die Pracht dürfte des Nachts gefallen sein, frisch und unverbraucht. Räumfahrzeuge haben einen guten Job gemacht, die müden Einsatzfahrer sind noch immer unterwegs. Fast einen Meter hoch türmt sich der Schnee außerhalb der Leitplanken, wunderschön anzusehen, doch die Fahrbahnverhältnisse sind dementsprechend mit Vorsicht zu betrachten. Eine kroatische Zivilstreife überholt uns mit Blaulicht, verlangt, dass wir hinter ihr auf einen Parkplatz einfahren. Eine Kontrolle folgt, und als wir unser vergangenes Reiseziel, Albanien, benennen, verdüstern sich die Mienen der Beamten. ‚Do you have something illegal in the car?‘, hören wir; ja, später stellt sich heraus, sehr viele Drogen werden aus dem Balkan nach Mitteleuropa gebracht, deshalb wohl die etwas seltsame Formulierung. Nach einer kurzen Untersuchung können wir den Weg unbehelligt fortsetzen; die Frage, die uns dennoch in den Köpfen brennt, ist jene: wer bitte würde auf eine solche Ansage mit ‚ja‘ antworten? Das letzte Stück Kroatiens bereisen wir einmal mehr über Landstraßen; wir möchten die teure slowenische Maut sparen, und so geht es in eine winterliche Wunderlandschaft, geprägt von einer kürzlich gefallenen großen Schneemenge. Die Berge hier sind wunderschön, so viel steht fest; und auch der Teil Sloweniens ist atemberaubend, aus der Hinterlandperspektive gesehen umso mehr! Die Grenzkontrolle ist eine flüchtige, der Übertritt nach Österreich ein spektakulärer, zumindest umwelttechnisch gesehen: die mächtige Bergwelt der Karawanken um den Loiblpass in 1368 Metern Höhe führt uns nach Kärnten, schroffen Felsformationen, getaucht in Schnee begleiten unsere Fahrt, unterbrochen von gefrorenen Wasserfällen. Nach einer guten Stunde inklusive einer kurzen Pause erreichen wir die Tauernautobahn; in Richtung Salzburg verlassen wir den Highway nicht mehr, nehmen die mautpflichtige Abkürzung durch den Tunnel, zu müde sind wir heute, um die Pässe am Tauern und am Katschberg über die Serpentinen zu bewältigen. Gegen 20.30 abends erreichen wir das zu Hause, nach einer erneut fast 12-stündigen Autofahrt. Müde sind wir, doch voller Tatendrang – den Bären muss geholfen werden, den Löwen in den Käfigen, den Straßenhunden sowieso; es bleibt keine Zeit zum Rasten, packen wir es an: morgen schon, doch für das Heute, da genießen wir seit langem wieder die Wärme des Ofens und die über den Kopf gezogene Decke des eigenen Bettes!!!! Bitte klicken Sie die Homepages der albanischen HundehelferInnen um Izabela und Erza an; informieren Sie sich eingehend über die Problematik und unterstützen sie die Bestrebungen der TierretterInnen direkt! Die Straßenhunde Albaniens brauchen Ihre Unterstützung, gar keine Frage! Auch die Käfigbären werden uns noch weiter beschäftigen, das ist ein ganz großes Versprechen – welches wir, wenn Sie diese Zeilen lesen, dann schon zum Teil eigehalten haben werden!
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