Rumänische Albträume – von menschlichen Abgründen und unfassbarem Tierleid!

Dies hier ist eine jener Geschichten, welche erzählt werden müssen. Und zwar in ihrem ganzen Kontext, einfach darum, weil es eine solche ist, die die menschlichen Abgründe aufzeigt wie kaum eine andere. Die uns erinnert daran, dass das Böse mitten in und unter uns weilt, und das es bekämpft werden muss. Dass die noch immer in weiten Teilen der Welt vorhandene Ohnmacht gegenüber Jenen, welche unfassbare Gewalt gegen Mitgeschöpfe ausüben und die in ihrem Tun nicht daran gehindert werden können, alleine, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen völlig unzureichend sind, fortwährend existiert. Einfach, weil die Gesellschaft selbst im 3. Jahrtausend versagt an den Zeichen der Zeit. Genau darum muss Derartiges veröffentlicht sein, um den künftigen Generationen als warnendes Beispiel zu dienen, wie wichtig ist es, den Mitgeschöpfen endlich, endlich umfassende Rechte zuzuerkennen. Sie zu beschützen vor der Willkür von Menschen, welche am Umgang mit ihnen aus der Geschichte nichts gelernt haben! Denn nur darin besteht im Moment die Hoffnung: Im Intellekt unserer Nachkommen. Die mehr Verständnis aufweisen müssen, aufweisen werden, mehr Menschlichkeit, mehr Aufmerksamkeit. Sie, und ich glaube fest daran, sind jene, welche einst die Bestie in uns endgültig zum Erliegen gebracht haben werden. Sie sind die, welche die Ohnmacht besiegen, die selbst noch nach so vielen Jahrhunderten fortwährend und bleiern über dem Horizont der Humanität liegt.

Rumaenische Albtraeume 6

Foto oben: Boomer, wie wir ihn aufgefunden hatten! Er stürzte sich sofort auf das mitgebrachte Essen, sein Leben gestaltete sich auf gefrorenem Boden und gefrorenen Maiskolben, die wohl einst für das Pferd im Stall gedacht waren…

Mit zitternden Händen klopfe ich die folgenden Zeilen in die Tastatur. In der Hoffnung, dass das Geschriebene die Dringlichkeit des Einsatzes für die Tiere untermauert. Des Einsatzes von uns allen, des Einsatzes unserer Gesellschaft im Gesamten. Denn nur zusammen können wir den Wahnsinn gegenüber den Mitgeschöpfen ausmerzen. Darin liegt die Hoffnung – auf jeden und jeder von uns!!! Ich bitte Sie also innigst zuzuhören:

Gerade eben haben wir die kleine Caritas-Zentrum am Fuße der Karpaten besucht. Das RespekTiere-Mobil wird uns nun zum nächsten Einsatzort bringen. Noch einen Halt in der von den Elementen zerfressenen Ansiedlung gilt es allerdings zu absolvieren; an einem Platz dann, wo wir seit vielen Jahren regelmäßig stoppen – nur, um denselben danach immer und ohne Ausnahme tief bedrückt wieder zu verlassen. Wir wissen vom absoluten Gefühlsgau im vornherein, dennoch vollführen wir wieder und wieder jenen so bedrückenden Schritt: Es geht um das Gehöft des Mannes, wo wir einst –Gott mag ihn selig haben – den wunderbaren Boomer von seiner Kette und Misere befreien konnten. Erinnert Ihr Euch noch? Es war die traurigste Geschichte des Jahres, ein Schicksal wie es zwar tausende solche im Karpatenland gibt – das aber, wenn es in der direktest möglichen Form, so unmittelbar vor den eigenen Augen, passiert, dennoch herzzerreißend bis ins Abscheulichste ist. Einen Gewöhnungseffekt gibt es dabei nicht; ganz im Gegenteil. Denn je älter man wird, desto mehr die Last des Gesehenen die Schultern beugt, desto schwerer belasten derlei Dinge die Seele. Jedenfalls, Boomer lebte dort im verdreckten und verfallendem Stall, an kürzester Kette, am gefrorenen Boden, in den eigenen Fäkalien. Vor leerer Futterschüssel, vor leerer Wasserschüssel.

Rumaenische Albtraeume 4

Der Tierhalter mag, nein, er wird ebenfalls nur ein Opfer seiner Vergangenheit sein, seiner Erfahrungen und seiner Gene. Im Angesicht der Tragödie ist dies aber nur eine Ausrede, kann der Gedanke nicht wirklich greifen. Spinnt man ihn nämlich weiter, dann dürfte überhaupt nie jemand für seine oder ihre Tagen zur Verantwortung gezogen werden. Solche Überlegungen wären deshalb wohl zu vereinfacht, und sie dennoch geltend zu machen, kann daher bloß als ein weiterer Schlag ins Gesicht deren sein, die ihm da auf Strich und Faden ausgeliefert. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, ungeachtet seiner eigenen Geschichte, die Lehren aus dem eigenen Leben zu ziehen und das Richtige zu tun. Wenn dies aber nie und nimmer passiert, dann hält sich das Mitgefühl bald in Grenzen. Barmherzigkeit und Nächstenliebe, beides Werte, auf die man wohl nur dann bauen und von anderen erwarten darf, wenn man sie selbst lebt. Zumindest ansatzweise. „Schlägt Dich jemand auf die eine Backe, dann halte ihm auch die andere hin „, ja, Jesus mag recht haben, im Angesicht dessen, was wir hier regelmäßig beobachen müssen, fällt der Weisheit letzter Schluss jedoch gnadenlos schwer…

Rumaenische Albtraeume 3
Rumaenische Albtraeume 5

Foto unten: Boomer nach seiner Befreiung, nachdem er in Rumänien bei unseren Mitstreiterinnen liebevoll aufgepäppelt worden war; er fand ein endgültiges und wunderbares neues zu Hause bei der Pfotenhilfe in Lochen (www.pfotenhilfe.org), wo er aber leider viel zu früh an den Folgen einer Krebserkrankung starb…

Rumaenische Albtraeume 1 1

Vor seiner Befreiung und Übersiedlung nach Österreich versprach uns sein Halter keine Hunde mehr in solche Situationen zu bringen. Nur deswegen gaben wir ihm Geld für Boomer. Ein Freikauf – der einzige, so betonten wir – der Boomer wenigstens noch ein paar gute Jahre gewähren und künftiges Tierleid durch das Versprechen verhindern sollte. Alleine, es kam anders. Denn Besagter hielt sich nicht an die Vereinbarung. Im Gegenteil, er tut das Unaussprechliche wieder und wieder. Zuletzt war es ein Bodercollie gewesen, sowie ein kleiner schwarzer Hund. Übrigens, das Pferd, mit welchem der Tierquäler sein Einkommen bestreitet – mit dem Armen holt er Holz aus den Wäldern – es lebte damals im selben Stall wie Boomer, so tief im eigenen Mist, dass es mit dem Kopf beinahe die Stalldecke berührte.

Rumaenische Albtraeume 9

Foto: Kann, darf man jemanden beurteilen, der selbst in einer derartigen Misere lebt? Auch wir sind gefordert, über die eigenen Maßstäbe nachzudenken; ist es nicht einer unserer Motto-Sätze, der da sagt: Urteile erst über einen Menschen, nachdem Du eine Meile in seinen Schuhen gegangen bist?! Manchmal fällt es allerdings so besonders schwer, doch noch an das Gute zu glauben.

Das Tor zum Hof ist heute offen; zunächst scheint niemand zu Hause zu sein und so gehen wir einfach geradewegs in den Verschlag. Schon am Zaun entlang ist erneut ein Hund an einem Kabel (!!!) festgebunden, ängstlich wedelnd erwartet er uns. Und dann sehen wir einen weiteren Vierbeiner – ein Riese, bestimmt 80 kg schwer, ein Hütehund. An einer Kette, welche ihm kaum das Niederlegen erlaubt, so kurz ist sie. Der Große bellt tief, aber nicht unfreundlich. Ja, und im selben Augenblick, wo man in seine Augen blickt, erkennt man darin alles Unglück dieser Welt.

Rumaenische Albtraeume 7

Jetzt ist auch der Tierhalter aufmerksam geworden; er kommt aus dem gegenüberliegenden Gasthaus, wahrscheinlich schon jetzt, zur frühen Stunde, betrunken – wie wohl an den meisten Tagen der Woche. Der Mann ist überrascht uns auf seinem Grundstück zu sehen, jedoch, da wir stets Hundefutter und Pferdesachen bringen, empfängt er uns dennoch freundlich. So auch heute; es sei gesagt, nur aus diesem einen Grund sind wir hier, weil wir seinen Tieren helfen möchten. Zumindest für ein paar Tage wenigstens deren Versorgung zu garantieren. Alles andere hatten wir probiert, die Abnahme der Tiere durch die rumänische Behörde, Bestrafung des Täters, und wenn nur durch die Dorfgemeinschaft. Das Problem allerdings, das Delikt wird in der Umgebung nicht als solches erkannt. Und was tun, wenn die gesamte Nachbarschaft ebenso die Augen verschließt? Wenn sie, sobald sie von der Katastrophe hört, zum „Businnes as usual“ übergeht, in einer Ansiedlung, wo nicht nur der Mut, sondern auch gleich die ganze Hoffnung längst mitbegraben ist?!

Die Hunde fürchten sich vor dem Mann nicht, was als das einzig gute Anzeichen angesehen werden kann. Der Große springt ihn sogar an, fast freudig. Natürlich, er weiß wohl gar nicht, wie anderes seine Welt sein könnte, sein müsste…

Rumaenische Albtraeume 18

Drinnen im Stall gibt es noch einen dritten Hund, ebenfalls an der Kette. An der extrem kurzen. Auch der ist über jede Streicheleinheit hoch erfreut, drückt sich an uns, will gar nicht mehr von der Seite weichen.

Der Boden ist von Ekrementen übersät; offensichtlich, nicht nur von tierlichen, hier dürfte auch „Mensch“ aus Mangel an Sanitäranlagen seine Notdurft erledigen…

Es sei nochmals gesagt, auch wenn das so manche vielleicht nicht verstehen: Es gibt natürlich auch Mitleid mit der Situation des Menschen hier, der von seiner Ausstrahlung, von seinem Gehabe, so ein schlechter nicht sein wird. Er ist offen, kontaktfreudig, ganz bestimmt alles andere als dumm – aber es fehlt ihm ganz augenscheinlich an jeglichem Verständnis für die ihm so hilflos Ausgelieferten. Bestimmt erfasst er die Situation nicht im vollen Ausmaß, und sehr wahrscheinlich ist es ihm – gefangen in der eigenen Monotonie, Triste, in der puren Armut – nicht bewusst, was er den Seinen da antut. Allerdings, Armut kann keine Rechtfertigung für Tierquälerei sein, und eine eigene, aussichtslose Lage könnte, ja müsste, doch vielmehr Ansporn sein, für andere, die absolut gar nichts dafür können, völlig unschuldig an den Bedingungen sind, das Herz sogar noch im vermehrten Ausmaß zu öffnen. Dazu bräuchte er nur die Ketten zu entfernen, neimand stößt sich hier an freilaufenden Hunden. Zudem, der Mann könnte ja auch einfach das Tor schließen, wenn er nicht da ist. Hühner, Kaninchen, das Pferd, allesamt könnten sie sich frei im Innenhof bewegen. Hierfür gibt es keien Ausrede, und hierfür würde kein Cent an Geld benötigt.

Rumaenische Albtraeume 12

Die Gans am Hof sitzt in einem Schlammloch, fast ohne Bewegung. Sie schnaubt nur kurz, als wir vorbeigehen; ansonsten wirkt sie in der Triste des Moments gefangen, genau wie alles andere Leben ringsum. Ein Kaninchen beispielsweise, welches im kleinsten Vogelkäfig sitzt. Oder das Huhn bei einem der letzten Besuche, das in einer alten vergammelten, hab geschlossenen Kühltruhe lebte.

Der Mann öffnet eine Tür zu einem weiteren, winzigen Raum. Dort steht das Pferd, ob es noch immer dasselbe ist, wir wissen es nicht. Jedenfalls, sein Arbeitstier, seine einzige Hoffnung auf ein besseres Leben – wie sonst wohl kann er Geld verdienen – aber dennoch im körpergroßen Verschlag; im eigenen Mist, der es wie zuletzt fast bis zur Decke hochschiebt.

Die gemachten Fotos zeigen den Wahnsinn nicht wirklich, im Gegenteil sie wirken in Anbetracht des Wahnwitzes nahezu idyllisch. Weil man mit dem Bild die tatsächliche Atmosphäre nicht einfangen kann, die hier wie kaum sonst wo in der Welt spürbar und erdrückend ist… unfassbar, was dieser eine Mensch seinen Mitgeschöpfen antut! Aber wie ist dem beizukommen? In der Ortschaft scheint er gefürchtet, als Schläger, dem seine Frau und die Tochter irgendwohin nach Österreich entfliehen konnte. Seit damals erzählt er uns bei jedem Besuch, er würde im nächsten Monat aufbrechen nach „Tu felix Austria“ und die beiden zurückbringen. Wenn nötig, an den Haaren gezerrt. In deren Albträumen wird der Berserker (zudem ihn der Alkohol macht) erscheinen, so viel wage ich hier zu behaupten. Möge sich die Spur der Frauen längst verloren haben, möge er nicht einmal verblassende Abdrücke wiederfinden…

Rumaenische Albtraeume 8
Rumaenische Albtraeume 4 1
Rumaenische Albtraeume 24 1
Rumaenische Albtraeume 19
Rumaenische Albtraeume 11

Fotos: Das Pferd steht bis fast zur Decke im Mist, die Gans beinahe regenungslos im Schlamm, die Hühner in der alten Gefriertruhe, die nur einen Spalt geöffnet war, die Hunde an der kurzen Kette. Der tägliche Wahnsinn im kleinen Dorf, und niemand kann etwas dagegen unternehmen… vielleicht nun doch!

Rumaenische Albtraeume 7 1
ee3da151 ff8a 42e1 8bd5 63d558d9b1f4

Wie wir den Hunden helfen können, wir wissen es nicht. Nimmt man die drei wieder mit, gewiss, er würde sie ganz sicher für 200 oder 300 Euro hergeben, wären sie aus der tödlichen Umklammerung gerettet; aber damit überträgt man die Misere nur auf die nächsten, welche so sicher wie das Amen im Gebet nur einen Tag später an selber Stelle sich wiederfinden würden. Da auch das Gesetz nicht mehr hergibt, die Hunde von der Seite keine Hilfe zu erwarten haben, müssen wohl oder übel wir über eine endgültige Lösung nachdenken. Mit all deren zu erwartenden Konsequenzen.

Für den Augenblick bleibt uns aber nur die Sicherstellung, dass die Hunde das Futter erhalten. Dann verlassen wir den Ort, fast wortlos. Ein schlechtes Gewissen wird beim Hundehalter dennoch nicht aufkomme. Und wenn, dann ertrinkt dieses wohl im nächsten Schluck aus der Flasche…

Rumaenische Albtraeume 21
Rumaenische Albtraeume 15

Es ist still auf der Weiterfahrt, das Leise nur unterbrochen von gelegentlichen Wutanfällen. Wie kann ein Mensch in seiner Ignoranz derart über das Leben anderer bestimmen, noch dazu in einer Form, welche für die Betroffenen die Hölle auf Erden zur Wirklichkeit werden lässt. Deren Pforten im Irdischen öffnet.

Rumaenische Albtraeume 13
Rumaenische Albtraeume 10
Rumaenische Albtraeume 5 2
Nach oben scrollen