Es riecht nach Skandal – Bio Austria empfiehlt: ‚Antrag zur Kettenhaltung rechtzeitig stellen!‘

Eigentlich ist es eine echte Schande, dass es in Österreich möglich ist, Kühe selbst unter dem Bio-Gütesiegel an Ketten zu halten. Vor kurzem waren wir mit einem derartigen Fall konfrontiert, sind dabei erstmals auf diese Problematik überhaupt gestoßen. Weil der Verstand ein solches Szenarium aber wohl von vornherein ausschließt, kommt man ja gar nicht auf die Idee, dass etwas derart Tierquäerisches  wie Kettenhaltung im Bio-Bereich sogar Gang und Gäbe sein dürfte!
Heute sind wir klüger; sogenannten ‚Kleinbetrieben‘, also jene, die unter 35 Kühe beherbergen, ist zumindest die zeitweilige Anbindehaltung wohl erlaubt – zum Beispiel den ganzen Winter über! Das Gesetz sagt zwar, dass sie dann dennoch mindestens 2mal die Woche Zugang zum Freien haben müssen, aber einmal mehr – wer bitte soll so etwas kontrollieren? Besonders dann, wenn es nicht einmal eine dementsprechende Aufzeichnungspflicht für den Tierhalter gibt!!! Überhaupt nur erst seit heuer ist die Anbindehaltung genehmigungspflichtig; was aber ohnehin, wie wir gleich feststellen werden, nur pro forma ist. Denn die benötigte Erlaubnis erhält jedermann/frau wie selbstverständlich!
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Foto oben: Bio-Rinder in Ketten; kann das irgendjemand verstehen???
Das Tüpfelchen auf dem i stellt jetzt jene Empfehlung der Bio Austria in ihrem Journal dar; mit der fetten Überschrift ‚Antrag rechtzeitig stellen!‘  wird den Bauern empfohlen, entsprechende Formulare zeitgerecht abzugeben. Die Stellungnahme legt zudem sehr nahe, dass mit dem Thema ‚Kettenhaltung‘ auch im Bio-Bereich wie selbstverständlich umgegangen wird. Wie kommt ein Bio-Betrieb aber überhaupt nur dazu, Kühe an engen Ketten zu halten, ist die Frage. Dazu gilt folgendes (wir haben erst kürzlich darüber geschrieben, wiederholen den Sachverhalt aber aufgrund seiner Tragweite gerne nochmals): Anbindehaltung ist im Bio-Bereich zwar grundsätzlich IMMER verboten – wenn, ja wenn wir hier nicht in Österreich wären; denn fast selbstredend gibt es wieder eine Ausnahme. Nämlich dann, wenn die Landwirtschaft unter die ‚Kleinbetriebsregelung‘ fällt, was heißt, es gibt an jenem Ort maximal 35 Rinder in einer Milch- oder Mutterkuhlandwirtschaft oder maximal 20, wenn nur eine ‚Kategorie‘ vorhanden ist, zum Beispiel bei einer Kalbinnenaufzucht…
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Foto: ein Bio-Stall im Salzburger Umland; wo ist da der große Unterschied zur konventionellen Haltung?
Ist das nicht wirklich unfassbar? Als wenn das Leid des Einzelnen einen Unterschied machen würde zum Leiden in der Masse! Als wenn das Individuum bei 20 Tiere an der Kette weniger leiden würden als wenn selbige Tortur dann 40 oder 50 betrifft! Wer mag’s verstehen? Nebenbei, eigentlich würde man es doch eher umgekehrt erwarten, je weniger Tiere, desto einfacher und wahrscheinlicher deren halbwegs ‚artgerechte‘ Unterbringung? Wie man sich doch täuschen kann! Apropos ‚Kleinbetrieb‘! Ein solcher ist es dann, wie wir gelesen haben, bei bis zu 35 Rindern. Wissen Sie aber, und das ist in dem Zusammenhang schon recht interessant, dass der durchschnittliche Bestand (inklusive der konventionell geführten!) österreichischen Milchbetrieb bei 26 Kühen liegt??? In Salzburg gar bei ca. 15? Dass der 35-Tiere-Wert dann also weit über dem Durchschnitt angesiedelt wurde, was andersum wieder bedeutet, bis auf die ganz großen Betriebe dürfen diese Regelung dann wohl eh die allermeisten Bio-Bauern in Anspruch nehmen? Was in weiterer Folge einen dunklen Schatten auf ‚Bio‘ wirft, weil es einfach den Schluss zulässt, dass die Bio-Milch, die Sie im Supermarkt kaufen – sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit – von Kühen, die zumindest im Winter zuallermeist an Ketten gehalten werden, stammen kann?!
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Foto: ‚konventioneller‘ Stall in OÖ; trotz Verbot der Kettenhaltung ist diese andererseits doch weiterhin großzügig erlaubt – Kuriosum ‚made in Austria’… unten: noch immer weit verbreitet: Kälber an der Kette!
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Ausnahmegenehmigungen, welche im konventionellen Bereich die Anbindehaltung ohne weiters ermöglichen, gibt es ebenfalls viele. Ganz viele sogar. Fakt ist: Österreich besitzt eigentlich eines der besten Tierschutzgesetze weltweit. Auch im Falle der Kühe gibt es eindeutige Regelungen, welche ein Mindestmaß von Lebensfreude für die Tiere garantieren sollen; so ist dort, anders als in den Vorlagen der meisten Staaten der Welt, im §16 Punkt 4 schwarz auf weiß festgehalten, dass Kühen an zumindest 90 Tagen im Jahr ein Weidegang gewährt werden muss. Gut, das wäre zumindest ein, wenn auch – seien wir ehrlich – kaum überprüfbarer, Anfang! Aber wir wären nicht in Österreich, würde es nicht auch noch einen Zusatz zum Gesetz geben, einen Passus, welcher alles Vorangegangene postwendend ins Absurde zu führen vermag. Dieser Passus ist in seiner Anmaßung ganz sicher einzigartig, raubt bei näherer Betrachtung beinahe die Luft zum Atmen, erfüllt den/die LeserIn mit Fassungslosigkeit; ‚…soweit dem nicht zwingende rechtliche oder technische Gründe entgegenstehen‘, steht da nämlich geschrieben. Und jetzt halten Sie sich fest, es kommt tatsächlich noch schlimmer, denn was der Gesetzgeber als ‚zwingende rechtliche oder technische Gründe anführt, entbehrt wohl jeglichem Verständnis – das ‚Nichtvorhandensein von geeigneten Weideflächen‘ wird da propagiert, oder die ‚baulichen Gegebenheiten am Betrieb‘ und den ‚Sicherheitsaspekt für Menschen und Tiere, insbesondere beim Ein- und Austreiben der Tiere‘ werden angegeben. Tatsächlich, es klingt wie ein Scherz, ist aber traurige Realität: wenn der Bauer oder die Bäuerin nun angibt, sie hätte Aufgrund vonwasweißichauchimmer ANGST vor den eigenen Tieren (beispielweise aufgrund von Gehbehinderungen, Hüftleiden, Arthrose, Kniebeschwerden…), ist alleine dies ein Grund dafür, völlig unbürokratisch in den Genuss der Ausnahmeregelung zu kommen. Ist es nicht einfach nur unfassbar? Fazit: hier verhält es sich wie bei jenen Formulierungen, welche das Einleitende im zweiten Satzteil mit einem ‚aber‘ versehen und somit alles davor Gesagte nicht nur relativieren, sondern, viel weitreichender, völlig aussetzen. Tatsächlich, hierzu benötigt es keine Gesetzbücher und keine Richter, der bloße Hausverstand sagt es uns mit aller Deutlichkeit, jeder dieser drei Punkte für sich gebietet wohl nur einen zulässigen Schluss: nämlich den, und Sie werden uns jetzt ganz bestimmt zustimmen, die Haltung von Tieren an solchen Plätzen gar nicht erst zuzulassen, sondern sie ausnahmslos zu verbieten!!!!!
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Dass nun aber auch die Bio Austria im nahezu identen Fahrwasser steuert, ist umso enttäuschender, ja, zermürbender.
So sollen, laut BA, die Anträge ‚noch vor Ende März‘ abgegeben werden, damit es im Falle einer AMA-Kontrolle zu keinen Sanktionen kommt‘.
Den LandwirtInnen wird also ein entsprechendes Formular mit genauem Wortlaut vorgegeben, in 2 Minuten ausfüllbar, ganz so, als ob sie von sich aus völlig unfähig wären, den eigenen Antrag entsprechend zu begründen. Mündel von Raiffeisen und Co, und genau so werden sie auch behandelt. Ein Vorgehen dann aber auch, welches ganz klar zeigt und beweist – dementsprechenden Bitten der Landwirte wird wohl zu nahezu 100 % nachgekommen; denn die Behörden werden nicht ein Dokument Vor-Formulieren, und dann selbiges nach dem Ausfüllen ablehnen (ein identes ‚Service‘ bieten natürlich auch die Landesbauernkammern für ihr Klientel an)… auch die Bio Austria nicht, und einmal mehr stellt sich wohl die Frage: würde sie das Thema auch derart offen mit eventuellen KundInnen besprechen? Warum erfährt man im normalen nichts von einer Anbindehaltung von Kühen, warum sieht man im Fernsehen immer nur totale Idylle, wo die Wahrheit doch nicht einmal in der Mitte, sondern weit …konventionell davon liegt…
Jedenfalls: Kettenhaltung bei Bio-Rindern ist eine Kundentäuschung par excellence; nicht mehr und nicht weniger!
Befremdlich in dem Zusammenhang ist auch folgende Begebenheit: am 19. Jänner richteten wir eine – wie wir finden – doch freundliche, aber entsprechend dringliche Anfrage zum Thema an die Nationalratsabgeordnete der Grünen, Dipl. Ing. Olga Voglauer; Frau Dipl. Ing. ist selbst Biobäuerin und zudem in ihrer Partei für die Landwirtschaft zuständig. Die richtige Ansprechpartnerin wohl. Jedenfalls, wir schrieben damals:

Sehr geehrte Frau Abgeordnete!
Wunderschönen guten Abend!
Ich hoffe es geht Ihnen ganz ausgezeichnet und Sie erfeuen sich bester Gesundheit!
Mein Name ist Tom Putzgruber, ich bin vom Verein RespekTiere. Bitte entschuldigen Sie, ich muss Sie heute mit einer Frage in Beschlag nehmen. Es geht um einen Landwirten, der seit den frühen 90er-Jahren das Bio-Label führt, aber zumindest im Winter seine Kühe an Ketten hält. Alleine, soweit ich die Bio-Regelungen verstehe, darf er das auch, zumindest zweitweilig, weil seine Landwirtschaft wohl unter die ‚Kleinbetriebsregelung‘ fällt. Allerdings, es gibt dann auch keinen Auslauf, und der müsste doch ohne Ausnahme und in jedem Fall zweimal die Woche zur Verfügung stehen.
Wie dem auch sei, die Frage stellt sich: warum darf man überhaupt als Bio-Kleinbetrieb Kettenhaltung durchführen? Ist das nicht gegen jede Vorstellung, die KundIn über das Label hat? Einige könnten das als Kundentäuschung sehen, und nicht zu unrecht. Wie erklärt es sich weiters, dass man die Kette bei vielen Tiere nicht verwenden darf, bei wenigen jedoch schon? Leiden die dann weniger darunter, nur weil ihre Anzahl im Stall eine geringere ist? Wohl kaum!
Ich bin sehr gespannt was Sie dazu sagen! Ich liegt mir fern zu beurteilen, aber wie kommt der Gesetzgeber überhaupt auf solche Regelungen? Ganz bestimmt liegt ein solches Vorgehen nicht im Interesse der KosumentInnen, die doch bereit sind, extra wegen ‚Bio‘ mehr Geld für ihre Lebensmittel auszugeben.
mit den besten Grüßen
alles, alles liebe und bleiben Sie gesund
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Foto: vorne Kette, hinten der Schwanz hochgebunden – trotz Bio!
Raten Sie mal, was als Antwort kam? Richtig, genau nichts! Jetzt, ganze 5 Wochen nach dem Absenden, haben wir auch die Hoffnung aufgegeben, je eine solche zu erhalten. Aber was sagt uns die Affäre? Dass jene politische Bewegung, welche einst als Synonym für den Tierschutz galt, längst abgedriftet ist vom Weg. Wenn ‚VolksvertreterInnen‘ nämlich nicht mehr das Volk vertreten, ihnen die Wünsche und Anregungen desselben scheinbar egal sind, sie zumindest keine Sekunde Mühe in einen eventuellen Austausch investieren, dann ist die Zeit reif für eine Neuüberdenkung das Sachlage. Es ist zumindest für uns schon ziemlich empörend, dass auf ein solches Schreiben nicht einmal geantwortet wird. Selbst ein ‚Interessiert mich nicht‘ wäre da 1000mal besser; so bleibt der fatale Beigeschmack der Überheblichkeit, der Abgehobenheit und der längsten Entfernung von dem, für was wir als WählerInnen jemanden in den Nationalrat wählen. Fazit: als Menschenrechtspartei haben die Grünen letztlich jämmerlich versagt, als Tierschutzpartei sind sie am besten Weg dorthin; einzig eine Handvoll HoffnungsträgerInnen – wie zum Beispiel ein Tom Waitz oder die AktivistInnen rund um Cosma Stöger und ihrem ‚Grünen Tierschutzforum‘ – rechtfertigen die in die Partei gesteckten diesbezüglichen Erwartungen und halten den ‚grünen Atem‘ somit (noch) am Leben. Solange an der Parteispitze nicht dramatische Änderungen vollzogen werden, könnte man meinen, eine Stimme für diese Partei aus jenen Gründen wäre durchaus eine verlorene Stimme. Ist dem so? Entscheiden Sie!
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