Skandal? Ja! denn, Bio und Ketten – wie passt das zusammen???

Da haben uns wieder brisante Bilder erreicht… es geht dabei um einen Bio-Rinder-Betrieb, der ganz idyllisch an den Ausläufen des mächtigen Tennengebirges in über 700 Metern Seehöhe liegt; hier könnten die oft so wirklichkeitsfremd anmutenden AMA-Spots gedreht werden, eine wahrhaft fantastische Natur umgibt das Paradies auf Erden. Auf dem ersten Blick sieht auch der Hof vor uns ganz nach besagter Bauernhofromantik aus, wo bestimmt mit viel Mühen und Entbehrungen – nicht zuletzt aufgrund der exponierten Lage auf steilen Hängen – dem Umfeld das benötigte Grünfutter für die Tiere mit werbetauglichen Schwielen an den Händen abgetrotzt wird.
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Foto oben: alles Bio? Na dann!!!
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Der Bauer ist bestimmt ein guter Mann, hart arbeitend und das Beste aus der Situation machend; so nutzt er angeblich auch eben diese Hänge in seinem Besitz für ein Zusatzeinkommen: die tief verschneite Steile ist zum Anziehungspunkt für Familien geworden, Familien, die oft dutzende Kilometer Fahrt auf sich nehmen, nur um mit ihren Kids den Berg mit dem Schlitten hinunterzurutschen. Dafür präpariert der Landwirt einen Parkplatz, so wird es erzählt, schaufelt diesen mit seinem Traktor vom Schnee frei, und für 3 Euro kann man dort dann sein Auto direkt neben dem Freizeitvergnügen stehen lassen. Das Handgeld hat er sich redlich verdient, gar keine Frage.
 
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Andererseits, all das darf dann aber doch kein Grund sein, flexible Gesetzestexte eigen auszulegen, dann auf Kosten der im Stall angeketteten Kühe. Denn genau das ist hier der Fall; noch dazu auf beiden Seiten fixiert – vorne den Kopf von metallenen Gliedern umwickelt, hinten den Schanz mit einem Seil hochgebunden – leben die Rinder zumindest im Winter in der Triste.
Was sagt der Gesetzgeber? Halten Sie sich fest: Anbindehaltung ist im Bio-Bereich zwar grundsätzlich IMMER verboten – wenn, ja wenn wir hier nicht in Österreich wären; denn fast selbstredend gibt es wieder eine Ausnahme. Nämlich dann, wenn die Landwirtschaft unter die ‚Kleinbetriebsregelung‘ fällt, was heißt, es gibt an jenem Ort maximal 35 Rinder in einer Milch- oder Mutterkuhlandwirtschaft oder maximal 20, wenn nur eine ‚Kategorie‘ vorhaden ist, zum Beispiel bei einer Kalbinnenaufzucht…
Ist das nicht wirklich unfassbar? Als wenn das Leid des Einzelnen einen Unterschied machen würde zum Leiden der Masse! Als wenn das Individuum bei 20 Tiere an der Kette weniger leiden würden als wenn selbige Tortur dann 40 oder 50 betrifft! Wer mag’s verstehen? Nebenbei, eigentlich würde man es doch eher umgekehrt erwarten, je weniger Tiere, desto einfacher und wahrscheinlicher deren halbwegs ‚artgerechte‘ Unterbringung? Wie man sich doch täuschen kann!
 
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Achtung!!! Apropos ‚Kleinbetrieb‘! Ein solcher ist es dann, wie wir gelesen haben, bei bis zu 35 Rindern. Wissen Sie aber, und das ist in dem Zusammenhang schon recht interessant, dass der durchschnittliche Bestand (inklusive der konventionell geführten!) österreichischen Milchbetrieb bei 26 Kühen liegt??? In Salzburg gar bei ca. 15? Dass der 35-Tiere-Wert dann also weit über dem Durchschnitt angesiedelt wurde, was andersum wieder bedeutet, bis auf die ganz großen Betriebe dürfen diese Regelung dann wohl eh die allermeisten Bio-Bauern in Anspruch nehmen? Was in weiterer Folge einen dunklen Schatten auf ‚Bio‘ wirft, weil es einfach den Schluss zulässt, dass die Bio-Milch, die Sie im Supermarkt kaufen – sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit – von Kühen, die zumindest im Winter zuallermeist an Ketten gehalten werden, stammen kann?!
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Foto oben: ein bisschen zu viel an Kette für einen Bio-Betrieb, finden Sie nicht?
Weiters findet sich ein interessanter Zusatz zum Gesetz im ‚Merkblatt der Landwirtschaftskammer Niederösterreich‘; hier lesen wir zur Thematik:Kleinbetriebsregelung Für kleine Betriebe besteht die Möglichkeit, auch als Bio-Betrieb zeitweise Anbindehaltung zu betreiben, sofern – die Betriebsgröße maximal 35 Rinder-GVE (Milch- oder Mutterkuhbetrieb) oder 20 Rinder-GVE (wenn nur eine Tierkategorie vorhanden ist, z.B. Kalbinnenaufzucht) beträgt, – die Rinder während der Weidezeit Zugang zu Weideland haben, – die Rinder mindestens zwei Mal in der Woche Zugang zu Freigelände haben, wenn das Weiden nicht möglich ist. Auch wenn im Sommer geweidet wird, muss im Winter mindestens zwei Mal in der Woche Auslauf angeboten werden. Also, fest steht jedenfalls, dass im gezeigten Betrieb der Zugang zum Freigelände den Rindern jetzt im Winter mit allergrößter Wahrscheinlichkeit versagt bleibt. Zum einen handelt es sich bei der Umgebung wie gesagt um eine mehr oder weniger steile Hanglage, wo dann bei Schnee ein solcher selbstredend nicht stattfinden wird, eigentlich ob der Gefahr des Abrutschens usw. gar nicht stattfinden kann. Auf den wenigen flachen Ebenen gibt es aber auch keinerlei umzäuntes Gelände, weder Spuren von Kühen noch irgendwelche hierfür geräumten Flächen, ja, ganz und gar keine Hinweise auf eine eventuelle zeitweise Freilaufmöglichkeit. Wir gehen deshalb mit Bestimmtheit davon aus, dass der Freilauf in der kalten Jahreszeit ein ausgesetzter ist. Was dann schon ein echtes Vergehen darstellen muss und keinesfalls als ‚Kavaliersdelikt‘ durchgehen kann. Tatsächlich wäre es nämlich, bestätigen sich die Vorwürfe – vielmehr ein waschechter Betrug an jenen KundInnen, die ‚Bio‘ kaufen und dafür wesentlich mehr Geld bezahlen als für ‚herkömmliche‘ Produkte; denn wo ist hier, stellt sich der Tatbestand als gegeben heraus, zumindest im Winter der Unterschied zur konventionellen Haltung???
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Wir wollten wissen, was ‚unser‘ Experte schlechthin, Professor Dr. Rudolf Winkelmayer, zu der Sachlage rund um die ‚Kleinbetriebsvorschriften‘ meint; der ehemalige (Vorzeige-)Amtsveterinär fasst das eigentlich Unfassbare dann in zwei beispiellosen Sätzen zusammen:Kettenhaltung ist und bleibt unnötige Tierquälerei – in dem Falle also Quälerei ohne vernünftigem Grund, denn die bloße Größe eines Betriebes kann ja wohl nicht als vernünftiger Grund für das Quälen von Tieren herangezogen werden! Dem gibt es wohl nichts mehr hinzuzufügen!
Foto unten: auch das passt so ganz und gar nicht: Kalb in der Einzelhaltung!
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RespekTiere hat jetzt eine Anfrage an eine Parlamentsabgeordnete gestellt. Wir werden, so viel steht fest, rechtlich gegen solch willkürliche Bestimmungen vorgehen – das Leid der Kühe an den Ketten muss endlich beendet werden! Egal, ob nun im Bio-Bereich oder im konventionelle. Schande bleibt Schande, auch wenn sie durch Worte oder imaginäre Freilaufsversprechen geschönt ist! Aber gerade im Bio-Betrieb kommt dann auch noch der Aspekt der Kundentäuschung hinzu; Bio bedeutet übrigens, Sie wissen es, ‚Leben‘. Was für ein Leben ist es aber, welches man an der Kette verbringen muss?
Wenn dann auch noch die diesbezüglichen Vorschriften derart biegsam gestaltet werden, wäschst sich der Tatbestand sogar noch größer aus er durch die bloße – verzeihen Sie den Ausdruck, aber es fällt uns kein passenderes Wort hierfür ein – Verarschung zahlender Kundschaft schon gegeben wäre; dann ist es ein echter Skandal, der nach einer sofortigen gesetzlichen Intervention geradezu schreit!
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Fazit: es ist kein Skandal, dass der  bewertete Landwirt seine Kühe an der Kette hält, weil gesetzlich erlaubt; ein Skandal ist aber die Regelung selbst, welche derartiges überhaupt nur zulässt! Ein bodenloser sogar, eine infame KundInnentäuschung, ein echter Eklat, der furchtbar wütend macht! Tut er das? Mit den Worten von Billa und Co: Ja, natürlich!
Achtung, Achtung! Es läuft die Eintragungswoche für das Tierschutzvolksbegehren!
Unterschriften werden vom 18. bis 25. Jänner in jedem Gemeindeamt, unabhängig von der Wohnadresse sowie online via Handysignatur oder Bürgerkarte entgegengenommen.
Hinweis in eigener Sache: auch wenn für viele von uns die Forderungen des Volksbegehrens als ‚zu soft‘ wahrgenommen werden und manche Aussagen der Betreiber aus Tierschutzsicht zumindest ‚verwirrend‘ erscheinen mögen (zum Beispiel möchten sich ohne jede Frage TierschützerInnen von der indirekten Werbung für manche Fleisch- oder Milchbetriebe dann doch ganz eindeutig distanziert wissen, so etwas sollte in einem Ansinnen für die Tiere keinen Platz haben dürfen), so zeigt doch wenigstens jede Stimme, die hierfür abgegeben wird, der Politik ganz eindeutig, dass sich die Menchen einen anderen Umgang mit den Tieren wünschen! Und sei es nicht zuletzt nur darum, genau deshalb zählt Ihre Unterschrift!
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